198. Die Politik und die Wirtschaft neigen dazu, sich in Sachen Armut und Umweltzerstörung gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Was man jedoch erwartet, ist, dass sie ihre eigenen Fehler erkennen und Formen des Zusammenwirkens finden, die auf das Gemeinwohl ausgerichtet sind. Während die einen nur verzweifelt nach wirtschaftlicher Rendite streben und die anderen nur besessen darauf sind, die Macht zu bewahren oder zu steigern, haben wir als Ergebnis Kriege oder unlautere Vereinbarungen, bei denen es beiden Teilen am wenigsten darum geht, die Umwelt zu schützen und für die Schwächsten zu sorgen. Auch hier gilt: „Die Einheit steht über dem Konflikt.“ [140]
V. DIE RELIGIONEN IM DIALOG MIT DEN WISSENSCHAFTEN
199. Man kann nicht behaupten, dass die empirischen Wissenschaften das Leben, die Verflechtung aller Geschöpfe und das Ganze der Wirklichkeit völlig erklären. Das hieße, ihre engen methodologischen Grenzen ungebührlich zu überschreiten. Wenn man in diesem geschlossenen Rahmen denkt, verschwinden das ästhetische Empfinden, die Poesie und sogar die Fähigkeit der Vernunft, den Sinn und den Zweck der Dinge zu erkennen. [141] Ich möchte daran erinnern, dass „die klassischen religiösen Texte für alle Zeiten von Bedeutung sein können und eine motivierende Kraft besitzen, die immer neue Horizonte öffnet […] Ist es vernünftig und intelligent, sie in die Verborgenheit zu verbannen, nur weil sie im Kontext einer religiösen Überzeugung entstanden sind?“ [142] Eigentlich ist es naiv zu meinen, die ethischen Grundsätze könnten völlig abstrakt und aus ihrem gesamten Kontext herausgelöst dargelegt werden; die Tatsache, dass sie in einer religiösen Sprache erscheinen, mindert in keiner Weise ihren Wert in der öffentlichen Debatte. Die ethischen Grundsätze, die der Verstand wahrzunehmen vermag, können immer wieder in einem anderen Gewand auftreten und in verschiedenen Sprachen ausgedrückt werden, einschließlich der religiösen.
200. Andererseits wird jede technische Lösung, die die Wissenschaften beisteuern wollen, machtlos sein, die schweren Probleme der Welt zu lösen, wenn die Menschheit von ihrem Kurs abkommt, wenn die großen Beweggründe, die das Zusammenleben, das Opfer und die Güte möglich machen, in Vergessenheit geraten. In jedem Fall wird man an die Glaubenden appellieren müssen, in Übereinstimmung mit ihrem Glauben zu leben und ihm nicht mit ihrem Tun zu widersprechen; man wird sie ermahnen müssen, sich wieder der Gnade Gottes zu öffnen und zutiefst aus den eigenen Überzeugungen von Liebe, Gerechtigkeit und Frieden zu schöpfen. Wenn ein falsches Verständnis unserer eigenen Grundsätze uns auch manchmal dazu geführt hat, die schlechte Behandlung der Natur oder die despotische Herrschaft des Menschen über die Schöpfung oder die Kriege, die Ungerechtigkeit und die Gewalt zu rechtfertigen, können wir Glaubenden erkennen, dass wir auf diese Weise dem Schatz an Weisheit, den wir hätten hüten müssen, untreu gewesen sind. Oftmals haben die kulturellen Grenzen verschiedener Zeiten dieses Bewusstsein des eigenen ethischen und geistlichen Erbes beeinträchtigt, doch gerade der Rückgriff auf dessen Quellen gestattet den Religionen, besser auf die gegenwärtigen Bedürfnisse zu reagieren.
201. Der größte Teil der Bewohner des Planeten bezeichnet sich als Glaubende, und das müsste die Religionen veranlassen, einen Dialog miteinander aufzunehmen, der auf die Schonung der Natur, die Verteidigung der Armen und den Aufbau eines Netzes der gegenseitigen Achtung und der Geschwisterlichkeit ausgerichtet ist. Dringend ist auch ein Dialog unter den Wissenschaften selbst, denn jede von ihnen pflegt sich in die Grenzen ihrer eigenen Sprache zurückzuziehen, und die Spezialisierung neigt dazu, sich in Abschottung und in eine Verabsolutierung des eigenen Wissens zu verwandeln. Das verhindert, die Umweltprobleme in geeigneter Weise anzugehen. Ebenfalls wird ein offener und freundlicher Dialog zwischen den verschiedenen Ökologiebewegungen notwendig, wo es nicht an ideologischen Kämpfen fehlt. Die Schwere der ökologischen Krise verlangt von uns allen, an das Gemeinwohl zu denken und auf einem Weg des Dialogs voranzugehen, der Geduld, Askese und Großherzigkeit erfordert, immer eingedenk des Grundsatzes: „Die Wirklichkeit steht über der Idee.“ [143]
SECHSTES KAPITEL
ÖKOLOGISCHE ERZIEHUNG UND SPIRITUALITÄT
202. Viele Dinge müssen ihren Lauf neu orientieren, vor allem aber muss die Menschheit sich ändern. Es fehlt das Bewusstsein des gemeinsamen Ursprungs, einer wechselseitigen Zugehörigkeit und einer von allen geteilten Zukunft. Dieses Grundbewusstsein würde die Entwicklung neuer Überzeugungen, Verhaltensweisen und Lebensformen erlauben. So zeichnet sich eine große kulturelle, spirituelle und erzieherische Herausforderung ab, die langwierige Regenerationsprozesse beinhalten wird.
I. AUF EINEN ANDEREN LEBENSSTIL SETZEN
203. Da der Markt dazu neigt, einen unwiderstehlichen Konsum-Mechanismus zu schaffen, um seine Produkte abzusetzen, versinken die Menschen schließlich in einem Strudel von unnötigen Anschaffungen und Ausgaben. Der zwanghafte Konsumismus ist das subjektive Spiegelbild des techno-ökonomischen Paradigmas. Es geschieht das, worauf schon Romano Guardini hingewiesen hat: Der Mensch „nimmt […] Gebrauchsdinge und Lebensformen an, wie sie ihm von der rationalen Planung und den genormten Maschinenprodukten aufgenötigt werden, und tut dies im Großen und Ganzen mit dem Gefühl, so sei es vernünftig und richtig“. [144] Dieses Modell wiegt alle in dem Glauben, frei zu sein, solange sie eine vermeintliche Konsumfreiheit haben, während in Wirklichkeit jene Minderheit die Freiheit besitzt, welche die wirtschaftliche und finanzielle Macht innehat. In dieser Unklarheit hat die postmoderne Menschheit kein neues Selbstverständnis gefunden, das sie orientieren kann, und dieser Mangel an Identität wird mit Angst erfahren. Wir haben allzu viele Mittel für einige dürftige und magere Ziele.
204. Die gegenwärtige Situation der Welt „schafft ein Gefühl der Ungewissheit und der Unsicherheit, das seinerseits Formen von kollektivem Egoismus […] begünstigt“. [145] Wenn die Menschen selbstbezogen werden und sich in ihrem eigenen Gewissen isolieren, werden sie immer unersättlicher. Während das Herz des Menschen immer leerer wird, braucht er immer nötiger Dinge, die er kaufen, besitzen und konsumieren kann. In diesem Kontext scheint es unmöglich, dass irgendjemand akzeptiert, dass die Wirklichkeit ihm Grenzen setzt. Ebenso wenig existiert in diesem Gesichtskreis ein wirkliches Gemeinwohl. Wenn dieser Menschentyp in einer Gesellschaft tendenziell der vorherrschende ist, werden die Normen nur in dem Maß respektiert werden, wie sie nicht den eigenen Bedürfnissen zuwiderlaufen. Deshalb denken wir nicht nur an die Möglichkeit schrecklicher klimatischer Phänomene oder an große Naturkatastrophen, sondern auch an Katastrophen, die aus sozialen Krisen hervorgehen, denn die Versessenheit auf einen konsumorientierten Lebensstil kann – vor allem, wenn nur einige wenige ihn pflegen können – nur Gewalt und gegenseitige Zerstörung auslösen.
