lto.de, vom 16.11.2020, von Hasso Suliak
Nach der Kritik von Verfassungsrechtlern an der neuen Corona-Ermächtigung im IfSG hat die GroKo jetzt nachgebessert. Unter anderem müssen Schutzmaßnahmen in den Verordnungen der Länder künftig befristet und begründet werden.
Zitat: Die Kritik, die Staats- und Verfassungsrechtler vergangenen Mittwoch an der geplanten neuen Ermächtigungsgrundlage für die Corona-Maßnahmen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) geäußert hatten, war heftig. Nun zeigt sie offenbar Wirkung:
Wie Rechtspolitiker von SPD und Union gegenüber LTO bestätigten, soll der im "Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" geplante neue § 28a IfSG ("Besondere Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2.") im Vergleich zur Vorversion doch noch abgeändert werden. § 28a IfSG präzisiert künftig in 17 Ziffern alle möglichen in Betracht kommenden Grundrechtseinschränkungen. Die Maßnahmen sollen auf diese Weise nicht mehr wie bisher auf Grundlage einer unbestimmten Generalklausel getroffen und damit gerichtsfester werden.
Untersagt werden darf laut der neuen Vorschrift eine ganze Menge: Sport- und Kulturveranstaltungen, Übernachtungen, Alkoholkonsum, Gastronomiebetrieb oder Gottesdienste. Ausgangsbeschränkungen dürfen für den öffentlichen wie den privaten Raum angeordnet werden, darüber hinaus Abstandsgebote und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes.
Juristen hatten in ihren Stellungnahmen zum ursprünglichen Gesetzentwurf der GroKo diverse verfassungsrechtliche Bedenken aufgeworfen und zudem auf eine Reihe handwerklicher Fehler hingewiesen. Wie der rechtspolitische Sprecher der Union, Dr. Jan-Marco Luczak LTO mitteilte, habe man sich jetzt auf eine neue Version verständigt, der den Spielraum für die Länderexekutive bei der Umsetzung der Corona-Maßnahmen deutlich einschränkt. So müssen die Länder fortan die grundrechtseinschränkenden Maßnahmen befristen und begründen.
Maßnahmen dürfen nicht zur "sozialen Isolation" führen
In Abs. 5 der Vorschrift heißt es künftig: "Rechtsverordnungen, die nach § 32 in Verbindung mit § 28 Absatz 1 und § 28a Absatz 1 erlassen werden, sind mit einer allgemeinen Begründung zu versehen und zeitlich zu befristen." Auf eine feste Dauer einigte sich die GroKo nicht. Luczak zufolge sollten aber die Maßnahmen "grundsätzlich" vier Wochen nicht überschreiten. Wenn es in Ausnahmefällen doch länger erforderlich ist, hätten die Länder eine Rechtfertigungslast und müssten entsprechend begründen, wieso eine längere Geltung zur Eindämmung des Infektionsgeschehens notwendig ist, so Luczcak.
Nach der Juristenschelte in der Anhörung zeigte sich der rechtspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Johannes Fechner, nun mit dem Ergebnis gegenüber LTO zufrieden. Es sei eine "grundrechtsschonende Ausgestaltung" des § 28a gelungen. Dazu zähle auch, dass im Gesetz nunmehr ausdrücklich erwähnt werde, dass die Länder bei den jeweiligen Maßnahmen gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen berücksichtigen müssten. Zudem sei sichergestellt, dass eine "soziale Isolation" bestimmter Gruppen ausgeschlossen sei. Hierzu heißt es nun ausdrücklich im Gesetz: "Schutzmaßnahmen dürfen nicht zur vollständigen Isolation von einzelnen Personen oder Gruppen führen; ein Mindestmaß an sozialen Kontakten muss gewährleistet bleiben."
Dass die Befugnisse der Landesregierungen nunmehr auf diese Weise eingeschränkt werden, gehe auf zentrale Forderungen der SPD zurück, sagte Fechner. Allerdings: "Weitergehende Vorschläge der Sachverständigen wie etwa einen Parlamentsvorbehalt konnten wir nicht gegen die Union durchsetzen."
Union: "Der Parlamentsbeteiligung genüge getan"
Demgegenüber stellte Unions-Rechtspolitiker Luczak gegenüber LTO klar, dass mit den nun erfolgten Korrekturen im § 28a IfSG auch der parlamentarischen Beteiligung des Bundestages hinreichend genüge getan sei: "Letztlich geht es um Verordnungen der Länder. Durch die Vorgabe eines konkreten, Tatbestand und Rechtsfolge umschreibenden Regelungsprogramms für die Länder haben wir die Eingriffe nicht nur grundrechtsschonend ausgestaltet, sondern tragen auch dem verfassungsrechtlichen Wesentlichkeitsprinzip Rechnung."
Gestrichen wurde im Übrigen der bisher enthaltene Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zunächst hatte es explizit geheißen, dass die Maßnahmen nur angeordnet werden dürften, wenn sie auch verhältnismäßig sind. "Dies ist eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit und daher überflüssig", so Luczak. In der nun beschlossenen Version werde dem Übermaßverbot durch die konkrete Ausgestaltung der Vorschrift hinreichend Rechnung getragen. Der Unionspolitiker wies darauf hin, dass man sensible Bereich wie die Zulässigkeit von Demonstrationen, Gottesdienste oder auch den Besuch von Senioren- und Pflegeheimen sowie Krankhäusern nun ganz besonders grundrechtsschonend geregelt und daher auch viele Ängste der Menschen hoffentlich zerstreut habe.
