Die Linke will Konsequenzen aus ihrer Wahlschlappe ziehen. Doch ihr droht neuer Streit um Sahra Wagenknecht - die dem direkten Gespräch selbst aus dem Weg geht.
Zitat: Dietmar Bartsch gab seinen Anhängerinnen und Anhängern zum Wochenende eine Durchhalteparole mit auf den Weg. „Wir sind noch da, wir stehen wieder auf, kommen zurück und zwar stark, geeint und entschlossen“, betonte der Linken-Fraktionschef. Unstrittig innerhalb seiner Partei ist in diesen Tagen aber nur der erste Teil des Satzes, denn die Linke hat es nur ganz knapp in den neuen Bundestag geschafft. Ob es der Linken gelingt, sich nach der schweren Wahlniederlage wieder aufzurappeln und sich dabei nicht heillos zu zerstreiten, das ist keineswegs sicher.
„Harte innerparteiliche Kämpfe um die zukünftige Ausrichtung der Partei sind absehbar“, heißt es in einer ersten Wahlanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Um nach der verheerenden Niederlage Streit auf offener Bühne zu vermeiden, riefen Parteivorstand und Fraktionsführung die Linken auf, sich mit Äußerungen in der Öffentlichkeit zurückzuhalten. An diesem Wochenende berät der 44-köpfige Parteivorstand in Berlin auf einer Klausurtagung über Konsequenzen aus der verlorenen Wahl. „Wir müssen in erster Linie eigene Fehler analysieren“, sagte die Parteichefin Janine Wissler am Samstagabend.
Als die neue Fraktion am Dienstag erstmals zusammenkam, sei die Stimmung nachdenklich gewesen, heißt es. Anders als in der Vergangenheit hätten nicht sofort Vorwürfe im Raum gestanden, stattdessen hätten sich Abgeordnete durchaus selbstkritisch zu Wort gemeldet. „Es ging nicht um die Fehler der anderen, sondern auch um eigene Fehler“, sagt ein Fraktionsmitglied.
Doch die größte innerparteiliche Kritikerin beteiligte sich an dieser Debatte nicht. Denn die Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, die als Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen wieder in den Bundestag eingezogen war, erschien gar nicht erst zur ersten Sitzung ihrer Fraktion. Umso größer war der Ärger bei einigen in der Partei, als zeitgleich ein Interview veröffentlicht wurde, in dem Wagenknecht einmal mehr mit ihrer Partei hart ins Gericht ging – trotz der Aufforderungen zur Zurückhaltung.
Selbst den Wahlabend verbrachte Wagenknecht nicht mit ihrer Partei
Selbst den Wahlabend hatte sie nicht mit ihrer Landespartei in Nordrhein-Westfalen verbracht. Auf der Wahlparty in Kreuzberg tauchte sie ebenfalls nicht auf, obwohl sie in Berlin war. Aus dem „Spiegel“ konnten ihre Parteifreunde nun erfahren, dass Wagenknecht am Wahlabend mit einem Redakteur des Blattes ein italienisches Restaurant besucht hatte.
Ihre Positionen verkündet Wagenknecht lieber in Interviews und Talkshows, als sie parteiintern zu verteidigen. Im Frühjahr hatte sie in einem Buch eine „Lifestyle-Linke“ kritisiert, ihrer Partei warf sie Selbstgerechtigkeit und falsche Themensetzungen vor. Gerade die jüngeren Mitglieder, die den Klimaschutz nach vorn bringen wollen, fühlen sich von ihr brüskiert. Einige beantragten vergeblich Wagenknechts Ausschluss. Der Konflikt trug dazu bei, dass die Linke als tief zerstrittene Partei wahrgenommen wurde. „In vielen Fragen, die zentral waren, haben wir zu sehr mit unterschiedlicher Stimme gesprochen“, sagt Wissler.