205. Trotzdem ist nicht alles verloren, denn die Menschen, die fähig sind, sich bis zum Äußersten herabzuwürdigen, können sich auch beherrschen, sich wieder für das Gute entscheiden und sich bessern, über alle geistigen und sozialen Konditionierungen hinweg, die sich ihnen aufdrängen. Sie sind fähig, sich selbst ehrlich zu betrachten, ihren eigenen Überdruss aufzudecken und neue Wege zur wahren Freiheit einzuschlagen. Es gibt keine Systeme, die die Offenheit für das Gute, die Wahrheit und die Schönheit vollkommen zunichte machen und die Fähigkeit aufheben, dem zu entsprechen. Diese Fähigkeit ist es ja, der Gott von der Tiefe des menschlichen Herzens aus fortwährend Antrieb verleiht. Jeden Menschen dieser Welt bitte ich, diese seine Würde nicht zu vergessen; niemand hat das Recht, sie ihm zu nehmen.
206. Eine Änderung der Lebensstile könnte dazu führen, einen heilsamen Druck auf diejenigen auszuüben, die politische, wirtschaftliche und soziale Macht besitzen. Das ist es, was die Verbraucherbewegungen erreichen, die durch den Boykott gewisser Produkte auf das Verhalten der Unternehmen ändernd einwirken und sie zwingen, die Umweltbelastung und die Produktionsmuster zu überdenken. Es ist eine Tatsache, dass die Unternehmen, wenn die Gewohnheiten der Gesellschaft ihre Rendite gefährden, sich genötigt sehen, ihre Produktionsweise zu ändern. Das erinnert uns an die soziale Verantwortung der Verbraucher. „Das Kaufen [ist] nicht nur ein wirtschaftlicher Akt, sondern immer auch eine moralische Handlung.“ [146] Daher ruft heute „das Thema der Umweltverschmutzung das Verhalten eines jeden von uns […] zur Rechenschaft“. [147]
207. Die Erd-Charta lud uns alle ein, eine Zeit der Selbstzerstörung hinter uns zu lassen und neu anzufangen, doch wir haben noch kein universales Bewusstsein entwickelt, das dies möglich macht. Deshalb wage ich, jene wertvolle Herausforderung erneut vorzubringen: „Wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit fordert uns unser gemeinsames Schicksal dazu auf, einen neuen Anfang zu wagen […] Lasst uns unsere Zeit so gestalten, dass man sich an sie erinnern wird als eine Zeit, in der eine neue Ehrfurcht vor dem Leben erwachte, als eine Zeit, in der nachhaltige Entwicklung entschlossen auf den Weg gebracht wurde, als eine Zeit, in der das Streben nach Gerechtigkeit und Frieden neuen Auftrieb bekam, und als eine Zeit der freudigen Feier des Lebens.“ [148]
208. Immer ist es möglich, wieder die Fähigkeit zu entwickeln, aus sich heraus- und auf den anderen zuzugehen. Ohne sie erkennt man die anderen Geschöpfe nicht in ihrem Eigenwert, ist nicht daran interessiert, etwas für die anderen zu tun, und ist nicht imstande, sich Grenzen zu setzen, um das Leiden oder die Schädigung unserer Umgebung zu vermeiden. Die Grundhaltung des Sich-selbst-Überschreitens, indem man das abgeschottete Bewusstsein und die Selbstbezogenheit durchbricht, ist die Wurzel aller Achtsamkeit gegenüber den anderen und der Umwelt. Und sie ist es auch, die die moralische Reaktion hervorbringt, die Wirkung zu erwägen, die jedes Tun und jede persönliche Entscheidung außerhalb des eigenen Selbst auslöst. Wenn wir fähig sind, den Individualismus zu überwinden, kann sich wirklich ein alternativer Lebensstil entwickeln, und eine bedeutende Veränderung in der Gesellschaft wird möglich.
II. ERZIEHUNG ZUM BÜNDNIS ZWISCHEN DER MENSCHHEIT UND DER UMWELT
209. Das Bewusstsein der Ernsthaftigkeit der kulturellen und ökologischen Krise muss in neuen Gewohnheiten zum Ausdruck kommen. Viele wissen, dass der gegenwärtige Fortschritt und die bloße Häufung von Gegenständen und Vergnügen nicht ausreichen, um dem menschlichen Herzen Sinn zu verleihen und Freude zu schenken, doch sie fühlen sich nicht fähig, auf das zu verzichten, was der Markt ihnen bietet. In den Ländern, welche die größten Änderungen der Konsumgewohnheiten erbringen müssten, haben die Jugendlichen ein neues ökologisches Empfinden und eine großzügige Gesinnung, und einige von ihnen kämpfen in bewundernswerter Weise für den Umweltschutz, doch sie sind in einem Kontext außerordentlich hohen Konsums und Wohlstands aufgewachsen, der die Entwicklung anderer Gewohnheiten erschwert. Darum stehen wir vor einer erzieherischen Herausforderung.
210. Die Umwelterziehung hat ihre Ziele erweitert. Wenn sie anfangs die wissenschaftliche Information sowie die Bewusstmachung und Vermeidung von Umweltgefahren sehr in den Mittelpunkt stellte, neigt sie jetzt dazu, eine Kritik an den auf der instrumentellen Vernunft beruhenden „Mythen“ der Moderne (Individualismus, undefinierter Fortschritt, Konkurrenz, Konsumismus, regelloser Markt) einzuschließen und auch die verschiedenen Ebenen des ökologischen Gleichgewichts zurückzugewinnen: das innere Gleichgewicht mit sich selbst, das solidarische mit den anderen, das natürliche mit allen Lebewesen und das geistliche mit Gott. Die Umwelterziehung müsste uns darauf vorbereiten, diesen Sprung in Richtung auf das Mysterium zu vollziehen, von dem aus eine ökologische Ethik ihren tiefsten Sinn erlangt. Andererseits gibt es Erzieher, die fähig sind, pädagogische Wege einer ökologischen Ethik neu zu entwerfen, so dass sie tatsächlich helfen, in der Solidarität, der Verantwortlichkeit und der auf dem Mitgefühl beruhenden Achtsamkeit zu wachsen.