Linke: "Schärfste Maßnahmen seit Bestehen des Grundgesetzes werden durchgepeitscht"
Bereits am Mittwoch soll das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz im Bundestag beschlossen werden. Auf ungeteilte Zustimmung der Opposition wird es wohl nicht stoßen:
"Wir erleben die schärfsten, grundrechtsintensivsten Maßnahmen seit Bestehen des Grundgesetzes und die Koalitionsfraktionen betreiben trotzdem weiter politisch Schindluder", erklärte der verfassungspolitische Sprecher der Linken, Niema Movassat gegenüber LTO in einer ersten Reaktion. Der Parlamentarier regte sich auch über das Tempo auf, in dem die Koalition die Gesetzesänderung beschließen wird: "Statt die Rolle des Parlamentes und der Opposition ernst zu nehmen, legen sie montagmorgens dem Ausschuss dutzende Änderungen an ihrem eigenen Gesetz als Tischvorlage vor. Das ist ein Stil, der die Legitimität von parlamentarischen Verfahren gefährdet und geeignet ist, noch mehr Vertrauen in der Bevölkerung zu verspielen."
Acht Monate seit Pandemieausbruch habe die Koalition Zeit gehabt, um die gesetzlichen Grundlagen für die Maßnahmen auf ein gesetzliches Fundament zu legen, so Movassat. "Am Ende will sie das parlamentarische Verfahren dafür innerhalb von einer Woche durchpeitschen."
Info: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/corona-massnahmen-28a-ifsg-rechtssicherheit-gerichte-verfassungswidrig-unbestimmt-anhoerung-bundestag/ https://deref-gmx.net/mail/client/swZvpaZ0tVU/dereferrer/?redirectUrl=https%3A%2F%2Fwww.lto.de%2Frecht%2Fhintergruende%2Fh%2Fcorona-massnahmen-28a-ifsg-rechtssicherheit-gerichte-verfassungswidrig-unbestimmt-anhoerung-bundestag%2F
Weitere:
Diskussion über die Pandemiemaßnahmen und ihre Kritiker
heise.de, vom 16. November 2020 Suitbert Cechura
Zitat: Es braucht nicht nur Mut zu einer Corona-Debatte, man muss sie auch führen
Die "Querdenker"-Demonstration von Leipzig hat die Kritik an den staatlichen Pandemie-Maßnahmen wieder in den Blickpunkt der Medien gerückt, wobei die Protestszene, wie gehabt, schnell in die Ecke von Rechtsextremen und Krawallmachern gerückt wird.1
Gleichzeitig begründet die Polizei ihre Zurückhaltung im Fall des Leipzigers Auflaufs damit, dass sie nicht mit Wasserwerfern gegen Alte und Kinder vorgehen könne. Am Abend desselben Tags konnte sie freilich in Leipzig mit Wasserwerfern, Polizeihunden und einem martialischen Aufgebot gegen jugendliche "Linksextreme" vorgehen, um eine brennende Barrikade zu löschen. Von Seiten der Politik, vor allem von Grünen und Linken, wird dann in der Folge mehr Gewalt gegen rechte Demonstranten gefordert. Politikern von CDU/CSU bis Linke, die sonst immer betonen, dass Gewalt kein Argument ist, ist Gewalt statt Argumente nur zu vertraut.
Peter Nowak wünscht sich jetzt in einem Beitrag auf Telepolis "Mut zum Streit über Corona" und sieht vor allem die Linke gefordert. Einen Mangel an Statements zur Pandemie kann man bei den Veröffentlichungen auf Telepolis eigentlich nicht feststellen. Aber nur selten wird - wie im Beitrag von Detlef Georgia Schulze - Bezug auf Beiträge anderer Autoren genommen. Von einem Streit kann also keine Rede sein, auch nicht von einer Diskussion, die auf die Klärung von Sachverhalten aus ist. Material für einen solchen Disput ist jedoch reichlich vorhanden, warum nicht damit beginnen?
Klärung vorab: Eine Diskussion über die Pandemiemaßnahmen und ihre Kritiker muss sich natürlich darauf verständigen, an wen sie sich wenden will. Als öffentliche Diskussion richtet sie sich an die Leser und Leserinnen von Telepolis und damit auch an (potentielle) Anhänger der "Querdenker" und nicht nur an die angesprochenen Autoren. Deren Argumente sind als Beiträge zu einer Klärung zu betrachten und daran zu messen, was sie in dieser Hinsicht leisten. Wenn es das Ziel ist, auch Sympathisanten der "Querdenker" zu erreichen, verbieten sich Charakterisierungen wie "Corona-Leugner". Denn das betreiben die Demonstranten meist nicht: Sie leugnen nicht das Virus, sondern stellen seine Gefährlichkeit in Frage.
