16.06.2021

Grüne Kriegspartei: Cem Özdemir / Madeleine Albright

aus E-Mail von Doris Pumphrey, vom 15.6.2021 11:53

<https://www.n-tv.de/politik/Putin-setzt-auf-Eskalation-article22617677.html>

14.6.2021

*"Putin setzt auf Eskalation"

*Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir plädiert für einen klaren Tonfall bei Gesprä-chen mit dem russischen Präsidenten. Zugleich kritisiert er, dass "viele ein sehr naives Bild" von Wladimir Putin hätten.


Der Grünen-Politiker Cem Özdemir ist optimistisch, dass die Zusammenarbeit der NATO-Staaten nun besser wird, als sie es in der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump war. "Die NATO ist zurück und sie lebt", sagte der Bundestagsabgeordnete im "Frühstart" von ntv.


Özdemir machte zugleich deutlich, dass mit Trumps Nachfolger Joe Biden nicht alles sofort bes-ser werde. Vor allem mit Blick auf die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin stehe die NATO vor großen Herausforderungen: "Die Nachbarn in Osteuropa sind sehr besorgt über das, was Putin macht", so Özdemir. "Jetzt geht es darum, dass die NATO deutlich macht, dass sie eine Wertegemeinschaft ist und für Demokratie steht. Da gibt es einiges zu tun."


Die Verantwortung für die schlechten Beziehungen zwischen der NATO und Russland sieht Öz-demir beim Kreml. "Putin setzt auf Eskalation und auf Grenzverschiebung. Wir müssen Putin klarmachen: Im 21. Jahrhundert löst man seine Probleme, indem man darüber redet, und nicht, indem man seine Nachbarländer terrorisiert und überfällt - oder gar Terrorismus exportiert, in-dem man hier Leute liquidiert. All das ist nicht akzeptabel."


Angesprochen auf das für Mittwoch geplante Treffen zwischen Putin und Biden sagte Özdemir, er verbinde damit keine große Hoffnung. Es sei aber dennoch gut, dass das Gespräch stattfinde. Zugleich plädierte er für einen klaren Tonfall Putin gegenüber: "Es ist wichtig, dass wir deutlich

machen, dass wir es ernst meinen mit den Werten und mit den Grenzen - zum Beispiel durch den Einsatz von Sanktionen."


Özdemir kritisierte, dass gerade in Deutschland "viele ein sehr naives Bild" von Putin hätten. "Die glauben, wenn man nett ist zu autoritären Herrschern, dann sind die nett zu uns. Das ist aber eine völlig weltfremde Haltung" und lade nur dazu ein, dass Herrscher wie Putin, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan oder der Ungar Viktor Orbán immer wieder einen Schritt weiter gingen.



aus E-Mail von Doris Pumphrey, vom 15.6.2021 11:53

<https://de.rt.com/meinung/119039-gute-alte-zeiten-nato-erweiterung-madeleine-albright-gibt-impulse-gruenen-parteitag/>

14.6.2021, von Wladislaw Sankin

*Gute alte Zeiten der "NATO-Erweiterung"–

Madeleine Albright gibt "Impulse" bei Grünen-Parteitag

*Ex-Außenministerin Madeleine Albright wirkt bis heute als Stichwortgeberin für transatlantisch ausgerichtete Politik. Auf dem Parteitag der Grünen wurde sie als Gastrednerin eingeladen. In ihrem Beitrag sehnte sie sich nach den Zeiten, als die USA auf dem Zenit ihrer Macht waren.


Aufs Neue haben die Grünen auf ihrem Online-Parteitag gezeigt: Ihre transatlantischen Netzwer-ke sind für sie das A und O. Stolz haben sie am dritten Tag der Veranstaltung 

<https://www.youtube.com/watch?v=JO5lQosAAs4>  die prominente Gastrednerin aus den USA für einen "Impuls-Beitrag" präsentiert – die Geschäftspartnerin und US-Kollegin des bislang ein-zigen grünen Außenministers Joschka Fischer, Madeleine Albright. So wie er beschäftigt sie sich mit ihrer Consultingfirma auch 20 Jahre nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt mit politischem Lobbyismus im Sinne einer transatlantischen, US-dominierten Politik.


Die nunmehr 84-Jährige war in der zweiten Amtszeit des demokratischen Präsidenten Bill Clinton zwischen 1997 und 2001 als erste Frau in den USA an der Spitze des Außenamtes tätig – auch diese Tatsache hoben die grünen Gastgeber in ihrem Einleitungssatz hervor. Damit vertrat sie die USA auf dem Höhepunkt ihrer Weltmacht. Auch wenn sie später ihre berühmt-berüchtigte Aussage, der Tod einer halben Million irakischer Kinder rechtfertige das US-Embargo gegen das Land, als "Fehler" bezeichnete, ändert dies nichts daran, dass ausgerechnet sie die Ruchlosigkeit der westlichen Sanktionspolitik und Völkerrechtsbrüche verkörpert.


Das gilt zumindest für viele derjenigen, die außerhalb der Reichweite der elitären Propaganda der Grünen leben, die Interventionen und die Regime-Change-Politik als "humanitäre" Einsätze verklärt. Für die Grünen ist sie dagegen die Grand Dame der Politik, eine hohe moralische Ins- tanz, die alle fünf Jahre einen Bestseller mit politischen "Weisheiten" 

<https://www.heise.de/tp/features/Der-Faschismus-der-anderen-4170657.html?seite=all> zu

Papier bringen weiß.


Deshalb – wenig überraschend – hat sie in ihrem Beitrag als Erstes an ihre gemeinsame Zeit mit Joschka Fisher gedacht. Natürlich waren es nur lobende Worte, denn er hat sich in der Zeit ihrer Zusammenarbeit vor allem als großer Befürworter des NATO-Militäreinsatzes gegen Jugoslawien

für US-Interessen nützlich gezeigt:

/"Wir haben mit Joschka Fischer zusammengearbeitet, um die NATO auszuweiten, die ethnischen Säuberungen auf dem Balkan zu beenden und die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staa-ten und der EU zu stärken."/


Kein einziger Staat der Erde konnte sich damals der Politik der USA und ihrer Partner ernsthaft widersetzen. Dieses System nennt Albright "kooperativ". Ihr zufolge sei sie es gewesen, die das "internationale kooperative System" als Erbe hinterlassen habe.


Seitdem habe sich alles grundlegend geändert, und die internationalen Spannungen hätten sich "vervielfacht": Sicherheit und Wohlstand seien bedroht, das Risiko eines Zusammenpralls der Großmächte habe sich erhöht. Und das Schlimmste: Die Zeit der historischen Rivalität zwischen

Demokratie und Autoritarismus sei zum ersten Mal seit 30 Jahren nach dem Mauerfall zurückge-kommen. In düsteren Tönen beschreibt Albright die Welt, die "Despoten" ausgeliefert sei, die Be-völkerung müsse zwischen Chaos und Unterdrückung wählen.


Was aber tun, um "den Niedergang der Demokratien" umzukehren? Albright weiß Bescheid. Als Erstes müsste die Führerschaft der USA und Europas einschließlich Deutschlands wiederherge-stellt werden. Ja, die Ex-Außenministerin sagte genau das: "The USA and Europe must lead." In

Abwesenheit eines Wahlsystems, das diese "Führerschaft" irgendwie legitimieren könnte, bedür-fte es immerhin einer Begründung. Und die Expertin liefert sie.       /"Keine andere Gruppe von Nationen hat sowohl die historische Identifikation mit der Freiheit als auch die geographische Reichweite, um demokratische Institutionen in jeder Region zu inspirieren und zu stärken."/


Offenbar bedürfte nun der (un-)gute alte westliche Interventionismus eines neuen Euphemis-mus – "geografische Reichweite". Warum? Nun ja, um in "jeder Region" etwas "inspirieren" und "stärken" zu dürfen, denn wenn man so groß sei, ist die ganze restliche Welt nur eine "Nachbar-schaft", für die man als Nachbar natürlich Mitspracherecht hat. Reicht die reine Ausstrahlung der demokratischen Werte nicht mehr, möchte man fragen? Doch, doch, die Werte, die Ideologie müssten jetzt sogar im Vordergrund stehen – aber dazu später mehr.


Das Sprachbild einer Räumlichkeit ist nicht zufällig gewählt. "Wenn die Vereinigten Staaten und Europa nicht vorausgehen, werden die anderen unseren Platz einnehmen: Entweder Despoten, die mit eiserner Faust regieren, oder Extremisten, die überhaupt keine Regeln anerkennen." Hat

Albright sich hier nicht versprochen und zufällig ukrainische Nationalisten erwähnt, die infolge eines US-geführten bewaffneten Putsches in Kiew <https://www.youtube.com/watch?v=oi2TcQMXxTE>  seit sieben Jahren ihre politischen Gegner mit Terror und Einschüchterung

überziehen? Nein, das sind doch "unsere Schurken", die bleiben unerwähnt.


Erwähnt werden dagegen die Chinesen – wohl als Beispiel für eine "Despotie". Aufgrund seiner Größe könne China "nicht ignoriert" werden. Dessen Methoden seien "zynisch" und die interne Politik "verwerflich". Außerdem sei die Unehrlichkeit seiner frühen Reaktion auf das Coronavirus "unentschuldbar". /"Es ist daher unerlässlich, dass eine neu belebte transatlantische Allianz, die an diese Ära angepasst ist, voranschreitet."/


Die Ex-Außenministerin erinnert an dieser Stelle an die Hochzeiten der europäisch-amerikani-schen Partnerschaft, noch vor den "Turbulenzen", als es darum ging, gemeinsam "äußeren Be-drohungen entgegenzuwirken und demokratische Institutionen und Werte zu stärken". Nun, mit der neuen US-Administration des Präsidenten Joe Biden geht es darum, die gleichen Prinzipien nur noch stärker als bisher zu pflegen.


/"Demokratische Nationen müssen den Aufbau und die Aufrechterhaltung der Demokratie zu ihrem wichtigsten Grundsatz machen und nicht zu einem nachträglichen Gedanken ihrer Außen- und Sicherheitspolitik."/ Ja, das ist das Zitat, das das Primat der Ideologie begründet, das Prinzip,

das die Grünen an ihrem dritten Parteitag auch umgesetzt haben, als Kanzlerkandidatin Anna-lena Baerbock betonte, dass Menschenrechte inder Außenpolitik grundsätzlich mehr Gewicht haben sollen als wirtschaftliche Interessen. Und wieder eine Prise Nostalgie. "Als ich Außenmi-nisterin war, habe ich die sogenannte Gemeinschaft der Demokratien organisiert. (...) Es geht

jetzt darum, dieses Gefühl der Solidarität wiederzubeleben."


Albright weiß, dass die Welt sich in den letzten zwei Jahrzehnten geändert hat, und zwar auf grundlegende Weise. Aber sie will es nicht wahrhaben, und deshalb dämonisiert sie die geopoli-tischen Rivalen der Transatlantiker, anstatt die Existenz einer neuen und – zugegeben – nicht mehr nach Westen orientierten Weltordnung anzuerkennen.


Sie bietet alte Rezepte, die im Kern darin bestehen, einfach die westliche Hegemonie und die US-Führerschaft wiederherzustellen und unter dem Vorwand der "Demokratie"-Stärkung zu zemen- tieren – mit all deren "Blüten" wie Diktat, Sanktionen und Interventionismus einer Regime-Chan-ge-Politik. Es ist fast schmerzhaft zu beobachten, mit welcher Ehrfurcht die sich als "jung" und "progressiv" anschickende Partei einer rückwärtsgewandten Altpolitikerin auf ihrer wichtigsten

Vorwahlveranstaltung lauscht. Das mag schmerzen, überraschen tut es aber nicht. Ihrem geo- politischen Grundverständnis nach verstehen sich die deutschen Grünen als eine Art deutsche Filiale der Demokratischen Partei der USA, was hier besonders deutlich wurde.


Info: 
https://www.n-tv.de/politik/Putin-setzt-auf-Eskalation-article22617677.html    
15.06.2021

Libanon - Der alltägliche Mangel / Syrien - Von Wasser u. Olivenbäumen

aus E.Mail von Doris Pumphrey, vom 14.6.2021 21:11

<https://www.jungewelt.de/artikel/404234.krise-im-libanon-der-allt%C3%A4gliche-mangel.html>

*Der alltägliche Mangel

*Im Libanon verschlechtert sich wirtschaftliche Lage zusehends. Strom und Lebensmittel sind kaum erschwinglich


jungewelt.de, 12.6.2021/Von Karin Leukefeld, Beirut

Zitat: /Hinter dem Empfangstresen des Hotels in Beirut in dem Aschraf arbeitet, sieht der junge Mann bei diesem Besuch noch schmaler und blasser aus als sonst. »Mein Monatslohn ist auf 80 US-Dollar geschrumpft«, umgerechnet sind das ungefähr eine Million Libanesische Pfund (LBP). »Das Geld zerfließt einem in den Händen, wenn man einkaufen geht«, erzählt er im Gespräch mit /jW/. »Ein Liter Milch kostet 15.000 Pfund, Milchpulver ist kaum zu bekommen. Fleisch kön-nen wir vergessen, ein Kilo kostet 100.000 Pfund.« Nach seinem persönlichen Befinden gefragt, antwortet Aschraf: »Miete, zusätzlichen Strom, Trinkwasser, der Kindergarten für unseren Sohn – ohne Familienhilfe aus dem Ausland wären wir nicht mehr. Krank werden dürfen wir nicht, weil wir die Arztkosten nicht bezahlen könnten«, fährt er fort. »Von dem politischen Chaos brauchen wir gar nicht sprechen.«


Rund 80 Prozent hat das Libanesische Pfund seit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise im Herbst 2019 an Wert verloren. Der Preis eines US-Dollars schwankt aktuell auf dem Schwarz-markt zwischen 13.500 und 15.000 LBP. Der offizielle Umtauschkurs liegt bei einem Zehntel, bei

1.500 LBP. Die Banken haben den Kurs unter dem Druck des Schwarzmarkts mittlerweile auf knapp 4.000 LBP erhöht. Angesichts der fortlaufenden Hyperinflation ist das Abheben vom eigenen Konto limitiert.


Nach Angaben der Weltbank (Ende 2020) haben rund 40 Prozent der offiziell rund sechs Milli-onen Einwohner (einschließlich der Flüchtlinge) infolge von Wirtschafts- und Finanzkrise sowie des fast acht Monate währenden Coronalockdowns ihre Arbeit verloren. Besonders schwer be-troffen von Arbeitslosigkeit sind die rund 1,5 Millionen syrischen Flüchtlinge, die allerdings wei-terhin finanzielle Unterstützung und Sachleistungen durch UN- oder internationale Hilfsorgani-

sationen erhalten. Unter den offiziell 180.000 palästinensischen Flüchtlingen im Libanon haben UN-Untersuchungen zufolge 80 Prozent ihre Arbeit verloren. Alle anderen, die noch Arbeit 

haben oder Pensionen beziehen, müssen durch die hohe Inflation deutliche Einbrüche in ihren Bezügen hinnehmen.


Die Auslandsreserven der Libanesischen Zentralbank haben sich innerhalb eines Jahres halbiert. Lagen sie im Februar 2020 noch bei rund 30 Milliarden, wurden sie im März 2021 mit offiziell 17,5 Milliarden US-Dollar angegeben. Nach einem Bericht der Amerikanischen Universität von Beirut (Dezember 2020) haben libanesische Regierungen seit 1992 rund 40 Milliarden US-Dollar für die Stromversorgung des Landes ausgegeben, und doch werden nur etwa 60 Prozent des all-ägemeinen Strombedarfs gedeckt. Das Geld wurde nicht eingesetzt, um Elektrizitätswerke und das Stromnetz des Landes zu modernisieren und auszubauen, sondern verschwand in teuren Verträgen mit verschiedenen Anbietern.


Das türkische Stromversorgungsschiff Orhan Bey von der türkischen Firma Karadeniz Power-ship, das nördlich von Saida ankert und Strom ins nationale Netz einspeiste, stellte Mitte Mai den Betrieb ein, weil Rechnungen in Millionenhöhe seit 18 Monaten nicht bezahlt worden waren.

Die Bevölkerung versucht, den täglichen Mangel auszugleichen, indem sie Strom von lokalen, privaten Anbietern mit Großgeneratoren dazukauft.


Der Libanon, der weder über eine starke Landwirtschaft noch über Industrie verfügt, benötigt Devisen, um auf dem Weltmarkt Weizen und Medikamente einzukaufen, die (noch) subventio-niert werden. Zwar verfügt das Land über große Gasvorkommen im Mittelmeer, nicht aber über Geld, um das Gas zu fördern und zu vermarkten. Streit gibt es zudem zwischen dem Libanon und Israel über die Abgrenzung der Vorkommen entlang der südlichen Seegrenze.


Die Schäden und wirtschaftlichen Verluste, die dem Land durch die Explosion im Hafen von Beirut Anfang August 2020 entstanden sind, werden von der Weltbank auf eine Summe zwi-schen 6,7 und 8,1 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die persönlichen Verluste der Bevölkerung durch Tod oder schwere Verletzungen von Angehörigen mit Langzeitfolgen sowie Traumatisie-rung sind finanziell nicht zu beziffern.


Die Zahl der Wirtschaftsflüchtlinge wird für das Jahr 2020 auf 50.000 geschätzt, eine genaue Un-tersuchung liegt allerdings nicht vor. Berufsverbände schätzen, dass bis zu 20 Prozent der Ärzte das Land verlassen haben oder verlassen wollen. Etwa 400 Apotheken haben 2020 schließen müssen, 70 Prozent der Absolventen eines Pharmaziestudiums verlassen den Libanon, um Arbeit in den arabischen Golfstaaten, Lateinamerika, Europa oder Australien zu finden.




aus E.Mail von Doris Pumphrey, vom 14.6.2021 21:11

<https://www.jungewelt.de/artikel/404505.krieg-in-syrien-von-wasser-und-olivenb%C3%A4umen.html>

*Von Wasser und Olivenbäumen

*Die Plakate der Kandidaten sind verschwunden: Besuch in der Hauptstadt

Syriens nach den Präsidentschaftswahlen


jungewelt.de, 12.6.2021/Von Karin Leukefeld, Damaskus

Zitat: /Damaskus, Mitte Juni. Nach und nach werden die Plakate der

Präsidentschaftskandidaten aus dem Stadtbild entfernt. Das ehrwürdige Tuma-Tor in der Alt-stadt ist wieder zu sehen, seit bis auf eines die zahlreichen Plakate des alten und neuen Präsi-denten Baschar Al-Assad über Nacht abgehängt wurden.


Es ist heiß geworden. Immer mehr Damaszener schalten ihre Klimaanlagen an, was sich unmit-telbar auf die Stromversorgung der Zwei-Millionen-Stadt auswirkt. In den Kriegsjahren hat sich die Bevölkerung der syrischen Hauptstadt durch die Zuwanderung von Inlandsvertriebenen min-destens verdoppelt, und der Strom wird rationiert. Nur dort, wo Regierungsmitglieder sowie Mit-arbeiter von internationalen Organisationen und Botschaften leben, sind kaum Ausfälle zu ver- zeichnen. Krankenhäuser und große Hotels verfügen über eigene Generatoren, und auch Ver-waltung, Armee, Medien und Ministerien werden zumeist mit ausreichend Elektrizität versorgt.


In den Wohnvierteln gibt es in guten Zeiten im Wechsel vier Stunden mit und zwei Stunden ohne Strom. Das reicht, um die Waschmaschine, Kühlschränke und -truhen einzuschalten, elektrische Geräte und Batterien aufzuladen. Ähnlich wie in Damaskus haben die Menschen auch in ande-ren Städten des Landes gelernt, ihren Alltag dem anzupassen.


Schwieriger ist das Leben in den stark zerstörten Ortschaften im Umland der Metropole, in den zerstörten Vierteln von Homs und Aleppo oder in Dörfern und Städten im wenig besiedelten Ostsyrien. Trotz der eigenen Probleme beliefert Syrien aber noch immer, wie schon vor dem Krieg, Libanon mit Strom. Und Jordanien erhält, wie vor dem Krieg, noch immer Wasser aus dem südsyrischen Jarmuk-Tal.


Abu Raschid wohnt mit seiner Familie hoch oben auf dem Dschebel Kassiun, dem Hausberg von Damaskus. Dort weht meist ein kühler Wind, und besonders die Nächte bringen in den heißen Sommermonaten Erfrischung. Es sind arme Menschen, die sich im Laufe von Generationen hier angesiedelt haben. Viele sind wie Abu Raschid Kurden aus dem Norden des Landes. Sein Dorf gehört zu Afrin nordwestlich von Aleppo.


Abu Raschid ernährt seine Familie, indem er putzen geht, erzählt er im Gespräch mit /jW/. Eine feste Anstellung hat er seit Jahrzehnten in einem kleinen Hotel in der Innenstadt. Ansonsten arbeitet er dort, wo immer man ihm Aufträge gibt. Einmal die Woche putzt er fünf Stunden in inem Haus in der Altstadt von Damaskus. Die Hausbesitzerin ist froh, dass sie in Abu Raschid eine zuverlässige Hilfe hat. Nur wenn es um Wasser geht, gerät sie regelmäßig in Rage. Als er wieder einmal das Wasser aus dem Schlauch über den Fliesenboden des Innenhofes laufen

lässt, dreht sie es kurzerhand ab und greift selbst zum Schrubber. »So kann man mit wenig Wasser den Hof sauber machen«, erklärt sie ihm nicht zum ersten Mal. »Wir müssen Wasser sparen. Im letzten Winter hat es wenig geregnet und kaum geschneit. Was werden wir tun, wenn eines Tages aus dem Hahn kein Wasser mehr kommt?«


Über die Auswirkungen des Klimawandels macht sich Abu Raschid nicht viele Gedanken. Aber er erinnert sich gut an die Wochen zum Jahreswechsel 2016/17, als die bewaffneten Gruppen im Barada-Tal die Fidscha-Quelle besetzten, die Damaskus mit Wasser versorgt. Damals gab es in der ganzen Stadt, auch auf dem Kassiun, kein Wasser, Tankwagen kamen nur alle paar Tage, um die Menschen in den Stadtvierteln zu versorgen.


»Ich gehe zurück in mein Dorf«, sagt Abu Raschid und rechnet vor: »Wir haben Olivenbäume und können im Herbst mindestens fünf Teneke Olivenöl haben.« Ein »Teneke« (Kanister) fasst 18 Liter und kostet heute rund 200.000 syrische Pfund, umgerechnet etwa 75 Euro. »Eine Million syrische Pfund, das ist mehr, als ich in Damaskus in einem Jahr verdiene.« Sein Monatslohn im Hotel beträgt umgerechnet etwa 25 Euro. »Wir haben Tiere, Gemüse, Wasser und Olivenbäu-me.« Er sei ein alter Mann, es sei Zeit, sich zur Ruhe zu setzen. Da gebe es nur ein Problem, fügt er nach kurzem Zögern hinzu. Sein Dorf in Afrin ist seit 2018 von Dschihadisten besetzt, die von der Türkei beschützt werden. »Wir sind Kurden, sie wollen uns unsere Häuser und Olivenbäume nicht zurückgeben.«

15.06.2021

Zur Abstimmung über die Bewaffnung von Drohnen beim Grünen Parteitag

From: Elsa Rassbach <ElsaRassbach@gmail.com>

Subject: Zur Abstimmung über die Bewaffnung von Drohnen beim Grünen Parteitag

Date: 14. June 2021 at 20:52:17 CEST

To: karl-Heinz Peil via Drohnen-automatisierter-krieg <drohnen-automatisierter-krieg@listi.jpberlin.de>


Liebe Mitstreiter*innen,


wie Ihr wahrscheinlich mitbekommen habt, hat der Grüne Parteitag gestern mit einer knappen Mehrheit von 347 Stimmen dafür gestimmt "Bedingungen für den Einsatz der Drohnen zu prüfen”.  Ein Gegenantrag, der den Einsatz ausschließen wollte, hatte 343 Stimmen erhalten.


Wir müssen diese Herausforderung annehmen und bis in die Koalitionsverhandlungen hinein unsere Aufmerksamkeit viel mehr auf die Grünen richten, um die klare Gegnerschaft gegen bewaffnete Drohnen in den Grünen mit Argumenten, Aufklärungsarbeit und Lobbyarbeit zu untermauern.  


Dieser interessante Beitrag in der taz beschreibt beachtenswerte Details zu den Debatten über die Bewaffnung von Drohnen innerhalb der Reihen der Grünen in den Tagen vor dem Parteitag.  


Die Verteidigungspolitiker*innen der Grünen waren nicht an dem neuen Vorstoß zur möglichen Bewaffnung von Drohnen beteiligt und sprachen eher dagegen. Die überraschende Anträge für die Bewaffnung von Drohnen “zum Schutz der Soldat*innen" wurden ziemlich kurzfristig vor dem Grünen Parteitag von Basismitgliedern gestellt.


https://taz.de/Wahlprogramm-der-Gruenen/!5773410/

(Auszug)

"Einen der Anträge unterstützt auch eine Reihe von Basismitgliedern, die beruflich im Militär tätig sind. Sol­da­t*in­nen mit grünem Parteibuch sind vielleicht selten, aber nicht mehr ganz so selten wie noch vor einigen Jahren. Mit ihnen kommen neue Perspektiven in die Partei."


Siehe auch:

https://www.fr.de/politik/gruene-parteitag-wahlprogramm-spitzensteuersatz-berlin-news-zr-90800722.html

Grünen-Bundesparteitag: Partei schließt Einsatz bewaffneter Drohnen nicht kategorisch aus


(Auszug)

"Die Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung und vielleicht sogar das Kanzleramt schweißt die Grünen zusammen. Heftig gestritten wird auf dem Parteitag nicht.