211. Dennoch beschränkt sich diese Erziehung, die berufen ist, ein „ökologisches Bürgertum“ zu schaffen, manchmal darauf zu informieren und erreicht es nicht, Gewohnheiten zu entwickeln. Die Existenz von Gesetzen und Regeln reicht auf lange Sicht nicht aus, um die schlechten Verhaltensweisen einzuschränken, selbst wenn eine wirksame Kontrolle vorhanden ist. Damit die Rechtsnorm bedeutende und dauerhafte Wirkungen hervorbringt, ist es notwendig, dass der größte Teil der Mitglieder der Gesellschaft sie aufgrund von geeigneten Motivierungen akzeptiert hat und aus einer persönlichen Verwandlung heraus reagiert. Nur von der Pflege solider Tugenden aus ist eine Selbsthingabe in einem ökologischen Engagement möglich. Wenn jemand, obwohl seine wirtschaftlichen Verhältnisse ihm erlauben, mehr zu verbrauchen und auszugeben, sich gewohnheitsgemäß etwas wärmer anzieht, anstatt die Heizung anzuzünden, bedeutet das, dass er Überzeugungen und eine Gesinnung angenommen hat, die den Umweltschutz begünstigen. Es ist sehr nobel, es sich zur Pflicht zu machen, mit kleinen alltäglichen Handlungen für die Schöpfung zu sorgen, und es ist wunderbar, wenn die Erziehung imstande ist, dazu anzuregen, bis es zum Lebensstil wird. Die Erziehung zur Umweltverantwortung kann verschiedene Verhaltensweisen fördern, die einen unmittelbaren und bedeutenden Einfluss auf den Umweltschutz haben, wie die Vermeidung des Gebrauchs von Plastik und Papier, die Einschränkung des Wasserverbrauchs, die Trennung der Abfälle, nur so viel zu kochen, wie man vernünftigerweise essen kann, die anderen Lebewesen sorgsam zu behandeln, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder ein Fahrzeug mit mehreren Personen zu teilen, Bäume zu pflanzen, unnötige Lampen auszuschalten. All das gehört zu einer großherzigen und würdigen Kreativität, die das Beste des Menschen an den Tag legt. Etwas aus tiefen Beweggründen wiederzuverwerten, anstatt es schnell wegzuwerfen, kann eine Handlung der Liebe sein, die unsere eigene Würde zum Ausdruck bringt.
212. Man soll nicht meinen, dass diese Bemühungen die Welt nicht verändern. Diese Handlungen verbreiten Gutes in der Gesellschaft, das über das Feststellbare hinaus immer Früchte trägt, denn sie verursachen im Schoß dieser Erde etwas Gutes, das stets dazu neigt, sich auszubreiten, manchmal unsichtbar. Außerdem gibt uns ein solches Verhalten das Gefühl der eigenen Würde zurück, führt uns zu einer größeren Lebenstiefe und schenkt uns die Erfahrung, dass das Leben in dieser Welt lebenswert ist.
213. Die Bereiche, in denen die Erziehung stattfindet, sind verschieden: die Schule, die Familie, die Kommunikationsmittel, die Katechese und andere. Eine gute schulische Erziehung in jungen Jahren sät etwas aus, das ein Leben lang Auswirkungen haben kann. Ich möchte jedoch die zentrale Bedeutung der Familie hervorheben, denn „sie ist der Ort, an dem das Leben, Gabe Gottes, in angemessener Weise angenommen und gegen die vielfältigen Angriffe, denen es ausgesetzt ist, geschützt wird und wo es sich entsprechend den Forderungen eines echten menschlichen Wachstums entfalten kann. Gegen die sogenannte Kultur des Todes stellt die Familie den Sitz der Kultur des Lebens dar.“ [149] In der Familie werden die ersten Gewohnheiten der Liebe und Sorge für das Leben gehegt, wie zum Beispiel der rechte Gebrauch der Dinge, Ordnung und Sauberkeit, die Achtung des örtlichen Ökosystems und der Schutz aller erschaffenen Wesen. Die Familie ist der Ort der ganzheitlichen Erziehung, wo sich die verschiedenen Momente der persönlichen Reifung ausformen, die eng miteinander verbunden sind. In der Familie lernt man, um Erlaubnis zu bitten, ohne andere zu überfahren, „danke“ zu sagen als Ausdruck einer aufrichtigen Wertschätzung dessen, was wir empfangen, Aggressivität oder Unersättlichkeit zu beherrschen und um Verzeihung zu bitten, wenn wir irgendeinen Schaden angerichtet haben. Diese kleinen Gesten ehrlicher Höflichkeit helfen, eine Kultur des Zusammenlebens und der Achtung gegenüber unserer Umgebung aufzubauen.
214. Es ist Sache der Politik und der verschiedenen Vereinigungen, sich um eine Sensibilisierung der Bevölkerung zu bemühen. Auch der Kirche kommt diese Aufgabe zu. Alle christlichen Gemeinschaften haben bei dieser Erziehung eine wichtige Rolle zu erfüllen. Ich hoffe auch, dass in unseren Seminaren und den Ausbildungsstätten der Orden zu einer verantwortlichen Genügsamkeit, zur dankerfüllten Betrachtung der Welt und zur Achtsamkeit gegenüber der Schwäche der Armen und der Umwelt erzogen wird. Da viel auf dem Spiel steht, sind nicht nur Institutionen notwendig, die die Macht besitzen, Sanktionen gegen Umweltattacken zu verhängen, sondern ebenso notwendig ist es, dass auch wir uns gegenseitig kontrollieren und erziehen.
215. In diesem Zusammenhang „darf die Beziehung, die zwischen einer angemessenen ästhetischen Erziehung und der Erhaltung einer gesunden Umwelt besteht, nicht vernachlässigt werden“. [150] Auf die Schönheit zu achten und sie zu lieben hilft uns, aus dem utilitaristischen Pragmatismus herauszukommen. Wenn jemand nicht lernt innezuhalten, um das Schöne wahrzunehmen und zu würdigen, ist es nicht verwunderlich, dass sich für ihn alles in einen Gegenstand verwandelt, den er gebrauchen oder skrupellos missbrauchen kann. Zugleich muss man, wenn man tiefgreifende Veränderungen erzielen will, berücksichtigen, dass die Denkmuster wirklich die Verhaltensweisen beeinflussen. Die Erziehung wird unwirksam, und ihre Anstrengungen werden unfruchtbar sein, wenn sie nicht auch dafür sorgt, ein neues Bild vom Menschen, vom Leben, von der Gesellschaft und von der Beziehung zur Natur zu verbreiten. Andernfalls wird das auf Konsum ausgerichtete Modell, das durch die Kommunikationsmittel und über die wirkungsvollen Räderwerke des Marktes übermittelt wird, weiter fortschreiten.
III. DIE ÖKOLOGISCHE UMKEHR
216. Der große Reichtum der christlichen Spiritualität, der im Laufe von zwanzig Jahrhunderten aus persönlichen und gemeinschaftlichen Erfahrungen hervorgegangen ist, bietet einen schönen Beitrag zu dem Versuch, die Menschheit zu erneuern. Ich möchte den Christen einige Leitlinien ökologischer Spiritualität vorschlagen, die aus den Überzeugungen unseres Glaubens entspringen, denn was das Evangelium uns lehrt, hat Konsequenzen für unsere Art zu denken, zu empfinden und zu leben. Es geht darum, nicht so sehr über Ideen, sondern vor allem über die Beweggründe zu sprechen, die sich aus der Spiritualität ergeben, um eine Leidenschaft für den Umweltschutz zu fördern. Denn es wird nicht möglich sein, sich für große Dinge zu engagieren allein mit Lehren, ohne eine „Mystik“, die uns beseelt, ohne „innere Beweggründe, die das persönliche und gemeinschaftliche Handeln anspornen, motivieren, ermutigen und ihm Sinn verleihen“. [151] Wir müssen zugeben, dass wir Christen den Reichtum, den Gott der Kirche geschenkt hat, nicht immer aufgenommen und weiterentwickelt haben – ein Reichtum, in dem die Spiritualität nicht von der Leiblichkeit, noch von der Natur oder den Wirklichkeiten dieser Welt getrennt ist, sondern damit und darin gelebt wird, in Gemeinschaft mit allem, was uns umgibt.