Ebenso fällt der Titel "Covidioten" gleich ein Generalverdikt über die Adressaten und verabschiedet sich von jeder Auseinandersetzung. Auch die Fahndung nach Teilnehmern oder Drahtziehern aus dem rechtsradikalen Milieu kann man getrost dem Verfassungsschutz überlassen, denn ein solcher Nachweis dient in der Regel dazu, die Teilnehmer einer solchen Demonstration aus dem Kreis der anständigen Demokraten auszugrenzen und impliziert die Aufforderung nach Abgrenzung ohne jedes Argument.
Auch der Hinweis, dass der Corona-Protest ein Produkt der Krise sei, nimmt die Menschen nicht ernst; er spricht den Betroffenen ein eigenes Urteil ab. Wozu soll dann noch die Konfrontation mit ihrer "objektiven Funktion" (Leipziger Corona-Randale) dienen, wenn sie doch ganz durch ihre soziale Situation bestimmt sind? Einen Beitrag zur sachlichen Auseinandersetzung hat Lorenz Borsche dagegen in seiner Einleitung zu "Vordenker der Querdenker" versucht.
Zur Pandemiebekämpfung
Bei den zahlreichen Beiträgen auf Telepolis zur Corona-Pandemie ist zudem nur schwer ein durchgehendes Thema auszumachen, werden doch sehr unterschiedliche Fragen behandelt: So geht es um die Wissenschaftlichkeit verschiedener Positionen (Borsche, Kuhbandner, Schulze, Rötzer), um die Legitimität von Maßnahmen (Thomae), um ihre Folgen (Malachowski), ihre Angemessenheit (Schappert) oder ihre Akzeptanz in der Bevölkerung (Kenius). Wobei diese Liste der Themen und Autoren keineswegs vollständig ist.
Wenn es aber um die Pandemiebekämpfung geht, dann sollte dies auch die Leitlinie der Debatte abgeben. Dabei wäre als erstes zu klären, was der Maßstab für eine gelungene Bekämpfung ist. Geht es um den Schutz der Bürger vor einer gesundheitlichen Beeinträchtigung oder geht es um das Funktionieren dieser Gesellschaft?
Es ist nicht immer klar erkenntlich, welchen Maßstab die Kritiker oder Befürworter der Pandemiemaßnahmen gewählt haben, wenn sie den handelnden Politikern Versagen oder Erfolg bescheinigen. Denn die beiden genannten Maßstäbe fallen nicht einfach zusammen, was die Politiker in ihren Ausführungen auch immer wieder deutlich machen: Einfach alle infektionsträchtigen Kontakte unterbrechen und sich auf die physische Versorgung der Bürger beschränken, das geht in dieser Gesellschaft gar nicht. Es müssen in ihr immer auch die Folgen für die Wirtschaft - und das heißt in erster Linie: für ihr Wachstum an Kapitalreichtum - mitbedacht werden. Das ist ja das Prinzip einer Gesellschaft, in der alles als Geschäft organisiert ist.
In ihr gilt nicht als das entscheidende Kriterium, ob die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt ist. Vielmehr sind Versorgung, Vergnügen oder lebenswichtige Dienstleistungen Mittel des Geschäfts; sie sind dazu da, um aus Geld mehr Geld zu machen. Und vom Gelingen des allgemeinen Geschäftsgangs sind im Prinzip alle Existenzen abhängig gemacht.
Der Bürger als Risikofaktor und Schutzobjekt
Weil das so ist, wird auch immer wieder von Maßnahmen, die das Fortschreiten der Pandemie eingrenzen könnten, abgesehen, so dass Kranke und Tote in Kauf genommen werden. Dies zeigt sich auch in den verschiedenen Diskussionen um die wissenschaftliche Begründung von Maßnahmen.
Wissenschaft im Dienste des Volkes?
In der Diskussion um einzelne Maßnahmen berufen sich die Diskutanten wie die Politiker auf die Wissenschaft. Wenn Kontroversen darüber aufkommen, welche Regelungen zu ergreifen sind, finden meist beide Seiten Wissenschaftler, die die jeweilige Position stützen. So werden dann etwa von Telepolis-Beiträgen in langen Ausführungen wissenschaftliche Erkenntnisse referiert und dazu aufwändige Statistiken bemüht. Dabei kann man sich oft die Mühe sparen, den langen Beweisführungen zu folgen, liegt die Antwort doch meist schon in der Fragestellung, die mittels Statistik bewiesen werden soll.
Schon die Forderung nach "Evidenz" lässt völlig offen, was als wissenschaftlicher Beweis gelten soll. Die Forderung nach Evidenz hat ursprünglich nur klinische Studien als Beweis gelten lassen, ganz so als ob naturwissenschaftliche Erkenntnisse keine Aussagekraft hätte. Dies wird zum Teil auch noch in den Ausführungen von Autoren deutlich, in denen Evidenz fast in jedem zweiten Satz erscheint. Dabei sind es gerade die statistischen Untersuchungen, die Ergebnisse von zweifelhaftem Wert produzieren und bei denen das Ergebnis von der Fragestellung abhängig ist. Statistiken können hilfreich sein, basieren auf Wahrscheinlichkeitsaussagen und sind immer interpretationsbedürftig. Zahlen sprechen nicht für sich.