Die Wahlniederlage könnte nun den jahrelangen Streit um Wagenknecht wieder aufleben lassen. Der Abgeordnete Alexander Ulrich, der Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz war, bemängelte den Umgang mit der Ex-Fraktionschefin. Es sei nicht richtig, eine der beliebtesten Politikerinnen in den eigenen Reihen jahrelang zu bekämpfen. Dafür habe man nun die Quittung erhalten. Dagegen kritisierte Ulrich Schneider, Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und Linken-Mitglied, dass Wagenknecht wenige Monate vor der Wahl eine „Abrechnung mit ihrer Partei oder Teilen ihrer Partei“ veröffentlicht habe.
Parteichefinnen bemühen sich um Schadensbegrenzung
Die Parteivorsitzenden, die um Schadensbegrenzung bemüht sind, riefen Wagenknecht und ihre Gegner gleichermaßen zur Zurückhaltung auf. „Die Erwartung an alle unsere Mitglieder ist, dass wir gemeinsam an der Neuaufstellung der Partei Die Linke arbeiten. Das betrifft sowohl Sahra Wagenknecht als auch die Mitglieder, die Sahra Wagenknecht kritisieren“, sagte die Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow.
Es gehört im übrigen zur Ironie dieses Wahlergebnisses, dass die Linke ihren Wiedereinzug ins Parlament auch einem Mann verdankt, der zu den Wagenknecht-Unterstützern gezählt wird. Der Leipziger Abgeordnete Sören Pellmann, der neben Gregor Gysi und Gesine Lötzsch das dritte Direktmandat gewonnen hat, forderte seine Partei auf, den Streit beizulegen. „Wir sollten es sofort beenden, dass wir innerparteiliche Streitigkeiten auf einer persönlichen Ebene führen“, sagte er dem Tagesspiegel.
Die Linke müsse sich wieder auf das besinnen, was sie groß gemacht habe: „nah bei den Menschen“ zu sein. Dass es in vier Jahren noch einmal gelingen kann, drei Direktmandate zu holen, ist aus Pellmanns Sicht keineswegs sicher. „Aber die meisten von uns haben erkannt: Das ist jetzt die letzte Chance, die wir haben.“
Im Parteivorstand zeigte sich allerdings auch, wie tief die Gräben bei den Linken sind. Einige kritisierten das strategische Bündnis, das die ostdeutschen Reformer in der Fraktion vor Jahren mit dem Wagenknecht-Lager geschlossen hatten. Bartsch, gegen den sich diese Kritik vor allem richtete, hatte die Sitzung da bereits verlassen.
Kommentar: Auch hier stellt sich die Frage " Quo vadis? " zwischen den "NATO-Verstehern" und der "Nie wieder Krieg"-Fraktion. Thomas Bauer
02.10.2021
OFFENER BRIEF HOLOCAUSTÜBERLEBENDER UND NACHFAHREN AN DIE MEDIEN
mwgfd.de, 15.09.2021
Nachdem
uns die erschreckende Meldung erreichte, dass die staatlich
finanzierten Medien Professor Sucharit Bhakdi als Antisemiten
beschuldigt haben, haben wir uns entschlossen, diesen Brief zu
schreiben. Wir stehen hinter Professor Bhakdi, weil er die Wahrheit
spricht.
Sie,
die Medien, haben das Volk jahrelang belogen, indem Sie falsche
Lehren aus dem Holocaust gepredigt haben. Das ist nicht die Lehre aus
dem Holocaust, dass Juden nicht getötet oder in Frage gestellt
werden dürfen. Kein Mensch darf getötet werden!
Die
Lehre aus dem Holocaust ist, dass man nicht zusehen und nicht
mitmachen darf, wenn eine Minderheit verfolgt wird. Sie haben den
Holocaust für das Gegenteil instrumentalisiert: um den Menschen den
Willen zu nehmen, sich gegen Unrecht zu wehren. Und auf diese
gottlose Weise haben Sie einen neuen Holocaust vorbereitet und sind
dabei, ihn umzusetzen.