217. Wenn „die äußeren Wüsten […] in der Welt [wachsen], weil die inneren Wüsten so groß geworden sind“, [152] ist die Umweltkrise ein Aufruf zu einer tiefgreifenden inneren Umkehr. Doch wir müssen auch zugeben, dass einige engagierte und betende Christen unter dem Vorwand von Realismus und Pragmatismus gewöhnlich die Umweltsorgen bespötteln. Andere sind passiv, entschließen sich nicht dazu, ihre Gewohnheiten zu ändern, und werden inkohärent. Es fehlt ihnen also eine ökologische Umkehr, die beinhaltet, alles, was ihnen aus ihrer Begegnung mit Jesus Christus erwachsen ist, in ihren Beziehungen zu der Welt, die sie umgibt, zur Blüte zu bringen. Die Berufung, Beschützer des Werkes Gottes zu sein, praktisch umzusetzen gehört wesentlich zu einem tugendhaften Leben; sie ist nicht etwas Fakultatives, noch ein sekundärer Aspekt der christlichen Erfahrung.
218. Wir erinnern an das Vorbild des heiligen Franziskus von Assisi, um eine gesunde Beziehung zur Schöpfung als eine Dimension der vollständigen Umkehr des Menschen vorzuschlagen. Das schließt auch ein, die eigenen Fehler, Sünden, Laster oder Nachlässigkeiten einzugestehen und sie von Herzen zu bereuen, sich von innen her zu ändern. Die australischen Bischöfe haben die Umkehr im Sinn einer Versöhnung mit der Schöpfung ausgedrückt: „Um diese Versöhnung zu verwirklichen, müssen wir unser Leben prüfen und erkennen, auf welche Weise wir die Schöpfung Gottes durch unser Handeln und durch unsere Unfähigkeit zu handeln geschädigt haben. Wir müssen eine Umkehr bzw. einen Wandel des Herzens erfahren.“ [153]
219. Allerdings ist es zur Lösung einer so komplexen Situation wie der, mit der sich die Welt von heute auseinandersetzen muss, nicht genug, dass jeder Einzelne sich bessert. Die isolierten Einzelpersonen können ihre Fähigkeit und ihre Freiheit verlieren, die Logik der instrumentellen Vernunft zu überwinden, und sind schließlich einem Konsumismus ohne Ethik und ohne soziales und umweltbezogenes Empfinden ausgeliefert. Auf soziale Probleme muss mit Netzen der Gemeinschaft reagiert werden, nicht mit der bloßen Summe individueller positiver Beiträge: „Die Anforderungen dieses Werkes werden so ungeheuer sein, dass sie aus den Möglichkeiten der individuellen Initiative und des Zusammenschlusses individualistisch geformter Einzelner nicht zu lösen sind. Es wird einer Sammlung der Kräfte und einer Einheit der Leistung bedürfen.“ [154] Die ökologische Umkehr, die gefordert ist, um eine Dynamik nachhaltiger Veränderung zu schaffen, ist auch eine gemeinschaftliche Umkehr.
220. Diese Umkehr setzt verschiedene Grundeinstellungen voraus, die sich miteinander verbinden, um ein großherziges und von Zärtlichkeit erfülltes Umweltengagement in Gang zu bringen. An erster Stelle schließt es Dankbarkeit und Unentgeltlichkeit ein, das heißt ein Erkennen der Welt als ein von der Liebe des himmlischen Vaters erhaltenes Geschenk. Daraus folgt, dass man Verzicht übt, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, und großzügig handelt, auch wenn niemand es sieht oder anerkennt: „Deine linke Hand [soll] nicht wissen, was deine rechte tut […] und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten“ (Mt 6,3-4). Es schließt auch das liebevolle Bewusstsein ein, nicht von den anderen Geschöpfen getrennt zu sein, sondern mit den anderen Wesen des Universums eine wertvolle allumfassende Gemeinschaft zu bilden. Der Glaubende betrachtet die Welt nicht von außen, sondern von innen her und erkennt die Bande, durch die der himmlische Vater uns mit allen Wesen verbunden hat. Da die ökologische Umkehr die besonderen Fähigkeiten, die Gott ihm verliehen hat, wachsen lässt, bringt sie den Glaubenden außerdem dazu, seine Kreativität zu entfalten und seine Begeisterung zu steigern, um die Dramen der Welt zu lösen und sich selbst „als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt“ (Röm 12,1). Er versteht seine Überlegenheit nicht als Anlass für persönlichen Ruhm oder als Beweggrund für eine unverantwortliche Herrschaft, sondern als eine andere Fähigkeit, die ihm ihrerseits eine schwere Verantwortung auferlegt, die seinem Glauben entspringt.
221. Einige Überzeugungen unseres Glaubens, die zu Beginn dieser Enzyklika dargelegt wurden – wie das Bewusstsein, dass jedes Geschöpf etwas von Gott widerspiegelt und eine Botschaft hat, die uns etwas lehren kann, oder die Gewissheit, dass Christus diese materielle Welt in sich aufgenommen hat und jetzt als Auferstandener im Innersten eines jeden Wesens wohnt, es mit seiner Liebe umhüllt und mit seinem Licht durchdringt – helfen uns, diese Umkehr mit reichem Sinn zu erfüllen. Das Gleiche gilt für die Erkenntnis, dass Gott die Welt erschaffen und in sie eine Ordnung und eine Dynamik hineingelegt hat, die der Mensch nicht ignorieren darf. Wenn jemand im Evangelium liest, dass Jesus von den Vögeln spricht und sagt, dass „Gott nicht einen von ihnen vergisst“ (Lk 12,6), wird er dann fähig sein, sie schlecht zu behandeln oder ihnen Schaden zuzufügen? Ich lade alle Christen ein, diese Dimension ihrer Umkehr zu verdeutlichen, indem sie zulassen, dass die Kraft und das Licht der empfangenen Gnade sich auch auf ihre Beziehung zu den anderen Geschöpfen und zu der Welt, die sie umgibt, erstrecken und jene sublime Geschwisterlichkeit mit der gesamten Schöpfung hervorrufen, die der heilige Franziskus in so leuchtender Weise lebte.
IV. FREUDE UND FRIEDEN
222. Die christliche Spiritualität schlägt ein anderes Verständnis von Lebensqualität vor und ermutigt zu einem prophetischen und kontemplativen Lebensstil, der fähig ist, sich zutiefst zu freuen, ohne auf Konsum versessen zu sein. Es ist wichtig, eine alte Lehre anzunehmen, die in verschiedenen religiösen Traditionen und auch in der Bibel vorhanden ist. Es handelt sich um die Überzeugung, dass „weniger mehr ist“. Die ständige Anhäufung von Möglichkeiten zum Konsum lenkt das Herz ab und verhindert, jedes Ding und jeden Moment zu würdigen. Dagegen öffnet das gelassene Sich-Einfinden vor jeder Realität, und sei sie noch so klein, uns viel mehr Möglichkeiten des Verstehens und der persönlichen Verwirklichung. Die christliche Spiritualität regt zu einem Wachstum mit Mäßigkeit an und zu einer Fähigkeit, mit dem Wenigen froh zu sein. Es ist eine Rückkehr zu der Einfachheit, die uns erlaubt innezuhalten, um das Kleine zu würdigen, dankbar zu sein für die Möglichkeiten, die das Leben bietet, ohne uns an das zu hängen, was wir haben, noch uns über das zu grämen, was wir nicht haben. Das setzt voraus, die Dynamik der Herrschaft und der bloßen Anhäufung von Vergnügungen zu meiden.