Zentraler Streitpunkt ist die Gefährlichkeit von Covid-19 - und diese wird mit Rechnungen und Gegenrechnungen bewiesen oder, je nachdem, in Frage gestellt. Dabei ist aber immer der Kenntnisstand der Virologen der Ausgangspunkt. Und das muss er auch sein, denn diese haben das Virus identifiziert, biologisch eingeordnet, seine Übertragungswege dargestellt und die Wirkungen im Körper aufgelistet. Die Frage nach der größeren oder geringeren Schädlichkeit des Virus, die die Gemüter bewegt und im Corona-Protest die Hauptrolle spielt, geht dabei notwendiger Weise von einem Schaden aus. Dies ist auch in der Protestszene unterstellt (sofern sie sich nicht ganz von Argumenten zugunsten eines unüberprüfbaren Geheimwissens verabschiedet hat), wird dort nur anders gewichtet.
Unterstellt ist damit weiterhin, dass die Bürger in dieser Gesellschaft ständig mit gesundheitlichen Schädigungen konfrontiert werden. Da ist die Grippe im Herbst nur eine Erkrankung neben vielen anderen; es gibt massenhaft Tote im Straßenverkehr, durch Feinstaub in der Atemluft, in Folge der Stressbelastung am Arbeitsplatz oder in der Familie etc. Die Frage nach dem Ausmaß der Schädlichkeit des Virus wird in eine "realistische" Betrachtungsweise überführt, die die Schädigungen aneinander relativiert. Dass es sie gibt, ist aus dieser Perspektive erst einmal hinzunehmen; sie gehören einfach zu den "Lebensrisiken" einer modernen Industriegesellschaft dazu wie die "Zivilisationskrankheiten", mit denen ja auch jeder in seiner Lebensführung individuell klar kommen muss. Aus dieser Perspektive sind dann nur übermäßige Schädigungen - wo die Grenze gezogen werden soll, bleibt meistens nebulös - abzulehnen.
Das erste Fazit für eine Diskussion, die zu sachlicher Klärung führt, wäre demgemäß: An einem solchen Streit sollte man sich auf keinen Fall beteiligen! Sonst ist man schon von vornherein in den herrschenden Zynismus eingemeindet, der das vertretbare Ausmaß der "Kollateralschäden" berechnet. Stattdessen sollte man über den Ausgangspunkt solcher Berechnungen aufklären und etwa die Frage aufwerfen, warum es in dieser Gesellschaft so selbstverständlich ist, dass ständig gesundheitliche Schädigungen in Kauf zu nehmen sind.
Hinterfragt werden auch in vielen Kommentaren die offiziellen Zahlen der Infizierten oder Coronatoten, der belegten oder freien Intensivbetten. Dass die offiziellen Zahlen der Infizierten nicht den gesamten Umfang der Erkrankten erfassen, ist kein Geheimnis, bezieht sich die Zahl doch auf die positiv Getesteten und beansprucht somit in keiner Weise, repräsentativ zu sein. Die Frage nach der Dunkelziffer und die entsprechenden Berechnungen der wahrscheinlich Infizierten werden dann - wie in der Heinsberg-Studie oder der München-Studie - ins Verhältnis gesetzt zu den ermittelten Toten. Da die auf diese Weise ermittelte Zahl der Infizierten immer größer ist als die offiziellen Infektions-Zahlen, lässt sich die Quote der Toten durch Corona herunterrechnen. So wurde die Heinsberg-Studie auch gleich als Argument benutzt, die Forderung nach Lockerungen der Maßnahmen zu unterstützen, und der Studienleiter fand sich an der Seite von Ministerpräsident Laschet wieder.
Auch die Maske ist Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzungen. Der Virologe Christian Drosten hat zu Beginn der Pandemie seine wissenschaftliche Autorität in die Waagschale geworfen und betont, dass die einfachen Masken den Träger nicht vor einer Infektion schützen. Das stimmt! Nur was bedeutet es in einer Situation, wo es darum geht, mangels Medikament und Impfstoff die Infektionsketten zu unterbrechen? Auch wenn die einfachen Masken ihre Träger nicht vor Ansteckung schützen, bremsen sie doch den Luftausstoß und damit die Verbreitung von Aerosolen. So tragen sie zur Eingrenzung der Übertragung bei.
Schon dieses einfache Beispiel zeigt, dass es bei der wissenschaftlichen Begründung der zu ergreifenden Maßnahmen nicht einfach darum geht, den Erkenntnisstand der Wissenschaft in der Praxis zur Anwendung zu bringen. Wie hier deutlich wird, stellen sich Wissenschaftler in den Dienst an der Volksgesundheit, für die die Politiker verantwortlich zeichnen, und wollen den Verantwortlichen bei ihrem Geschäft mit Argumenten zu Diensten sein.
Man muss keine langen Untersuchungen studieren, um zu wissen, dass die einfache Maske Übertragungen von Viren oder Bakterien hemmt, aber nicht verhindert. Operateure tragen diese Masken ja nicht aus Vergnügen an der Verkleidung. Der Chef-Virologe Drosten wollte seinerzeit schlicht verhindern, dass alle Bürger nach einer Maske fragen. Denn die gab es zu Anfang des Jahres nicht in ausreichendem Umfang - und eine erhöhte Nachfrage nach Masken hätte die Preise weiter in die Höhe getrieben sowie das Gesundheitssystem zusätzlich belastet.