Update von 16.50 Uhr: Die Grünen schließen den künftigen Einsatz bewaffneter Drohnen nicht kategorisch aus. Mit einer hauchdünnen Mehrheit sprachen sich die Abgeordneten beim Online-Parteitag am Sonntag dafür aus, Bedingungen für den Einsatz der Drohnen zu prüfen: 347 von 728 Delegierten waren dafür. Ein Gegenantrag, der den Einsatz ausschließen wollte, erhielt 343 Stimmen. Ein dritter Antrag, der sich noch deutlicher für die Beschaffung aussprach, war bereits zuvor gescheitert.


Den Einsatz bewaffneter Drohnen für extralegale - also nicht juristisch abgesegnete - Tötungen lehnen die Grünen ab. „Gleichzeitig erkennen wir an, dass diese Systeme Soldat*innen in gewissen Situationen besser schützen können“, heißt es im nun verabschiedeten Text. Deshalb müsse klargemacht werden, für welche Einsatzszenarien der Bundeswehr bewaffnete Drohnen überhaupt eingesetzt werden können. Auch technische Aspekte wie die Möglichkeit von Hacker-Zugriffen sollten bei der Abwägung eine Rolle spielen.”


Viele Grüße

Elsa

15.06.2021

Im Streit vereint                   EU-USA-Gipfel soll heute die transatlantische Technologiekooperation gegen China stärken. Streit um Strafzölle und Chinageschäft hält dennoch an.

german-foreign-policy.com, 15. Juni 2021

BRÜSSEL/WASHINGTON(Eigener Bericht) - Überschattet von anhaltenden Konflikten um Strafzölle bemühen sich die EU und die Vereinigten Staaten auf ihrem heutigen Gipfeltreffen um die Schaffung neuer transatlantischer Strukturen für den gemeinsamen Machtkampf gegen China. So steht die Einrichtung eines "EU-US Trade and Technology Council" (TTC), die die EU im Dezember 2020 vorgeschlagen hat, auf der Tagesordnung. Der TTC soll Brüssel und Washington unter anderem in die Lage versetzen, gemeinsam Standards für Zukunftstechnologien festzulegen und sie weltweit durchzusetzen - damit "nicht China ... die Regeln für Handel und Technologie" schreibe, erläutert der Nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten, Jake Sullivan. Damit ergänzt der TTC Bemühungen Berlins und der EU, auf dem High-Tech-Sektor gegenüber China nicht zurückzufallen. Gleichzeitig dauern allerdings transatlantische Differenzen bezüglich der Wirtschaftsbeziehungen zur Volksrepublik ebenso an wie der Konflikt um die Stahlstrafzölle, die US-Präsident Donald Trump verhängt hat und die sein Nachfolger Joe Biden aufrechterhält.

Zitat: 
Von Trump zu Biden

Beim Versuch, die Strafzollschlachten mit den Vereinigten Staaten zu beenden, hat die EU vor dem heutigen Gipfeltreffen mit US-Präsident Joe Biden eine allenfalls gemischte Bilanz erzielt. Zwar ist es Anfang März gelungen, die jeweiligen Strafzölle im Streit um Subventionen für Airbus bzw. Boeing für vier Monate auszusetzen; beide Seiten verhandeln nun über eine Lösung und haben sich dafür Zeit bis zum 11. Juli gegeben. Eine gütliche Einigung gilt als möglich. Zumindest unklar sind die Perspektiven jedoch bei den Strafzöllen auf Stahl und Aluminium, die US-Präsident Donald Trump im März 2018 verhängt hat. Im März dieses Jahres kam das Washingtoner Economic Policy Institute zu dem Schluss, die Strafzölle lohnten sich: Die US-Stahlimporte seien von 2018 bis 2019 um 27 Prozent gesunken; US-Stahlunternehmen hingegen hätten etwa 3.200 neue Arbeitsplätze geschaffen und Investitionen in Höhe von 15,7 Milliarden US-Dollar in Aussicht gestellt.[1] Zwar werden aus anderen US-Branchen auch Beschwerden über die Strafzölle laut - aktuell zum Beispiel, weil die US-Stahlproduktion nach dem pandemiebedingten Stillstand nur recht schleppend anläuft und Stahlmangel die Preise massiv in die Höhe treibt.[2] Zugleich heißt es jedoch, Biden sei aus wahlpolitischen Erwägungen auf das Wohlwollen der Stahlbranche angewiesen.


"Enttäuschend, verschlossen"

Entsprechend bleibt Washington im Streit um die Stahlstrafzölle bisher hart. "Die Rückmeldungen zu den Handelsstreitigkeiten" seien "enttäuschend gewesen", teilte der deutsche EU-Botschafter Michael Clauß unter Berufung auf EU-Unterhändler vor kurzem in einem "Drahtbericht" mit. Das interne Dokument wurde vergangene Woche an die Presse durchgestochen.[3] Demnach ist vor allem bei den Stahlstrafzöllen in der Tat keine Lösung in Sicht. Offiziell heißt es, man sei bemüht, bis zum 1. Dezember einen Ausgleich zu finden; ob dies gelingt, ist bislang jedoch unklar. Skeptisch gab sich Clauß außerdem im Hinblick auf den Streitbeilegungsmechanismus bei der WTO. Dieser ist faktisch lahmgelegt, weil die Trump-Administration die Ernennung neuer Richter blockierte; die Biden-Administration hat bisher keine Kurskorrektur vorgenommen. Sie gebe sich "verschlossen hinsichtlich der Streitbeilegung bei der WTO", konstatiert Clauß. Nicht einmal in klimapolitischen Fragen zeichne sich - trotz Bidens öffentlich zur Schau gestellter Bekenntnisse - eine Annäherung ab: Washington wünscht dem deutschen EU-Botschafter zufolge "keine CO2-Bepreisung" und lehnt auch "Verweise auf die 2030-Ziele" ab. Es galt als unklar, ob bis zum heute stattfindenden Gipfel ein Verhandlungsfortschritt möglich sei.[4]


Industrieallianzen

Fortschritte erhofft sich Brüssel aktuell hingegen von Absprachen auf dem Technologiesektor. Um im globalen Wettlauf um die Entwicklung modernster Technologien nicht zurückzufallen bzw. gegenüber China und den USA aufzuholen, fördern Berlin und Brüssel bereits seit geraumer Zeit die Schaffung großer, duchsetzungsfähiger Konzernzusammenschlüsse - sogenannter nationaler bzw. europäischer Champions - oder breiter Industrieallianzen. Beispiele dafür sind etwa die EU-Batterieallianz oder die Bemühungen um den Ausbau einer "europäischen" Halbleiterfertigung.[5] Ähnliche Bemühungen gibt es bei Künstlicher Intelligenz (KI) [6] und inzwischen auch bei der Entwicklung des Quantencomputing: Vergangene Woche gab das neue Quantum Technology and Application Consortium (Qutac), ein Zusammenschluss zehn mächtiger deutscher Konzerne, seine Gründung bekannt. Den Anstoß dazu hat Berichten zufolge Bundeskanzlerin Angela Merkel gegeben; Ziel ist es, Grundlagen für eine "erfolgreiche Industrialisierung" des Quantencomputings zu schaffen.[7] Allerdings setzt sich offenbar mehr und mehr die Ansicht durch, es sei nicht sicher, ob Deutschland und die EU in der globalen High-Tech-Konkurrenz mithalten könnten. Experten weisen darauf hin, dass die EU bei der Innovationsfähigkeit klar zurückfällt (german-foreign-policy.com berichtete [8]).


Wer die Regeln schreibt

Die EU hat deshalb Anfang Dezember ergänzend die Gründung eines "EU-US Trade and Technology Council" (TTC) vorgeschlagen.[9] Ziel ist nicht nur, Handelsschranken abzubauen und Lieferketten jenseits chinesischen Einflusses zu organisieren, sondern vor allem, gemeinsame Standards für Zukunftstechnologien nicht zuletzt auf digitalem Feld - beispielsweise für Künstliche Intelligenz - festzulegen. Es gehe darum, erläuterte kürzlich Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan, "unsere Ansätze bei Handel und Technologie so anzugleichen, dass die Demokratien und nicht irgendjemand anderes, nicht China oder andere Autokratien, die Regeln für Handel und Technologie für das 21. Jahrhundert schreiben".[10] Der TTC soll sich mit Künstlicher Intelligenz, Cybersicherheit, Datenregulierung und Ähnlichem befassen. Berichten zufolge soll seine Gründung auf dem heutigen EU-USA-Gipfel diskutiert und nach Möglichkeit beschlossen werden. Allerdings weisen Beobachter darauf hin, dass etwa im Umgang mit Daten erhebliche Differenzen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten bestehen; so hat der Europäische Gerichtshof vergangenes Jahr das Privacy-Shield-Abkommen, das die Übermittlung personenbezogener Daten aus der EU in die USA regelte, für ungültig erklärt. Ein Erfolg des TTC gilt unter anderem deshalb als nicht ausgemacht.


Das Chinageschäft der EU

Im Hintergrund überschatten Uneinigkeiten im Vorgehen gegen China den heutigen Gipfel. Beide Seiten sind sich in der Absicht einig, den Aufstieg der Volksrepublik machtpolitisch zu bremsen. Differenzen bestehen allerdings hinsichtlich der Wirtschaftskooperation. Während die Biden-Administration die Strafzölle und Sanktionen, die die Trump-Regierung verhängt hatte, bis heute aufrechterhält und zum Teil sogar noch verschärft, setzen Deutschland und die EU weiterhin auf einen Ausbau ihres Chinageschäfts. Wie eine aktuelle Umfrage der EU Chamber of Commerce in China zeigt, hat der Anteil ihrer Mitgliedsunternehmen, die darüber nachdenken, sich aus der Volksrepublik zurückzuziehen, mit neun Prozent seinen bisherigen Tiefststand erreicht. Zugleich geben sich 68 Prozent bezüglich ihrer Wachstumsaussichten in China optimistisch; 59 Prozent ziehen es in Betracht, ihr Chinageschäft noch auszubauen. Nur die politischen Machtkämpfe sind geeignet, die Stimmung einzutrüben. "Geopolitische Spannungen zwingen uns dazu, unsere Strategie zu ändern", wird Charlotte Roule aus dem Vorstand der EU-Handelskammer zitiert: EU-Unternehmen, nicht gewillt, China zu verlassen, sähen sich veranlasst, getrennte Lieferketten aufzubauen und dabei die Lieferketten für ihre chinesischen Produktionsstätten immer mehr nach China zu verlegen.[11] Das läuft den Absichten Washingtons diametral entgegen.

 

[1] U.S. Section 232 tariffs lifted the steel industry - and should be continued. epi.org 24.03.2021.

[2] Katharina Kort, Annett Meiritz: Kurz vor Bidens Europabesuch: Wie der Streit um die Strafzölle das Verhältnis der USA und EU belastet. handelsblatt.com 09.05.2021.

[3], [4] Vereinigte Staaten auf Konfrontationskurs zur EU. Frankfurter Allgemeine Zeitung 11.06.2021.

[5] S. dazu Kampf um "digitale Souveränität".

[6] S. dazu "Airbus 2.0 für KI".

[7] Bert Fröndhoff, Joachim Hofer, Roman Tyborski: BASF, Siemens, VW: Zehn deutsche Konzerne schließen Quanten-Allianz. handelsblatt.com 10.06.2021.

[8] S. dazu "Zu träge, zu konservativ, zu zögerlich".

[9] Mark Scott, Laurens Cerulus: EU-US 'tech alliance' faces major obstacles on tax, digital rules. politico.eu 02.12.2020.

[10] Mark Scott, Jacopo Barigazzi: US and Europe to forge tech alliance amid China's rise. politico.eu 09.06.2021.

[11] Europäische Firmen setzen noch stärker auf China. sueddeutsche.de 08.06.2021.


Info:  
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8627  
14.06.2021

*"Dammbruch für automatisierte Kriegseinsätze": Europäisches Megarüstungsprojekt FCAS in der Kritik *

aus E-Mail von Doris Pumphrey, 14. Juni 2021  11:33

Das Future Combat Air System (FCAS) hat neben einem beeindruckenden Titel einen enormen Finanzierungsbedarf. In höchster Eile sollten die Gelder für die nächste Entwicklungsphase be-willigt werden. Woher diese kommen sollen, ist nicht die einzige offene Frage.


Für das seit Jahren von Befürwortern vorangetriebene "europäische Luftkampfsystem der Zukunft" (Future Combat Air System, FCAS) sollen noch vor der Bundestagswahl für die kom- mende Projektphase die benötigten elder freigegeben werden. Doch zeigen sich aktuell neben der Finanzierungsplanung offenbar eine Reihe weiterer Schwachstellen an dem Projekt, das vonseiten der Friedensbewegung als exorbitant teures und gefährliches <https://drohnen-kampagne.de/>  Rüstungsprojekt kritisiert wird. Dabei ist es für die Befürworter von enormer Bedeutung.


Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz bezeichnete das FCAS bei einer Tagung des "Bundesverban- des der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie" (BDLI) im Januar 2021 als das "größte europä-ische Rüstungsprojekt überhaupt". Schon Ursula von der Leyen hatte sich als Bundesverteidi-gungsministerin zusammen mit ihrer französischen Amtskollegin Florence Parly dafür starkge- macht.

/Hier weiterlesen: <https://de.rt.com/europa/118957-dammbruch-fur-automatisierte-kriegseinsatze-europaisches/>




*EU-Militärprojekt FCAS bedroht die Zivilisation Europas


aus E-Mail von Doris Pumphrey, 14. Juni 2021  11:33, Von //Bernhard Trautvetter/

Zitat: Der Haushaltsausschuss des Bundestages wird voraussichtlich am 23. Juni 2021 über das bisher größte Militärprojekt der EU, das sogenannte *F*uture *C*ombat *A*ir *S*ystem (FCAS) abstim-men. Dass dies kurz nachdem Ende der “umfangreichsten Übung der NATO seit Ende des Kalten

Krieges”[1<https://www.nachdenkseiten.de/?p=73324#foot_1>] – Defender 2021- stattfindet, lenkt die Aufmerksamkeit auf den Rahmen aller großen Militärprojekte.


Das US-geführte Manöver Defender 2021 zielt auf den Einsatz der Militärmaschinerie bis hin ins Baltikum und ins Schwarze Meer sowie in den Balkan ab. NATO-Sprecher begründen das mit dem Verweis auf das ihrer Einschätzung nach “aggressive Verhaltensmuster Russlands”[2<

https://www.nachdenkseiten.de/?p=73324#foot_2>].  Hiergreifen die doppelten Standards des Schwarz-Weiß-Bildes mit der werteorientierten Nato und den gefährlichen Autokraten im Osten – so, als gäbe es kein Guantanamo, keine Zypern-Besetzung der Türkei und keine außergerichtli-chen Morde durch US-/NATO-Drohnen, so, als hätte es den Jugoslawien-, Libyen- und Irak-Krieg nie gegeben.


Die EU-Militarisierung, in die FCAS einzuordnen ist, nimmt Russland ins Visier, wie u.a. der Akti-ons n ausdrückt, den die EU und die NATO 2016 vereinbarten[3 <https://www.nachdenkseiten.de/?p=73324#foot_3 >]. Passend dazu haben die USA, Kanada und Norwegen die Kooperation mit dem PESCO getauften Militärpakt westeuropäischer Staaten die Kooperation aufgenommen. Somit ergibt es sich, dass europäische Rüstungsprojekte wie

FCAS auch NATO-Bezüge aufweisen – die Stoßrichtung gegen die Atommächte Russland und China ist in diesem Zusammenhang besorgniserregend.

/Hier weiterlesen: <https://www.nachdenkseiten.de/?p=73324>

14.06.2021

"Der Startschuss ist gefallen"     G7-Gipfel beschließt neue Maßnahmen gegen China. USA sehen sich im "Wettbewerb um den Sieg im 21. Jahr-hundert" und stärken Kooperation mit Verbündeten - auch militärisch.

german-foreign-policy.com, 14. Juni 2021

BERLIN/WASHINGTON/BEIJING(Eigener Bericht) - Mit einer neuen, die ganze Welt umspannenden Infrastrukturinitiative wollen die führenden westlichen Industriestaaten (G7) gegen Chinas Neue Seidenstraße konkurrieren. Das Vorhaben, auf das sich die G7 auf ihrem gestern zu Ende gegangenen Gipfeltreffen in Cornwall geeinigt haben, trägt das Motto "Build Back Better World" ("B3W"); es soll in den kommenden Jahren "Hunderte von Milliarden Dollar an Infrastrukturinvestitionen" für Entwicklungsländer mobilisieren. Freilich ist die Finanzierung noch vollkommen ungeklärt. Ähnlich ambitionierte Initiativen, die der Neuen Seidenstraße das Wasser abgraben sollten, sind in den vergangenen Jahren von der EU bzw. von Japan und Indien gestartet worden, blieben aber ohne Erfolg. Die aktuelle G7-Initiative ist Teil einer breiten Offensive der Vereinigten Staaten gegen China, die ein gewaltiges High-Tech-Förderprogramm und militärische Maßnahmen inklusive einer Stärkung der Kooperation mit den Verbündeten umfasst. US-Präsident Joe Biden konstatiert: "Wir sind in einem Wettbewerb um den Sieg im 21. Jahrhundert, und der Startschuss ist gefallen."

Zitat: Der "europäische Weg"

Die EU hatte bereits im September 2018 den Versuch gestartet, Chinas Neuer Seidenstraße (Belt and Road Initiative, BRI) ein eigenes, Europa und Asien umspannendes Infrastrukturprogramm entgegenzusetzen: die "EU-Asien-Konnektivitätsstrategie". Diese zielte in drei "Aktionsbereichen" darauf ab, erstens Verkehrs-, Energie- sowie Digitalnetze zwischen den Kontinenten auszubauen, zweitens spezielle "Konnektivitätspartnerschaften" mit einzelnen Ländern zu initiieren und drittens zur Realisierung potenzieller Vorhaben neue Finanzierungsinstrumente zu schaffen. Man wolle einem "europäischen Weg" folgen, hieß es in offener Absetzung von China: Die "Konnektivität" müsse "nachhaltig", "regelbasiert" und "umfassend" ausgebaut werden.[1] Rund zweieinhalb Jahre später, im März 2021, konstatierte die bundeseigene Außenwirtschaftsagentur Germany Trade & Invest (gtai), "die Umsetzung" des Vorhabens bleibe recht "träge": "Bisher konnten ... in keiner der drei Dimensionen nennenswerte Erfolge erzielt werden."[2] Berlin dringt auf Fortschritte; bereits im Juni 2020 hatten die Bundesministerien für Äußeres, für Wirtschaft sowie für Verkehr in einem Brief an den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell energische Maßnahmen zur Realisierung der Pläne gefordert.[3] Der Vorstoß ist jedoch verpufft.


Die asiatische Alternative

Pläne, eine Alternative zur Neuen Seidenstraße zu schaffen, hatten bereits zuvor Japan und Indien zu realisieren versucht. Indiens Premierminister Narendra Modi hatte am 23. Mai 2017 die Gründung des indisch-japanischen "Asia-Africa Growth Corridor" (AAGC) bekanntgegeben - wenige Tage nach dem ersten großen Seidenstraßengipfel in Beijing.[4] Ziel des AAGC ist es, den Ausbau der Infrastruktur in Asien, aber auch zwischen Asien und Afrika voranzutreiben und dies mit allerlei Entwicklungs- sowie Kooperationsprojekten zu verknüpfen. Das Vorhaben gründet auf solide verankerten Beziehungen: Indien kann an Kontakte zu einer ganzen Reihe afrikanischer Länder anknüpfen, die teilweise auf der indischsprachigen Community in diversen Staaten Afrikas [5] beruhen, teilweise auf der "Blockfreien"-Kooperation während des Kalten Kriegs; japanische Konzerne wiederum nutzen ihre Standorte in Indien nicht selten für Exporte auf den afrikanischen Kontinent. Trotz der prinzipiell günstigen Voraussetzungen für den AAGC hieß es im Oktober vergangenen Jahres in einer Untersuchung über das Projekt, nach drei Jahren gebe es immer noch "keine konkreten Erfolge"; mehr noch: Meilenweit davon entfernt, eine Alternative zur Neuen Seidenstraße zu bilden, sei das Vorhaben fast in Vergessenheit geraten.[6]


"Bislang nur ein Traum"

Die führenden westlichen Industriestaaten (G7) haben auf ihrem gestern zu Ende gegangenen Gipfel nun den nächsten Anlauf gestartet. Unter dem Motto "Build Back Better World" ("B3W"), das an Kampagnenslogans sowohl der britischen Regierung als auch von US-Präsident Joe Biden anknüpft, sollen künftig Infrastrukturvorhaben in ärmeren Ländern gefördert werden. Die Initiative sei "wertegetrieben, von hohem Standard und transparent", heißt es in der Abschlusserklärung im offenkundigen Versuch, das Vorhaben positiv von der - im Westen üblicherweise negativ beschriebenen - Neuen Seidenstraße abzuheben.[7] "B3W" werde "in den kommenden Jahren gemeinsam Hunderte von Milliarden Dollar an Infrastrukturinvestitionen für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen katalysieren", heißt es weiter: Die Pläne reichten "von Lateinamerika über die Karibik bis nach Afrika und in den Indo-Pazifik". Anders als die hochtrabenden Worte vermuten lassen, ist freilich die Finanzierung noch völlig unklar. Sie solle in einer Arbeitsgruppe besprochen werden, hieß es gestern auf dem G7-Gipfel. Beispielhaft für skeptische Stimmen, die jenseits des Westens laut werden, hieß es am Samstag bei Al Jazeera (Qatar), B3W komme - acht Jahre nach dem Start der Neuen Seidenstraße - "sehr spät" und sei bislang nicht mehr als "ein Traum".[8]


"Die Tage unter unserer Regie"

Die B3W-Initiative ist, wenngleich sie zentrale Fragen offen lässt, Teil einer breiten Offensive der Biden-Administration, die dem Aufstieg Chinas ein Ende bereiten soll. Biden setzt nicht nur die Strafzoll- und Sanktionspolitik seines Amtsvorgängers Donald Trump nahezu unverändert fort; er ergänzt sie um weitere Initiativen. So ist im Senat in der vergangenen Woche ein 250 Milliarden US-Dollar schweres Investitionspaket beschlossen worden, das darauf abzielt, Forschung und Entwicklung in zentralen High-Tech-Branchen - etwa Halbleiter, Telekommunikation, Künstliche Intelligenz - gezielt zu fördern, um punktuell bereits bestehende Vorteile Chinas wettzumachen und den Vereinigten Staaten die globale technologische Führungsrolle zu sichern. "Wir wollen nicht, dass Amerika in diesem Jahrhundert eine mittelmäßige Nation wird", erläuterte Chuck Chumer, der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat: "Wir wollen nicht, dass die Tage unter unserer Regie zu Ende gehen."[9] Bleibe Washington jetzt untätig, dann "könnten unsere Tage als vorherrschende Supermacht gezählt sein". Präsident Biden äußerte mit Blick auf das Investitionspaket: "Wir sind in einem Wettbewerb um den Sieg im 21. Jahrhundert, und der Startschuss ist gefallen."[10]


Die Streitkräfte optimieren

Weitere Schritte hat ebenfalls in der vergangenen Woche US-Verteidigungsminister Lloyd Austin angekündigt. Dabei handelt es sich um die Umsetzung von Empfehlungen, die eine im Februar von ihm eingesetzte "China Task Force" entwickelt hat. Sie zielen darauf ab, die US-Streitkräfte, die in den vergangenen Jahren stark auf die Kriegführung gegen Aufständische etwa in Afghanistan und im Irak fokussiert waren, umfassend auf den Machtkampf gegen China zu orientieren; dies sei von der Trump-Administration zwar angekündigt, aber nicht umgesetzt worden, erläutert Austin. Bei den Maßnahmen, die im Detail geheimgehalten werden, gehe es außerdem darum, die Kooperation mit US-Verbündeten "zu optimieren und zu stärken", etwa bezüglich der Entwicklung "neuer operationeller Konzepte" und der künftigen Aufstellung des Streitkräftedispositivs.[11] Das betrifft als einen engen Verbündeten der Vereinigten Staaten auch Deutschland - ein Faktor, der spezielle Bedeutung daraus gewinnt, dass US-Militärs immer offener über einen künftigen Krieg gegen China debattieren. german-foreign-policy.com berichtet in Kürze.

 

[1] S. dazu Die Anti-Seidenstraße.

[2] Sebastian Holz: Was ist die EU-Asien-Konnektivitätsstrategie? gtai.de 18.03.2021.

[3] Sebastian Holz: EU-Konnektivitätsstrategie: Neuer Anlauf zur Umsetzung 2021. gtai.de 18.03.2021.

[4] S. dazu Chinas Jahrhundertprojekt.

[5] Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts warben britische Unternehmen billiges indisches Personal für Arbeiten in britischen Kolonien an. Die Nachfahren der indischen Niedriglohnarbeiter leben in vielen Fällen noch heute dort.

[6] Takuya Taniguchi: Should We Forget about the Asia-Africa Growth Corridor? Institut français des relations internationales (ifri): Lettre du Centre Asie, No. 87, October 19, 2020.

[7] G7 wollen die Neue Seidenstraße übertrumpfen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.06.2021.

[8] G7 leaders attempt to rival China with infrastructure project. aljazeera.com 12.06.2021.

[9] Senat stimmt für Milliardenpaket im Wettbewerb mit China. sueddeutsche.de 09.06.2021.

[10] Amerika rüstet sich für Konkurrenz mit China. Frankfurter Allgemeine Zeitung 10.06.2021.

[11] Jim Garamone: Austin Signs Internal Directive to Unify Department's China Efforts. defense.gov 09.06.2021.