223. Die Genügsamkeit, die unbefangen und bewusst gelebt wird, ist befreiend. Sie bedeutet nicht weniger Leben, sie bedeutet nicht geringere Intensität, sondern ganz das Gegenteil. In Wirklichkeit kosten diejenigen jeden einzelnen Moment mehr aus und erleben ihn besser, die aufhören, auf der ständigen Suche nach dem, was sie nicht haben, hier und da und dort etwas aufzupicken: Sie sind es, die erfahren, was es bedeutet, jeden Menschen und jedes Ding zu würdigen, und die lernen, mit den einfachsten Dingen in Berührung zu kommen und sich daran zu freuen. So sind sie fähig, die unbefriedigten Bedürfnisse abzubauen, und reduzieren die Ermüdung und das versessene Streben. Man kann wenig benötigen und erfüllt leben, vor allem, wenn man fähig ist, das Gefallen an anderen Dingen zu entwickeln und in den geschwisterlichen Begegnungen, im Dienen, in der Entfaltung der eigenen Charismen, in Musik und Kunst, im Kontakt mit der Natur und im Gebet Erfüllung zu finden. Das Glück erfordert, dass wir verstehen, einige Bedürfnisse, die uns betäuben, einzuschränken, und so ansprechbar bleiben für die vielen Möglichkeiten, die das Leben bietet.
224. Genügsamkeit und Demut haben im letzten Jahrhundert keine Wertschätzung erfahren. Wenn jedoch die Übung irgendeiner Tugend im persönlichen und im gesellschaftlichen Leben allgemein nachlässt, dann verursacht das schließlich viele Unausgeglichenheiten, auch in der Umwelt. Darum reicht es nicht mehr, nur von der Unversehrtheit der Ökosysteme zu sprechen. Man muss auch wagen, von der Unversehrtheit des menschlichen Lebens zu sprechen, von der Notwendigkeit, alle großen Werte zu fördern und miteinander zu verbinden. Das Verschwinden der Demut in einem Menschen, der maßlos begeistert ist von der Möglichkeit, alles ohne jede Einschränkung zu beherrschen, kann letztlich der Gesellschaft und der Umwelt nur schaden. Es ist nicht leicht, diese gesunde Demut und eine zufriedene Genügsamkeit zu entwickeln, wenn wir eigenständig werden, wenn wir Gott aus unserem Leben ausschließen und unser Ich seinen Platz einnimmt, wenn wir glauben, es sei unserer Subjektivität anheimgestellt zu bestimmen, was gut und was böse ist.
225. Andererseits kann kein Mensch in einer zufriedenen Genügsamkeit reifen, wenn er nicht im Frieden mit sich selber lebt. Ein rechtes Verständnis der Spiritualität besteht zum Teil darin, unseren Begriff von Frieden zu erweitern, der viel mehr ist, als das Nichtvorhandensein von Krieg. Der innere Friede der Menschen hat viel zu tun mit der Pflege der Ökologie und mit dem Gemeinwohl, denn wenn er authentisch gelebt wird, spiegelt er sich in einem ausgeglichenen Lebensstil wider, verbunden mit einer Fähigkeit zum Staunen, die zur Vertiefung des Lebens führt. Die Natur ist voll von Worten der Liebe. Doch wie können wir sie hören mitten im ständigen Lärm, in der fortdauernden und begierigen Zerstreuung oder im Kult der äußeren Erscheinung? Viele Menschen spüren eine tiefe Unausgeglichenheit, die sie dazu bewegt, alles in Höchstgeschwindigkeit zu erledigen, um sich beschäftigt zu fühlen, in einer ständigen Hast, die sie wiederum dazu führt, alles um sich herum zu überfahren. Das wirkt sich aus auf die Art, die Umwelt zu behandeln. Eine ganzheitliche Ökologie beinhaltet auch, sich etwas Zeit zu nehmen, um den ruhigen Einklang mit der Schöpfung wiederzugewinnen, um über unseren Lebensstil und unsere Ideale nachzudenken, um den Schöpfer zu betrachten, der unter uns und in unserer Umgebung lebt und dessen Gegenwart „nicht hergestellt, sondern entdeckt, enthüllt werden“ muss. [155]
226. Wir sprechen von einer Haltung des Herzens, das alles mit gelassener Aufmerksamkeit erlebt; das versteht, jemandem gegenüber ganz da zu sein, ohne schon an das zu denken, was danach kommt; das sich jedem Moment widmet wie einem göttlichen Geschenk, das voll und ganz erlebt werden muss. Jesus lehrte uns diese Haltung, als er uns einlud, die Lilien des Feldes und die Vögel des Himmels zu betrachten, oder als er in der Gegenwart eines unruhigen Mannes diesen ansah und ihn liebte (vgl. Mk 10,21). Ja, er war jedem Menschen und jedem Geschöpf gegenüber ganz da, und so zeigte er uns einen Weg, die krankhafte Ängstlichkeit zu überwunden, die uns oberflächlich, aggressiv und zu hemmungslosen Konsumenten werden lässt.
227. Ein Ausdruck dieser Haltung ist, vor und nach den Mahlzeiten innezuhalten, um Gott Dank zu sagen. Ich schlage den Gläubigen vor, diese wertvolle Gewohnheit wieder aufzunehmen und sie mit Innigkeit zu leben. Dieser Moment des Segensspruchs erinnert uns, selbst wenn er ganz kurz ist, an unsere Abhängigkeit von Gott für unser Leben, unterstützt unser Empfinden der Dankbarkeit für die Gaben der Schöpfung, erkennt jene an, die mit ihrer Arbeit diese Güter besorgen, und stärkt die Solidarität mit denen, die am meisten bedürftig sind.
V. LIEBE IM ZIVILEN UND POLITISCHEN BEREICH
228. Die Pflege der Natur ist Teil eines Lebensstils, der die Fähigkeit zum Zusammenleben und zur Gemeinschaft einschließt. Jesus erinnerte uns daran, dass Gott unser gemeinsamer Vater ist und dass dies uns zu Brüdern und Schwestern macht. Die Bruderliebe kann nur gegenleistungsfrei sein und darf niemals eine Bezahlung sein für das, was ein anderer verwirklicht, noch ein Vorschuss für das, was wir uns von ihm erhoffen. Darum ist es möglich, die Feinde zu lieben. Diese gleiche Uneigennützigkeit führt uns dazu, den Wind, die Sonne und die Wolken zu lieben und zu akzeptieren, obwohl sie sich nicht unserer Kontrolle unterwerfen. Darum können wir von einer universalen Geschwisterlichkeit sprechen.
229. Wir müssen wieder spüren, dass wir einander brauchen, dass wir eine Verantwortung für die anderen und für die Welt haben und dass es sich lohnt, gut und ehrlich zu sein. Wir haben schon sehr viel Zeit moralischen Verfalls verstreichen lassen, indem wir die Ethik, die Güte, den Glauben und die Ehrlichkeit bespöttelt haben, und es ist der Moment gekommen zu merken, dass diese fröhliche Oberflächlichkeit uns wenig genützt hat. Diese Zerstörung jeder Grundlage des Gesellschaftslebens bringt uns schließlich um der Wahrung der jeweils eigenen Interessen willen gegeneinander auf, lässt neue Formen von Gewalt und Grausamkeit aufkommen und verhindert die Entwicklung einer wahren Kultur des Umweltschutzes.
230. Das Beispiel der heiligen Therese von Lisieux lädt uns ein, den „kleinen Weg“ der Liebe zu beschreiten, keine Gelegenheit für ein freundliches Wort, für ein Lächeln, für irgendeine kleine Geste zu verpassen, die Frieden und Freundschaft verbreitet. Eine ganzheitliche Ökologie ist auch aus einfachen alltäglichen Gesten gemacht, die die Logik der Gewalt, der Ausnutzung, des Egoismus durchbrechen. Indessen ist die Welt des wütenden Konsums zugleich die Welt, in der das Leben in all seinen Formen schlecht behandelt wird.