Es wurden (und werden) also nicht einfach wissenschaftliche Erkenntnisse vorgetragen, sondern diese gleich ins Verhältnis zu den Wirkungen in unserer marktwirtschaftlich geordneten Gesellschaft gesetzt. Und die betreffenden Erkenntnisse werden von Experten so in Stellung gebracht, wie der Einzelne meint, dass sie der gesellschaftlichen Lage nützen - was natürlich gleich einen Pluralismus der Meinungen hervorbringt. So sortieren sich etwa Virologen nach einer strengeren oder einer lockereren Linie. Anfang 2020 wurde daher in Deutschland das Tragen von Masken zu einer Nettigkeit gegenüber den Mitmenschen erklärt und damit zu einer Nebensache in Bezug auf die Pandemiebekämpfung.
Mittlerweile ist eine ganze Reihe von Untersuchungen zur Schutzwirkung von Masken durchgeführt worden - etwa bezogen auf deren ganz unterschiedliche Qualität. Masken sind ja nicht gleich Masken und die unterschiedlichen Typen sollen auch unterschiedliche Funktionen erfüllen. Als Selbstschutz taugen allenfalls die Masken FFP2 und FFP 3, nicht jedoch der einfache Mundschutz. Das ist eindeutig und deshalb erübrigt sich auch das kritische Nachfragen nach der Maskenpflicht, genauso wie die Notwendigkeit, aufwändige Untersuchungen diesbezüglich anzustellen.
Man kann die Frage aufwerfen, ob die Selbstschutzmasken auch zum Schutz anderer Menschen taugen. Dann wird man feststellen: mehr oder weniger. Sie bremsen schließlich auch den Austritt der Atemluft. Absurd wird es, wenn es in die Frage verlängert wird, ob diese Masken eine Infektion verhindern können. Dazu braucht es ebenfalls keine aufwändige Untersuchung, denn diese Masken verhindern ja nicht den Austritt von Atemluft, sondern lassen immer einen Teil der Atemluft ungefiltert austreten. Reell sind hingegen Untersuchungen, die nicht die Statistik bemühen, sondern die physikalische Beschaffenheit des Materials von Masken unter die Lupe nehmen. Aus Porengröße etc. lässt sich die Filterwirkung einer solchen Maske bestimmen.
Andere Untersuchungen befassen sich mit dem Umgang, den die Träger mit ihren Masken pflegen. Die Mehrheit benutzt die Masken mehrfach, reinigt und desinfiziert sie nicht und setzt sie so bei Bedarf auf. Da kann man natürlich labortechnisch feststellen, dass diese Masken Viren und Bakterien enthalten. Doch was ist damit gesagt? Die Viren und Bakterien sind überwiegend von der Art, die sich auch am oder im Träger findet. Entweder ist er schon infiziert oder er ist es nicht, die Maske wird ihn daher nicht neu infizieren. Die Maske bremst aber auch ungereinigt nach wie vor den Atemstrom und erfüllt so die Funktion, für die sie in der Pandemiebekämpfung vorgesehen ist.
Die mit viel Aufwand betriebenen Untersuchungen, die, wie dargelegt, teilweise an den für die Pandemiebekämpfung interessanten Fragen glatt vorbeigehen, können auch den "Querdenkern" einiges Material liefern, das ihnen beweist, dass die Masken eigentlich keinen Gesundheitsschutz bieten. Diese Leute sind so durchaus in der Lage, sich auf Aussagen von Wissenschaftlern zu beziehen; sie sind nicht per se Wissenschaftsfeinde, auch wenn es solche in der Protestszene geben mag. Wenn die Maske nichts oder nur wenig nutzt, warum wird sie dann dennoch verordnet? Solche Zweifel liegen angesichts verschiedener Untersuchungen geradezu auf der Hand.
Die Skeptiker stellen sich dann die Frage: Welcher politische Zweck liegt also wirklich einer solchen Maßnahme zu Grunde? Da er angesichts der Untersuchungsergebnisse nicht gesundheitlich begründet sein kann, muss etwas ganz Anderes dahinter stecken - der Phantasie sind dann keine Grenzen gesetzt. All das ergibt sich, wenn man nicht zur Kenntnis nehmen will, dass die Politik über die Entscheidungshoheit verfügt und dass sie die Wissenschaft von vornherein in ihren Dienst gestellt hat, aber die dort tätigen dienstbaren Geister nicht darüber bestimmen lässt, was aus ihren Geistesleistungen wird. Das ist eben die hochgeschätzte Freiheit von Forschung und Lehre! Die Wissenschaft ist frei - nämlich freigesetzt und abgetrennt von der Welt, in der sie angewendet wird.
