Der AUKUS-Pakt und die Fregatte Bayern Die Fregatte Bayern trifft in Kürze in Australien ein, mit dem Deutschland eine engere militärische Kooperation anstrebt - wie Frankreich, das nun durch den AUKUS-Pakt düpiert wurde.
german-foreign-policy.com, 20. September 2021
BERLIN/CANBERRA(Eigener Bericht) - Der Konflikt um den neuen AUKUS-Pakt (Australia, United Kingdom, United States) überschattet den bevorstehenden Aufenthalt der Fregatte Bayern in Australien. Das deutsche Kriegsschiff, auf Asien-Pazifik-Fahrt, ist nach einem Stopp auf dem US-Marinestützpunkt Diego Garcia, der auf einer völkerrechtswidrig von Großbritannien kontrollierten Insel liegt, auf dem Weg ins westaustralische Perth und soll von dort nach Darwin im Norden des Landes weiterfahren. Damit trägt es zur Realisierung der "Erweiterten Strategischen Partnerschaft" bei, die Berlin und Canberra im Juni geschlossen haben und die eine stärkere Militärkooperation beider Länder vorsieht. Australien hatte auch mit Frankreich eine engere Zusammenarbeit bei Rüstung und Militär verabredet; diese ist nun aber durch den AUKUS-Pakt marginalisiert worden. Der Pakt habe "den europäischen Bemühungen im Indo-Pazifik" insgesamt "einen gehörigen Dämpfer" verpasst, heißt es in deutschen Militärkreisen. Das befeuert in Paris und inzwischen auch in Berlin Forderungen nach "strategischer Autonomie" der EU.Zitat: Das Recht des Stärkeren
Wie berichtet wird, hat die Fregatte Bayern auf ihrer Asien-Pazifik-Fahrt am Freitag einen Stopp auf dem US-Marinestützpunkt Diego Garcia eingelegt. Das ist deswegen von Interesse, weil Diego Garcia wie auch der gesamte Chagos-Archipel, zu dem sie zählt, von Großbritannien illegal kontrolliert wird: In den vergangenen Jahren haben zwei UN-Gerichtshöfe und die UN-Generalversammlung zum einen bekräftigt, dass der Archipel nicht dem Vereinigten Königreich, sondern Mauritius gehört, und zum anderen Großbritannien, das ihn seit seit Kolonialzeiten besetzt hält, aufgefordert, ihn umgehend Mauritius zurückzugeben. London weigert sich. Damit ist der Archipel faktisch illegal okkupiert; die US-Militäreinrichtungen dort sind ohne jede erforderliche rechtliche Grundlage und damit ebenso unrechtmäßig errichtet worden (german-foreign-policy.com berichtete [1]). Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte die Fahrt der Fregatte Bayern damit begründet, es werde zur Zeit versucht, "Gebietsansprüche nach dem Recht des Stärkeren durchzusetzen"; es sei Berlin "nicht egal, wenn ... völkerrechtswidrige Fakten geschaffen werden".[2] Freilich bezog die Ministerin dies nur auf das Südchinesische Meer, wo der Westen China vorwirft, kleine, unbewohnte Atolle illegal zu besetzen.
"Fähigkeitsaufbau im Indo-Pazifik"
Nach ihrem Stopp auf Diego Garcia hat die Fregatte Bayern nun Kurs auf Australien genommen. Die Bundesrepublik baut ihre Militär- und Rüstungskooperation mit dem Land seit geraumer Zeit aus. So haben deutsche Rüstungsunternehmen in den vergangenen Jahren milliardenschwere Geschäfte mit Canberra abgeschlossen; Australien zählt mittlerweile regelmäßig zu den Top Ten-Kunden deutscher Waffenschmieden.[3] Am 10. Juni haben Außenminister Heiko Maas und seine australische Amtskollegin Marise Payne eine Erklärung über eine "Erweiterte Strategische Partnerschaft" geschlossen, die einen Schwerpunkt auf militärische Vorhaben legt.[4] So soll die "Sicherheits- und Verteidigungskooperation ... durch Ausbildungsmaßnahmen und Übungen, insbesondere im Seefahrtsbereich und in Partnerschaft mit Staaten der Region", erweitert werden. Vorgesehen ist zudem ein gemeinsamer "Fähigkeitsaufbaum im indopazifischen Raum". Ein der Erklärung beigefügter "Aktionsplan" sieht nicht nur die "Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften" und eine "regelmäßige Entsendung deutscher Streitkräfte in den Indo-Pazifik" vor, sondern auch die "Finalisierung einer Absichtserklärung für eine militärische Weltraum-Partnerschaft". Die Fregatte Bayern trägt zum Kooperationsausbau bei.