231. Die Liebe voller kleiner Gesten gegenseitiger Achtsamkeit betrifft auch das bürgerliche und das politische Leben und zeigt sich bei allen Gelegenheiten, die zum Aufbau einer besseren Welt beitragen. Die Liebe zur Gesellschaft und das Engagement für das Gemeinwohl sind ein hervorragender Ausdruck der Nächstenliebe, die nicht nur die Beziehungen zwischen den einzelnen Menschen angeht, sondern auch die „Makro-Beziehungen – in gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen“. [156] Darum schlug die Kirche der Welt das Ideal der „Kultur der Liebe“ [157] vor. Die Liebe im sozialen Bereich ist der Schlüssel zu einer authentischen Entwicklung: „Um die Gesellschaft menschlicher, der menschlichen Person würdiger zu machen, muss die Liebe im sozialen Leben – auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene – neu bewertet und zur beständigen obersten Norm des Handelns erhoben werden.“ [158] In diesem Rahmen bewegt uns die Liebe im gesellschaftlichen Bereich, neben der Bedeutung der kleinen täglichen Gesten an große Strategien zu denken, welche die Umweltzerstörung wirksam aufhalten und eine Kultur der Achtsamkeit fördern, die die gesamte Gesellschaft erfüllt. Wenn jemand den Ruf Gottes erkennt, gemeinsam mit den anderen in diese gesellschaftlichen Dynamiken einzugreifen, soll er sich daran erinnern, dass dies ein Teil seiner Spiritualität ist, dass es Ausübung der Nächstenliebe ist und dass er auf diese Weise reift und sich heiligt.
232. Nicht alle sind berufen, direkt in der Politik zu arbeiten, doch im Schoß der Gesellschaft keimt eine zahllose Vielfalt von Vereinigungen auf, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, indem sie die natürliche und städtische Umwelt schützen. Sie kümmern sich zum Beispiel um ein öffentliches Objekt (ein Bauwerk, einen Brunnen, ein verwahrlostes Denkmal, eine Landschaft, einen Platz), um etwas, das allen gehört, zu schützen, zu sanieren, zu verbessern oder zu verschönern. In ihrer Umgebung entwickeln sich Bindungen oder werden solche zurückgewonnen, und es entsteht ein neues örtliches soziales Gewebe. So befreit sich eine Gemeinschaft von der konsumorientierten Gleichgültigkeit. Das schließt die Bildung einer gemeinsamen Identität ein, einer Geschichte, die bleibt und weitergegeben wird. Auf diese Weise wird für die Welt und für die Lebensqualität der Ärmsten gesorgt, mit einem solidarischen Empfinden, das zugleich das Bewusstsein ist, in einem gemeinsamen Haus zu wohnen, das Gott uns anvertraut hat. Diese gemeinschaftlichen Aktionen können, wenn sie Ausdruck einer hingebungsvollen Liebe sind, zu intensiven spirituellen Erfahrungen werden.
VI. SAKRAMENTALE ZEICHEN UND DIE FEIERTAGSRUHE
233. Das Universum entfaltet sich in Gott, der es ganz und gar erfüllt. So liegt also Mystik in einem Blütenblatt, in einem Weg, im morgendlichen Tau, im Gesicht des Armen. [159] Das Ideal ist nicht nur, vom Äußeren zum Inneren überzugehen, um das Handeln Gottes in der Seele zu entdecken, sondern auch, dahin zu gelangen, ihm in allen Dingen zu begegnen, wie der heilige Bonaventura lehrte: „Die Kontemplation ist umso vollkommener, je mehr der Mensch die Wirkung der göttlichen Gnade in sich verspürt, oder auch je besser er versteht, Gott in den äußeren Geschöpfen zu begegnen.“ [160]
234. Der heilige Johannes vom Kreuz lehrte, dass alles Gute, das es in den Dingen und Erfahrungen der Welt gibt, „auf unendlich vorzügliche Weise in Gott ist, oder, besser gesagt, jedes dieser großen Dinge, die genannt werden, ist Gott“. [161] Nicht, weil die begrenzten Dinge der Welt wirklich göttlich wären, sondern weil der Mystiker die innige Verbindung erfährt, die zwischen Gott und allen Wesen besteht, und so empfindet: Alle Dinge – das ist Gott. [162] Wenn er die Größe eines Berges bestaunt, kann er ihn nicht von Gott trennen und nimmt wahr, dass dieses innere Staunen, das er erlebt, auf den Herrn bezogen werden muss. „Die Gebirge haben Höhenzüge, sind reichhaltig, weit, schön, reizvoll, blumenübersät und dufterfüllt. Diese Gebirge – das ist mein Geliebter für mich. Die abgelegenen Täler sind ruhig, lieblich, kühl, schattig, voll süßer Gewässer; mit der Vielfalt ihres Baumbewuchses und dem zarten Gesang der Vögel verschaffen sie dem Reich der Sinne tiefe Erholung und Wonne und bieten in ihrer Einsamkeit und Stille Erfrischung und Ruhe. Diese Täler – das ist mein Geliebter für mich.“ [163]
235. Die Sakramente sind eine bevorzugte Weise, in der die Natur von Gott angenommen wird und sich in Vermittlung des übernatürlichen Lebens verwandelt. Über das kultische Geschehen sind wir eingeladen, die Welt auf einer anderen Ebene zu umarmen. Das Wasser, das Öl, das Feuer und die Farben werden mit ihrer ganzen Symbolkraft aufgenommen und in den Lobpreis eingegliedert. Die segnende Hand ist ein Werkzeug der Liebe Gottes und Widerschein der Nähe Jesu Christi, der gekommen ist, um uns auf unserem Lebensweg zu begleiten. Das Wasser, das sich über den Körper des Kindes ergießt, das getauft wird, ist ein Zeichen neuen Lebens. Wir entfliehen nicht der Welt, noch verleugnen wir die Natur, wenn wir Gott begegnen möchten. Das kann man besonders in der östlichen christlichen Spiritualität erkennen: „Die Schönheit, die im Orient eine der beliebtesten Bezeichnungen für die göttliche Harmonie und Vorbild der verklärten Menschheit ist, tritt überall zutage: in Gestalt und Ausstattung der Kirchen, in den Klängen, in den Farben, in der Beleuchtung, in den Düften.“ [164] Für die christliche Erfahrung finden alle Geschöpfe des materiellen Universums ihren wahren Sinn im menschgewordenen Wort, denn der Sohn Gottes hat in seine Person einen Teil des materiellen Universums aufgenommen, in den er einen Keim der endgültigen Verwandlung hineingelegt hat: „Das Christentum verwirft nicht die Materie, die Leiblichkeit, ja sie wertet sie im liturgischen Akt sogar vollständig auf, in dem der menschliche Leib sein tiefstes Wesen als Tempel des Geistes zeigt und sich mit dem Herrn Jesus vereinigt, der um der Rettung der Welt willen auch einen Leib angenommen hat.“ [165]
236. In der Eucharistie findet die Schöpfung ihre größte Erhöhung. Die Gnade, die dazu neigt, sich spürbar zu zeigen, erreicht einen erstaunlichen Ausdruck, wenn der menschgewordene Gott selbst so weit geht, sich von seinem Geschöpf verzehren zu lassen. Auf dem Höhepunkt des Geheimnisses der Inkarnation wollte der Herr durch ein Stückchen Materie in unser Innerstes gelangen. Nicht von oben herab, sondern von innen her, damit wir ihm in unserer eigenen Welt begegnen könnten. In der Eucharistie ist die Fülle bereits verwirklicht, und sie ist das Lebenszentrum des Universums, der überquellende Ausgangspunkt von Liebe und unerschöpflichem Leben. Vereint mit dem in der Eucharistie gegenwärtigen inkarnierten Sohn sagt der gesamte Kosmos Gott Dank. Tatsächlich ist die Eucharistie von sich aus ein Akt der kosmischen Liebe: „Ja, kosmisch! Denn auch dann, wenn man die Eucharistie auf dem kleinen Altar einer Dorfkirche feiert, feiert man sie immer in einem gewissen Sinn auf dem Altar der Welt.“ [166] Die Eucharistie vereint Himmel und Erde, umfasst und durchdringt die gesamte Schöpfung. Die Welt, die aus den Händen Gottes hervorging, kehrt zu ihm zurück in seliger und vollkommener Anbetung: Im eucharistischen Brot „ist die Schöpfung auf die Vergöttlichung, auf die heilige Hochzeit, auf die Vereinigung mit dem Schöpfer selbst ausgerichtet“. [167] Darum ist die Eucharistie auch eine Quelle des Lichts und der Motivation für unsere Sorgen um die Umwelt und richtet uns darauf aus, Hüter der gesamten Schöpfung zu sein.