Fast schon absurd mutet es an, wenn Kritiker und Betroffene von Pandemiemaßnahmen darauf verweisen, dass es wissenschaftlich nicht erwiesen sei, dass z.B. Restaurants, Fitnessstudios, Kultureinrichtungen Hotspots der Übertragung darstellen und von daher zu Unrecht geschlossen werden. An diesen Beispielen wird deutlich, dass die Politik sich nicht von wissenschaftlichen Überlegungen leiten lässt, wie die Bevölkerung am besten zu schützen ist, sondern deren Schutz vor der Pandemie ins Verhältnis setzt zu den wirtschaftlichen Auswirkungen, die dieser Schutz verursacht. Und da wissen Politiker zwischen Branchen zu unterscheiden, die als wesentlich für die Bedeutung Deutschlands in der Welt zu betrachten sind, und solchen, die zwar einen Faktor in der wirtschaftlichen Gesamtrechnung bilden, aber als vernachlässigbare Größe gelten können.
Letzteres trifft vorzugsweise Branchen, die der Unterhaltung und dem Vergnügen der Bürger dienen. Ob sie nun einen Hotspot bilden oder nicht, ist da nicht entscheidend. Als ein Beitrag dazu, die Kontakte einzuschränken, werden sie dennoch ins Auge gefasst, und so lässt sich der Schutz der Bevölkerung optimal mit der Eingrenzung des wirtschaftlichen Schadens für Deutschland verbinden.
Die Frage nach der Legitimität
Die Frage nach der Legitimität der Pandemiemaßnahmen wird von zwei Seiten gestellt. Von Seiten der "Querdenker", die sich dazu bisher bei Telepolis nicht geäußert haben, aber von den Medien laufend zitiert werden, und von Seiten der Politik, beispielsweise vom FDP-Politiker Stephan Thomas, der die mangelnde Beteiligung der Parlamente beklagt, da die "weitreichenden Verordnungsermächtigungen" auf die Exekutive "wie eine Droge" wirkten ("Corona-Politik gehört wieder in die Hand der Parlamente", vgl. auch Der Bürger als Risikofaktor und Schutzobjekt).
"Querdenker" führen empört die Einschränkungen ihrer Grundrechte ins Feld, die im Rahmen der Pandemiemaßnahmen erfolgen, und stellen die Berechtigung der Maßnahmen damit in Frage. Aber: Rechte hat man nicht einfach, sie werden einem verliehen, womit derjenige, der sie verleiht, festlegt, was erlaubt ist und was nicht. Also unterstellen Rechte immer eine Obrigkeit (mag sie auch noch so sehr durchs Volk oder ein zurechtkonstruiertes Elektorat legitimiert sein), der der Bürger unterworfen ist; diese Instanz bestimmt, was er zu tun und zu lassen hat.
Die Vertreter der Freiheitsrechte sehen sich jetzt in der Pandemie durch die mehr oder weniger einschneidenden Maßnahmen - derzeit soll es sich ja um einen "Lockdown light" handeln - beschränkt, was einerseits stimmt, andererseits ein Witz ist. Denn der Rahmen der Freiheit, in dem man sich bewegen darf, war auch schon vorher einschränkend. Der pure Aufenthalt in einem Gebäude oder auf einem Grundstück wirft in einer Welt des Privateigentums bereits die Frage nach der Rechtmäßigkeit auf. Und sobald man das Haus verlässt, unterliegt man diversen Paragraphen der Straßenverkehrsordnung. Selbst im Wald gelten strenge Bestimmungen - wie man jetzt zu Corona-Zeiten in den überlaufenen Naherholungsgebieten der Ballungsräume erfährt, wo Mountain-Biker oder Hundebesitzer von den Förstern zur Ordnung gerufen werden.
Manch einer sieht in den jetzigen Beschränkungen seiner Freiheitsrechte auch den Angriff auf die eigene berufliche Tätigkeit und damit die drohende Zerstörung seiner sozialen Existenz, was ja durchaus zutrifft. Dabei wird aber häufig der entscheidende Punkt übersehen: dass nämlich das Lob der Freiheit immer schon die Verpflichtung einschließt, mit den eigenen Mitteln, wie kümmerlich sie auch sein mögen, sein Glück zu machen, und zwar angesichts einer Welt von Chancen, die eben nie mehr verspricht als die Bereitstellung von Möglichkeiten.
Wer von Hause aus über wenig Mittel verfügt - was ja für die Mehrheit der 99 Prozent Normalverdiener zutrifft -, dem bleibt nur der Arbeitsmarkt oder der Versuch, als Solo-Selbstständiger sein Glück zu versuchen. Die Pandemie hat jetzt offen gelegt, wie viele Menschen sich als solche Selbständige durchschlagen, ohne über nennenswertes Kapital zu verfügen - ob nun als Gastwirtin, Fitnesstrainer, Yogalehrerin usw. Dies wird ihnen in der Pandemie verunmöglicht und damit ihre Existenz ruiniert. Sich da auf die Freiheitsrechte zu berufen und damit auf den Zwang, mit eigenen Mitteln zurechtzukommen, ist ein untaugliches Mittel, offenbart sich hier doch gerade die Trostlosigkeit einer solchen Existenz, die, im Fall des Falles, blitzschnell auf die Stufe der Grundsicherung und damit in die Armut absinkt.
Für Politiker stellt sich die Legitimitäts-Frage ganz anders. Sie ist zunächst von der Frage nach der Rechtmäßigkeit zu unterscheiden, die dann zur Diskussion steht, wenn jemand vor Gericht ziehen will. Der FDP-Mann und seine Mitstreiter stellen die Rechtmäßigkeit der Regierungsmaßnahmen jedoch nicht in Zweifel, schließlich haben er und seine Kollegen die Regierungen in Bund und Ländern zu den Krisenmaßnahmen ermächtigt und den Regierenden Handlungsfreiheit eingeräumt.