Provokationen
Dabei wird die Fregatte Bayern nicht, wie zunächst geplant, lediglich die Marinebasis bei Perth im Westen Australiens ansteuern, sondern anschließend auch diejenige bei Darwin im Norden des Landes. Das kündigte das Bundesverteidigungsministerium vor einigen Tagen an. Zuvor hatte die chinesische Regierung mitgeteilt, ein Hafenbesuch des deutschen Kriegsschiffs in Shanghai werde nicht genehmigt. Berlin hatte einen Besuch in Shanghai gewünscht, um chinesische Proteste gegen die Asien-Pazifik-Fahrt der Fregatte Bayern, die sich im Kern gegen chinesische Interessen richtet, zu besänftigen. Der Versuch ist misslungen. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums wurde mit der Äußerung zitiert, Patrouillen wie etwa diejenige der "Bayern" provozierten lediglich "Zwischenfälle" und schüfen "Widersprüche"; stattdessen sollten Staaten, die nicht in der Region rings um das Südchinesische Meer lägen, "die Bemühungen von Ländern der Region respektieren, Frieden und Stabilität aufrechtzuerhalten".[5] Seit Beijings Absage in Berlin eintraf, werden zum wiederholten Mal Forderungen laut, bei der Durchquerung des Südchinesichen Meeres direkte Provokationen gegen die Volksrepublik vorzunehmen - so zum Beispiel die Durchquerung der Zwölfmeilenzone um umstrittene Inseln oder eine Fahrt durch die Straße von Taiwan.[6]
"Am oberen Ende des Kampfspektrums"
Das nordaustralische Darwin, das die Fregatte Bayern in Kürze ansteuern wird, ist die Basis der australischen Streitkräfte, die dem Südchinesischen Meer am nächsten liegt - und auf der die US-Streitkräfte ihre Präsenz seit einer entsprechenden Ankündigung von US-Präsident Barack Obama im November 2011 systematisch ausbauen. Mittlerweile sind dort bis zu 2.500 U.S. Marines in Rotation stationiert. Bereits im Juni wurden Pläne bekannt, die Zahl der U.S. Marines in Darwin weiter aufzustocken; darüber hinaus war vom Aufbau einer gemeinsamen Trainingsbrigade der Streitkräfte beider Länder die Rede. Auch hieß es, US-Kriegsschiffe sollten künftig auf der Marinebasis HMAS Sterling bei Perth stationiert werden.[7] Die jüngsten Planungen sehen jetzt vor, die militärischen Einrichtungen in Darwin signifikant auszubauen und dort nicht nur mehr Soldaten, sondern auch mehr Kampfflugzeuge wie auch mehr Kriegsschiffe zu stationieren. So ist vom Aufbau einer "Kampfpräsenz" im Norden Australiens die Rede, die "am oberen Ende" des Kampfspektrums angesiedelt sein und "einige der am stärksten geheimgehaltenen US-Fähigkeiten" umfassen solle.[8] Was genau die Fregatte Bayern nach der Ankunft in Darwin trainieren soll, ist bislang nicht bekannt.