Info: 
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8626   
13.06.2021

Kirchen- und zeitkritisches zum Verständnis

zeitschnur.blogspot.com, vom 25. Mai 2021 

Zum Pfingsttag 2021 - Ein Gedanke zu Rudolf Steiner und seiner Klage, die Kirche habe den Geist abgeschafft


Zitat: Ich hatte mich derzeit mit Rudolf Steiner befasst. Er hatte mehrfach geäußert, man habe auf dem 4. Konzil von Konstantinopel 869/70 den Geist "abgeschafft".

In der Tat hat das Konzil eine sogenannte "Zwei-Seelen-Lehre" verworfen, die der damalige Patriarch von Konstantinopel vertreten haben soll.


  • Das Konzil formulierte eine dogmatische Entscheidung, die bis heute durchgehalten wurde und nach Steiners Sicht, selbst von weltlichen und atheistischen und agnostischen Wissenschaftlern furchtsam eingehalten werde: Der Mensch bestehe aus Leib und Seele, habe aber keinen Geist.
  • Steiner führt weiter aus, dass man bald auch daran gehen werde, dem Menschen eine Beseelung zuzugestehen und jeden für einen "Kranken" abstempeln werde, der dies glaubt und daran festhält.
  • Die Abschaffung der Seele solle einleiten, dass man den Menschen mit der Maschine ver-schmelzen kann.
  • Um die Seele zu vernichten, werde man Medikamente und schließlich eine Universalimpfung verabreichen.


Auf mein Video hin haben einige Leser kommentiert, Steiner habe das nur bildhaft gemeint. Er habe nicht gemeint, dass ein echtes Medikament oder eine buchstäbliche Impfung gegen die Seele eingesetzt werden würde.  https://www.youtube.com/watch?v=tg528VABNoM

( s. Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch:177 Seite: 97 http://fvn-rs.net/PDF/GA/GA177.pdf 


Ich habe mir daraufhin die entsprechende Rede noch einmal genau angesehen und muss sagen, dass ich das sehr wohl im wörtlichen Sinne auffasse. Es gibt keinen Hinweis für mich, dass das nur metaphorisch gemeint sei. 


Zudem ist es altbekannt, dass man mit gewissen Substanzen das seelische Erleben verändern und unterdrücken kann.


Aber diese Kritiker haben natürlich schon in einer andern Hinsicht recht, denn um die Menschen dazu zu bringen, sich medikamentös so verkrüppeln zu lassen, muss zuvor das stattfinden, was wir "Gehirnwäsche" nennen. Wir erleben, dass sie vorwiegend über die Angst gesteuert wird und über einen primitiven Schwanzwedel-Impuls: Man will endlich mal was richtig Tolles für die Gemeinschaft tun und so richtig cool solidarisch sein. All die Angstgetriebenen schützen daher weder mit Masken, noch Distancing noch der Impfung sich selbst, wie das eigentlich bis dato aufgefasst wurde, sondern sie werden damit in die Verantwortung gegenüber dem andern gezogen. Ein wahrhaft Orwellsches Spindoctoring!


Und an diesem Punkt beginne ich zu fragen: Warum kann man angeblich hochgebildete, verständige Leute mit einem solchen Unfug einfangen?


Die Kirche, die behauptet hatte, die Seele sei der Sitz der Vernunft und Erkenntnis, hat hier wo-möglich wirklich einen fundamentalen Irrtum zum Dogma gemacht. Denn offensichtlich nützt dieser Seelengeist den meisten gar nichts - sie stürzen ab ins Triebhafte ohne Rettung, ohne Halt, ohne vernünftigen Einwand. Wir stoßen auf Mauern total verdrehten Denkens, das unfähig ist, noch irgendwie auf sich selbst zu reflektieren. Jeder Einwand wird als Gefahr erlebt und panisch oder aggressiv abgewehrt.


Ich frage von der andern Seite der kirchlichen Tradition: Was bitte ist aber dann an Pfingsten passiert?!


Haben die Gläubigen da nur noch ein bisschen mehr Seele verpasst bekommen?

Es ist doch neutestamentlicher Textbefund, dass der Mensch den Heiligen Geist bekommt und offensichtlich dann auch dafür disponiert sein muss, Geist zu haben.


Ob man die verketzterte Trichotomie Leib-Seele-Geist unweigerlich mechanistisch auffassen müsste, wie die Kirche stets behauptete, geht daraus natürlich nicht hervor. Sie behauptet doch selbst eine Dreifaltigkeit Gottes, die im Rahmen einer Einigkeit stattfinde, wieso wehrt sie dann einen ebensolchen Gedanken für den Menschen ab, als sei er undenkbar?


Fragen über Fragen!

Ich stellte fest, dass das alles extrem interessant und komplex ist.

Die Kirche hat all jene, die auch nur entfernt danach fragten, was es denn mit dem Menschen und seinem Geist auf sich habe, brutal und blutig verfolgt und vernichtet.


Warum?

Ist das nicht Wahnsinn, Menschen zu verfolgen und auszulöschen, weil sie sich selbst als geist-begabt sehen?

Und überhaupt nochmal: Was feiern wir an Pfingsten eigentlich?

Es sei das "Fest der Kirche" lehrt man uns Katholiken.

Ich sage heute: Nein!

Es ist das Fest der persönlichen Geistbefähigung! Und das natürlich auch in Gemeinschaft ...


Aber darüber muss ich noch viel mehr nachdenken.


Wer Interesse hat, wird sehr viel tiefere Einblicke in die Problematik durch folgenden Aufsatz von bekommen:


Markus Osterrieder: Verschweigen des Geistes

Einige Anmerkungen zur geistesgeschichtlichen Bedeutung des Konzils von 869/70

http://www.celtoslavica.de/bibliothek/pdf/Osterrieder_2005_Verschweigen%20des%20Geistes.pdf


Info: https://zeitschnur.blogspot.com

13.06.2021

Russland einschnüren / Allianz gegen Beijing

Vor dem NATO-Gipfel - Russland einschnüren NATO beansprucht Seeherrschaft in der Ostsee und im Schwarzen Meer


jungewelt.de, 14.6.2021, Von Reinhard Lauterbach  (aus E-Mail v. D. Pumphrey 14.06.2021 20:01)

Der diesjährige NATO-Gipfel findet vor dem Hintergrund praktisch ständiger Marinemanöver der westlichen Kriegsallianz in den europäischen Meeren statt. Aktuell laufen gleich zwei Übungen der NATO-Seestreitkräfte: die eine, »Baltops 50«, in der Ostsee, die andere, »Steadfast Defen-der«, im Mittelmeer und im Schwarzem Meer.


Zitat: »Baltops« begann am Sonntag vor einer Woche – einem bewusst gewählten  symbolträch-tigen Datum, dem 77. Jubiläum der anglo-amerikanischen Landeoperation an der französischen Kanalküste. Implizierter geopolitischer Kontext dieser behaupteten Analogie: Russland okkupie-re den europäischen Kontinent ebenso wie einst Nazideutschland. Insofern ist es auch kein Zu-fall, dass der operative Höhepunkt des Manövers in dieser Woche eine amphibische Landung an der litauischen Ostseeküste sein wird. Die Übung vereint 40 Kriegsschiffe, 60 Flugzeuge und 4.000 Soldaten aus 16 NATO-Staaten sowie den »Partnernationen« Schweden und Finnland. Schweden spielt dabei den Gegner, indem es ein »hochbefähigtes« U-Boot abordnet, das der Rest der Truppe außer Gefecht setzen soll. Im Übrigen haben die Planer den teilnehmenden Einheiten vielfache Ziele gesetzt: neben den bereits genannten Aspekten auch die Erkämpfung des Zugangs zur Ostsee in den dänischen Meerengen, die Fähigkeit, Seegebiete zu sperren, sowie die Verteidigung gegen Cyberangriffe. Zu Wasser.


Parallel dazu läuft schon seit Mai im Mittelmeer das NATO-Marinemanöver »Steadfast Defen-der«, das im Schwarzen Meer in die alljährliche Übung »Sea Breeze« übergehen soll. Ziel ist auch hier, Russland die Seeherrschaft im Vorfeld der eigenen Küste streitig zu machen. Verhandelt wird dies unter dem ideologischen Titel, die »Freiheit der Schiffahrt« zu sichern. Beide Manöver schließen an eine erste Serie von Marineübungen der NATO im Nordatlantik an, bei denen im März und April sowohl die Heranführung von Einheiten aus den USA trainiert wurde, als auch Landeoperationen in Norwegen – lies: an der russischen Schwarzmeerküste mit ihrem gebirgi-gen Relief – sowie Langstreckenangriffe mit Flugzeugen und Marschflugkörpern von Schiffen

aus, die zwischen Norwegen und Island kreuzten. Es ist insofern wenig erstaunlich, dass Russ-land die Übungsserie der NATO als Provokation und als Säbelrasseln vor seiner Haustür kritisier-te. Die Erklärung des Moskauer Außenministeriums hob insbesondere den Umstand hervor, dass zur »Sicherung des Seegebiets« aus NATO-Sicht auch die Teilnahme von atomwaffenfähi-gen US-Langstreckenbombern des Typs B-52 für erforderlich gehalten werde.


Ebenfalls im Vorfeld des NATO-Gipfels gab das US-Verteidigungsministerium bekannt, dass die Ukraine weitere »Militärhilfe« im Umfang von 150 Millionen US-Dollar (etwa 124 Millionen Euro) erhalten wird. Das Geld ist Teil eines bereits unter Donald Trump zugesagten Pakets und um-fasst Artillerieaufklärungsradare, Systeme zur Erkennung von Drohnen und abhörsichere Kom-munikationsausrüstung sowie die Ausbildung ukrainischen Militärpersonals an diesen Systemen.


Info:  https://www.jungewelt.de/artikel/404309.vor-dem-nato-gipfel-russland-einschn%C3%BCren.html

     _______


*Allianz gegen Beijing*


jungewelt.de, 14.6.2021, /Von Jörg Kronauer    (aus E-Mail v. Doris Pumphrey 14.06.2021  20:01)

G7-Staaten nehmen China ins Visier und beschließen »kollektives Vorgehen«. Kritik an Ankündigungen zum Klimaschutz und Impfstofflieferungen an ärmere Länder


Zitat: /Die führenden westlichen Industriestaaten (G7) haben sich auf ihrem am Sonntag zu Ende gegangenen Gipfeltreffen in Cornwall um einen Schulterschluss gegen China bemüht. So wollen sie mit einer neuen globalen Infrastrukturinitiative der »Neuen Seidenstraße« das Wasser

abgraben. Darüber hinaus kündigten sie an, pro Jahr rund 100 Milliarden US-Dollar (etwa 83 Milliarden Euro) für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern verfügbar zu machen. In der Abschlusserklärung des Gipfels suchten sie den Druck auf Beijing mit schweren Vorwürfen in

Sachen »Handelspraktiken« und Menschenrechte (Xinjiang, Hongkong) zu erhöhen. Im Umgang mit der zweitgrößten Volkswirtschaft wollen sich die G7-Staaten »über ein kollektives Vorgehen absprechen, um marktwidrige Politik und Praktiken anzufechten, die den fairen und transparen-ten Ablauf der Weltwirtschaft untergraben«, wie es in dem Dokument heißt.**Allerdings wurde berichtet, unter den G7 habe diesbezüglich keine Einigkeit geherrscht; während einige – etwa Japan – noch aggressivere Formulierungen gefordert hätten, hätten andere – Deutschland und Italien – gebremst, um Wirtschaftsinteressen nicht zu gefährden. Betont wurde deshalb, es gebe weiterhin auch gemeinsame Interessen, etwa beim Klimaschutz.


Unklar bleibt, welche Konsequenzen die G7-Ankündigungen tatsächlich haben werden. So ver- weisen Kritiker darauf, dass die Selbstverpflichtung, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für den Klimaschutz in der ärmeren Welt zu mobilisieren, bereits 2009 auf der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen abgegeben, aber nicht realisiert wurde. Die gegen die »Neue Seidenstraße« gerich-tete Initiative, die nach anderslautenden Vorschlägen nun wohl unter der Bezeichnung »Build Back Better World« (»B3W«) gestartet wird, soll zwar Infrastrukturvorhaben in Entwicklungslän-dern »transparent«, »nachhaltig« und »umweltfreundlich« fördern; allerdings war am Sonntag noch unklar, wo das Geld dazu herkommen soll. Ein identisch motiviertes EU-Projekt von 2018, die »EU-Asien-Konnektivitätsstrategie«, ist bislang nicht erfolgreich.


Kritik gab es auch am Versprechen der G7, ärmeren Ländern bis 2022 eine Milliarde Covid-19-Impfdosen zur Verfügung zu stellen. Benötigt werden allerdings laut Schätzungen zwischen acht und elf Milliarden; das G7-Angebot reiche »offensichtlich« nicht aus, konstatierte UN-Generalse-  kretär António Guterres, während der einstige britische Premierminister Gordon Brown den G7 gar »moralisches Versagen« attestierte. Merkel sprach daraufhin von 2,3 Milliarden Impfdosen, die bis Ende 2022 geliefert werden könnten, 350 Millionen davon von Deutschland. Wo diese herkommen sollen, wenn die reichen Staaten weiterhin Impfungen von Kindern und Auffrisch-ungsspritzen priorisieren, ist nicht klar. Die dringend nötige Freigabe der Impfstoffpatente wird

immer noch von Berlin blockiert.


Am Rande des G7-Gipfels, zu dem auch Australien, Indien, Südkorea und Südafrika eingeladen waren, traf Merkel erstmals persönlich mit US-Präsident Joseph Biden zusammen. Die Kanzlerin, die am 15. Juli nach Washington reisen wird, begegnet Biden am heutigen Montag beim NATO-  Gipfel und am Dienstag beim US-EU-Gipfel erneut.


Prinzipielle Kritik am G7-Gipfel äußerte China. »Die Zeiten, in denen globale Entscheidungen von einer kleinen Gruppe von Ländern diktiert wurden, sind lange vorbei«, wurde ein Sprecher der chinesischen Botschaft in London gestern zitiert: Beijing sei der Ansicht, dass alle Länder, »groß oder klein, stark oder schwach, arm oder reich, gleich« seien und weltpolitische Angelegenheiten »durch Beratungen aller Länder geregelt werden« sollten.


Info: https://www.jungewelt.de/artikel/404280.g7-gipfel-allianz-gegen-beijing.html  
13.06.2021

Grünen-Parteitag: Schärferer Kurs gegenüber Russland und China beschlossen

de.rt.com, 13 Juni 2021 18:56 Uhr

Auf dem dreitägigen Parteitag der Grünen wurde auch der außenpolitische Kurs der Partei festgelegt. Er hebt das Primat der "Menschenrechte" in der Außenpolitik hervor und macht deutlich, bei welchen Staaten dieses Prinzip vor allem angewandt werden soll.


Zitat: In der Außenpolitik setzen die Grünen auf einen schärferen Kurs gegenüber den Regierungen in China und Russland. Von China verlangt die Partei "ein Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen etwa in Xinjiang und Tibet und zunehmend auch in Hongkong", wie die Delegierten beim Online-Parteitag am Sonntag beschlossen. Nötig sei zwar konstruktiver Dialog, wo das möglich sei, aber auch "klare Gegenstrategien", wenn das Land versuche, internationale Standards zu schwächen. In der Klimapolitik will man aber zusammenarbeiten.


Russland habe sich "zunehmend in einen autoritären Staat gewandelt und untergräbt immer offensiver Demokratie und Stabilität in der EU und in der gemeinsamen Nachbarschaft", heißt es nun im Programm. Es gelte, die Zivilgesellschaft zu unterstützen. Sanktionen gegen die russische Führung sollten gegebenenfalls verschärft werden.


Die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2, die die Ukraine umgeht, lehnen die Grünen aus geopolitischen und Klimaschutzgründen ab. Anträge, die die Passagen zu China und Russland weniger kritisch fassen wollten, wurden mit deutlichen Mehrheiten abgewiesen. Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock betonte, dass Menschenrechte in der Außenpolitik grundsätzlich mehr Gewicht haben sollen als wirtschaftliche Interessen.


Wie schon an den ersten beiden Tagen des Parteitags konnte sich der Vorstand mit seinem Entwurf des Wahlprogramms in Abstimmungen gegen Herausforderer klar durchsetzen. So scheiterte ein Antrag für die Bildung einer EU-Truppenreserve für die Vereinten Nationen unter der Kontrolle des Europäischen Parlaments. Die Grünen wollen zudem die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten fortsetzen.


Auf dem Parteitag trat auch die weißrussische Ex-Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja persönlich auf und forderte eine aktivere "Einmischung" Deutschlands bei der Ausrichtung von Neuwahlen und einen Aufbau der neuen "weißrussischen Staatlichkeit". Das derzeitige Weißrussland sei feindselig und bedrohe die Europäer, betonte Tichanowskaja und forderte Sanktionen gegen Schlüsselzweige der weißrussischen Industrie.  


Den künftigen Einsatz bewaffneter Drohnen schließen die Grünen nicht kategorisch aus. Mit einer hauchdünnen Mehrheit sprachen sich die Abgeordneten beim Online-Parteitag am Sonntag dafür aus, Bedingungen für den Einsatz der Drohnen zu prüfen. Es muss vor einer solchen Entscheidung aus ihrer Sicht erst "klar gemacht werden, für welche Einsatzszenarien der Bundeswehr die bewaffneten Drohnen überhaupt eingesetzt werden sollen".


Die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland war kein großes Thema auf dem Parteitag. In der Debatte blieb es beim Appell, an den EU-Außengrenzen legale Zugangswege zu ermöglichen. Die Grünen wollen zudem neue Möglichkeiten für Bildungs- und Arbeitsmigration schaffen.



Mehr zum Thema - Telefonstreich: Litauischer Außenpolitiker will mit den Grünen gegen das "Kreml-Regime" vorgehen


Info: 
https://de.rt.com/international/119035-grunen-parteitag-sanktionen-gegen-russland
13.06.2021

Erfolg für Aktion Ehrensache: Gesundheitsministerium gibt Maskenliste teilweise frei

Monatelang hat das Gesundheitsministerium eine Liste der Bundestagsabgeordneten zurückgehalten, die dem Ministerium Kontakte zu Unternehmen für Corona-Schutzmasken vermittelt haben. Nach unserer „Aktion Ehrensache“ veröffentlichen wir jetzt eine Liste von Abgeordneten. Aber noch sind nicht alle Informationen da.


fragdenstaat.de, Stand 27. April 2021 –Kampagne

Zitat: Das Bundesgesundheitsministerium hat dem öffentlichen Druck teilweise nachgegeben: Nach zahlreichen Presseanfragen sowie 395 Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz im Rahmen unserer „Aktion Ehrensache“ gemeinsam mit abgeordnetenwatch.de hat das Ministerium von Jens Spahn eine Liste von 40 Bundestagsabgeordneten herausgegeben, die zu Beginn der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr Kontakte zu Herstellern von Schutzmasken vermittelt hatten.


Wir veröffentlichen die Liste, die das Ministerium an den Gesundheitsausschuss des Bundestags versandt hat, an dieser Stelle. Das Ministerium hatte sich vorher in einem Rechtsgutachten bescheinigen lassen, dass es die Informationen herausgeben muss. Aus der Liste geht unter anderem hervor, dass größtenteils Abgeordnete von CDU und CSU Masken-Deals vermittelten. Alleine über das Bundestagsbüro von Jens Spahn (CDU), der gleichzeitig Minister und Abgeordneter ist, kamen Kontakte zu 29 Masken-Unternehmen zustande. Über die Verkehrspolitiker Christoph Ploß (CDU) und Björn Simon (CDU) gab es Kontakte zu sechs bzw. vier Unternehmen, die fürs Ministerium Masken beschafften.


Deals über das Bundestagsbüro von Spahn

Auch Abgeordnete, die unter Korruptionsverdacht stehen, sind in der Liste. Der frühere CSU-Fraktionsvize Georg Nüßlein, gegen den die Generalstaatsanwaltschaft München wegen des Verdachts der Bestechlichkeit bei der Vermittlung von Maskengeschäften ermittelt, sowie die inzwischen zurückgetretenen ehemaligen CDU-Abgeordneten Nikolas Löbel und Mark Hauptmann sind darauf zu finden. Auch die Bundestagsbüros von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und dem umstrittenen Abgeordneten Thomas Bareiß (CDU), der Parlamentarischer Staatssekretär ist, haben Kontakte zu Masken-Unternehmen hergestellt.


Neben den Unions-Abgeordneten vermittelten der FDP-Chef Christian Lindner, der in Berlin Mieter einer Wohnung von Gesundheitsminister Spahn ist, sowie die SPD-Abgeordneten Bärbel Bas und Johannes Fechner Kontakte in Bezug auf die Beschaffung von Masken. Aus der Aufstellung geht allerdings nicht hervor, ob Abgeordnete direkt an der Vermittlung eines Maskengeschäfts beteiligt war oder nur im Nachgang, etwa bei einer späten Bezahlung von Rechnungen durch die Bundesregierung.


Mit der ersten Übersicht der Bundestagsabgeordneten ist die „Aktion Ehrensache“ noch lange nicht beendet. Im Rahmen der Aktion stellten FragDenStaat-Nutzer:innen 395 Anfragen zu den Kontakten von Abgeordneten mit dem Gesundheitsministerium, darunter auch nach Korrespondenz und Angebotsdokumenten. Auch Fälle, die nicht zu einem Vertragsabschluss führen, fallen darunter. Diese muss das Ministerium nach dem Informationsfreiheitsgesetz aber herausgeben. Bisher hat die Behörde lediglich den Eingang der Anfragen bestätigt, aber noch keine Dokumente freigegeben.       → zur Maskenliste


Name MdB

Partei

Name Vertragspartner des BMG
Art von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA)
Peter AltmaierCDUzentrada Europe GmbH & Co.KGPfH, OP-Masken
Thomas BareißCDUComazo GmbH & Co. KGPfH
Bärbel BasSPDSport Point International GmbH (Vertragsaufhebung vor Lieferung und Bezahlung durch den Vertragspartner erklärt)Schutzkittel, PfH, OP-Masken
Silvia BreherCDUPeter Kenkel GmbHPfH
Dr. Johannes FechnerSPDJoachim Lutz GmbHSchutzkittel, PfH
Dr. Thomas GebhartCDUCONJA UGPfH
  Joachim Lutz GmbHSchutzkittel, PfH
  Klaus Chwatal ZubehörhandelPfH
  MTS MarkenTechnikService GmbH & Co. KGPfH
Eberhard GiengerCDUSino German Hi-Tech Park GmbH & Co. KGSchutzkittel, PfH, OP-Masken
Fritz GüntzlerCDUGrauhaus Germany GmbHPfH
Christian HaaseCDUdeucin International Trade GmbHPfH
  Inter-Furn Möbelhandels GmbH & Co. KGPfH
Florian HahnCSUBESH IO UGSchutzkittel, PfH, OP-Masken
Alexander HoffmannCSUVeGo GroupPfH, OP-Masken
Hans-Jürgen IrmerCDUStone Alliance GmbHPfH
Dr. Georg KippelsCDUMaximHolding GmbH & Co. KG/Pharma Aldenhoven GmbHPfH
Gunther KrichbaumCDUColor GmbHPfH, OP-Masken
Dr. Roy KühneCDUPixlip GmbHPfH
Prof. h.c. Dr. Karl A. LamersCDUAydin Bau GmbHPfH
  Pinpoint Ventures Holding GmbHPfH
Andrea LindholzCSUiaw GmbH & Co. KGPfH
Christian LindnerFDPApparelscout GmbHPfH, OP-Masken
Daniela LudwigCSUProwell Products GmbH/Pro-User GmbHPfH
Dr. Saskia LudwigCDUMILA Health Care GmbHSchutzkittel, PfH, OP-Masken
Dr. Astrid MannesCDUNOFAKS UGPfH, OP-Masken
Dr. Michael MeisterCDUAlbrecht Logistic-Consulting-Trading GmbH & Co. KGPfH
  K&S GroflhandelPfH
Dr. h.c. Hans MichelbachCSUAVINOOR GmbHSchutzkittel, PfH, OP-Masken
  Lipsticks GmbHPfH
Elisabeth MotschmannCDUWalton HK Group Limited (Fashion Holding Düsseldorf GmbH)Schutzkittel, PfH, OP-Masken
Dr. Andreas NickCDUGTP Schäfer GmbHPfH
Dr. Georg NüßleinCSUKEBOS Hygienic Solutions GmbHPfH
  Kenter GmbH (Bodenreinigungsmaschinen)PfH, OP-Masken
  Lipsticks GmbHPfH
  Lomotex GmbH & Co. KGPfH
Dr. Christoph PloßCDUAchim Guha Versand GmbHPfH
  Albatus Marinus Capital Partners GmbH (AMCP)PfH
  Areal Invest XXXI GmbHPfH
  CEDES Logistik Ltd.PfH
  G. Wurm GinbH & Co. KGPfH
  OriginX GmbHPfH
Eckhardt RehbergCDULipsticks GmbHPfH
Josef RiefCDUdeucin International Trade GmbHPfH
Stefan SauerCDUNematec Display Factory GmbH & Co. KGPfH
Andreas ScheuerCSUDeutsche Bahn AGPfH
Dr. Klaus-Peter SchulzeCDUKAPCON Industry GmbHPfH
Prof. Dr. Patrick SensburgCDUSport Point International GmbH (Vertragsaufhebung vor Lieferung und Bezahlung durch den Vertragspartner erklärt)PfH
Björn SimonCDUHart Limes GmbHPfH
  K+M Werbemittel GmbH/Vertragspartner Fruitbasil GmbHPfH
  Internationale Handelsagentur Roland RödelPfH
  Vuno GmbHPfH
Jens SpahnCDUBolan Home Fashion GmbHPfH, OP-Masken
  Burda GmbHPfH
  Centropharm GmbHPfH
  deucin International Trade GmbHPfH
  EMIX Trading GmbHSchutzhandschuhe, PfH, OP-Masken
  Franz Mensch GmbHOP-Masken
  Impulsus Trade GmbHPfH
  IMSTEC GmbHPfH, OP-Masken
  Kids 2 Go UGPfH
  Lipsticks GmbHPfH
  Lomotex GmbH & Co. KGPA
  Lugani GmbH & Co. KGPfH
  Merit X GmbHPfH
  MILA Health Care GmbHSchutzkittel, PfH, OP-Masken
  MorySkin GmbHPfH, OP-Masken
  NOFAKSUGPfH, OP-Masken
  NopixGlobal AGPfH
  OriginX GmbHPfH
  Owners Capital GmbHPfH
  Paul Hartmann AGPfH, OP-Masken
  Peter Kenkel GmbHPfH
  Poschacher International Ltd.PfH, OP-Masken
  Prospitalia GmbHPfH
  Pure Fashion Agency GmbHGesichtsschutz, Schutzhandschuhe, PfH, OP-Masken
  TLG Health GmbH/GymPro UGPfH
  Triumph International GmbHOP-Masken
  Nematec Display Factory GmbH & Co. KGPfH
  Walton HK Group Limited (Fashion Holding Düsseldorf GmbH)Schutzkittel, PfH, OP-Masken
  zentrada Europe GmbH & Co.KGPfH, OP-Masken
Albert StegemannCSUtex idea GmbHPfH. OP-Masken
Johannes SteinigerCDUAwan UGPfH
Stephan StrackeCSUKonrad International GmbHPfH
Dr. Dietlind TiemannCDUMILA Health Care GmbHSchutzkittel, PfH, OP-Masken
Christian Freiherr von StettenCDUKaMC Stollenmeier GmbH & Co. KGPfH

(PfH = Partikelfiltrierende Halbmasken)


Info: Maskenliste u. Kurzgutachten Rossi https://fragdenstaat.de/dokumente/sammlung/63-maskenliste / https://fragdenstaat.de/dokumente/9602-maskenliste


Kommentar: Das ist die "teilweise", unter Druck auf das Gesundheitsministerium, freigegebene  Maskenliste  (nur) der Bundestagsabgeordneten, ohne die Landtagsabgeordneten aus den 16 Bundesländern.  