Wenn hier die mangelnde Legitimierung der Maßnahmen bemängelt wird, geht es um die Folgsamkeit der Bürger. Deren Gehorsam sieht die Politik gefährdet und so entdecken einige in den Parlamenten die Instanz, die durch öffentliche Diskussionen und im Streit ums Für und Wider den Gehorsam sichern soll. Wenn Politiker dabei auf Distanz zu den Regierenden geht, ist das ein Stück Heuchelei. Sind doch alle Parteien beteiligt, wenn die Vertreter der Länder mit der Kanzlerin beraten. Auch die FDP sitzt in Landesregierungen und trägt von daher die Maßnahmen mit.
Zitat: Angemessen oder verhältnismäßig?
Es wird immer wieder betont, dass die Pandemiemaßnahmen "geeignet, erforderlich und angemessen" sein sollten. Die Beschwörung dieser Formel müsste als Erstes mit einigen Fragen beantwortet werden. Geeignet und erforderlich wozu?
Woran misst sich die Angemessenheit oder wann ist eine Maßnahme verhältnismäßig? Wenn es um die Eignung von Maßnahmen geht, so ist oben schon darauf verwiesen worden, dass die Erfolgskriterien für deren Einsatz unterschiedlich ausfallen können. Geeignet, um die Pandemie zu bekämpfen? Oder geeignet, den Schaden für die Bevölkerung wie für die Wirtschaft in Grenzen zu halten? Und warum sind sie erforderlich? Muss es möglichst wenige Infektionen geben, weil die Bevölkerung vor Schaden bewahrt werden soll, oder deswegen, weil die Bevölkerung für das Funktionieren von Staat und Wirtschaft als Arbeits- und Kaufkraft gebraucht wird? Den jeweiligen Fragestellungen entsprechend fallen die Urteile über die Maßnahmen unterschiedlich aus. Gleiches gilt für die Frage der Angemessenheit.
Wenn die Verhältnismäßigkeit zur Sprache gebracht wird und Zweifel daran angebracht werden sollen, wäre als Erstes die Frage zu stellen, was wie ins Verhältnis gesetzt wird. Wer anführt, dass das Schließen von Theatern unverhältnismäßig ist, während Friseusen oder Physiotherapeuten, die doch wesentlich näher am Kunden sind als Schauspieler vor ihren Zuschauern, weiter arbeiten dürfen, der geht von den Gründen der Maßnahmen weg, die sich im Einzelnen eben nicht einfach durch die Infektiosität der Tätigkeit begründen. Auch wenn diese Begründung durch die Politik immer wieder angeführt wird, spielen für die Schließung oder Öffnung einzelner Bereiche des öffentlichen Lebens andere Kriterien eine Rolle. Ausgangspunkt der politischen Entscheidung ist die Frage, wie sich die Schließung eines Bereichs auf das Funktionieren der gesamten Gesellschaft auswirkt.
Und da können Politiker auch mal daneben liegen, was sie dann, je nachdem, selber zu Protokoll geben. Waren anfangs die Schulen als ein Ort ausgemacht, den man ruhig schließen kann, so hat die Politik "dazugelernt" und will jetzt nicht eine ganze Generation "verloren" geben. Man hat eben festgestellt, dass durch die Schließung der Schulen in der Gesellschaft einiges durcheinander gerät. Schließlich müssen die Kinder tagsüber betreut werden, da die Eltern als Arbeitskräfte gebraucht werden, was eben mit einem funktionierenden Familienleben nur schwer zu vereinbaren ist. Und wenn Kommentatoren fragen, warum die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts nicht berücksichtigt werden, das empfiehlt, bei mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner die Klassen zu teilen, dann erhalten sie die kurze Mitteilung, dass es eben auch noch andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen gelte.
Der Nutzen des Alarmismus
Alarmismus ist ein Titel, der in der Debatte immer wieder bemüht wird. Dabei wird auch dieser Begriff sehr unterschiedlich eingesetzt. Er dient etwa als Hinweis darauf, dass es doch noch ganz andere Menschheitsprobleme gäbe und dass durch das ständige Gerede über Corona globale Probleme wie Erderwärmung, Krieg, Migration und Armut in den Hintergrund gedrängt würden.
Wenn sich die Hinweisgeber die Mühe machen würden zu untersuchen, warum es diese "Menschheitsprobleme" gibt, würden sie allerdings schnell auf die gleichen Akteure stoßen, die jetzt die Pandemie - national wie global - managen und mit ihren Kalkulationen den Bürgern oder der Umwelt die einschlägigen Probleme bereiten.