Frankreichs Marginalisierung
Die Aufrüstungspläne stehen in direktem Zusammenhang mit dem Abschluss des AUKUS-Paktes (Australia, United Kingdom, United States), den Australien, Großbritannien und die Vereinigten Staaten in der vergangenen Woche geschlossen haben (german-foreign-policy.com berichtete [9]). Der Pakt sieht eine noch engere militär- und rüstungspolitische Kooperation zwischen den drei beteiligten Staaten vor. Unter anderem beinhaltet er die Aufrüstung der australischen Marine mit Atom-U-Booten, die unter Mitarbeit US-amerikanischer sowie britischer Rüstungskonzerne produziert werden. Canberra hat dafür einen 56 Milliarden Euro schweren Vertrag mit Frankreich über die Lieferung dieselgetriebener U-Boote gekündigt. Der Schritt hat in Paris ungewöhnlich scharfe Proteste hervorgerufen: Frankreich verliert nicht nur ein gewaltiges Geschäft, sondern vor allem politischen Einfluss, denn der AUKUS-Pakt drängt die enge, strategisch angelegte Militärkooperation an den Rand, die Paris und Canberra in den vergangenen Jahren systematisch aufgebaut hatten. Paris ist umso mehr verärgert, als Canberra, Washington und London ihren Pakt hinter seinem Rücken angebahnt hatten. Am Freitag hat es seine Botschafter aus den USA und Australien zu Konsultationen zurückgerufen und zieht Konsequenzen in Betracht.
"Strategische Autonomie"
Der Konflikt überschattet nun zusätzlich den längst geplanten Aufenthalt der Fregatte Bayern in Australien. Die Düpierung Frankreichs durch die drei AUKUS-Staaten trifft auch Deutschland: An dem Bau der französischen U-Boote wäre unter anderem Atlas Elektronik aus Bremen beteiligt gewesen; aber auch außen- und militärpolitisch verpasse "AUKUS den europäischen Bemühungen im Indo-Pazifik einen gehörigen Dämpfer", heißt es in deutschen Militärkreisen.[10] Der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul fordert nun, die neue Bundesregierung müsse sich nach der Wahl "klar an die Seite Frankreichs stellen"; zudem brauche Brüssel endlich "strategische Autonomie: "Andernfalls wird die EU auch zukünftig übergangen werden."[11]
[1] S. dazu Illegal besetzte Inseln und "Eine gewisse Doppelmoral".
[2] Rede der Ministerin anlässlich des Auslaufens der Fregatte "Bayern". bmvg.de 02.08.2021.
[3] S. dazu Deutschland im Indo-Pazifik (IV).
[4] S. dazu "Fähigkeitsaufbau im Indo-Pazifik".
[5] Liu Zhen: Beijing slams South China Sea 'provocation' after turning away German warship. scmp.com 17.09.2021.
[6] An der Route der Fregatte "Bayern" regt sich Kritik. tagesspiegel.de 07.09.2021.
[7] Andrew Greene: Australia could soon host more US marines in Darwin. abc.net.au 10.06.2021.
[8] Jano Gibson: Analysts say AUKUS defence deal spells military boost for NT but Darwin Port lease complicates plans. abc.net.au 17.09.2021.
[9] S. dazu Die Indo-Pazifik-Strategie der EU.
[10] Hans Uwe Mergener: Australien: Raus aus französischem U-Bootbauprogramm - rein in AUKUS. esut.de 16.09.2021.
[11] Frankreich hegt Zweifel an Amerikas Bündnistreue. Frankfurter Allgemeine Zeitung 20.09.2021.
Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8708
Weiteres:
AUKUS-PAKT
Frankreich feuert zurück
jungewelt.de, Ausgabe vom 20.09.2021, Von Jörg Kronauer
U-Boot-Deal mit Australien: Paris sieht sich düpiert und droht mit Konsequenzen. BRD-Botschafter bangt um »Einheit des Westens«
Zitat: Die Regierung Frankreichs hat am Wochenende ihren Protest gegen den neuen AUKUS-Pakt Australiens, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten verstärkt. Außenminister Jean-Yves Le Drian warf den drei Staaten am Wochenende »Lügen«, »Doppelzüngigkeit« und »einen starken Vertrauensbruch« vor; ihr Vorgehen belaste das westliche Bündnis stark: »In einer richtigen Allianz redet man miteinander und respektiert sich. Das war nicht der Fall.« Le Drian stellte im Gespräch mit dem Sender France 2 Auswirkungen auf das neue strategische Konzept der NATO in Aussicht, das im kommenden Jahr auf dem Madrider Gipfel des Militärbündnisses besprochen werden soll. Kommentatoren riefen gestern zuweilen die Äußerung von Präsident Emmanuel Macron vom November 2019 in Erinnerung, die NATO sei »hirntot«.
Bereits am Freitag hatte Paris erste praktische Konsequenzen gezogen und seine Botschafter in den Vereinigten Staaten und in Australien zu Konsultationen zurückgerufen. Im Fall der Vereinigten Staaten handelt es sich laut Berichten um die erste derartige Maßnahme seit 1793. Canberra habe einen »gewaltigen« Fehler begangen, als es sich auf den AUKUS-Pakt eingelassen habe, warnte Botschafter Jean-Pierre Thébault auf dem Weg zum Flughafen. Noch schwerer als der Verlust eines 56 Milliarden Euro schweren U-Boot-Geschäfts für die französische Naval Group wiegt für Paris, dass Australien mit dem Pakt zugleich die mehrjährigen Bemühungen um eine enge französisch-australische Militärkooperation hinter ein Bündnis mit den USA zurückgestellt hat – und dies, ohne seinen französischen Verbündeten auch nur vorab zu informieren.
Auf konkrete Maßnahmen gegen Großbritannien hat die französische Regierung bislang verzichtet. Außenminister Le Drian erläuterte dies offiziell mit dem Hinweis, man sei mit dem »permanenten Opportunismus« Großbritanniens vertraut; London sei im AUKUS-Pakt ohnehin nur das »fünfte Rad am Wagen«. Die neue britische Außenministerin Elizabeth Truss wies dies zurück und hielt in einem Namensbeitrag im Sunday Telegraph fest, mit dem Pakt beginne das Vereinigte Königreich, seine »Global Britain«-Strategie zu realisieren, mit der es nach dem Brexit seinen weltweiten Einfluss stärken wolle – insbesondere in der Asien-Pazifik-Region.
Die Bundesregierung hielt sich mit Stellungnahmen zunächst zurück. Am Freitag hatte sich eine Sprecherin des Auswärtigen Amts mit der recht allgemeinen Phrase aus der Affäre gezogen, man denke, ein »inklusiver Ansatz« sei »die beste Strategie für den Umgang mit der Region«. Am Wochenende warnte Deutschlands Botschafter in Großbritannien, Andreas Michaelis, ein wenig deutlicher, AUKUS sei eine Bedrohung für »Zusammenhalt und Einheit des Westens«. In Paris wurde zumindest eine unterstützende Erklärung von Bundesaußenminister Heiko Maas erwartet; immerhin schadet der AUKUS-Pakt erheblich den Interessen von Deutschlands zentralem EU-Verbündeten. Bis jW-Redaktionsschluss zog Maas es jedoch vor zu schweigen. Nur der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul forderte, die nächste Bundesregierung müsse sich »klar an die Seite Frankreichs stellen«.
In Australien wurde unterdessen gelegentlich Kritik an dem neuen Abkommen laut. Der ehemalige Premierminister Paul Keating warnte, es sei höchst riskant, sich fest an die Vereinigten Staaten zu binden. Die hätten es schließlich nicht einmal geschafft, die Taliban zu besiegen: »Wie könnten sie einen Krieg gegen China gewinnen?«
Info: https://www.jungewelt.de/artikel/410705.aukus-pakt-frankreich-feuert-zur%C3%BCck.html
Kommentar: Weiter so? - Weder die USA, das Vereinigte Königreich noch sonst wer, können Kriege gewinnen. Weder gegen China, Russland noch gegen sonst wen! Thomas Bauer