Wir
warnen ausdrücklich davor, dass sich ein weiterer Holocaust
entfaltet, nur größer und raffinierter. Die Brutalität, mit der
Sie die Opposition sowohl verbal als auch physisch bekämpfen,
verleugnen, verletzen und demütigen, dient dazu, die Wahrheit zu
unterdrücken. Zerstörte Existenzen, Wohnungsdurchsuchungen,
Berufsverbote, Zwangsanweisungen in die Psychiatrie und Schlimmeres –
das könnte die Geschichte aus unserem Leben sein, doch ist das die
Realität die wir in Deutschland beobachten.
Wir
lassen uns nicht zum Schweigen bringen.
Yoel
Abraham
Freida
Weber
Samuel
Abraham
N.
Rubin
Chana
Poper
Yocheved
Werzberger
Miriam
Weiss
Yoel
Gereidi
Z.
Fogel
A.
E. Friedrich
Y.
Friedrich
Hershel
Indig
Yisocher
Dov Rumpler
Yakov
Cohen
Joel
Sabel
Chaim
Vigder
Shaindy
Vigder
M.
Wagschal
Eliazer
Werzberger
A.
Freilich
Yidel
Lichter
Hillel
Handler
Mascha
Orel
Leah
Lichter
Solomon
Diamand
Chaim
A. Weiss
Sarah
Weiss
Cheskel
Hocheiser
Genendel
Kernkarut
Elye
Glick
Faiga
Glick
Joel
Bernbaum
Andrea
Drescher
***
Dr.
Bhakdi hat nichts falsch gemacht. Er hat lediglich angedeutet, dass
der Begriff „Impfen macht frei“ eine unheimliche Ähnlichkeit mit
dem Slogan am Tor von Auschwitz hat, was völlig richtig ist.
Bitte
hören Sie auf, diesen guten Mann anzugreifen, der sicherlich kein
Antisemit ist.
Rabbiner
William Handler
Brooklyn,
NY
Geboren
in Satumare, Rumänien
Holocaust-Überlebender
***
Ich
lebe, weil meine Großmutter ungehorsam war, als befohlen wurde, dass
sich Juden versammeln. Wie jetzt mittels Druckes und Angst in die
Impfzentren angetrieben wird. Ich lebe, weil anständige Menschen
ungehorsam waren, als ihnen verboten wurde, Juden zu verstecken.
Genauso wie jetzt Sucharit Bhakdi und andere anständige Menschen
ungehorsam sind, um Leben zu retten. Sie dafür mit dem Begriff
„Antisemit“ zu bestrafen, ist eine ungeheuerliche Heuchelei.
Mascha
Orel
***
Meine
Großeltern und meine Mutter waren aufgrund ihrer jüdischen Herkunft
in Bergen-Belsen, ich bin zwar nicht religiös, dieses Erbe begleitet
mich aber seit meiner Jugend und ich reagiere bei Antisemitismus in
jeder Form sehr empfindlich. Wer Prof. Bhakdi aufgrund einer
unglücklichen Formulierung als Antisemiten bezeichnet, hatte noch
nie mit Antisemiten zu tun. Man macht das wohl mit dem Ziel, diesen
menschlichen und emotional engagierten Wissenschaftler auf der
persönlichen Ebene zu diskreditieren. Dagegen möchte ich meine
Stimme erheben. Was auch immer das wert ist.
Andrea
Drescher
***
Unmittelbar
nach dem Beitrag von Herrn Wulf Rohwedder (ARD), in dem Prof. Bhakdi
als Antisemit stigmatisiert wurde, haben wir mehrere Sender
angeschrieben. Wir haben richtiggestellt, dass der ständige
Missbrauch des Begriffs „Antisemit“ keineswegs der Sicherheit der
Juden dient. Das Gegenteil ist der Fall. Von keinem der
Verantwortlichen kam eine Antwort, noch erfolgte eine öffentliche
Entschuldigung. Nun melden sich diejenigen zu Wort, die am besten
wissen, wie es sich anfühlt, stigmatisiert und verfolgt zu werden.
Es zeichnet sich ab, dass die Große Koalition nach der Bundestagswahl, wenn überhaupt, nur noch über eine sehr knappe Mehrheit verfügen wird. Was dies für die zukünftige Corona-Politik bedeutet, lässt sich am bisherigen Abstimmungsverhalten der Parteien zur Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite sowie der zugehörigen Begründungen erahnen.