237. Am Sonntag hat die Teilnahme an der Eucharistie eine besondere Bedeutung. Dieser Tag wird wie der jüdische Sabbat als ein Tag der Heilung der Beziehungen des Menschen zu Gott, zu sich selbst, zu den anderen und zur Welt gewährt. Der Sonntag ist der Tag der Auferstehung, der „erste Tag“ der neuen Schöpfung, deren Erstlingsfrucht die auferstandene Menschheit des Herrn ist, ein Unterpfand für die endgültige Verklärung der gesamten erschaffenen Wirklichkeit. Außerdem kündet dieser Tag „die ewige Ruhe des Menschen in Gott“ an. [168] In dieser Weise bezieht die christliche Spiritualität den Wert der Muße und des Festes ein. Der Mensch neigt dazu, die kontemplative Ruhe auf den Bereich des Unfruchtbaren und Unnötigen herabzusetzen und vergisst dabei, dass man so dem Werk, das man vollbringt, das Wichtigste nimmt: seinen Sinn. Wir sind berufen, in unser Handeln eine Dimension der Empfänglichkeit und der Unentgeltlichkeit einzubeziehen, die etwas anderes ist als ein bloßes Nichtstun. Es handelt sich um eine andere Art des Tuns, die einen Teil unseres Wesens ausmacht. Auf diese Weise wird das menschliche Handeln nicht allein vor dem leeren Aktivismus bewahrt, sondern auch vor der zügellosen Unersättlichkeit und dem abgeschotteten Bewusstsein, das dazu führt, nur den eigenen Vorteil zu verfolgen. Das Gesetz der wöchentlichen Ruhe schrieb vor, am siebten Tag keine Arbeit zu tun, „damit dein Rind und dein Esel ausruhen und der Sohn deiner Sklavin und der Fremde zu Atem kommen“ ( Ex 23,12). Die Ruhe ist eine Ausweitung des Blickfeldes, die erlaubt, wieder die Rechte der anderen zu erkennen. So strahlt der Tag der Ruhe, dessen Mittelpunkt die Eucharistie ist, sein Licht über die ganze Woche aus und motiviert uns, uns die Sorge für die Natur und die Armen zu Eigen zu machen.
VII. DIE TRINITÄT UND DIE BEZIEHUNG ZWISCHEN DEN GESCHÖPFEN
238. Der Vater ist der letzte Ursprung von allem, der liebevolle und verbindende Grund von allem, was existiert. Der Sohn, der ihn widerspiegelt und durch den alles erschaffen wurde, hat sich mit dieser Erde verbunden, als er im Schoß Marias menschliche Gestalt annahm. Der Geist, das unendliche Band der Liebe, ist zutiefst im Herzen des Universums zugegen, indem er neue Wege anregt und auslöst. Die Welt wurde durch die drei Personen, den einen göttlichen Ursprung, geschaffen, doch jede von ihnen verwirklicht das gemeinsame Werk gemäß ihrer persönlichen Eigenheit. „Wenn wir also voller Bewunderung das Universum in seiner Größe und Schönheit betrachten, müssen wir die ganze Dreifaltigkeit loben.“ [169]
239. Für die Christen führt der Glaube an den einen Gott, der trinitarische Communio ist, zu dem Gedanken, dass die gesamte Wirklichkeit in ihrem Innern eine eigentlich trinitarische Prägung besitzt. Der heilige Bonaventura ging so weit zu sagen, dass der Mensch vor der Sünde entdecken konnte, wie jedes Geschöpf „bezeugt, dass Gott dreifaltig ist“. Den Abglanz der Dreifaltigkeit konnte man in der Natur erkennen, „als dieses Buch dem Menschen nicht undurchschaubar war und das Auge des Menschen sich nicht eingetrübt hatte“. [170] Der heilige Franziskaner lehrt uns, dass jedes Geschöpf eine typisch trinitarische Struktur in sich trägt, die so real ist, dass sie spontan betrachtet werden könnte, wenn der Blick des Menschen nicht begrenzt, getrübt und schwach wäre. So weist er uns auf die Herausforderung hin, zu versuchen, die Wirklichkeit unter trinitarischem Gesichtspunkt zu entschlüsseln.
240. Die göttlichen Personen sind subsistente Beziehungen, und die Welt, die nach göttlichem Bild erschaffen ist, ist ein Gewebe von Beziehungen. Die Geschöpfe streben auf Gott zu, und jedes Lebewesen hat seinerseits die Eigenschaft, auf etwas anderes zuzustreben, so dass wir innerhalb des Universums eine Vielzahl von ständigen Beziehungen finden können, die auf geheimnisvolle Weise ineinandergreifen. [171] Das lädt uns nicht nur ein, die vielfältigen Verbindungen zu bewundern, die unter den Geschöpfen bestehen, sondern führt uns dahin, einen Schlüssel zu unserer eigenen Verwirklichung zu entdecken. Denn die menschliche Person wächst, reift und heiligt sich zunehmend in dem Maß, in dem sie in Beziehung tritt, wenn sie aus sich selbst herausgeht, um in Gemeinschaft mit Gott, mit den anderen und mit allen Geschöpfen zu leben. So übernimmt sie in ihr eigenes Dasein jene trinitarische Dynamik, die Gott dem Menschen seit seiner Erschaffung eingeprägt hat. Alles ist miteinander verbunden, und das lädt uns ein, eine Spiritualität der globalen Solidarität heranreifen zu lassen, die aus dem Geheimnis der Dreifaltigkeit entspringt.
VIII. DIE KÖNIGIN DER GANZEN SCHÖPFUNG
241. Maria, die Mutter, die für Jesus sorgte, sorgt jetzt mit mütterlicher Liebe und mit Schmerz für diese verletzte Welt. Wie sie mit durchbohrtem Herzen den Tod Jesu beweinte, so fühlt sie jetzt Mitleid mit den Armen an ihren Kreuzen und mit den durch menschliche Macht zugrunde gerichteten Geschöpfen. Sie lebt mit Jesus in völliger Verklärung, und alle Geschöpfe besingen ihre Schönheit. Sie ist die Frau „mit der Sonne bekleidet; der Mond […] unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt“ (Offb 12,1). In den Himmel erhoben, ist sie Mutter und Königin der ganzen Schöpfung. In ihrem verherrlichten Leib, vereint mit dem auferstandenen Christus, hat ein Teil der Schöpfung die ganze Fülle ihrer Schönheit erreicht. Sie schaut in ihrem Herzen nicht nur auf das ganze Leben Jesu, das sie dort sorgsam bewahrte (vgl. Lk 2,19.51), sondern versteht jetzt auch den Sinn von allem. Darum können wir sie bitten, dass sie uns hilft, diese Welt mit weiseren Augen zu betrachten.