In Sachen Corona-Tests oder/und von den Impfherstellern wurden womöglich noch stattlichere Provisionen an Abgeordnete gezahlt.    Thomas Bauer

12.06.2021

Grüne vor Problem-Parteitag: Basis interessiert der Kanzler-Kurs nicht - 20 harte Anträge für Baerbock

merkur.de, Aktualisiert: 11.06.202116:01

Zuletzt machten die Grünen keine gute Figur, umso wichtiger wäre ein erfolgreicher Parteitag. Doch Teile der Basis sind unzufrieden mit dem Realo-Kurs der Parteispitze.

Bei vielen Grünen herrscht schlechte Stimmung

Zitat: München – Es war ein verhexter Mai für die Grünen* und irgendwie hatte der Berliner Kreisverband Friedrichshain/Kreuzberg auch seinen Anteil daran. Er hatte gefordert, das Wort „Deutschland“ aus dem Titel des Wahlprogramms für die Bundestagswahl* zu streichen. Schließlich stehe der Mensch im Mittelpunkt grüner Politik. Nicht Deutschland. Der Spott folgte wie bestellt. Die CSU attestierte der grünen Konkurrenz genüsslich ein „gestörtes Verhältnis zum Vaterland“.


Der Antrag hat beim am Freitag beginnenden digitalen Parteitag wohl kaum Chancen. Seine einzige Wirkung: Er war ein kleines PR-Desaster – und überdeckte, was die Basis am Kurs ihrer Parteispitze eigentlich stört. Das ist eine Menge. 3280 Änderungsanträge am Wahlprogramm* gingen bei der Parteizentrale ein. Die hatte wochenlang damit zu tun, den Wust zu ordnen, einzudampfen und so manchen Antragsteller zu besänftigen.


Diskussionen um Annalena Baerbock haben Spuren hinterlassen

„Wir beschließen am Wochenende sicherlich das intensivst diskutierte Wahlprogramm der grünen Geschichte“, sagte Generalsekretär Michael Kellner dieser Tage. Ein paar strittige Punkte konnte er im Vorfeld ausräumen, aber nicht alle. Etwa 20 Anträge sind übrig geblieben – und könnten am Wochenende für Unruhe sorgen.


Dabei wäre ein reibungsloser Parteitag wichtig für die Grünen, gerade jetzt. Die Diskussionen um Annalena Baerbocks* nicht gemeldete Sonderzahlungen und ihren geschönten Lebenslauf, die Debatten um BenzinpreiseEinfamilienhäuser* und Kurzstreckenflüge haben ihre Spuren hinterlassen. Die Partei verliert an Zuspruch. Auch der Münchner Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek sagt: „Es ist ein extrem wichtiger Parteitag für uns.“


Grüne: Taktische Erwägungen scheinen die Basis nicht zu interessieren

Doch taktische Erwägungen scheinen zumindest Teile der Basis nicht zu interessieren. Sie will das sorgfältig austarierte Wahlprogramm an einigen Stellen radikal nachschärfen. Neben einer Gehaltsobergrenze (maximal das hundertfache der niedrigsten Einkommensstufe im Unternehmen) und einer staatlichen Jobgarantie fordert ein Antrag auch einen Spitzensteuersatz von 52 Prozent (im Wahlprogramm stehen 48 Prozent).


Die schärfsten Diskussionen stehen aber schon am Freitag an: bei der Umwelt- und Klimapolitik. Vielen Mitgliedern gehen die Vorschläge im Wahlprogramm nicht weit genug, etwa beim CO2-Preis. Der soll laut Wahlprogramm ab 2023 auf 60 Euro pro Tonne steigen, die GroKo hat lediglich 35 Euro anvisiert. Einigen Grünen geht all das nicht weit genug. Sie fordern bis zu 120 Euro pro Tonne CO2. Außerdem soll das Ende des Verbrennungsmotors auf 2025 vorgezogen werden. Manche fordern zudem ein 100-km/h-Limit auf Autobahnen. Das Wahlprogramm schlägt indes 130 km/h vor.


„Fridays for Future“ will, dass die Basis beim Klimaschutz nachschärft

In der Partei heißt es, die Aktivisten von „Fridays for Future*“ bearbeiteten die Basis seit Langem, um beim Klimaschutz nachzuschärfen. Realos wie Katrin Göring-Eckardt oder Dieter Janecek warnen derweil davor, die Gesellschaft zu überfordern. „Höher, schneller, weiter hilft dem Klimaschutz alleine nichts“, sagt Janecek. Die Ziele müssten auch umsetzbar sein. Ob es die Nachschärfungen letzten Endes ins Wahlprogramm schaffen, ist aber eh fraglich. Auch die Delegierten dürften ahnen, dass mit Maximalforderungen ein Wahlsieg schwierig wird.


Von der Frage, wer sich durchsetzt – und auf welche Weise –, hängt für die Grünen eine Menge ab. Der Chef des Umfrageinstituts Forsa, Michael Güllner, warnte im „Handelsblatt“ davor, dass das „mühsam aufgebaute Bild von geeinten, pragmatisch-rationalen Grünen Sprünge bekommen“ könnte. Für Annalena Baerbock wäre das der nächste Rückschlag. Sie will sich am Samstag offiziell zur Kanzlerkandidatin wählen lassen. Und das möglichst ohne vorheriges Hauen und Stechen. - Marcus Mäckler - *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.


Info:  https://www.merkur.de/politik/gruene-parteitag-annalena-baerbock-robert-habeck-antraege-tempolimit-co2-bundestagswahl-zr-90798447.html

11.06.2021

Eine Partei auf dem Weg zur Selbstzerstörung

nachdenkseiten.de, 11. Juni 2021 um 11:58 Ein Artikel von: Jens Berger

Die Zeiten, in denen die Linkspartei eine klare Stimme gegen die neoliberalen Irrungen und Wirrungen war, neigen sich schon seit längerem ihrem Ende zu. Vor allem auf der Führungsebene finden sich leider mehr und mehr politische Heckenschützen, deren Ziel die Entkernung der Partei von klassisch linken Inhalten und den Politikern ist, die für diese Inhalte stehen. Der bisherige Höhepunkt dieser traurigen Entwicklung ist ein Antrag auf ein Parteiausschlussverfahren gegen Sahra Wagenknecht, über das der SPIEGEL gestern berichtete. Man könnte glauben, einige “Genossen” hätten es darauf abgesehen, die Partei unter die 5-Prozent-Hürde zu bringen. Das ist jammerschade, denn mit der Linken verschwindet die einzige politische Kraft, die zumindest mal das Potential hatte, die Zustände in diesem Land nachhaltig zum Besseren zu verändern.

Zitat: Es gibt Meldungen, die will man ganz einfach nicht glauben. Die gestrige Meldung des SPIEGEL gehört dazu. Ein Parteiausschlussverfahren gegen die beliebteste Politikerin der Partei; vielleicht sogar die beliebteste Politikerin des ganzen Landes? Und dies kurz vor der heißen Phase des Wahlkampfs für die anstehenden Bundestagswahlen? Wer die Linkspartei nicht oder nur oberflächlich kennt, wird hier wohl zuerst an eine Falschmeldung denken. So dumm kann man doch nicht sein. Doch es gibt in der Linkspartei in der Tat Kreise, die liebend gerne die gesamte Partei kentern lassen, nur um ihren politischen Feind mit untergehen zu sehen. Und dieser politische Feind ist natürlich nicht die AfD und schon gar nicht eine andere im Bundestag vertretene Partei, sondern der Flügel der Linkspartei, der die Werte vertritt, wegen der sich WASG und PDS damals zur Linkspartei zusammengeschlossen haben; vertreten allem voran durch Sahra Wagenknecht.


Liest man sich die Begründung des Antrags durch, die der SPIEGEL zitiert, weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Wagenknechts Programm „widerspreche in vielen Punkten dem Programm der Linken“, heißt es da. Nun ja, das ist wohl die Definition von innerparteilicher Demokratie, wie sie das Grundgesetz definiert. Und die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben sich schon was dabei gedacht, dass die deutsche Rechtsprechung es den Parteien dezidiert unmöglich macht, interne Flügelkämpfe und inhaltliche Debatten über Parteiausschlüsse zu betreiben. Es mag durchaus so sein, dass einige Positionen Wagenknechts derzeit im Parteivorstand keine Mehrheit finden. Aber genau so funktionieren Parteien. Minderheiten sollen durch Überzeugung Mehrheiten finden. Wer inhaltliche Abweichungen mit Parteiausschlüssen abstrafen will, scheint eher ein Kind im Geiste stalinistischer Säuberungspolitik zu sein.


Der – je nachdem, ob man sich durchringen kann, diese Sache mit Galgenhumor zu betrachten – Lacher oder geistige Tiefpunkt des Antrags ist jedoch das „Argument“, Wagenknecht schade der Partei, was durch die rückläufigen Zustimmungswerte bei den Umfragen ersichtlich sei. Identitätspolitische Wirrköpfe sorgen durch Intrigen und Mobbing erst dafür, dass Sahra Wagenknecht ihre Ämter in der Partei niederlegt. Dann setzen diese Kräfte sich auch noch bei der Neuaufstellung des Parteivorstands und bei programmatischen Fragen durch und nun, wo sie merken, dass ihre Politik abseits ihrer kleinen, aber intrigenstarken und medial gut vernetzten Blase doch nicht so gut ankommt und die Wähler der Partei in Scharen den Rücken kehren, soll dies die Schuld ihres Opfers sein. Haltet den Dieb, er hat mein Messer im Rücken. Das ist derart perfide, dass einem selbst als abgebrühtem Beobachter mit Hang zum Sarkasmus die Stimme wegbleibt.


Was soll das? Was ist der Zweck dieser Aktion? Erfolg kann dieser infame Ausschlussantrag nicht haben, widerspricht er doch in allen Punkten dem Parteiengesetz. Es geht offenbar nicht um den Antrag selbst, sondern um die öffentliche Debatte. So ist es ja auch kein Zufall, dass das Papier bereits dem SPIEGEL zugesteckt wurde, bevor Mitglieder des Parteivorstands überhaupt Wind von der Sache bekommen haben. Offenbar versuchen Kräfte innerhalb der Partei auf Biegen und Brechen dafür zu sorgen, dass die Partei möglichst wenige Stimmen bekommt. Doch warum? Wenn die Linke nicht in den nächsten Bundestag kommt, verlieren schließlich auch die Linksidentitären und Trotzkisten ihre Mandate.


Es ist wirklich zum Heulen. Linke Parteien sind natürlich immer auch ein Magnet für Traumtänzer, Wirrköpfe und Extremisten jeglicher Couleur. Eigentlich sollte jedoch eine solide progressive Mehrheit innerhalb der Partei diese auf Spaltung und Grabenkämpfe spezialisierten Minderheiten einhegen und marginalisieren. Bei der Linkspartei ist das exakte Gegenteil zu beobachten. Dort haben die Spaltpilze es geschafft, in den Gremien Mehrheiten zu erringen und den progressiven Kern einzuhegen und zu marginalisieren. Das war rein machtstrategisch natürlich bemerkenswert. Aber jeder Bauer weiß, dass es nicht so klug ist, die Kuh, von deren Milch man lebt, zu schlachten. Kaum jemand wählt die Linke, weil sie sich so wunderbar für die LGBTQ-Rechte einsetzt oder ihre identitätspolitischen Flausen zum politischen Kernprogramm macht. Ohne den progressiven Kern, ohne Politiker wie Sahra Wagenknecht, ist die Linke auch nur eine Kleinpartei, wie es sie im Dutzend auf dem Wahlzettel gibt. Bedeutungslos.


Nun könnte – und wahrscheinlich müsste – man die Linke abschreiben. So einfach ist das jedoch nicht. Welche politische Kraft bliebe dann noch, die sich zumindest potentiell für eine progressive Politik, für die Opfer des Neoliberalismus, für Entspannung und Völkerfreundschaft, für einen Sozialstaat, der seinen Namen verdient, und für eine echte Chancengleichheit einsetzt? Und sei die Lage auch noch so hoffnungslos und der Erfolg der politischen Selbstmörder noch so nah – es lohnt sich zu kämpfen. Denn es steht sehr viel auf dem Spiel.


Rubriken: DIE LINKE Erosion der Demokratie Kampagnen / Tarnworte / Neusprech

Schlagwörter: 

Info: https://www.nachdenkseiten.de/?p=73262

11.06.2021

Grüne fordern Kurskorrektur der deutschen Russlandpolitik

aus E-Mail von Doris Pumphrey, 11. Juni. 2021  9:51

*Grüne fordern Kurskorrektur der deutschen Russlandpolitik

<https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw23-de-russlandpolitik-843426>

*/Siehe Debatte im Bundestag hier:/

<https://www.youtube.com/watch?v=RwvC5BJk-TU>


Der Bundestag hat am *Donnerstag, 10. Juni 2021,* einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Kurskorrektur in der *Russlandpolitik* – Menschenrechte, Demokratie und europäische Friedensordnung konsequent verteidigen“ (19/29313

<https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/293/1929313.pdf>) abgelehnt. 

Die Vorlage wurde bei direkter Abstimmung mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD, AfD und Die Linke gegen das Votum von Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der FDP zurückge-wiesen.


Die Bundesregierung soll nach den Vorstellungen der Grünen ihre Politik „konsequent auf die Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Russland sowie ein einiges Auftreten der Europäischen Union gegenüber Russland“ ausrichten. Als Reaktion auf die Isolationspolitik des Kremls solle anderseits der gesellschaftliche Austausch mit Russland, insbesondere in den Bereichen Zivilgesellschaft, Jugend und Kultur, erheblich intensiviert werden. Hier müsse die Bundesregierung auf EU-Ebene auch für eine Lockerung und großzügige Auslegungder einschlä- 

gigen Visa-Bestimmungen werben. Außerdem wenden sich die Abgeordneten gegen die im Bau befindliche Gas-Pipeline Nord Stream 2, der die Bundesregierung eine Absage erteilen solle. Das Projekt sei für die Energieversorgung Europas nicht notwendig, sondern vor allem klimaschäd-lich. (ahe/hau/10.06.2021)


<https://www.nachdenkseiten.de/?p=73212>

*Verschwörungstheoretiker des Tages – Cem Özdemir*


Wer Annalena Baerbock kritisiert, ist Handlanger Putins und Teil einer Kreml-Kampagne gegen „Putins grünes Grausen“ <https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/putins-gruenes-grausen-kreml-kampagne-gegen-baerbock-76360304.bild.html>  (Zitat: BILD). So sieht es zumindest der Grünen-Politiker Cem Özdemir.

Belege, Indizien oder gar Beweise hat er dafür natürlich nicht. Wäre es nicht Özdemir und würden diese wirren Sätze nicht von SPIEGEL <https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ex-gruenenchef-cem-oezdemir-russland-und-tuerkei-drahtzieher-von-schmutzkampagnen-a-ac1421e5-c645-493f-9a49-cfc8de547c99>, Tagesspiegel

<https://plus.tagesspiegel.de/politik/oezdemir-zur-aussenpolitik-der-oekopartei-putin-und-erdogan-wuerden-sicher-nicht-die-gruenen-waehlen-155597.html>  

und BILD kritiklos abgedruckt, würden die Faktenchecker der Nation hier wohl zu Recht eine Verschwörungstheorie wittern. Ist Özdemir die frühsommerliche Hitze zu Kopfe gestiegen, dass er nun auf Atilla Hildmanns Spuren wandelt? Nein. Özdemir ist vielmehr das, was Albrecht

Müller vollkommen zu Recht als „Einflussagent“ <https://www.nachdenkseiten.de/?p=68340> bezeichnet. Und das ist keine Verschwörungstheorie, sondern gut belegbar. Von *Jens Berger*.


Kennen Sie den Witz von den zwei New Yorker Juden im Jahr 1940? Der eine liest die New York Times, der andere den “Stürmer”. Da fragt der erste den zweiten, warum er sich mit so einem Blatt abgebe. „Bei Dir steht, dass wir verfolgt werden, bei mir steht, wie mächtig wir sind und dass wir die ganze Welt beeinflussen“. Wahrscheinlich gehört Wladimir Putin auch zu den be-geisterten Lesern von BILD und SPIEGEL, nach deren Sichtweise der Mann im Kreml nicht nur US-Präsidenten ins Amt hievt, sondern sogar dafür verantwortlich ist, dass die grüne Kanzlerette

Annalena Baerbock es geschafft hat, die Umfragewerte der Grünen innerhalb weniger Wochen zu pulverisieren.


Natürlich sind solche Thesen selbst für die BILD ein wenig zu steil, zumal es ja keinen Beleg für die sinisteren Machenschaften ihres Lieblings-Bösewichts gibt. Daher greifen die Qualitätsjour-nalisten zu einem beliebten Trick und lassen sich die groteskesten Thesen von einem Zitatgeber in den Block diktieren. Und wenn es um steile und nicht belegbare Vorwürfe in Richtung Moskau geht, gibt es keinen besseren Zitatgeber als den schwäbisch-türkischen Russenfresser Cem Özdemir.


Der sagt dann Sätze wie folgenden: „Annalena und wir werden nicht mehr nur national, sondern auch durch Putin und seine Geheimdienste (…) angegriffen, die im Internet Schmutzkampagnen gegen sie und uns Grüne fahren“. Daraus macht die BILD dann die knackige Überschrift „Moskau drückt den Anti-Baerbock-Knopf“ <https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/putins-gruenes-grausen-kreml-kampagne-gegen-baerbock-76360304.bild.html>  und der SPIEGEL raunt <https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ex-gruenenchef-cem-oezdemir-russland-und-tuerkei-drahtzieher-von-schmutzkampagnen-a-ac1421e5-c645-493f-9a49-cfc8de547c99> „Russland und Türkei Drahtzieher von Schmutzkampagnen“. Starker Tobak.

Und welche Belege gibt es dafür? Einen BND-Chef, der Dinge wie „das würde ins Bild passen“ sagt und einen kriminellen Exil-Oligarchen, der sich auf angebliche Insider beruft. Super. Da sind ja so manche Telegram-Dummheiten von Atilla Hildmann solider belegt.


Der kriminelle Exil-Oligarch ist übrigens Michail Chodorkowski, ein verurteilter Straftäter, dem es eher um den äußerst lukrativen Ausverkauf russischer Bodenschätze als um Dinge wie Men-schenrechte oder Freiheit geht, und der sich in den vergangenen Jahren regelmäßig von den

transatlantischen Falken für ihre Attacken einspannen ließ – häufig übrigens im Gespann mit Cem Özdemir.


Nach „BILD-Informationen“ von Chodorkowski und Özdemir arbeitet „Moskau“ also seit Monaten an einer „Anti-Grünen-, besonders aber an einer Anti-Baerbock-Kampagne“. Das ist doch spannend. Dann war es wohl Putin, der Annalenas allzu fantastischen Lebenslauf erfunden und von seinen Hackern auf der Internetseite der Grünen veröffentlichen ließ. Ein gewieftes Kerlchen, dieser Putin! Und sicher haben FSB-Agenten ihre diabolischen psychischen Substanzen in Annalenas Tee geträufelt, so dass sie in Reden und Interviews wirre Dinge stammelte

<https://www.youtube.com/watch?v=bd8bA6meBvs>, die danach von Kobolden aus Moskaus fünfter Kolonne in den sozialen Netzwerken weiterverbreitet wurden. Und vielleicht haben Putins Hacker ja sogar den digitalen Parteitag gekapert, auf dem die Grünen ihre Kandidatin kürten? „Das würde ins Bild passen“, würde der BND dazu sicher sagen.


Zugegeben – es gib originellere Verschwörungstheorien, doch die schaffen es nur selten auf die Titelseite von BILD, SPIEGEL und Co. Aber wie kommt ein Politiker wie Cem Özdemir überhaupt auf solche Gedanken? Dass alles, was einem politisch nicht passt, als Werk Moskaus bezeichnet

wird, ist ja nicht neu. In den USA war dieses Narrativ während der berühmt-berüchtigten McCarthy-Ära sogar ein mächtiges Schwert, um unliebsame Positionen zu unterdrücken. Enwe-der Ihr seid für uns oder Ihr seid Moskaus rote Knechte.


Özdemir ist auch nur vordergründig ein Wirrkopf, der mit Verschwörungstheorien hausieren geht, um Kritik an seiner Parteichefin abzublocken. Er ist vielmehr ein Paradebeispiel für das, was Albrecht Müller als „Einflussagenten“ bezeichnet. Zu den Hintergründen haben wir einen Auszug aus dem älteren Artikel, „Jamaika bedeutet auch, dass wir einen Transatlantiker als Außenminister bekommen“ <https://www.nachdenkseiten.de/?p=40429>, angefügt, in dem ich 2017 den politischen Werdegang von Cem Özdemir nachverfolgt habe und auf einschlägige Stationen in seinem Lebenslauf gestoßen bin, die „seltsamerweise“ von den meisten reichweite-starken Medien heute ausgeblendet werden. Warum? Haben BILD, SPIEGEL und Co. den

transatlantischen Hintergrund von Özdemir verdrängt oder vergessen? Mitnichten. Özdemir wird schließlich von den Medien nicht hofiert, weil er ein integrer oder schlauer Politiker wäre – beides ist er ohnehin nicht. Als Zitatgeber für jede noch so krude transatlantische Hetze ist

er jedoch ein Hauptgewinn – ein „geläuterter“ Realo-Politiker der ehemals „linken“ Grünen, der die Menschenrechte so sehr liebt, dass er sie mit militärischer Gewalt gerne vorwärtsverteidigen würde. So eine Stimme zitiert man gerne, ergänzt sie doch den eigenen transatlantischen Kurs.


Oder ist auch das nur eine Verschwörungstheorie? Bin ich am Ende selbst Moskaus Schreib-knecht? Steht ein FSB-Agent oder womöglich Putin selbst mit einer Kalaschnikow hinter mir und zwingt mich, diese Zeilen zu schreiben, um die Grünen schlechtzumachen? Entscheiden Sie selbst. Lesen Sie aber vorher bitte noch ein paar Auszüge aus der Vita des Grünen-Politikers Cem Özdemir, die in den großen Medien nur selten genannt werden.


*/Anhang:/*/*Textausschnitt aus dem Artikel*„Jamaika bedeutet auch, dass wir einen Trans-atlantiker als Außenminister bekommen“ <https://www.nachdenkseiten.de/?p=40429>:/


Als Cem Özdemir noch ein junger Bundestagsabgeordneter war, verwechselte er dummerweise brutto mit netto und erhielt 1997 nach drei Jahren als Abgeordneter einen unerfreulichen Brief vom Finanzamt. Er solle rund 80.000 D-Mark Einkommenssteuer nachzahlen. Doch der junge Schwabe hatte das schöne Geld schon für andere Dinge ausgegeben – für ein neues Auto für den Vater und die Ausstattung seines Abgeordnetenbüros, wenn man ihn selbst fragt; oder aber für teure Designeranzüge und einen auch ansonsten unangemessenen Lebenswandel, wie es Kritiker behaupten. Fest steht, die Forderung des Finanzamts konnte er nicht aus der Portokasse

begleichen und an dieser Stelle beginnt die erste Merkwürdigkeit in Özdemirs Lebenslauf.


Denn er versuchte offenbar nicht, mit dem Finanzamt eine Ratenzahlung zu vereinbaren oder die nächste Sparkasse oder Volksbank um einen Kredit zu bitten, sondern nahm ein Privatdar-lehen zu Vorzugskonditionen vom umstrittenen PR-Unternehmer und Kontakte-Händler Moritz Hunzinger an. Man kann ja durchaus als Berufsanfänger schon mal vergessen oder verdrängen, dass der Fiskus noch seinen Anteil abbekommt – aber warum besorgt man sich dann das gefor-derte Geld von einem Lobbyisten? Das fragte sich damals auch die Öffentlichkeit und in Kombi-nation mit Bonusmeilen aus Vielfliegerprogrammen, die Özdemir privat genutzt hat, stürzte er 2002 – als die ganze Sache herauskam – über seine „Miles&Moritz-Affäre“ <http://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/a-206351.html>, wie die Zeitungen damals spotteten. Der Realo Özdemir wurde von seinen Kollegen im Landesverband sanft bedrängt und gab sein drittes Bundestagsmandat kurz nach den Wahlen ab.