Der Vorwurf des Alarmismus wird aber auch benutzt, um die Folgen der Pandemie auf die hiesige Gesellschaft herunterzuspielen. AfD-Hilse im Bundestag (BT-Protokoll, 188. Sitzung, S. 23701f): "Ein Virus und die von ihm ausgelöste Krankheit, von der selbst die WHO mittlerweile sagt, sie sei mit einer mittelschweren Grippe vergleichbar, wird zur Panikverbreitung benutzt, um in ihrem Schatten all die Dinge umzusetzen, die Sie sich schon lange auf die Fahne geschrieben haben, unter anderem das Auslöschen der Nationalstaaten in Europa." Beschwerden kommen aber auch aus der "Mitte der Gesellschaft". Dann heißt es, dass wegen der Alarmmeldungen größere Einschränkungen erfolgten als unbedingt notwendig, und die Sorge wird laut, ob so nicht die Glaubwürdigkeit beim Bürger untergraben wird, auf dessen Folgsamkeit es in der Pandemie doch gerade ankommt? Das können dann wieder alle seriösen Politiker teilen.
"Querdenker" werfen der Politik nun vor, sie übertreibe zielstrebig die Auswirkungen der Pandemie, um den Bürgern Angst zu machen und sie so zu folgsamen Untertanen zu formen. Damit treffen sie durchaus einen Punkt, denn die Politik setzt ihre Informationen berechnend ein und greift, wenn sie es für notwendig erachtet, auch zu drastischen Darstellungen wie der drohenden Triage. Das ist im Pandemieplan 2013 (Bundestagsdrucksache 17/12051), der seinerzeit dem Parlament vorgelegt wurde, auch ausdrücklich als ein Mittel festgehalten. All das geschieht, um die Bevölkerung auf die Maßnahmen als alternativlose Entscheidungen zu verpflichten.
Und trotzdem haben die Corona-Skeptiker und Rebellen damit unrecht: Dies ist keine Besonderheit des gegenwärtigen Zustands. Die Politik stellt ihre Maßnahmen nämlich immer im Licht höherer Notwendigkeiten dar, um sich der Zustimmung der Bürger und ihres Mitmachens zu versichern. Insofern muss sie ihr Volk nicht erst zu folgsamen Untertanen formieren. Vielmehr ruft sie jetzt, wo sie es auf die in der Pandemie als notwendig erachteten Maßnahmen einstellt, das ab, was auch im Normalzustand gilt.
Fazit
Es ist nicht schwer, Ungereimtheiten bei den Pandemiemaßnahmen und ihren Begründungen zu entdecken, versucht die Politik doch immer ihre Maßnahmen im Interesse aller und wissenschaftlich gut begründet darzustellen. Sie setzt darauf, dass ihre Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung als Basis von Staat und Wirtschaft als Interesse aller akzeptiert werden, weil alle darauf angewiesen sind, vor dem Virus geschützt zu werden und weil sie in der Mehrheit vom Wachstum der Wirtschaft abhängig sind. Dabei erscheinen die momentanen Maßnahmen manchem als irrsinnig, schränkt der Staat doch ausgerechnet die Wirtschaft ein, auf die es in dieser Gesellschaft vor allem ankommt.
Weil in der Pandemiebekämpfung sowohl die Interessen der Wirtschaft als auch der Schutz der Bevölkerung zum Tragen kommen soll, diese Interessen aber nicht zusammengehen, erscheinen viele Maßnahmen als inkonsequent und damit auch die Berufung auf die Wissenschaft als wenig glaubwürdig.
Den Politikern Inkonsequenz vorzuwerfen, unterstellt, dass die Maßnahmen richtig gewählt, die Interessensidentität von Wohl der Wirtschaft und der Bevölkerung sichern könnte, hält somit an dem guten Glauben am Dienst der Politiker für Bevölkerung und Wirtschaft fest. Obgleich in der Pandemie immer wieder offenkundig wird, dass der Schutz der Bevölkerung zu Einschränkungen der Wirtschaft führt oder die Sicherung der Fortgangs der Wirtschaft Opfer kostet, ist dieser Glaube nur schwer zu erschüttern.
Das Nachrechnen bei der Berufung auf die Wissenschaft durch die Politik, verdankt sich dem Glauben, dass diese sich wirklich von der Wissenschaft und nicht von Interessen leiten würde. Dabei gibt es zahllose Äußerungen von Politikern, die darauf verweisen, dass sie nicht einfach nur diejenigen sind, die die wissenschaftlichen Ergebnisse umsetzen, sondern andere Notwendigkeiten kennen.
Der Nachweis der mangelnden Wissenschaftlichkeit ist zunächst lediglich ein Hinweis, dass dort jemand ein Fehler gemacht hat. Es gibt aber auch das Bemühen zu zeigen, dass es kein zufälliger Fehler ist, der dort gemacht wurde, sondern diese sich Interessen verdanken, die da zum Zuge kommen. Wenn diese Interessen nicht benannt werden, dann eröffnen solche Beweisführungen geradezu das Tor für Spekulationen um die Hintergründe, die einem solchen politischen Handeln zu Grunde liegen.
Info: https://www.heise.de/tp/features/Diskussion-ueber-die-Pandemiemassnahmen-und-ihre-Kritiker-4960707.html?seite=3 https://deref-gmx.net/mail/client/8idwrIZQk6k/dereferrer/?redirectUrl=https%3A%2F%2Fwww.heise.de%2Ftp%2Ffeatures%2FDiskussion-ueber-die-Pandemiemassnahmen-und-ihre-Kritiker-4960707.html%3Fseite%3D3