242. Gemeinsam mit ihr tritt in der Heiligen Familie von Nazareth die Gestalt des heiligen Josef hervor. Er behütete und beschützte Maria und Jesus mit seiner Arbeit und seiner großherzigen Gegenwart und befreite sie aus der Gewalt der Ungerechten, indem er sie nach Ägypten brachte. Im Evangelium erscheint er als ein gerechter, arbeitsamer und starker Mann. Doch seine Gestalt lässt auch eine große Zärtlichkeit erkennen, die nicht eine Eigenschaft der Schwachen, sondern der wirklich Starken ist, die achtsam gegenüber der Realität sind, um demütig zu lieben und zu dienen. Darum wurde er zum Schutzpatron der gesamten Kirche erklärt. Auch er kann uns lehren zu behüten, kann uns motivieren, mit Großmut und Zärtlichkeit zu arbeiten, um diese Welt zu beschützen, die Gott uns anvertraut hat.
IX. JENSEITS DER SONNE
243. Am Ende werden wir der unendlichen Schönheit Gottes von Angesicht zu Angesicht begegnen (vgl. 1 Kor 13,12) und können mit seliger Bewunderung das Geheimnis des Universums verstehen, das mit uns an der Fülle ohne Ende teilhaben wird. Ja, wir sind unterwegs zum Sabbat der Ewigkeit, zum neuen Jerusalem, zum gemeinsamen Haus des Himmels. Jesus sagt uns: „Ich mache alles neu“ (Offb 21,5). Das ewige Leben wird ein miteinander erlebtes Staunen sein, wo jedes Geschöpf in leuchtender Verklärung seinen Platz einnehmen und etwas haben wird, um es den endgültig befreiten Armen zu bringen.
244. Inzwischen vereinigen wir uns, um uns dieses Hauses anzunehmen, das uns anvertraut wurde, da wir wissen, dass all das Gute, das es darin gibt, einst in das himmlische Fest aufgenommen wird. Gemeinsam mit allen Geschöpfen gehen wir unseren Weg in dieser Welt – auf der Suche nach Gott, denn „wenn die Welt einen Ursprung hat und erschaffen worden ist, dann suche nach dem, der sie erschaffen hat, suche nach dem, der ihr den Anfang gegeben hat, nach dem, der ihr Schöpfer ist!“ [172] Gehen wir singend voran! Mögen unsere Kämpfe und unsere Sorgen um diesen Planeten uns nicht die Freude und die Hoffnung nehmen.
245. Gott, der uns zur großzügigen und völligen Hingabe zusammenruft, schenkt uns die Kräfte und das Licht, die wir benötigen, um voranzugehen. Im Herzen dieser Welt ist der Herr des Lebens, der uns so sehr liebt, weiter gegenwärtig. Er verlässt uns nicht, er lässt uns nicht allein, denn er hat sich endgültig mit unserer Erde verbunden, und seine Liebe führt uns immer dazu, neue Wege zu finden. Er sei gelobt.
* * *
246. Nach dieser langen frohen und zugleich dramatischen Überlegung schlage ich zwei Gebete vor: eines, das wir mit allen teilen können, die an einen Gott glauben, der allmächtiger Schöpfer ist, und ein anderes, damit wir Christen die Verpflichtungen gegenüber der Schöpfung übernehmen können, die uns das Evangelium Jesu vorstellt.
Gebet für unsere Erde
Allmächtiger Gott,
der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist
und im kleinsten deiner Geschöpfe,
der du alles, was existiert,
mit deiner Zärtlichkeit umschließt,
gieße uns die Kraft deiner Liebe ein,
damit wir das Leben und die Schönheit hüten.
Überflute uns mit Frieden,
damit wir als Brüder und Schwestern leben
und niemandem schaden.
Gott der Armen,
hilf uns,
die Verlassenen und Vergessenen dieser Erde,
die so wertvoll sind in deinen Augen,
zu retten.
Heile unser Leben,
damit wir Beschützer der Welt sind
und nicht Räuber,
damit wir Schönheit säen
und nicht Verseuchung und Zerstörung.
Rühre die Herzen derer an,
die nur Gewinn suchen
auf Kosten der Armen und der Erde.
Lehre uns,
den Wert von allen Dingen zu entdecken
und voll Bewunderung zu betrachten;
zu erkennen, dass wir zutiefst verbunden sind
mit allen Geschöpfen
auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht.
Danke, dass du alle Tage bei uns bist.
Ermutige uns bitte in unserem Kampf
für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden.
Christliches Gebet mit der Schöpfung
Wir preisen dich, Vater, mit allen Geschöpfen,
die aus deiner machtvollen Hand
hervorgegangen sind.
Dein sind sie
und erfüllt von deiner Gegenwart und Zärtlichkeit.
Gelobt seist du.
Sohn Gottes, Jesus,
durch dich wurde alles erschaffen.
In Marias Mutterschoß
nahmst du menschliche Gestalt an;
du wurdest Teil dieser Erde
und sahst diese Welt mit menschlichen Augen.
Jetzt lebst du in jedem Geschöpf
mit deiner Herrlichkeit als Auferstandener.
Gelobt seist du.
Heiliger Geist, mit deinem Licht
wendest du diese Welt der Liebe des Vaters zu
und begleitest die Wehklage der Schöpfung;
du lebst auch in unseren Herzen,
um uns zum Guten anzutreiben.
Gelobt seist du.
O Gott, dreifaltig Einer,
du kostbare Gemeinschaft unendlicher Liebe,
lehre uns, dich zu betrachten
in der Schönheit des Universums,
wo uns alles von dir spricht.
Erwecke unseren Lobpreis und unseren Dank
für jedes Wesen, das du erschaffen hast.
Schenke uns die Gnade, uns innig vereint zu fühlen
mit allem, was ist.
Gott der Liebe,
zeige uns unseren Platz in dieser Welt
als Werkzeuge deiner Liebe
zu allen Wesen dieser Erde,
denn keines von ihnen wird von dir vergessen.
Erleuchte, die Macht und Reichtum besitzen,
damit sie sich hüten vor der Sünde der Gleichgültigkeit,
das Gemeinwohl lieben, die Schwachen fördern
und für diese Welt sorgen, die wir bewohnen.
Die Armen und die Erde flehen,
Herr, ergreife uns mit deiner Macht
und deinem Licht,
um alles Leben zu schützen,
um eine bessere Zukunft vorzubereiten,
damit dein Reich komme,
das Reich der Gerechtigkeit, des Friedens,
der Liebe und der Schönheit.
Gelobt seist du.
Amen.
Gegeben zu Rom, Sankt Peter, am 24. Mai, dem Hochfest von Pfingsten im Jahr 2015, dem dritten meines Pontifikats.
Franziskus
[1] Sonnengesang: Fonti Francescane ( FF) 263 (dt. Ausg.: Franziskus-Quellen, Kevelaer 2009, S. 40-41) . [2] Apostolisches Schreiben Octogesima adveniens (14. Mai 1971), 21: AAS 63 (1971), S. 416-417.
[3] Ansprache an die FAO anlässlich ihres 25-jährigen Jubiläums (16. November 1970), 4: AAS 62 (1970), S. 833.
[4] Enzyklika Redemptor hominis (4. März 1979), 15: AAS 71 (1979), S. 287.
[5] Vgl. Generalaudienz (17. Januar 2001), 4: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 31, Nr. 4 (26. Januar 2001), S. 2; Insegnamenti 24/1 (2001), S. 179.
[6] Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), 38: AAS 83 (1991), S. 841.
[7] Ebd., 58: AAS 83 (1991), S. 863.
[8] Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 34: AAS 80 (1988), S. 559.
[9] Vgl. Ders., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), 37: AAS 83 (1991), S. 840.
[10] Ansprache an das beim Heiligen Stuhl akkreditierte Diplomatische Corps (8. Januar 2007): AAS 99 (2007), S. 73.
[11] Enzyklika