Doch was nun? Als hoch verschuldeter Ex-Politiker ohne feste Einkünfte stand Özdemir im Herbst 2002 vor dem Aus. Just in diesem Moment kam die helfende Hand aus Washington. Der Mann, der bis zu diesem Zeitpunkt als „Randgruppen Realo“  <https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/13684296>  auf dem Feld der „Ausländer-politik“ (so nannte man damals noch die Integrationspolitik) unterwegs war, wurde plötzlich von einem transatlantischen Think Tank namens German Marshall Fund zu einem Außenpolitiker umgeschult. Als „Transatlantic Fellow“ <https://www.oezdemir.de/cem/biografie/>  wurde er zunächst in Washington D.C. „fortgebildet“ und dann ein paar Monate später in der Brüsseler

Dependance eingesetzt. Özdemir konnte nun nicht nur seine Schulden abbezahlen, sondern wurde von den Realos seines Landesverbandes 2004 sogar für ein nicht sonderlich publicity-taugliches, aber dafür finanziell recht lukratives Mandat im Europaparlament nominiert. Dort

machte er dann als transatlantischer Außenpolitiker sehr schnell Karriere. Kaum im Parlament unterzeichnete er – als einer der wenigen Deutschen neben Karl-Theodor von und zu Guttenberg – einen offenen Brief

<https://web.archive.org/web/20040929083336/http:/www.newamericancentury.org/russia-20040928.htm> des neokonservativen Project for the New American Century, das mit so

berühmt-berüchtigten Mitgliedern wie Dick Cheney, Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz, Robert Kagan, Richard Perle oder William Kristol ganz maßgeblich die US-Invasionen des Nahen und Mittleren Ostens vorbereitet und orchestriert hat. Der offene Brief ist auch deshalb von histo-rischem Interesse, weil er sich bereits im September 2004, kurz nach der Geiselnahme von Beslan, in einem aggressiven Ton an Russlands Präsidenten Putin wendet, der damals noch vollkommen unüblich war und zumindest sprachlich die Wiederaufnahme des Kalten Krieges mit markierte.


Seit Raymond Shaw im Filmklassiker „Botschafter der Angst“

<https://de.wikipedia.org/wiki/Botschafter_der_Angst>  (The Manchurian Candidate) gab es wohl kein spektakuläreres Comeback unter fremdbestimmter Flagge. Nun begann die Karriere des Mannes, der zwei Jahre zuvor schon vom World Economic Forum (Davos) zu einem „Global

Leader of Tomorrow“ gekürt wurde, erst richtig. Er wurde als „Young Leader“ Mitglied der Atlantik-Brücke <https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Mitgliedern_der_Atlantik-Brücke>  

und konnte dort an der Seite von Friedrich Merz, Kai Diekmann und seinem künftigen Koaliti-onspartner Alexander von Lambsdorff die Feinheiten der transatlantischen Beziehungen vertiefen. Trotz des vermeintlichen Abstellgleises Europaparlament war Özdemir bald auch wieder in den Medien allgegenwärtig und von „Miles&Moritz“ schrieb schon bald niemand

mehr. Özdemir beteiligte sich an der Gründung des European Council on Foreign Relations

<https://de.wikipedia.org/wiki/European_Council_on_Foreign_Relations>   und engagierte sich in der Atlantischen Initiative <https://de.wikipedia.org/wiki/Atlantische_Initiative>. 2008 wurde er

Bundesvorsitzender der Grünen und seit 2013 ist er auch wieder im Bundestag vertreten. 


Özdemir gilt als überzeugter Transatlantiker, der voll und ganz hinter Doktrinen wie der „Schutzverantwortung“ <https://www.nachdenkseiten.de/?p=18547>  steht, die seit der Abkehr von der Entspannungs- und Friedenspolitik die außen- und sicherheitspolitische Ausrichtung der Grünen bestimmen <https://www.nachdenkseiten.de/?p=27317>  – Özdemir und den Think Tanks hinter ihm sei „Dank“.

10.06.2021

"Fähigkeitsaufbau im Indo-Pazifik"       Deutschland erweitert seine "Strategische Partnerschaft" mit Australien und plant eine stärkere militärische Präsenz in der Asien-Pazifik-Region.

german-foreign-policy.com, 11. Juni 2021

BERLIN/CANBERRA(Eigener Bericht) - Vor dem heute beginnenden G7-Gipfel in Cornwall hat die Bundesregierung eine "Erweiterte Strategische Partnerschaft" mit Australien beschlossen. Eine gemeinsame Erklärung dazu wurde gestern von den Außenministern beider Länder unterzeichnet. Das Dokument legt einen Schwerpunkt auf den systematischen Ausbau der militärischen und der rüstungsindustriellen Kooperation und sieht neben einem "Fähigkeitsaufbau im indopazifischen Raum" unter anderem die Fertigstellung einer "Absichtserklärung für eine militärische Weltraum-Partnerschaft" zwischen Berlin und Canberra vor. Der Beschluss, enger zu kooperieren, erfolgt parallel zu Bestrebungen der G7 und der NATO, ihrerseits die Zusammenarbeit mit Australien zu intensivieren - im Machtkampf gegen China. So ist Australiens Premierminister Scott Morrison als Gast beim G7-Gipfel präsent, der gemeinsame Einflussmaßnahmen des Westens gegen Beijing beschließen wird. Auch beim NATO-Gipfel am Montag in Brüssel werden Verhandlungen über die Ausweitung der Kooperation mit Australien erwartet.


Zitat:  "Sprungbrett in den asiatisch-pazifischen Raum"

Die Erklärung über die "Erweiterte Strategische Partnerschaft" zwischen der Bundesrepublik und Australien, die Außenminister Heiko Maas und seine australische Amtskollegin Marise Payne am gestrigen Donnerstag unterzeichnet haben, baut auf der "Strategischen Partnerschaft" auf, die beide Staaten am 28. Januar 2013 schlossen. Zum Hintergrund hatte der damalige Außenminister Guido Westerwelle erklärt, Berlin betrachte Australien als "strategisches Sprungbrett in den asiatisch-pazifischen Raum".[1] Auf der Grundlage der "Strategischen Partnerschaft" haben Berlin und vor allem die deutsche Rüstungsindustrie ihre Beziehungen zu Canberra in den vergangenen Jahren tatsächlich ausgeweitet; neben gemeinsamen militärischen Aktivitäten sind milliardenschwere Rüstungsdeals abgeschlossen worden.[2] Im Machtkampf gegen das weiterhin rasch aufsteigende China - die gestern unterzeichnete Erklärung spricht von einer "Verschiebung des globalen strategischen und wirtschaftlichen Gleichgewichts in Richtung des indopazifischen Raumes" - wollen beide Seiten nun die Zusammenarbeit "spürbar intensivieren".[3] Geplant ist beispielsweise ein "regelmäßige[r] Austausch zwischen den Regierungschefs" sowie zwischen den Ministern für Äußeres, für Handel und für Verteidigung.


Militär- und Rüstungskooperation

Einen Schwerpunkt bilden in der Erklärung militärische und rüstungsindustrielle Aspekte. So heißt es, beide Seiten verfolgten "das Ziel, einer vielschichtigen Sicherheitspartnerschaft den Weg zu ebnen", die sich auch auf Felder wie "Cybersicherheit" und "Resilienz unserer Gesellschaften und Volkswirtschaften" beziehe; mit Letzterem ist Widerstandsfähigkeit im Fall eskalierender Konflikte gemeint.[4] Die "Sicherheits- und Verteidigungskooperation" soll "durch Ausbildungsmaßnahmen und Übungen, insbesondere im Seefahrtsbereich und in Partnerschaft mit Staaten in der Region", erweitert werden; vorgesehen ist außerdem ein gemeinsamer "Fähigkeitsaufbau im indopazifischen Raum". Ein der Erklärung beigefügter, auf zwei Jahre angelegter "Aktionsplan" sieht nicht nur die "Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften" und die "regelmäßige Entsendung deutscher Streitkräfte in den Indo-Pazifik" vor, sondern etwa auch die "Finalisierung einer Absichtserklärung für eine militärische Weltraum-Partnerschaft". Aufgelistet wird darüber hinaus die Absicht, künftig eine "verstärkte Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von ausländischer Einflussnahme und ... bei der Bekämpfung von Desinformation" zu entwickeln. Nächster Schritt ist die Entsendung einer deutschen Fregatte unter anderem nach Australien.[5]


"Gast" bei den G7

Berlin und Canberra haben ihre "Erweiterte Strategische Partnerschaft" unmittelbar vor dem heute beginnenden G7-Gipfel in Cornwall bekanntgegeben, bei dem Australien enger an die sieben einstmals stärksten Industriestaaten angebunden wird. Zu dem Gipfel sind vier Staaten als "Gäste" geladen, die bereits beim Treffen der G7-Außenminister am 4. Mai in London zugegen waren; neben Südkorea, Indien und Südafrika ist auch Australien dabei. Hintergrund ist, dass das Land sich während der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump mit einem ganz besonders aggressiven Kurs gegen China hervorgetan hat [6]: Es gilt, auch mit Blick auf militärische Operationen im Südchinesischen Meer, als herausragender Verbündeter des Westens im Machtkampf gegen Beijing. Bereits beim Londoner Treffen der G7-Außenminister hatten gemeinsame Einflussmaßnahmen gegen die Volksrepublik auf der Tagesordnung gestanden.[7] Auch auf dem jetzigen G7-Gipfel sollen Vorhaben beschlossen werden, die darauf abzielen, China zu schwächen. So dringen die USA laut Berichten darauf, eine "Clean Green Initiative" zu beschließen, in deren Rahmen Großprojekte in interessierten Staaten gefördert werden sollen - ähnlich Chinas Neuer Seidenstraße und mit der Absicht, dieser das Wasser abzugraben. Canberra soll eingebunden werden.


Verbündeter der NATO

Ein Ausbau der Kooperation mit Australien wird voraussichtlich auch beim NATO-Gipfel am Montag in Brüssel Gesprächsthema sein. Auf der Tagesordnung steht die Agenda "NATO 2030", mit der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Stärkung des Militärbündnisses zu forcieren sucht. Sie sieht unter anderem eine umfangreichere politische Kooperation im Bündnisrahmen sowie eine Aufstockung des Bündnishaushalts vor; darüber hinaus soll die Zusammenarbeit mit Nichtmitgliedern ausgeweitet werden. Dass dabei vier Staaten der Asien-Pazifik-Region - Japan, Südkorea, Australien, Neuseeland - als Verbündete im Machtkampf gegen China eine spezielle Rolle spielen, hat Stoltenberg immer wieder hervorgehoben, jüngst nach seinem Treffen mit US-Präsident Joe Biden am Montag.[8] Auch Washington dringt auf eine engere Kooperation im Bündnisrahmen mit Australien; US-Außenminister Antony Blinken hat dies zuletzt beim Treffen der NATO-Außenminister am 1. Juni in Brüssel betont.[9] Die deutschen Bestrebungen, mit Canberra militärpolitisch und rüstungsindustriell intensiver zu kooperieren sowie die praktische militärische Zusammenarbeit zu verstärken, gehen also mit gleichgerichteten Maßnahmen im NATO-Rahmen einher.


Zeichen der Überdehnung

Während sich die Bundesregierung um eine Intensivierung ihrer Aktivitäten in der weit entfernten Asien-Pazifik-Region bemüht, verliert sie die Kontrolle über Teile der unmittelbaren Nachbarschaft der EU - so etwa in Südosteuropa, wo China zunehmend an Einfluss gewinnt.[10] Auch im Nahen und Mittleren Osten - etwa in Syrien und in Iran - kann sie ihre Ziele nicht erreichen, während Beijing seine Position stärken kann.[11] Und während die Bundeswehr ihre ersten Operationen im Indischen und im Pazifischen Ozean plant, zieht sie nach 20 Jahren Krieg erfolglos aus Afghanistan ab [12] und steht in Mali vor der nächsten Niederlage [13]: Klare Zeichen einer Überdehnung der eigenen Kräfte, die sich bitter rächen kann.

 

[1] S. dazu Die Pax Pacifica (I).

[2] S. dazu Deutschland im Indo-Pazifik (IV).

[3], [4] Erweiterte strategische Partnerschaft zwischen Australien und der Bundesrepublik Deutschland. Berlin, 10.06.2021.

[5] S. dazu Die neue deutsche Kanonenbootpolitik (III).

[6] S. dazu Deutschland im Indo-Pazifik (IV).

[7] S. dazu Gemeinsam gegen China.

[8] NATO Secretary General Jens Stoltenberg meeting with press outside the White House on meeting with President Biden. nato.int 07.06.2021.

[9] Secretary Blinken's Participation in the Virtual NATO Foreign Ministerial. state.gov 01.06.2021.

[10] S. dazu Machtkämpfe um Ost- und Südosteuropa.

[11] S. dazu Irans Wende nach Osten.

[12] S. dazu Abzug aus Afghanistan.

[13] S. dazu Putsch im Einsatzgebiet.



Info: 
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8624   
10.06.2021

Impulse für Divestment in Schleswig-Holstein

office@ican.berlin, 10.06.2021, 17:30 Uhr 

Webinar von ICAN und Urgewald: "Divestment als Strategie - Raus aus Atomwaffen".


Atomwaffenverbot: Impulse auf die Finanzanlagen der Bundesländer
Hallo ,der schleswig-holsteinische Landtag diskutiert derzeit ein Gesetz über nachhaltige Finanzanlagen. Wir waren dabei, um klarzumachen: Investitionen in Atomwaffen sind alles andere als nachhaltig! Der Atomwaffenverbotsvertrag beeinflusst die Debatte über das Divestment schon jetzt.
Zitat: Schleswig-Holstein will verbindliche gesetzliche Regelungen für die Finanzanlagen des Landes einführen. Die Finanzanlagen sollen künftig nachhaltig gestaltet werden. Doch der Gesetzentwurf der Landesregierung ist noch lückenhaft.


Nachhaltigkeit und Atomwaffen: Passt nicht zusammen!

Die Regelungen im aktuellen Gesetzentwurf verhindern nicht:

  • das Gelder des Landes in staatlichen Atomwaffenprogrammen enden oder
  • das Land in Unternehmen investiert, die mit Atomwaffen Geld verdienen.


Spätestens mit dem Inkrafttreten des AVV gibt es eine eindeutige völkerrechtliche Norm, dass Atomwaffen als kontroverse Waffen einzustufen sind. So schließen nachhaltige Anlageprodukte bereits jetzt Investitionen in Atomwaffen vielfach aus. Der bisherige Gesetzentwurf der Landesregierung fällt noch hinter diesen weitverbreiteten Standard der Finanzbranche zurück.



Investitionen in Atomwaffen: Ausschließen!
Am vergangenen Donnerstag fand die mündliche Anhörung zum Gesetzentwurf im Landtag statt. ICAN-Mitglied Robin Jaspert stellte sich den Fragen des Finanzausschusses und hat die Abgeordneten zu Nachbesserungen aufgefordert.


ICAN fordert insbesondere, dass

     - die Finanzierung von Atomwaffenstaaten grundsätzlich und ohne Ausnahme ausgeschlossen       wird und 
     - der Ausschluss von Investitionen in Unternehmen mit Bezug zu kontroversen Waffen eindeutig und umfassend geregelt wird.


Jetzt aktiv werden - Geldhahn zudrehen!


Schreibt den Abgeordneten des Finanzausschusses des schleswig-holsteinischen Landtags und sagt Ihnen wie wichtig euch nachhaltige Finanzanlagen und ein Ende der Finanzierung von Atomwaffen sind. Dafür haben wir ein Musterschreiben vorbereitet und die Kontakte der Abgeordneten des Finanzausschusses für Euch recherchiert.


Weitere Informationen:


Gesetzentwurf zur Regelung einer nachhaltigen Finanzanlagestrategie der Landesregierung (Oktober 2020)


Schriftliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf von ICAN Deutschland an den Finanzausschuss

Donnerstag, 10.06.2021, 17:30 Uhr Webinar von ICAN und Urgewald: "Divestment als Strategie - Raus aus Atomwaffen". Zur Anmeldung


Info: 
PUAAcrvxuAAAAObnpkAAAAC-a4AAIoeAAlXfQBgwf8yfv2tQnk2TxmCH7CrCK4qEgAI2y0&b=d6375862&e=09e22b23&x=XKYSd8ZI4OZ6Lv6ecPkWEcyi5-0BODiIoll2aRF_tiE
10.06.2021

Der Wissenschaftliche Beirat von Attac befindet sich in einer Phase der Reorganisation. Nach 20 Jahren seines Bestehens !!

Mai 25, 2021  In eigener Sache

Der Wissenschaftliche Beirat von Attac befindet sich in einer Phase der Reorganisation. Nach 20 Jahren seines Bestehens zielt dieser Schritt auf eine verbesserte Struktur und damit Erneuerung und Verjüngung dieses Gremiums. Gerade für die politischen Herausforderungen der Post-Pandemiephase ist dessen wissenschaftlich fundierte Expertise für das Attac-Netzwerk eine wichtige Unterstützung.


Gegen die Verharmlosung der COVID-19-Pandemie, Verschwörungsmythen und falsche Vergleiche mit dem Nationalsozialismus

Erklärung von Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirats von Attac Deutschland

Wir wenden uns gegen eine Verharmlosung der COVID-19-Pandemie, wie sie etwa von denen vorgenommen wird, die bestreiten, dass es eine Übersterblichkeit im Zusammenhang mit COVID-19 gebe, oder die behaupten, COVID-19 sei nicht gefährlicher als eine Grippe. Wer Maßnahmen des Infektionsschutzes wie Einschränkungen der Mobilität, das Abstandhalten gegenüber anderen Menschen oder das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung pauschal ablehnt, gefährdet letztlich sich selbst und andere. Es ist zwar wichtig, auf die „Kollateralschäden“ des „Lockdowns“ oder auf mögliche Nebenwirkungen und unabsehbare Folgen von Impfungen hinzuweisen und gegen eine dauerhafte Einschränkung von Menschen- und Bürgerrechten zu kämpfen, aber ebenso wichtig ist es gegenwärtig, solidarisch Maßnahmen zur Senkung der Infektionszahlen und zur Vermeidung von Erkrankungen und Todesfällen zu ergreifen.


Wir halten eine auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und politischer Vernunft basierende Abwägung in Bezug auf Maßnahmen des Infektionsschutzes und ihre Folgen für notwendig. Wir distanzieren uns gleichzeitig von allen Versuchen, die Pandemie oder die staatlichen Maßnahmen des Infektionsschutzes ohne nachvollziehbare Belege als Resultat einer Intrige oder Verschwörung darzustellen. Wer Epidemiolog:innen und Virolog:innen allgemein als „Fachidioten“ kritisiert, macht die Wissenschaft verächtlich. Wir sind bestürzt über Vergleiche der gegenwärtigen staatlichen Maßnahmen des Infektionsschutzes mit der Politik der Nazis. Wer den „Lockdown“ als „Zivilisationsbruch“ bezeichnet und behauptet, die Art des staatlichen Vorgehens zur Eindämmung des Virus erinnere an die Rolle des ärztlichen Standes im Nazifaschismus, verharmlost letzteren. Wer angesichts staatlicher Quarantäneregeln oder Vorschriften zum Tragen von Masken ernsthaft glaubt, auch heute sei die Vernichtungsfantasie am Werk, die gegen die Juden ins Feld geführt wurde, hat jegliche Urteilskraft verloren.


Günter Berg, Josef Berghold, Hans-Jürgen Bieling, Ulrich Brand, Claudia von Braunmühl, Annelie Buntenbach, Christoph Butterwegge, Alex Demirović, Klaus Dörre, Ulrich Duchrow, Thomas Dürmeier, Tanja von Egan-Krieger, Heide Gerstenberger, Ronald Hartz, Frigga Haug, Wolfgang Fritz Haug, Rudolf Hickel, Stefanie Hürtgen, Reinhart Kößler, Birgit Kraemer, Bettina Lösch, Ingrid Lohmann, Birgit Mahnkopf, Lutz Mez, Wolfgang Neef, Werner Nienhüser, Silke Ötsch, Helge Peukert, Fritz Reheis, Jörg Reitzig, Rainer Rilling, Thomas Sablowski, Wolfram Schaffar, Gerd Siebecke, Gerd Steffens, Fritz Storim, Stefan Thimmel, Manuela Troschke, Isidor Wallimann, Christa Wichterich, Frieder Otto Wolf

sowie Winfried Wolf, dessen Mitgliedschaft im wissenschaftlichen Beirat derzeit ruht.


Info:   https://www.attac.de/was-ist-attac/strukturen/attac-netzwerk/wissenschaftlicher-beirat/aktuelles 


Kommentar: Auch wenn diese Liste des Wissenschaftlichen Beirates nur eine Auswahl dar-stellt, fehlen bei den Unterzeichnenden doch einige  der Namen wie z. B. die von Rudolph BauerMichael BrieJürgen BorchertWolfgang DäublerAngelika EbbinghausMichael HartmannArne HeiseMichael KrätkeHans-Jürgen KrysmanskiStephan LessenichMohssen MassarratKlaus MeschkatUrs Müller-PlantenbergWolf-Dieter NarrNiko PaechNorman PaechRalf PtakJan RehmannNorbert ReuterRoland RothWerner RügemerWolfgang SachsChristoph ScherrerSigrid Skarpelis-SperkChristian SpatscheckMichael VesterPeter WahlIsidor WallimannBrigitte YoungBeate Zimpelmann und ggf. von weiteren anderen, die die Erklärung vom 15. Mai 2021 aus gesundheitlichen oder weiteren Gründen ihrer Abwesen-heit, nicht gezeichnet haben.


Das sich der seit gut 20 Jahren durchgehend nahtlos arbeitende Wissenschaftliche Beirat von Attac kurz nach erscheinen "dieser Erklärung" in eine Phase der Reorganisation empfiehlt, wirft Fragen nach den Gründen dafür auf.     Thomas Bauer


P. S.

Wissenschaftlicher Beirat (Auswahl) Im 2001 gegründeten wissenschaftlichen Beirat von Attac Deutschland arbeiten circa 100 Professoren, Wissenschaftler und Experten mit.[13] Sie vertreten ein breites Spektrum unterschiedlicher Fachrichtungen. Engagiert sind Ökonomen, Soziologen, Politologen, Juristen, Psychologen und Fachleute anderer Professionen. Ihnen gemeinsam ist die Absicht, ihre Expertise in den Dienst des globalisierungskritischen Netzwerks Attac Deutschland zu stellen.

(Stand: Seite wurde zuletzt am 6. Juni 2021 um 21:12 Uhr bearbeitet.)


Weiterer Kommentar:  Was ist, wenn der "Phase der Reorganisation" des wissenschaftlichen Beirates seine Auflösung vorausging um sich nun, nachdem gegen die Verharmlosung der COVID-19-Pandemie usw. keine gemeinsame Erklärung zustande kam, erneut zur Zusammenarbeit  zusammen zu finden?  


Werner Rügemer wird sich bestimmt zu den damit zusammen hängenden politischen Ereignis- sen äußern! 

Zur Erinnerung: DIE KAPITALISTEN DES 21. JAHRHUNDERTS, Vortrag/Diskussion mit W. Rügemer Journalist und Publizist, Autor des gleichnamigen Buches Info: https://attac.hamburg/wp-content/uploads/2019/10/Die-Kapitalisten-des-21.-Jahrhunderts-9.10.2019.pdf   Thomas Bauer

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10.06.2021

Einbahnstraße nach Kabul            Die Bundesrepublik setzt Sammelabschiebungen nach Afghanistan fort. Afghanischen Ortskräften der Bundeswehr, die Zuflucht suchen, legt sie Steine in den Weg.

german-foreign.policy.com,  10. Juni 2021

BERLIN/KABUL(Eigener Bericht) - Trotz Warnungen und Protesten hat die Bundesrepublik am gestrigen Mittwoch ihre 39. Sammelabschiebung von Flüchtlingen in das afghanische Kriegsgebiet abgeschlossen. 42 Afghanen mussten in Kabul das Abschiebeflugzeug verlassen. Damit erhöht sich die Zahl der Personen, die seit Ende 2016 per Sammelabschiebung an den Hindukusch gebracht wurden, auf 1.077. Aus Europa insgesamt wurden in dieser Zeit weit mehr als 10.000 Flüchtlinge zwangsweise in ihr Herkunftsland geflogen. Hinzu kommen mehrere zehntausend aus der Türkei abgeschobene Afghanen. Vereinbarungen über die Sammelabschiebungen wurden der Regierung in Kabul mit erpresserischen Methoden aufgenötigt. Die Abschiebungen finden statt, obwohl aus Europa heimgekehrte Flüchtlinge laut einer aktuellen Untersuchung stark erhöhter Gewalt ausgesetzt sind. Umgekehrt legt die Bundesregierung afghanischen Mitarbeitern der Bundeswehr, die nach deren Abzug um Leib und Leben fürchten und deshalb in Deutschland Zuflucht wünschen, trotz offizieller Aufnahmebereitschaft Steine in den Weg. Charterflüge gehen nur in eine Richtung - zur Abschiebung nach Afghanistan.


Zitat:  

Zehntausende Abschiebungen

Die Sammelabschiebung von 42 afghanischen Flüchtlingen, die gestern früh am Flughafen Kabul eintrafen - "um 7.48 Uhr (Ortszeit)", wie Behördenvertreter mit bemerkenswerter Präzision mitteilen -, war bereits die 39. ihrer Art seit dem Jahr 2016. Insgesamt sind bei ihnen mittlerweile 1.077 Personen zwangsweise aus der Bundesrepublik nach Afghanistan gebracht worden. Die Sammelabschiebungen werden seit Dezember im Monatsabstand durchgeführt; eine nächste steht demnach vermutlich im Juli bevor. Lediglich im Mai war der zunächst geplante Flug kurzfristig ausgesetzt worden, weil die Frist für den Abzug der US-Truppen, die Washington mit den Taliban ausgehandelt hatte, Anfang Mai ablief und verstärkte Anschläge der Taliban befürchtet wurden. Abschiebungen werden auch aus anderen Staaten Europas durchgeführt; die Gesamtzahl wird für 2016 mit 2.323, für 2017 mit 3.847, für 2018 mit 2.805 und für 2019 mit 1.445 angegeben.[1] Hinzu kommen Abschiebungen von Afghanen aus der Türkei, die weitgehend eine Folge des EU-Flüchtlingsabwehrpakts mit Ankara sind - die wenigsten afghanischen Flüchtlinge wollen in der Türkei bleiben. Die türkischen Behörden schoben im Jahr 2019 rund 23.780 Flüchtlinge nach Afghanistan ab, im Pandemiejahr 2020 immer noch rund 6.000.[2]


"Nachhaltig", "individuelle Bedürfnisse"

Grundlage für die Abschiebungen aus der EU sind penibel formulierte Vereinbarungen, deren jüngste - die Joint Declaration on Migration Cooperation - erst vor kurzem, am 26. April 2021, unterzeichnet wurde. Ihr Vorläufer - der sogenannte Joint Way Forward - war im Oktober 2016 in Kraft getreten. Das damalige Dokument hatte Afghanistan verpflichtet, abgeschobene Bürger umstandslos ins Land zu lassen und bei den Vorbereitungen, etwa bei der Beschaffung der notwendigen Dokumente, eng und nnerhalb festgelegter Fristen mit der EU zu kooperieren. Die neue Joint Declaration schließt im Wesentlichen daran an und präzisiert einige Regeln: So dürfen künftig pro Flug maximal 50 abgeschobene Afghanen ins Land gebracht werden, die Gesamtzahl wird auf 500 pro Monat beschränkt.[3] Die EU preist die neue Vereinbarung - wie üblich - in höchsten Tönen. So heißt es, sie setze "die positive Kooperation zwischen Afghanistan und der EU", die mit dem Joint Way Forward eingeleitet worden sei, fort; zudem ziele sie darauf ab, "die nachhaltige Reintegration von Menschen zu ermöglichen, die nach Afghanistan zurückkehren", indem "deren individuelle Bedürfnisse", aber zugleich auch "die Bedürfnisse der Gast- und Rückkehrgemeinschaften ins Zentrum gestellt" würden.[4]


Die Druckmittel der EU

In Wirklichkeit basieren die Abschiebevereinbarungen mit Afghanistan auf Erpressung, und sie stürzen die Abgeschobenen in aller Regel in eine desaströse, oft lebensgefährliche Situation. Die Regierung in Kabul sieht sich ohnehin mit der erzwungenen Rückkehr einer riesigen Zahl an Flüchtlingen aus Pakistan und aus Iran konfrontiert; beide Nachbarländer, ungleich ärmer als die EU, Iran zusätzlich durch brutale US-Sanktionen schwer belastet, beherbergen jeweils mehrere Millionen afghanische Flüchtlinge. Pakistan schob zuletzt pro Jahr zwischen 31.594 (2019) und 618.156 (2016) Flüchtlinge nach Afghanistan ab, Iran zwischen 442.668 (2017) und 775.089 (2018). Weil ihre Integration faktisch unmöglich ist, sperrte sich die Regierung in Kabul bereits während der Verhandlungen um den Joint Way Forward gegen die Forderung der EU, jetzt auch noch zusätzlich Flüchtlinge aus dem reichen Europa zurücknehmen zu sollen. Brüssel nutzte ausweislich eines internen Dokuments Verhandlungen über umfangreiche finanzielle Hilfen für Afghanistan als "EU-Druckmittel"; demnach sollte eine Geberkonferenz im Oktober 2016 ausdrücklich "als positiver Anreiz zur Implementierung des Joint Way Forward" dienen.[5] Der Plan ging auf.


Besonders von Gewalt betroffen

Abgeschobene Flüchtlinge geraten in Kabul in aller Regel in eine katastrophale Lage. Dies liegt nicht nur am allgemein desaströsen Zustand Afghanistans - das Land ist nach annähernd 20 Jahren westlicher Militärpräsenz mehr denn je von Gewalt, Armut und Hunger geplagt (german-foreign-policy.com berichtete [6]). Es kommt hinzu, dass aus Europa abgeschobene Flüchtlinge stärker als andere Bevölkerungsgruppen gefährdet sind. Das zeigt eine an der Universität Bern erarbeitete, zu Monatsbeginn publizierte Studie, die das Schicksal von 113 aus Deutschland abgeschobenen Afghanen detailliert untersucht.[7] Demnach haben "über 90 Prozent der Abgeschobenen nach der Rückkehr" nach Afghanistan "Gewalterfahrungen gemacht"; mehr als 50 Prozent derjenigen, die "länger als zwei Monate im Land waren", waren dabei "wegen ihres Aufenthalts in Europa von Gewalt gegen sie oder ihre Familien betroffen". Die Ursachen variieren der Studie zufolge: Sie reichen von Vergeltung für nicht zurückgezahlte Schulden, die für die kostspielige Flucht aufgenommen wurden, bis zur Bestrafung vermeintlicher Normverletzungen in Europa; zudem steigert die - irrtümliche - "Annahme, dass Europa-Rückkehrer wohlhabend seien, ... das Risiko krimineller Übergriffe, zu denen auch Erpressungen und Schutzgeldforderungen" zählen.


Furcht um Leib und Leben

Während die Bundesrepublik rücksichtslos abschiebt, droht der beschleunigte Rückzug der Bundeswehr - inzwischen ist von der Heimkehr der letzten deutschen Soldaten bis Ende Juli die Rede - zahlreiche afghanische Mitarbeiter der deutschen Streitkräfte in tödliche Gefahr zu stürzen. Diese fürchten, da sie von den Taliban als Kollaborateure des auswärtigen Feindes betrachtet werden, für die Zeit nach dem Abzug der westlichen Truppen um Leib und Leben. Nach Angaben aus den USA sind in Afghanistan seit Beginn der westlichen Militärintervention bereits mehr als 300 "Ortskräfte" gezielt getötet worden.[8] Erst am Dienstag hat der Angriff auf ein Camp des Minenräumprojekts The HALO Trust, das besonderen Wert auf die Einbindung einheimischen Personals legt und vom Auswärtigen Amt als "einer der wichtigsten Partner" eingestuft wird, zehn Todesopfer und 16 Verletzte gefordert. Schon im April hatte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer angekündigt, man wolle die afghanischen Ortskräfte der Bundeswehr "nicht schutzlos zurücklassen": Hätten sie berechtigte Furcht vor den Taliban, dann werde man ihnen die Einreise nach Deutschland erlauben.[9] Dies gelte für alle, die in den vergangenen zwei Jahren offizielle Mitarbeiter der Bundeswehr gewesen seien.


Steine in den Weg gelegt

In der Praxis stoßen die Ortskräfte auf erhebliche Komplikationen. So müssen sie überzeugend nachweisen, dass sie eindeutig aufgrund ihrer Tätigkeit für die Bundeswehr bedroht sind - in einem Kriegsgebiet kein einfaches Unterfangen. Gelingt es ihnen, den Nachweis zu führen und eine Einreiseerlaubnis zu erhalten - 380 von 520 Beschäftigten der Bundeswehr in den vergangenen zwei Jahren haben das inzwischen geschafft -, dann müssen sie ihren Flug selbst bezahlen: faktisch die zweite schwer zu überwindende Hürde. Zudem weigert Berlin sich weiterhin, Ortskräften die Einreise zu erlauben, die vor mehr als zwei Jahren für die Bundeswehr tätig gewesen sind. Darüber hinaus gilt das Angebot nicht für Personen, die als Angestellte von Privatunternehmen für die Bundeswehr gearbeitet haben.[10] Die Bundesregierung verweigert eine unbürokratische Lösung. Wegen des überhasteten Abzugs fürchten nun viele Ortskräfte, das Land nicht rechtzeitig verlassen zu können - im Unterschied zu den Waffen und zum Wehrmaterial, um deren Abtransport sich die Bundeswehr fleißig kümmert. Anders als für Sammelabschiebungen an den Hindukusch stellt Berlin für bedrohte afghanische Ortskräfte bislang keinerlei Charterflüge bereit.

 

[1] Marissa Quie, Hameed Hakimi: The EU and the politics of migration management in Afghanistan. Chatham House Research Paper. London, November 2020.

[2] UNHCR Statistical Factsheet: Onward Movements of Afghan Refugees. March-April 2021.

[3] Mojib Rahman Atal: The Asymmetrical EU-Afghanistan Cooperation on Migration. thediplomat.com 12.05.2021.

[4] Migration: The EU signs a Joint Declaration on cooperation with Afghanistan. eeas.europa.eu 26.04.2021.

[5] Country Fiche proposing possible leverages across Commission-EEAS policy areas to enhance returns and effectively implement readmission commitments. Brussels, 2 March 2016. statewatch.org.

[6] S. dazu Bilanz von 18 Jahren.

[7] Friederike Stahlmann: Erfahrungen und Perspektiven abgeschobener Afghanen im Kontext aktueller politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen Afghanistans. Herausgegeben von Diakonie Deutschland, Brot für die Welt, Diakonie Hessen. Berlin, Juni 2021.

[8] Joachim Käppner: "Sie fürchten um ihre Sicherheit und ihr Leben". sueddeutsche.de 14.05.2021.

[9] Kramp-Karrenbauer will afghanische Mitarbeiter nach Deutschland holen. sueddeutsche.de 21.04.2021.

[10] Afghanistan: Großteil der Ortskräfte will nach Deutschland. sueddeutsche.de 18.05.2021.


Info:  https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8623  

09.06.2021

*Wer arbeitet die Kriegsverbrechen des Westens in der Ex-Bundesrepublik Jugoslawien auf?

nachdenkseiten.de, 09. Juni 2021 um 12:00, Ein Artikel von Wolf Wetzel | Verantwortlicher: Redaktion


Mit dem Urteil gegen den früheren bosnisch-serbischen Armeechef Ratko Mladić sei, so ein Kommentar der FAZ vom 8. Juni 2021, die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen in Jugoslawien abgeschlossen. Diese Einschätzung wird von vielen Medien verbreitet – ohne rot zu werden. Was für eine Farce. Der Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 war und ist völkerrechtswidrig. Niemand der beteiligten Kriegskoalitionäre wurde angegriffen. Keiner aus dieser Kriegskoalition kann das Recht auf Selbstverteidigung in Anspruch nehmen. Es handelte sich um einen Angriffskrieg, der völkerrechtswidrig ist. Die Gründe, die man für diese erfundene „humanitäre Intervention“ anführte, waren erstunken und erlogen. Dazu gehört die Behauptung des deutschen Außenministers Joschka Fischer, dass man in der BR Jugoslawien ein „zweites Auschwitz“ verhindern wolle. Dazu gehört die Kriegslüge des deutschen Verteidigungsministers Scharping, der ein KZ in Pristina entdeckt haben wollte. Die in diesem Zusammenhang begangenen Kriegshandlungen sind also Kriegsverbrechen. Die Kriegsverbrechen, die militärisch und politisch Verantwortlichen für diese Kriegsverbrechen sind folglich weder politisch, noch juristisch aufgearbeitet. Sie sind bis heute auf freiem Fuß. Von Wolf Wetzel.

Für die Einleitung eines längst überfälligen Strafverfahrens kann man dieses Dossier frei verwenden.


Der Nato-Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 – Die Legende vom ehrlichen deutschen (Friedens-)Makler


Auch wenn die 16-jährige Kohl-Ära den Weg dorthin ebnete, war klar, dass die Zustimmung zu einem Angriffskrieg ein schwieriges Unterfangen ist. Der Irak war weit weg, die nationalsozialistische Parole „Serbien muss sterbien“ noch nicht ganz verklungen. Die Assoziationskette zwischen deutschen Reichswehrsoldaten, die 1941 Jugoslawien überfielen, und deutschen Bundeswehrsoldaten, die fast 60 Jahre später möglicherweise als Besatzer zurückkehren, wog schwer. Ein ‚neues‘ Deutschland musste her. Nichts eignete sich dazu mehr, als das Bild von einem Deutschland zu zeichnen, das keinerlei eigene hegemoniale Interessen hege. Ein Deutschland, das einzig und alleine von dem Wunsch getragen sei, zu einer Friedenslösung zwischen zwei Bürgerkriegsparteien beizutragen. Nicht von ungefähr stand das deutsche Bemühen um eine friedliche Beilegung des ‚Kosovokonflikts‘ im Vordergrund der Berichterstattung. Es war die Stunde des Außenministers Joschka Fischer, der quer durch die Welt flog, Russland ins (Nato-)Boot holte und Friedenswillen demonstrierte – bis zum Abwinken:


»Ich war bei Milosevic … Ich habe ihn angefleht, darauf zu verzichten, dass die Gewalt in Kosovo eingesetzt wird. […] Ich bin nun weiß Gott kein zartes Pflänzchen beim Nehmen und beim Geben. Aber es hat weh getan, wenn der persönliche Vorwurf erhoben wurde, ich hätte die Bundesrepublik in den Krieg gefingert. […] Ich kann nur versichern, ich habe alles getan, was in meinen Kräften stand, um diese Konfrontation zu verhindern.« [1]


Ich werde später darauf zurückkommen, dass die Kluft zwischen dem inständigen Flehen und dem tatsächlichen Verlauf der sogenannten Friedensverhandlungen in Rambouillet kein bedenkliches Wahrnehmungsproblem, sondern Teil einer Kriegsstrategie war.


Mit der Inszenierung des ehrlichen Friedensmaklers, der neutral zwischen den verfeindeten Bürgerkriegsparteien vermittelt, wurde eine weitere Legende ins Spiel gebracht: die Behauptung, Europa und die USA hätten jahrelang tatenlos zugeschaut – völlig unbeteiligt und interesselos. Aufgeladen wurde diese Legende mit dem historischen Verweis auf die Appeasementpolitik des Westens, als Nazideutschland 1938 Österreich annektierte – und die späteren Siegermächte dabei zuschauten. So vordergründig und dreist diese historische Parallele ist, so verlogen ist die behauptete Tatenlosigkeit.


Der lautlose Krieg

So lange es den kommunistischen Ostblock und den Warschauer Pakt als Gegenstück zur Nato gab, das Gleichgewicht des Schreckens Kriege in den jeweils anderen Einflusssphären ausschloss, waren auch die Balkan-Staaten für militärische Interventionen des Westens tabu. Die Destabilisierung nicht-kapitalistischer Staaten, die Bekämpfung des ‚kommunistischen Feindes‘ musste mit anderen Mitteln erfolgen als in der Gestalt offener Kriege.


So forderte z.B. die US-Geheimdirektive von 1982 (NSDD 54) „gesteigerte Anstrengungen zur Förderung einer stillen Revolution, um die kommunistischen Regierungen und Parteien zu Fall zu bringen“ [2] Bis zum Tod Titos 1980 war Jugoslawien ein Scharnier zwischen dem kommunistischen Ostblock und dem kapitalistischen Westen – bekannt geworden als Dritter Weg. Eine Mischung aus Privat- und Kollektivwirtschaft, kapitalistischen Zugeständnissen und sozialistischen Errungenschaften. »Das durchschnittliche Wachstum des Bruttoinlandsproduktes betrug 6,1 % pro Jahr, und zwar über die Dauer von 20 Jahren (1960-1980), es gab freie medizinische Versorgung … die Alphabetisierungsrate lag bei 91 %, die durchschnittliche Lebenserwartung bei 72 Jahren«[3].


Nach dem Tod Titos verschärfte sich die Gangart der westlichen Kreditgeber. Im selben Jahr trat Jugoslawien dem Internationalen Währungsfond bei, akzeptierte höhere Schuldentilgungsraten und die damit verbundenen „Strukturanpassungsprogramme“ des IWF. Die Folgen dieser Politik, die Folgen dieser strukturellen Anpassungsprogramme an den kapitalistischen Weltmarkt waren gravierend: Das Wirtschaftswachstum fiel von durchschnittlich +6,1 % jährlich, Schritt für Schritt, Jahr für Jahr, bis es 1990 bei -10,6 % anlangte. Hunderte Fabriken wurden in den Konkurs geschickt, Zehntausende ArbeiterInnen entlassen, ein Lohnstopp verhängt. Das jugoslawische Modell der ›Arbeiterselbstverwaltung‹ wurde ausgeschlachtet. Ganz oben auf der Prioritätenliste stand die Abschaffung der vergesellschafteten Betriebe unter der Leitung von Betriebsräten, gegebenenfalls deren Umwandlung in privatkapitalistische Unternehmen. Parallel dazu wurde der Abbau des Sozialsystems, die Reduzierung des öffentlichen Sektors verordnet. Man kann davon ausgehen, dass diese kapitalistischen Anpassungsprogramme viele trafen – mit Sicherheit nicht die Machteliten in Jugoslawien, die diesen Bedingungen zustimmten und sie gegen die Bevölkerung durchsetzten. Mit der Verschlechterung der Lebensbedingungen wuchs die Unzufriedenheit. Die »stille Revolution« nahm konkrete Gestalt an …


Es bleibt Spekulation, in welche Richtung sich diese sozialen und gesellschaftlichen Umbrüche entwickelt hätten, wenn es in den 90er Jahren noch den Ostblock und den Warschauer Pakt gegeben hätte. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks brach für Jugoslawien nicht nur ein nicht-kapitalistischer Wirtschaftsraum weg. Mit der Auflösung des Warschauer Paktes wurde vor allem die bis dahin gültige Aufteilung in politische und wirtschaftliche Einflusssphären obsolet. Das galt und gilt zu allererst für die Balkanstaaten, die sich bis 1989 im Niemandsland der Systemblöcke bewegten.


Ist es ein Zufall, dass die verschiedenen Separationsbestrebungen in fast allen Republiken Jugoslawiens Anfang der 90er Jahre politisch stark, bestens bewaffnet waren/wurden und die Unterstützung fast aller europäischer Staaten genossen? Bei der Filetierung, bei der Erstürmung des „Völkergefängnisses“[4] Jugoslawien stand die Außenpolitik Deutschlands nicht abseits, sondern mittendrin. In ihrer Anerkennungspolitik war Deutschland führend.


 Als erster westeuropäischer Staat hat Deutschland am 23.12.1991 Kroatien (und Slowenien) anerkannt. Was im Kosovo Begründung für ein militärisches Eingreifen wurde, ist gegenüber Kroatien integraler Bestandteil der Anerkennungspolitik: „In nur einem Tag wurden aus der kroatischen Krajina 200.000 Serben vertrieben …“[5] – in Folge eines Blitzkrieges der kroatischen Armee 1995 gegen ‚abtrünnige Rebellen‘. „Nach Einschätzung des Hochkommissariats für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) leben noch immer 250.000 serbische Vertriebene aus Kroatien in Serbien und Montenegro sowie gut 30.000 in Bosnien-Herzegovina.“[6]. Deutschland begnügte sich nicht damit, die Ergebnisse nationalistischer Politik zu begrüßen und (angeblich gesuchte) Kriegsverbrecher im Kreis der europäischen Familie willkommen zu heißen.


Deutschland sorgte auch ganz unmittelbar dafür, dass eine nationalistische und ethnisierende Politik Aussicht auf Erfolg hatte. Was Jahre später mit ernster und verdunkelter Miene als ›Kosovo-Konflikt‹ wahrgenommen werden sollte – hatte die aktive Rolle Deutschlands zur Voraussetzung. So wurde die UCK in ihrem Kampf um ein unabhängiges Kosovo nicht nur politisch unterstützt. Deutschland war auch maßgeblich an ihrer Bewaffnung und militärischen Instruierung beteiligt.


Man kann es als ein Meisterstück der Travestie begreifen, dass dieselben, die die UCK politisch und militärisch bewaffneten, Jahre später die Stationierung von weiteren Bundeswehreinheiten in Mazedonien damit begründeten, bei der Entwaffnung von UCK-Rebellen und der friedlichen Beilegung des Mazedonien-Konfliktes behilflich zu sein.


Friedensverhandlungen in Rambouillet – ein Kriegsbeschaffungsprogramm

Dem Krieg gingen wochenlange Verhandlungen zwischen der jugoslawischen Regierung, einzelnen Nato-Staaten und kosovo-albanischen Vertretern in Rambouillet voraus. Was beinhaltete der dort vorgelegte Friedensplan? Woran scheiterten die Verhandlungen in Rambouillet? Waren diese Verhandlungen Teil eines Friedensprozesses oder Bestandteil eines gewollten Krieges?


Die jugoslawische Regierung stimmte dem politischen Teil dieses Abkommens, dem dort verankerten Autonomiestatus für den Kosovo, zu. Ebenfalls akzeptierte sie die Anwesenheit von UN-Soldaten im Rahmen dieser Lösung. Was sie entschieden ablehnte, war „ein Nato-Besatzungsstatut für ganz Jugoslawien“[7], das im Anhang (Annex B) ausgeführt wurde. Unter Artikel 8 war vorgesehen:


Das Nato-Personal soll sich mitsamt seiner Fahrzeuge, Schiffe, Flugzeuge und Ausrüstung innerhalb der gesamten Bundesrepublik Jugoslawien inklusive ihres Luftraumes und ihrer Territorialgewässer frei und ungehindert sowie ohne Zugangsbeschränkungen bewegen können“[8].


Was dies im Klartext bedeutet hätte, führte der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer aus:

Das entspricht faktisch einem Nato-Truppenstatut für Jugoslawien insgesamt, was normalerweise nur ein Staat nach einer vollständigen Kapitulation zu unterschreiben bereit ist.“[9]


Wenn es also um die Verhinderung einer „humanitären Katastrophe“ gegangen wäre, wäre eine friedliche Lösung des ‚Kosovo-Konfliktes‘ möglich gewesen. Doch so wenig es um die Menschen im Kosovo ging, so wenig ging es um die friedliche Beilegung des Konfliktes. Die gezielte Desinformationspolitik der Nato und der rotgrünen Kriegskoalition, das bewusste Schweigen darüber, warum die Verhandlungen in Rambouillet scheitern mussten, hatten nicht ein Friedensabkommen, sondern den Kriegseintritt der Nato zum Ziel. Das Scheitern der ‚Friedensbemühungen‘ war vorprogrammiert.


Um diesen gewollten Kriegseintritt nicht zu gefährden, wurden selbst die Abgeordneten des Bundestages getäuscht, als sie über die deutsche Beteiligung an diesem Angriffskrieg befinden sollten. Sie stimmten zu, ohne dass ihnen der vollständige Vertragstext, einschließlich des Annex B, vorlag. Ein eklatanter Bruch verfassungsrechtlicher Normen, denen die meisten Abgeordneten – ohne Widerspruch, ohne parlamentarische Folgen – zustimmten.


Der erste Angriffskrieg Deutschlands nach 1945

Am 24.5.1999 begann die Nato mit der Bombardierung Jugoslawiens. Einen Tag später stand für die VertreterInnen eines „gesunden“ und völlig „normalen“ Nationalismus ein Sieg bereits fest:

»Könnte es sein, dass sich Deutschland seit wenigen Tagen definitiv im Zustand der Normalität befindet? … Bundesluftwaffe … an vorderster Front … seit Frühjahr 1945 stehen wir wieder mittendrin…der längst fällige Durchbruch zur kompletten Normalität … Auf dem Sektor der Ökonomie hat die Bundesrepublik die Normalisierungsprozesse bereits seit Jahrzehnten abgeschlossen. Jetzt ist auch die ganze Palette der Außenpolitik erfasst.«[10]


Der Weg dorthin wurde lange und umfassend vorbereitet. Ideologisch wurde bereits vor 1989 daran gearbeitet, das Nachkriegsdeutschland von der »ewigen Schuld« zu befreien. Man erklärte sich für »normal« und »grundlegend zivilisiert«. Mit der Wiedervereinigung wurden die letzten erkennbaren Folgen des verlorenen Weltkrieges beseitigt. Höchste Zeit, in die Zukunft zu schauen: »Deutschland hat mit seiner Geschichte abgeschlossen, es kann sich künftig offen zu seiner Weltmachtrolle bekennen und soll diese ausweiten.«[11]. Während mit der Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen, wie z.B. der Gleichsetzung Nazi-Deutschlands mit der SED-Regierung, die bis dato anerkannte „besondere“ Verantwortung Deutschlands auf das europäisch übliche Maß zusammengestaucht wurde, näherte sich die deutsche Bundeswehr ihrem ersten ›direkten‹ Kampfeinsatz von allen Seiten: Mal mit deutschen Kriegsschiffen im Mittelmeer und Minensuchbooten vor der Küste Kuwaits während des US-alliierten Angriffes auf den Irak (1991). Mal mit Bundeswehrsanitätern und Verbandsmaterial in Kambodscha (1992/93), ein anderes Mal als Soldaten eines Nachschublagers in Somalia (1993/94). Die Produktpalette reichte von den »Engeln von Phnom Penh« (Verteidigungsminister Rühe) bis hin zur friedenssichernden Militärtruppe in Bosnien (1996).


»Die Reise in die außenpolitische Normalität«[12] hatte nicht die territoriale Verteidigung im Auge. Als es noch einen militärisch-relevanten und system-ideologischen Feind gab, den kommunistischen Ostblock, war man bereits in der »Vorneverteidigung«. Nach dessen Zusammenbruch entdeckte auch Deutschland seine vitalen Interessen überall in der Welt, die es nicht nur wirtschaftlich und politisch durchzusetzen gilt. Damit war und ist die BRD auf NATO-Höhe.


»(Auch) die Allianz wurde ausschließlich als Bündnis zur Verteidigung des Territoriums der Mitgliedsstaaten gegründet (Art. 5). Hat sich diese Verteidigungsaufgabe überholt, weil der Feind abhandengekommen ist, so ist es legitim, sich nach neuen Aufgaben und einer neuen Legitimation umzuschauen – was man spätestens seit 1989 intensiv tut«[13]


Eine kindgerechte Umschreibung für einen Imperialismus, der andere Staaten in Grund und Boden bombt – dabei mit ernster Miene auf das Völkerrecht verweist und selbst milde-lächelnd dran vorbeizieht. Was jahrelang noch den eigenen Statuten widersprach, wurde auf der 50. Jahrestagung der Nato 1999 mit einer Neudefinition aus dem Weg geräumt: Weg von der territorialen Verteidigung, hin zur militärischen Durchsetzung globaler Interessen. Kurzum, die Etablierung einer »Weltinnenpolitik«, die sich selbst das Mandat erteilt, wo die Interessen der imperialistischen Staatengemeinschaft verletzt sind und militärisch verteidigt werden müssen. Damit verschieben sich im wahrsten Sinne des Wortes Grenzen. Mit der Neufassung der Nato-Statuten wurden de facto die völkerrechtlichen Dogmen von der nationalen Souveränität und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten für null und nichtig erklärt. Der »low intensity war« der 70er und 80er Jahre geht mit viel Applaus in eine offene Kriegsführung über.


Was sich in Europa im Bombenhagel gegen Jugoslawien etabliert, hat und wird Methode: Am Anfang steht die politische und wirtschaftliche Destabilisierung eines missliebigen Staates, der sich der Welt’innen‘politik und/oder dem kapitalistischen Weltmarkt nicht unterwirft. Als nächster Schritt folgt die Ethnifizierung sozialer Konflikte, die mit der Stärkung nationalistischer/religiöser Gegenspieler einhergehen. Mit finanziellen und militärischen Mitteln baut man diese auf, bis sich ›bürgerkriegsähnliche‹ Zustände einstellen. Dann folgt das einstudierte Erschrecken ob der Ereignisse, denen man nicht mehr tatenlos zusehen kann. Genau der richtige Zeitpunkt, das Ringen um eine politische, friedliche Lösung, die selbstlose Vermittlerrolle zwischen zwei Kriegsparteien in Szene zu setzen. Am Ende steht – gegebenen Falles – die direkte militärische Intervention, ausgestattet mit einer moralischen Legitimation, die zu verhindern vorgibt, wofür sie jahrelang die Bedingungen geschaffen hat. Wenn die US-Außenministerin Albright erklärt, dass die »Eindämmung von ethnischen Konflikten« als neues NATO-Kriegsterrain erschlossen werden muss – mit der Fähigkeit und Bereitschaft, zwei oder drei solcher Kriege gleichzeitig zu führen – dann folgt sie genau diesem Drehbuch.


Jugoslawiens nach der Kapitulation – Noch nie war der nächste Krieg so greifbar

Soviel Herzlichkeit und Überschwang unter all den (Staats-)Männern, die sich mit diesem Krieg so schwertaten, war schon lange nicht mehr auf dem Bildschirm zu sehen. Die Nachricht, dass das serbische Parlament am 6.4.1999 die Nato-Bedingungen, Wort für Wort, annahm, schlug wie eine (Cocktail-)Bombe in den Reihen der EU-Minister in Köln ein. Bundeskanzler Schröder ließ es sich nicht nehmen, ganz unprotokollarisch ein Kölsch zu trinken. Er lachte, winkte, war einfach locker drauf. Das steckte an. Und so lagen sich einige Kriegskollegen, vor laufenden Kameras, ganz ungeniert und distanzlos, in den Armen. Es gab allen Grund, so ausgelassen zu sein. Das Bomben hatte sich gelohnt. Und der ›Frieden‹ noch mehr.


Jugoslawien liegt in Schutt und Asche, die gesamte zivile Infrastruktur ist zerstört. Die unter Nato-Aufsicht zurückkehrenden Flüchtlinge werden in ein zerbombtes Land zurückkehren. Ihre eh kargen Lebensbedingungen werden sie noch zerstörter vorfinden. Die Bundesrepublik Jugoslawien als souveräner Staatenbund existiert nicht mehr. Was als Annahme des Fischer-Friedensplanes gehandelt wird, ist nichts anders als der vorläufige Schlusspunkt unter die Filetierung Jugoslawiens.


Man muss den Wortlaut des Fischer-Friedensplans nicht kennen. Wer in 79 Tagen ein Land in Schutt und Asche legt, verhandelt nicht über das Danach. Er legt es einfach fest.


War wirklich etwas Anderes zu erwarten? Gegen den Luftkrieg der Nato war Jugoslawien vom ersten Tag an hilflos. Was blieb, waren Hoffnungen, Spekulationen und historische Bemühungen. Alles zerplatzte, Tag für Tag. Die Hoffnungen, die Nato könne einen wochenlangen Krieg innenpolitisch nicht durchsetzen, erwiesen sich als falsch. Weder entstand eine entschlossene Kriegsopposition in den einzelnen kriegsführenden Nato-Ländern, noch taten sich erstzunehmende Risse im Block der Kriegskoalitionäre auf.


Auch die Hoffnung Jugoslawiens, Russland könne seinen aus Sowjetzeiten erworbenen Hegemonialanspruch auf den Balkan geltend machen, erwies sich mehr als überholt. Zwar nährte so manch lancierte Drohung (Waffenlieferungen an Jugoslawien, die Entsendung von Kriegsschiffen, die Wiederausrichtung atomarer Ziele auf Nato-Staaten) diese Illusion. Doch es bedurfte in all diesen Fällen nicht einmal der Nato, diese ›Drohungen‹ zu bewerten. Sie wurden jedes Mal von der russischen Führung prompt und gehorsam dementiert. Denn all diesen Drohszenarien zielten zu keiner Zeit auf die Nato, sondern auf die inner-russische Opposition, die mit martialischen Ankündigungen und Andeutungen ruhiggestellt werden sollte.


Schließlich und endlich dürfte auch der jugoslawischen Regierung klar gewesen sein, dass der Versuch, den Nato-Krieg mit dem faschistischen Überfall Deutschlands und Italiens zu vergleichen, bestenfalls propagandistische Wirkung haben konnte. Für einen Partisanenkrieg fehlten die militärischen, vor allem aber die gesellschaftlichen Voraussetzungen.


Gesellschaftliche Voraussetzungen, die die jugoslawische Führung viele Jahre zuvor eigenhändig mit zerstörte. Zwar brachte der Nato-Krieg die jugoslawische Opposition so gut wie zum Schweigen. Doch eine soziale, gesellschaftliche Utopie, die sowohl über diesen mörderischen Nato-Krieg, als auch über dessen zivilgesellschaftliche Version, Anschluss an den Kapitalismus, hinausweist, hatte weder die jugoslawische Regierung noch die (parlamentarische) Opposition. Die Drohung mit einem Partisanenkrieg blieb Kriegsrethorik und musste es bleiben – angesichts einer post-kommunistischen Führung, die der Zerschlagung Jugoslawiens nicht viel mehr entgegensetzte als Panzer und untaugliche historische Analogien.


Eine »Luftkampagne« für den Frieden?

Viele Informationen, die vor dem Krieg nicht zugänglich waren, stehen jetzt zur Verfügung. Viele Spekulationen darüber, warum die Nato Krieg führte, können mit und nach Beendigung des Krieges ad acta gelegt werden. Viele Zweifel an der behaupteten »humanitären Intervention« können jetzt anhand der Kriegsergebnisse überprüft werden. Zentrale Behauptung der KriegsbefürworterInnen war: Es gab keine ›realistische‹ Alternative zum Nato-Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien, um eine »humanitäre Katastrophe« zu verhindern. Was bleibt davon heute übrig?


Das offizielle politische Ziel der Nato-Angriffe war, die jugoslawische Regierung an den Verhandlungstisch ›zurückzubomben‹. Sie sollte das Abkommen von Rambouillet unterschreiben. Bereits fünf Tage nach den Angriffen der Nato erklärten führende Vertreter der Nato-Staaten das Rambouillet-Abkommen für überholt. Ein unabhängiger Staat Kosovo sei jetzt die einzig-realistische Lösung. Nach 14 Tagen Bomben-Krieg wurden Nato-Vertreter noch deutlicher. Das Wort vom »Nato-Protektorat« machte die Runde. Damit näherte sich die seit über zehn Jahren betriebene Zerschlagung und Aufteilung Jugoslawiens der letzten Phase.


Daran konnte auch ein am 6.4.1999 von der jugoslawischen Regierung verkündeter einseitiger Waffenstillstand nichts ändern. Das Angebot, alle militärischen Einheiten aus dem Kosovo abzuziehen, verbunden mit der Zusicherung, dass die Flüchtlinge in den Kosovo zurückkehren können, stieß auf taube Ohren. Worum es der Nato wirklich ging, machten Nato-Sprecher und Bundeskanzler Schröder noch am selben Tag deutlich: Um die vollständige Zerschlagung der jugoslawischen Armee und die anschließende Stationierung von Nato-Streitkräften – koste, was es wolle.


Diese ›Verhandlungsstrategie‹ ist eingeübt. Sie ist Teil einer Inszenierung, die Krieg nicht verhindern, sondern ermöglichen soll. Bereits im US-alliierten Krieg gegen den Irak 1991 wurde sie mit Erfolg angewandt: Nach dem Einmarsch irakischer Truppen in Kuwait machte die irakische Regierung das Angebot, sich aus dem Kuwait zurückzuziehen. Die Antwort des damaligen US-Präsidenten George Bush war eindeutig: »Es wird keine Verhandlungen geben.«


So wenig es im Golfkrieg 1991 um die Besetzung bzw. Wiederherstellung der nationalen Souveränität Kuwaits ging, so wenig ging es im Nato-Krieg gegen Jugoslawien um eine politische Lösung. Über die eigentlichen Ziele der USA und/oder der Nato wird nicht verhandelt – weder im Golf-Krieg, noch im Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien.


US-Bomberpilot: »Ich befinde mich auf 3.000 Fuß. Unten befindet sich ein Konvoi aus Autos und einigen Traktoren. Was ist das? Ich fordere Instruktionen.«


Awac: »Was für ein merkwürdiger Konvoi das ist? Was für Zivilisten, verdammt, es handelt sich um einen serbischen Trick. Zerstöre das Ziel.«


US-Bomberpilot: »Was soll ich zerstören? Traktoren? Autos? Ich wiederhole, ich sehe keine Panzer. Ich fordere weitere Instruktionen.«


Awac: »Es handelt sich um ein militärisches Ziel, ein legitimes militärisches Ziel. Zerstöre das Ziel. Ich wiederhole: Zerstöre das Ziel.«


US-Bomberpilot: »Verstanden. Ich feuere.«


Funkverkehr zwischen dem Piloten eines US-amerikanischen Kampfflugzeuges, das einen kosovarischen Flüchtlingstreck beschoss und dem Awac-Leitflugzeug für diesen Angriff, bei dem mindestens 45 Personen getötet wurden. (Il Manifesto)


Gegen wen führte die Nato tatsächlich Krieg?

Mit der Behauptung einer »humanitären Intervention« war das Versprechen verknüpft, keinen Krieg gegen die Zivilbevölkerung zu führen. Tatsächlich wurden in den ersten beiden Wochen vor allem militärische Ziele zerstört. Das führte jedoch weder zu einer Kapitulation der jugoslawischen Armee noch zu einer Demoralisierung der Zivilbevölkerung. Anstatt sich gegen den »Diktator« zu erheben, gingen Hunderttausende gegen die Nato-Angriffe auf die Straße. Zweifel wurde in den kriegsführenden Staaten laut, dass dieser Krieg so zu gewinnen sei. Der Einsatz von Bodentruppen wurden erwogen und wieder verworfen. Stattdessen wurde die »Ausweitung militärischer Ziele« beschlossen: Von nun an sollte auch die Zivilbevölkerung um ihr Leben fürchten:


»Ich denke, kein Strom für deinen Eisschrank, kein Gas für deinen Herd, du kommst nicht zur Arbeit, weil die Brücke weg ist – die Brücke, auf der du deine Rockkonzerte veranstaltet hast – und ihr alle standet da, mit Zielscheiben auf euren Köpfen. Das muss um drei Uhr morgens verschwinden.«[14]


Spätestens seit dem Golf-Krieg 1991 kann man wissen, was damit gemeint ist, wenn nicht mehr von militärischen, sondern von »legitimen Zielen« die Rede ist. Eine andere Umschreibung für einen Krieg, der sich fortan gegen die zivile und wirtschaftliche Infrastruktur eines Landes richtet. Die Liste ist lang. Sie reicht von Tabakfabriken, Düngerfabriken, Ölraffinerien, Treibstofflagern, Umspannwerken, Sendeanlagen, Automobil- und Chemiewerken, bis hin zu (Eisenbahn-)Brücken, Kliniken, Trinkwasseranlagen und Telefonzentralen: »Insgesamt 31 größere Fabrikanlagen im ganzen Land sind im ersten Kriegsmonat zerstört worden. Der Kriegsschaden wird auf umgerechnet etwa 180 Milliarden Mark geschätzt. Auch zwanzig Straßen- und Eisenbahnbrücken wurden inzwischen zerstört oder schwer beschädigt, wie die Regierung in Belgrad und die Nato übereinstimmend berichten.


Nach zehn Jahren unter UN-Sanktionen war das Land bereits vor Beginn der Nato-Angriffe auf das Niveau von 1968 zurückgeworfen. Inzwischen habe die NATO Jugoslawien allerdings auf den Stand ›zurückgebombt‹, den es am Ende des Zweiten Weltkrieges hatte, sagen Belgrader Wirtschaftsexperten.«[15]


Anders als im US-alliierten Krieg gegen den Irak konnten sich selbst KriegsbefürworterInnen ein Bild davon machen. Kaum ein Tag verging, wo nicht ein Getreidesilo brannte oder eine Autofabrik in Schutt und Asche gelegt wurde. Offensichtlich sahen die Nato-Strategen die Zeit für gekommen, auch die Bevölkerung in den kriegsführenden Staaten an diese Art der Kriegsführung zu gewöhnen. Sie sollten Recht behalten. Die vor allen Augen durchgeführte »Pulverisierung«[16] der zivilen Infrastruktur Jugoslawiens irritierte nicht mehr. Nicht ganz. Als die Nato ein Treibstoffdepot in Belgrad bombardierte, dabei auch Fensterscheiben der Residenz des Schweizer Botschafters zersprangen, »entrüstete« sich Außenminister Joschka Fischer: »Der deutsche Nato-Vertreter in Brüssel werde verlangen, dass die Allianz künftig zivile Schäden vermeiden müsse, hieß es aus dem Auswärtigen Amt.«[17] Eine Geste in Richtung Orchestergraben besorgter ZivilgesellschaftlerInnen, wie sich alsbald herausstellte. »Nato-Sprecher Jamie Shea erklärte in Brüssel zu den Forderungen Fischers, kein Mitgliedsland habe um eine Änderung der bisherigen Zielpolitik der Nato gebeten.«[18]


Spätestens mit dieser Eskalation ist das eingetreten, was die NATO zu verhindern vorgab. Der Flüchtlingsstrom schwoll um ein Vielfaches an. Vor dem Nato-Angriffskrieg zählten internationale Flüchtlingsorganisationen ca. 200.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo. Nach 14 Tagen Krieg zur Verhinderung einer »humanitären Katastrophe« wurden es ca. 900.000 Flüchtlinge[19]. Dass alle Nachbarstaaten damit gänzlich überfordert waren und die reichen kriegsführenden Nato-Staaten alles dafür taten, so wenig Flüchtlinge wie irgend möglich ins eigene Land zu lassen, gehört zur Perversion dieser humanitären Kriegsrethorik.


Die systematische Zerstörung ziviler Infrastruktureinrichtungen zielte nicht auf einen militärisch bereits geschlagenen Gegner. Es ging vor allem darum, einen Geiselstatus zu schaffen, für die Zeit nach dem Krieg. Wer nach einem solchen Krieg an der Macht bleibt oder an die Macht kommt, ist eine Frage der Kosmetik. Das Sagen werden die haben, die die Bedingungen für die Kredite zum Wiederaufbau diktieren. Und die sind nicht wählbar. »Nicht alles, was passiert, wird auf dem Bildschirm zu sehen sein«, erklärten Nato-Sprecher süffisant. Dazu zählt mit Sicherheit die völlige ökonomische und politische Abhängigkeit Jugoslawiens von den siegreichen Nato-Staaten.


Wer sich davon ein ungefähres Bild machen will, muss nur einen Blick nach Bosnien-Herzegovina werfen: Die bosnische Regierung schätzt, dass der Wiederaufbau 47 Milliarden US-Dollar kosten wird. Die wirtschaftlichen und politischen Interessen der kredit-gebenden (Nato-)Länder sind bereits in die Verfassung eingeschrieben: »Der Hochkommissar hat volle Exekutivrechte in allen zivilen Angelegenheiten. Er kann sogar Regierungsentscheidungen sowohl der bosnischen Föderation als auch der bosnisch-serbischen Republik Srpska außer Kraft setzen«[20]. Genug Demokratie für ein Land, das nicht von einem demokratischen WählerInnenvotum gelenkt wird, sondern einzig und alleine von den Diktaten, die die europäischen Geldgeber an jeden Kredit knüpfen.


Hat der Nato-Krieg gegen Jugoslawien einen »drohenden Völkermord« im Kosovo verhindert?

Die jugoslawische Armee führte einen Krieg gegen die UCK, die für einen unabhängigen Staat Kosovo kämpfte. Jahrelang wurde die UCK von einzelnen Nato-Staaten politisch aufgewertet und militärisch ausgerüstet, allen voran von der BRD und den USA.


Der Kampf gegen Separatismus war und ist kein spezielles Phänomen Jugoslawiens. In allen Nato-Staaten wird gegen jede bewaffnete Gruppe oder Organisation vorgegangen, die die Verfasstheit des jeweiligen Staates mit Waffengewalt infrage stellen will – ob in Irland gegen die dort operierende IRA, ob in Spanien gegen die ETA oder in der Türkei gegen die PKK. Im Kampf gegen separatistische Strömungen sind sich alle europäischen Staaten einig. In der Sprachregelung auch: Er wird als ›Kampf gegen den Terrorismus‹ geführt, grenzüberschreitend, mit legalen und mit illegalen Mitteln. Warum die UCK nicht – wie alle anderen auch – als ›Terroristen‹ bekämpft, sondern als ›Freiheitskämpfer‹ unterstützt wurden, liegt vor allem am gemeinsamen Feind: Jugoslawien. Im Kampf gegen die politische und ökonomische Verfasstheit der Bundesrepublik Jugoslawien passten die unterschiedlichen Rollen sehr gut zueinander: Der UN-Sicherheitsrat stellte mithilfe des verhängten Wirtschaftsembargos die ökonomische Strangulierung sicher, die UCK operierte mit bewaffneten Aktionen am Boden und die Nato demonstrierte mit ihrem Bombenkrieg Lufthoheit.


Ging die jugoslawische Armee mit ihrem Kampf gegen die UCK im Kosovo mit Mitteln vor, die sich der »ethnischen Kriegsführung« bedienten? Gehörten Massaker gegen die Zivilbevölkerung zum Kampf gegen die UCK? Wurden Kosovo-AlbanerInnen systematisch vertrieben?

Ronald Keith war bis März 1999 Direktor der OSZE-Kosovo-Überwachungskommission (KVM). In einer kanadischen Zeitung beschreibt er seine Eindrücke bis zum 20.3.1999, dem Zeitpunkt, als die OSZE-Beobachter abgezogen wurden. Er berichtet von UCK-Hinterhalten, von Gegenreaktionen, von einem Kleinkrieg, »doch, wie ich bereits an anderer Stelle feststellte, wurde ich weder Zeuge noch erhielt ich Informationen über sogenannte ›ethnische Säuberungen‹, und mit Sicherheit gab es keine Vorkommnisse von ›Völkermord-Politik‹, solange ich mit der KVM im Kosovo war.«[21]


Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt ein im März 1999 erstellter geheimer Lagebericht des deutschen Verteidigungsministeriums: »In den vergangenen Tagen kam es zu keinen größeren Auseinandersetzungen zwischen serbisch-jugoslawischen Kräften und der UCK … Die serbischen Sicherheitskräfte beschränkten ihre Aktionen in jüngster Zeit auf Routineeinsätze wie Kontrollen, Streifentätigkeit, Suche nach Waffenlagern und Überwachung wichtiger Verbindungsstraßen.«[22]


Genau das Gegenteil wurde in die Öffentlichkeit lanciert. Es drohe ein »Völkermord«, wenn die Nato ihn nicht sofort verhindere. Nachdem die Nato über zwei Wochen Jugoslawien bombardierte, ohne dass ein Ende in Sicht war, drohte die Kriegszustimmung zu bröckeln. Der Verteidigungsminister Rudolf Scharping legte nach:


»Wenn ich höre, dass im Norden von Pristina ein Konzentrationslager eingerichtet wird, wenn ich höre, dass man die Eltern und die Lehrer von Kindern zusammentreibt und die Lehrer vor den Augen der Kinder erschießt, wenn ich höre, dass man in Pristina die serbische Bevölkerung auffordert, ein großes ›S‹ auf die Türen zu malen, damit sie bei den Säuberungen nicht betroffen sind, dann ist da etwas im Gange, wo kein zivilisierter Europäer mehr die Augen zumachen darf, außer er wollte in die Fratze der eigenen Geschichte schauen.«[23]


Es gab kein KZ in Pristina und »das ›S‹ zum Schutz der Serben hat in Pristina auf keiner einzigen Tür geprangt.«[24] Der Bombenkrieg wurde fortgesetzt und neben den vielen Zerstörungen wurde tagtäglich das Schicksal der Flüchtlinge ins Bild gerückt. Wie sie dorthin kamen, erzählte der Nato-Sprecher Jamie Shea ganz offenherzig: »Nach dem Angriff auf den Flüchtlingskonvoi bei Djakovica, dem ersten ›Unfall‹ des Krieges, fiel die öffentliche Zustimmung in vielen Ländern, auch in Deutschland, um 20 bis 25 Punkte. Wir mussten sechs Wochen hart arbeiten, um die öffentliche Meinung zurückzugewinnen. Milosevic machte den Fehler, die Flüchtlinge aus dem Kosovo nach Albanien und Mazedonien zu treiben. An der Grenze waren Fernsehteams, die das Leiden filmten. Und so stellte sich die öffentliche Meinung wieder hinter die Nato«[25].


Ob die Flüchtlinge vor ›Milosevic‹ oder vor der Nato und der UCK fliehen, wollte der Verteidigungsminister Rudolf Scharping nicht der Suggestivkraft der Bilder überlassen – und ging auf Nummer Sicher. Am 7.4.1999 trat er mit einem angeblich geheimen jugoslawischen Operationsplan ›Hufeisen‹ vor die Öffentlichkeit: »Er zeigt sehr deutlich, dass in klar erkennbaren Abschnitten die jugoslawische Armee, die jugoslawische Staatspolizei begonnen hat, in der Zeit von Oktober bis zum Beginn der Verhandlungen in Rambouillet, die Vorbereitung für die Vertreibung der Bevölkerung nicht nur zu treffen, sondern diese Vertreibung auch schon begonnen hat. Es zeigt im Übrigen sehr deutlich das systematische und ebenso brutale wie mörderische Vorgehen, das seit Oktober 1998 geplant und seit Januar 1999 ins Werk gesetzt worden ist«[26].


Was weder die OSZE-Beobachter feststellen konnten, noch die geheimen Lageberichte der Nato und des deutschen Verteidigungsministeriums, sollte nun der »Hufeisenplan« beweisen. Das Einzige, was in diesem Zusammenhang wirklich systematisch ist, sind die Aneinanderreihungen von Kriegslügen und Täuschungen: Ein Operationsplan ›Hufeneisen‹ gab es nicht. Der Vorwurf des ›Völker‹mordes, der systematischen Vertreibung und Ermordung von Kosovo-AlbanerInnen erwies sich – spätestens nach dem Krieg – als Propagandalüge. Zu diesem Ergebnis kam auch Heinz Loquai, ehemaliger Brigadegeneral der Bundeswehr und Mitarbeiter der OSZE in Wien, in seinem Buch: »Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg« Dabei stützte er sich vor allem auf interne Tagesberichte der Kosovo-Verifikationsmission (KVM) der OSZE, auf die Monatsberichte des OSZE-Vorsitzes an den UN-Generalsekretär und auf »exzellente Berichte der deutschen Botschaft in Belgrad«. Welche Bedeutung der sogenannten »Hufeisenplan« hat, beschreibt Heinz Loquai folgendermaßen: »Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem »Massaker von Racak« und dem »Hufeisenplan«. Der Leiter der KVM, Walker, zündete mit seiner unbewiesenen Version von »Racak« die Lunte zum Krieg gegen Jugoslawien. Scharping löschte mit dem »Hufeisenplan« die Kritik an diesem Krieg. Beide Anschuldigungen […] konnten so ihren Zweck erfüllen.«[27]


Wer eine noch unverdächtigere Quelle zu Rate ziehen möchte, sei auf den bereits am 17.10.1999 veröffentlichten Stratfor-Bericht verwiesen. Hinter dem Kürzel Stratfor versteckt sich keine anti-imperialistische Gruppierung, sondern die Strategic Forecasting Inc., eine Firma von Sozialwissenschaftlern, Rechercheuren und ehemaligen Geheimdienstmitarbeitern in Texas. »Dieser Stratfor-Bericht beruht auf Informationen sowohl des UN-Tribunals als auch anderer westlicher Institutionen wie der OSZE oder der KFOR sowie auf Medienberichten. Stratfor-Direktor George Friedmann kam zu dem Ergebnis: ›Sicher ist, dass im Kosovo Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie die Vertreibung von Albanern, begangen wurden. Aber gleichzeitig müssen wir aus den Daten schließen, dass es nicht zu einem massenhaften, systematischen Töten gekommen ist‹«[28]


Mit noch höheren Weihen ist das internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgestattet, das dem früheren Präsidenten Slobodan Milosevic den Prozess macht. Dort wird er wegen vielem angeklagt, nur nicht des »Völkermordes« im Kosovo. »Als Carla del Ponte [Chefanklägerin, d.V.] von ›Le Monde‹ gefragt wurde, warum dieser Anklagepunkt fehle, musste sie zugeben: ›Weil es keine Beweise dafür gibt‹«[29]


Endlich wieder Krieg

Kehren wir zu den EU-Ministern zurück, die auf den ersten gemeinsam gewonnenen Angriffskrieg anstießen. In Siegerlaune schrieben sie sich die nächsten Angriffsziele in ihre Terminkalender: Schneller als geplant soll die EU ihre militärische Führung bekommen. Noch schneller als vorgesehen sollen die militärischen Einheiten für zukünftige Kriege bereitstehen. Der Krieg gegen Jugoslawien diente als Vorlage für eine »westeuropäische Verteidigungsidentität«, der ein militärisches Exempel – im vertraglichen Niemandsland – nicht schadete, sondern entscheidend und beschleunigend zum Durchbruch verhalf.


Deutschland spielte dabei keine Neben-, sondern eine Hauptrolle. Vieles spricht dafür, dass der nächste Krieg, die nächste deutsche Beteiligung daran, ohne große Verweise auf die eigene Vergangenheit auskommen wird. Mit der allerorts gefeierten »außenpolitischen Normalität« ist der Blick nach vorne gerichtet, auf ein Europa als zweite Weltmacht, die militärisch dort nachziehen wird, wo sie politisch und wirtschaftlich längst steht.


Damit kündigt sich militärisch das an, was politisch und wirtschaftlich längst Realität ist: die Nicht-Existenz »nationaler Souveränität« vieler (nicht-europäischer) Staaten. Seit Jahren stehen die nationalen Souveränitätsrechte vieler Staaten, das »Nichteinmischungsgebot in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates«, nur noch auf dem Papier. Die meisten Staaten werden nur noch – höflicherweise – auf der Landkarte vermerkt. De facto wird deren Innenpolitik mehr von ausländischen Gläubigern, Terms of Trade, vom IWF, der Weltbank diktiert, als vom – wie auch immer gearteten – WählerInnenwillen.


Die Business-Class des Krieges – die Bodentruppen in Zivil

Der militärische Teil dieses Nato-Krieges wurde mit der Kapitulation Jugoslawiens am 9.6.1999 beendet. Der Luftraum wurde für den Zivilverkehr wieder freigegeben – und die Manager und Krediteure des Krieges kamen. Zeit für die Business-Class, die Kriegsschäden – auch vom Boden aus – genüsslich zu begutachten. Der Betrag von über 100 Milliarden Dollar machte die Runde. Genug, um am Wiederaufbau genauso zu verdienen wie am Krieg selbst. Was Detlef Hartmann als schöpferische Zerstörung bezeichnet, durfte der deutschen Außenminister Joschka Fischer als »Marshall-Plan« für den ganzen Balkan preisen. Ein »Stabilitätspakt«, ein »Angebot an die Länder aus der Erbmasse des alten Jugoslawiens, sich eng an die EU anzuschließen, um sich auf eine künftige Mitgliedschaft vorzubereiten«[30]. Ein Angebot, zu dem es keine Alternative gibt. Ein „Angebot“, das man besser nicht ausschlägt.


»Gerade angesichts der akuten Krise auf dem Balkan ist es unverzichtbar, dass Europa seine Bereitschaft und Fähigkeit unter Beweis stellt, sich den drängenden Fragen anzunehmen und entschlossen zu handeln«[31]. Eine psychisch bedenkliche Selbstwahrnehmung eines Haufens, der die Tür eintritt und ganz sicher ist, dass alle nach ihm gerufen haben.


Die Nato-Bomber wurden nach 72 Tagen zurückbeordert. Die Business-Class wird Jahre bleiben und die Lebensgrundlagen für die Mehrheit der Menschen noch nachhaltiger zerstören, als es die Bomben taten. Für diese Annahme bedarf es keiner Spekulationen. Ein Blick nach Kroatien, wo sich ein Kriegsverbrecher als Tito-Imitat geriert, ein Blick nach Bosnien-Herzegovina, wo ein Kinderparlament unter Nato-Aufsicht übt, ein Blick auf die Lebensverhältnisse aller ›unabhängigen‹ Staaten Ex-Jugoslawiens genügt. Alles spricht dafür, dass der Balkan der Hinterhof der EU wird.


Der Krieg der Bomben ist vorüber. Die Frage, wie lange die Business Class des Krieges in Frieden gelassen wird, bleibt unbeantwortet. Eine antikapitalistische und antiimperialistische Kritik an Krieg und Frieden (ver-)stört zurzeit die deutsche Linke mehr als die alten und neuen Kriegskoalitionen. Am Frieden hier hängen nicht nur die ‚anderen‘.

Der Krieg gegen Jugoslawien wurde in aller Ruhe vorbereitet. Real-politisch blieb die Anti-Kriegsopposition weitgehendst ZuschauerIn – ob als PazifistIn, Anti-MilitaristIn oder AntiimperialistIn. Dieses friedliche Miteinander wird sich auch der nächste Krieg leisten können.


Krieg ist Frieden. Über Bagdad, Srebrenica, Genua, Kabul nach … Unrast Verlag 2002


[«1] Rede des Außenministers Joschka Fischers auf dem Sonderparteitag der Grünen am 13.5.1999

[«2] Kosovo-Chronologie, GIB

[«3] Die Weltbank, Bericht über die Entwicklung der Weltwirtschaft 1991, zitiert nach M.Chossudovski

[«4] ehem. deutscher Außenminister Kinkel

[«5] Snezana Bogavac, Korrespondentin der unabhängigen jugoslawischen Nachrichtenagentur Beta, FR vom 1.4.99

[«6] FAZ vom 27.5.1999

[«7] FR vom 10.4.99

[«8] FR vom 13.4.1999

[«9] FR vom 13.4.1999

[«10] FR vom 25.3.1999

[«11] Ex-Bundeskanzler Kohl, 30.1.1991

[«12] FAZ vom 3.4.2000

[«13] Norman Paech, Völker- und Verfassungsrechtler, FR vom 26.3.1999

[«14] Nato-Luftwaffenbefehlshaber, Generalleutnant Michael C. Short, The New York Times vom 13.5.1999

[«15] FR vom 30.4.1999

[«16] NATO-Oberbefehlshaber General Clark, ZDF-Sendung vom 21.9.1999

[«17] FR vom Pfingsten 1999

[«18] FR vom Pfingsten 1999

[«19] Tagesschau vom 6.4.1999

[«20] Michael Chossudovsky, Wie Jugoslawien zerstört wurde

[«21] Kosovo-Chronologie, GIB, S.25

[«22] Es begann mit einer Lüge, FR vom 12.2.2001

[«23] Es begann mit einer Lüge, FR vom 12.2.2001

[«24] Es begann mit einer Lüge, FR vom 12.2.2001

[«25] Es begann mit einer Lüge, FR vom 12.2.2001

[«26] Es begann mit einer Lüge, FR vom 12.2.2001

[«27] Heinz Loquai, Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg, S.144

[«28] TAZ vom 3.12.99, „Das Wort Völkermord missbraucht?“

[«29] Konkret 5/2002

[«30] FR vom 2/3.6.99

[«31] Gerhard Schröder an seine EU-Kollegen, FR vom 2/3.6.99


Info: 
https://www.nachdenkseiten.de/?p=73174      
09.06.2021

Ein Gegengewicht gegen China am Golf                   Strategiezentrum der Bundesregierung fordert mehr EU-Einflussnahme auf der Arabischen Halbinsel - auch mit Mitteln sogenannter Sicherheitspolitik.

german-foreign-policy.com, 9. Juni 2021

BERLIN/RIAD/ABU DHABI(Eigener Bericht) - Die EU soll die aktuellen Umbrüche auf der Arabischen Halbinsel nutzen und ihre Einflussaktivitäten dort intensivieren. Das fordert die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), das wichtigste militärpolitische Strategiezentrum der Bundesregierung, in einem aktuellen Positionspapier. Wie die BAKS konstatiert, sind die arabischen Golfstaaten wegen der Energiewende gezwungen, sich ökonomisch von der Fixierung auf Erdöl und Erdgas zu lösen. Zudem wenden sie sich nach dem Regierungswechsel in den USA vorsichtig von der Politik offener Konfrontation gegenüber Iran ab. Dies biete die Chance, etwa "bei der Vermittlung eines neuen Sicherheitsdialogs am Golf" Einfluss zu nehmen, urteilt die BAKS. Das aber könne es der Union zugleich ermöglichen, "ein Gegengewicht zum chinesischen Einfluss in der Region" zu bilden. China erstarkt auf der Arabischen Halbinsel: Es baut in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein regionales Produktionszentrum für Covid-19-Impfstoffe auf, während zugleich Huawei das Land mit 5G ausstattet und es zum Cybersecurity-Drehkreuz aufwerten will.


Zitat: Ein "doppelter Schock"

Die Staaten der Arabischen Halbinsel befinden sich, wie ein aktuelles Arbeitspapier aus der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) bilanziert, in einer Phase größerer Umbrüche. Ihr Herrschaftsmodell gründet seit Jahrzehnten darauf, mit ihren Einkünften aus dem Export von Erdöl und Erdgas der einheimischen Bevölkerung annehmliche Lebensbedingungen zu finanzieren und dafür unbedingte Loyalität einzufordern. Mit der beginnenden Energiewende sowie dem langfristig absehbaren Rückgang der Öl- und Gasprofite zeichnet sich allerdings ein Ende des Modells ab: "Dieses System steht vor dem Kollaps", urteilt die BAKS. Jetzt müssen andere Wirtschaftszweige aufgebaut sowie Arbeitskräfte ausgebildet werden; zudem gilt es die zahlenstarke junge Generation in den Arbeitsmarkt zu integrieren, die - nicht zuletzt über digitale Medien immer stärker vernetzt - in zunehmendem Maß "partizipative Formen der politischen Mitbestimmung" einfordert, wie die BAKS konstatiert.[1] Verstärkt wurde der Druck durch den zwischenzeitlich gefallenen Ölpreis; aktuell kommen die Wirtschaftsprobleme hinzu, die durch die Coronakrise entstehen. Die BAKS spricht diesbezüglich von einem "doppelten Schock", dem die Ökonomien der Golfstaaten ausgesetzt seien.


Kurskorrekturen

Wie die BAKS weiter schreibt, reagieren Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate auf den "doppelten Schock" mit Kursänderungen in ihrer Außenpolitik. Während der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump hatten beide ihre Aggressionen gegen Iran deutlich verschärft; am 5. Juni 2017 hatten sie zudem das Emirat Qatar zu blockieren begonnen, das ihren Kurs nicht mittrug und, auf Kooperation mit der Riad und Abu Dhabi verhassten Muslimbruderschaft setzend, seine eigenständige Außenpolitik fortführte. Dem saudisch-emiratischen Aggressionskurs fehlt nun aber seit Trumps Wahlniederlage die Rückendeckung aus Washington. Hinzu kommt, dass er keine Erfolge brachte. Darüber hinaus dämpft die Notwendigkeit, zum Umbau der Wirtschaft auswärtige Investoren ins Land zu locken, gegenwärtig die Eskalationsbereitschaft. Die Blockade gegenüber Qatar wurde am 5. Januar 2021 beendet; Riad gibt sich zudem im Krieg im Jemen gesprächsbereit. Am 9. April haben erstmals seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen im Jahr 2016 Regierungsvertreter Saudi-Arabiens und Irans mit Vermittlung Iraks direkte Gespräche geführt.[2] Ende April äußerte der saudische Kronprinz Muhammad bin Salman in einem Fernsehinterview: "Iran ist ein Nachbarland, und wir alle streben gute und besondere Beziehungen zu Iran an."[3]


"Eine historische Chance"

Bereits seit Monaten plädieren Außenpolitikberater dafür, die vorsichtigen Kurskorrekturen der arabischen Golfstaaten gegenüber Iran zu nutzen, um den Einfluss der EU im Mittleren Osten zu intensivieren. So hieß es etwa im Dezember 2020 beim European Council on Foreign Relations (ECFR), der Wechsel im Weißen Haus von Trump zu Joe Biden und "die Wahrnehmung", die Vereinigten Staaten zögen sich "aus der Region zurück", böten "den Europäern eine Gelegenheit, die Spannungen zwischen den Golfstaaten und Iran deeskalieren zu helfen".[4] Dazu sollten "die Europäer" ihre außen- und militärpolitischen Aktivitäten in der Region intensivieren und eine führende Position "bei der Vermittlung eines neuen Sicherheitsdialogs am Golf" einnehmen. Jetzt heißt es bei der BAKS, die "Situation der vorsichtigen Entspannung" biete die Gelegenheit, "mit politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen und Angeboten Unterstützung zu leisten"; der EU eröffne sich "eine historische Chance".[5] Freilich könnten Brüssels künftige Aktivitäten "nur gemeinsam mit sicherheitspolitischen Initiativen wirken"; auch solle man "möglichst einheitlich oder in Form einer Koalition der Freiwilligen ... agieren". Gelinge dies, dann bilde die Union nebenbei auch "ein Gegengewicht zum chinesischen Einfluss in der Region".


5G mit Huawei

China, Hauptrivale Berlins und der EU, hat seinen Einfluss auf der Arabischen Halbinsel zuletzt tatsächlich ausgebaut. So hat es nicht nur allgemein Handel sowie Investitionen in Saudi-Arabien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgeweitet. Es intensiviert auch die technologische Kooperation. So nutzen Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate gleichermaßen Huawei-Technologie für den Aufbau ihrer 5G-Netze. Die Emirate werden von Huawei sogar zum Cybersecurity-Drehkreuz ausgebaut.[6] Die umfassende chinesisch-emiratische Technologiekooperation und Spekulationen, Abu Dhabi könne auch militärpolitisch eine engere Kooperation mit Beijing eingehen, veranlassen die Vereinigten Staaten mittlerweile dazu, die bereits fest vereinbarte Lieferung von F-35-Kampfjets und Reaper-Drohnen an die Emirate grundsätzlich in Frage zu stellen.[7] Nicht zuletzt beliefert Beijing die arabischen Golfstaaten mit Covid-19-Impfstoffen - und der Konzern Sinopharm (Shanghai) hat der Group 42 (G42) aus Abu Dhabi darüber hinaus die Lizenzproduktion seines Vakzins erlaubt. Er unterstützt die Emirate außerdem, sich als Impfstoffproduzent für die gesamte Region zu positionieren.[8]


"Eine Phase der Fragilität"

Trotz aller Hoffnung auf Positionsgewinne warnt die BAKS vor "mannigfaltigen Unwägbarkeiten".[9] So fehlten der EU "die Kapazitäten", ihre Einflussaktivitäten "mit aller Kraft voranzutreiben": Sie befinde sich "nach dem Brexit", mit "den anhaltenden Konflikten zwischen den EU-Mitgliedstaaten" und wegen der "Auswirkungen der Coronapandemie in einer Phase der Fragilität, die ein einheitliches Vorgehen erschwert"; die Union sowie "einzelne Mitgliedstaaten" verfolgten ohnehin "häufig entgegengesetzte Interessen". Hinzu kommt, dass die EU und ihre führenden Mächte in anderen Weltregionen, insbesondere etwa im Sahel, gebunden sind - auch militärisch - und in wachsendem Maß eine stark ausgreifende Einflussarbeit in Asien und in der Pazifikregion anstreben - dies ebenfalls mehr und mehr unter Rückgriff auf ihre Streitkräfte.[10] Sollte es dennoch gelingen, die Positionen der EU im Mittleren Osten auszubauen, dann plädiert die BAKS dringend dafür, "den Eindruck [zu] vermeiden, paternalistisch Einfluss nehmen zu wollen"; man müsse stattdessen "auf die Interessen und Bedarfe der Konfliktparteien eingehen". Nötig sei nicht zuletzt eine gewisse Flexibilität, um eigene Vorstellungen "an sich verändernde Gegebenheiten anpassen zu können". "Gelingt dies nicht", warnt die BAKS - wohl mit Blick auf die häufige Unbeweglichkeit der EU -, dann "droht Vertrauensverlust".

 

[1] Stefan Lukas, Sebastian Sons: Ein historisches Momentum im Nahen Osten. Neue Chancen und Herausforderungen für ein europäisches Engagement in der Golfregion. Bundesakademie für Sicherheitspolitik: Arbeitspapier Sicherheitspolitik 6/2021.

[2] Saudi Arabia, Iran held direct talks in bid to ease tensions. al-monitor.com 19.04.2021.

[3] Saudi Arabia seeks 'good' relationship with Iran, says crown prince. al-monitor.com 28.04.2021.

[4] Cinzia Bianco: Gulf of difference: How Europe can get the Gulf monarchies to pursue peace with Iran. ecfr.eu 10.12.2021.

[5] Stefan Lukas, Sebastian Sons: Ein historisches Momentum im Nahen Osten. Neue Chancen und Herausforderungen für ein europäisches Engagement in der Golfregion. Bundesakademie für Sicherheitspolitik: Arbeitspapier Sicherheitspolitik 6/2021.

[6] Alkesh Sharma: Huawei to help establish UAE as cyber security hub. thenationalnews.com 05.06.2021.

[7] Warren P. Strobel, Nancy A. Youssef: F-35 Sale to U.A.E. Imperiled Over U.S. Concerns About Ties to China. wsj.com 25.05.2021.

[8] Ahmed El Sherif: UAE first country in Arab world to begin manufacturing COVID-19 vaccine. mobihealthnews.com 01.04.2021.

[9] Stefan Lukas, Sebastian Sons: Ein historisches Momentum im Nahen Osten. Neue Chancen und Herausforderungen für ein europäisches Engagement in der Golfregion. Bundesakademie für Sicherheitspolitik: Arbeitspapier Sicherheitspolitik 6/2021.

[10] S. dazu Das Gravitationszentrum der Welt.


Info:
 https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8622

09.06.2021

Bauernopfer, Sündenbock, Blitzableiter – der Skandal ist nicht Jens Spahn

de.rt.com8 Juni 2021 19:20 Uhr, von Dagmar Henn

Man kann verstehen, warum ein Gesundheitsminister wie Jens Spahn besonders viel Unmut auf sich zieht. Der Bankkaufmann aus der Provinz, der aus der Bewältigung der COVID-19-Pandemie eine Art Grabbeltisch für Glücksritter machte; der mal eben vier Millionen auf den Tisch legte, um mit seinem Lebensgefährten in eine Villa zu ziehen; der jetzt über ein Jahr lang einer Politik aus Spenden an die Reichen, Strangulation des kleinen Gewerbes und abgrundtiefer Verachtung für die Armen ein Gesicht verlieh, ist dafür geschaffen, die Zielscheibe zu geben. Die Geschichte mit der Verteilung zweifelhafter Masken an Obdachlose, Behinderte und Hartz-IV-Bezieher scheint der Tropfen zu sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Spatzen pfeifen es schon von den Berliner Dächern, dass die Karriere des Jens Spahn ein abruptes Ende finden könnte.


Zitat:  Und ja, natürlich war die beabsichtigte Maskenverteilung von Menschenverachtung geprägt und zeigte klar, welche gesellschaftlichen Gruppen in den Augen mancher Ministerieller nur den Abfall verdient haben. Und ja, der offene Klassenhass, der da zutage trat, erinnert an den Bremer Wirtschaftssenator Peter Gloystein, der 2005 auf einem Weinfest einem Obdachlosen mit der Bemerkung: "Da hast du auch was zu trinken" Sekt über den Kopf gegossen hatte – und dann zurücktreten musste.


Aber ist es weniger menschenverachtend, Maskenpflichten zu verhängen bis in die Klassenzimmer, und sich einen Dreck darum zu scheren, wie die Armen dieses Landes sie bezahlen sollen? Menschen in Quarantäne zu schicken, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ob und wie sie versorgt sind? Wie menschenfreundlich ist es überhaupt, den gesamten Alltag in ein kafkaeskes Improvisationsdrama zu verwandeln, dessen Regeln den Teilnehmern unbekannt sind und sich jederzeit ändern können?


Verglichen mit den Geldflüssen an Klinik- und andere Konzerne ist das, worum es bei diesem letzten Maskenskandal geht, eine Petitesse. Ja, es wurde der politische Anstand verletzt. Aber der politische Anstand in dieser Republik reicht ohnehin nicht mehr weiter als bis zum "Lass dir deine Verachtung nicht so anmerken". Er umfasst schon lange nicht mehr den Gedanken, jeden Menschen menschenwürdig zu behandeln.


Das gesamte Finanzgebaren in diesem Staat ist skandalös, spätestens seit den gigantischen Steuergeschenken unter Gerhard Schröder durch die Steuerfreistellung des Verkaufs von Unternehmensanteilen. Dass Gesetze nicht in den Ministerien geschrieben werden, sondern von Beratungsgesellschaften oder Großkanzleien, die im Interesse ihrer Großkunden agieren, stößt seit Jahren immer wieder auf. Der gigantische Cum-Ex-Skandal ist immer noch nicht aufgearbeitet, geschweige denn, dass an den Bedingungen, die ihn ermöglicht hatten, etwas verändert wurde. Im Gegenteil. Die Ausgaben für "externe Beratung" werden stetig höher. Und Flintenuschi, eine große Freundin dieser Methode, ist zur Strafe noch die Leiter hinaufgefallen.


Wenn es seit Jahrzehnten gelebter Grundsatz der Politik ist, die Kleinen zu drangsalieren und die Großen zu hofieren, dann macht nun einmal nur der Karriere in diesem Metier, der dieser Spielregel auch charakterlich entspricht. Politiker mit Grundsätzen (bitte nicht mit "Werten" verwechseln) sind da nur Sand im Getriebe. Gefragt ist die glatte, formbare Kreatur, die die rechte Dienstbarkeit mitbringt, wo sie gefordert ist. Spätestens als der salbungsvolle Tonfall der uckermärkischen Pfarrerstochter den Klang der politischen Sprache bestimmte, musste klar sein, dass der wirkliche politische Gehalt des Politischen im Sinne einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung über Ziele und Interessen sich dem Nullpunkt nähert.


Spahn zum Bauernopfer zu machen, um höherwertige Figuren zu schützen, zum Sündenbock oder zum Blitzableiter – das würde nichts an der Grundkonstellation ändern, denn es ist so gut wie garantiert, dass das Nachfolgeexemplar sich um keinen Deut weniger geschmeidig den Wünschen der wirklichen Herrscher hingäbe. Von Interesse ist da allerhöchstens zu beobachten, bei welchem Konzern Spahn danach seinen Austragsposten erhält.


Die ganze Nummer wirkt wie eine Inszenierung, weil sie eine Inszenierung ist. Schließlich ist eigentlich Wahlkampf, und all die Parteien, die das ganze letzte Jahr über einträchtig das Gemurkse um Corona mitgetragen haben, müssen jetzt Differenz simulieren, weil die Fiktion, es gäbe merkliche Unterschiede, wieder zum Leben erweckt werden muss. Über die kleine Menschenverachtung kann man sich bestens echauffieren, wechselseitig die Schuld zuweisen und den moralisch Reineren mimen, ohne das real verheerende Regierungshandeln, die große Menschenverachtung, auch nur erwähnen zu müssen.


Es ist ja der gewaltige Vorteil dieser politikfreien Politdarsteller, dass jeder von ihnen Dreck am Stecken hat und bei Bedarf relativ folgenlos entsorgt werden kann. Solange das auf einem Nebenschauplatz geschieht, also durch besagten jüngsten Maskenskandal und nicht wegen der Millionengeschenke an Klinikkonzerne oder der inkonsequenten Pandemiepolitik oder der gesetzlichen Regelungen, die das Parlament entmachteten, ist das ungefährlich. Weshalb genau in dem Moment, in dem beispielsweise die Frage der Impfung von Kindern etwas in den Fokus rückt und ohnehin der durch monatelange Käfighaltung aufgestaute Unmut abgeleitet werden muss, so ein kleiner moralischer Fehltritt gerade recht kommt.


Vielleicht gönnt man ja auch Armin Laschet noch einen kleinen Auftritt auf dieser Bühne, nachdem das Stück eine Zeit lang mit allseits groß aufgeblasenen Backen und viel Pathos vorgetragen worden ist; er darf aus den Kulissen hervortreten und ein Machtwort sprechen, um so seine Integrität zu signalisieren und den Anschein zu erwecken, mit ihm beginne alles neu. Wie gesagt, es ist ja Wahlkampf.


Im Herbst, wenn dann die nächste Runde Lockdown beschlossen wird und alle treu in den Burgfrieden zwischen Pandemie und NATO zurückkehren, ist dann ein weiteres Mal belegt, dass Moral und Empörung in der Politik zwar immer als Tiger springen, aber ebenso zuverlässig als Bettvorleger landen. Und die wirklichen Skandale, bei denen es um Milliarden, nicht um Millionen geht, wuchern unbeeinträchtigt weiter. Mit Spahn oder ohne ihn.




Mehr zum Thema Israel: Mitte Juni fallen die Masken – und bei uns?


Info:  https://de.rt.com/meinung/118730-bauernopfer-suendenbock-blitzableiter-der-skandal-ist-nicht-jens-spahn

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