Die Positionen der Parteien zur „epidemischen Lage nationaler Tragweite“ und die Zukunft der Corona-PolitikEs zeichnet sich ab, dass die Große Koalition nach der Bundestagswahl, wenn überhaupt, nur noch über eine sehr knappe Mehrheit verfügen wird. Was dies für die zukünftige Corona-Politik bedeutet, lässt sich am bisherigen Abstimmungsverhalten der Parteien zur Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite sowie der zugehörigen Begründungen erahnen.
Am 25. März 2020 brachte die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD den Entwurf des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite zur Abstimmung in den Bundestag und beantragte die erstmalige Feststellung dieser Notlage durch das Parlament. Mit Handzeichen und Aufstehen der Abgeordneten stimmte der Bundestag unter Enthaltung der Fraktionen der AfD und DER LINKEN sowohl für das Gesetz als auch für die Feststellung der Notlage (Video hier ab 41:40 min).
Bis auf die Abstimmungen am 25. März 2020 sowie am 4. März 2021 fanden alle weiteren Abstimmungen namentlich statt, so dass zu erkennen ist, welche Abgeordneten dafür oder dagegen gestimmt beziehungsweise sich enthalten oder ihre Stimme nicht abgegeben haben. Die Erkenntnisse, die sich daraus gewinnen lassen, sind zum Teil überraschend und lassen Rückschlüsse auf die weitere Corona-Politik in Deutschland nach der Wahl zu.
Schwindende Mehrheiten für die Corona-Politik der Bundesregierung
Bei der Betrachtung der Abstimmungsergebnisse fällt zunächst auf, dass die Zustimmung für die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite in den namentlichen Abstimmungen kontinuierlich abgenommen hat.
Abbildung 1: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag. Bei den mit Stern gekennzeichneten Datumsangaben fand die Abstimmung mittels Handzeichen statt, daher sind dort jeweils die Stimmen der Abgeordneten der gesamten Fraktion angegeben.
Zu beachten ist, dass die hohen Zustimmungswerte am 25. März 2020 sowie am 4. März 2021 in der oben stehenden Abbildung daraus resultieren, dass die Abstimmungen nicht namentlich, sondern mit Handzeichen durchgeführt wurden. Im Diagramm wurde das jeweilige Votum der Fraktion mit den Stimmen aller Abgeordneten der Partei gewertet.
Auf den zweiten Blick ist zu erkennen, dass die Abgeordneten, die am 25. August 2021 ihre Stimme nicht abgegeben haben, mit ihrem Votum theoretisch das Ergebnis hätten verändern können. Die hohe Anzahl von nicht abgegebenen Stimmen am 25. August lässt sich teilweise darauf zurückführen, dass diese Sitzung außerplanmäßig in der Sommerpause des Bundestages abgehalten wurde und die Abgeordneten andere Terminverpflichtungen hatten. Auffällig ist jedoch, dass mit sinkender Zahl der Enthaltungen die Anzahl der nicht abgegebenen Stimmen gestiegen ist.
Sahra Wagenknecht antwortete am 28. August auf der Plattform Abgeordnetenwatch auf die Frage, warum sie nicht gegen die Verlängerung der epidemischen Lage gestimmt hat, die Bundestagssitzung hätte außerplanmäßig in der sitzungsfreien parlamentarischen Sommerpause stattgefunden und bei ihre wäre es zu einer Terminkollision gekommen.
Auch Wolfgang Kubicki, einer der prominentesten Kritiker der Corona-Politik der Bundesregierung, wurde mehrere Male auf Abgeordnetenwatch die Frage gestellt, warum er bei der namentlichen Abstimmung am 25. August 2021 seine Stimme nicht abgegeben hat. Bis heute hat er darauf nicht geantwortet.
Die schwindende Zustimmung zur Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite liegt in einem veränderten Abstimmungsverhalten der Oppositionsparteien, jedoch auch in einer wachsenden Ablehnung der Notlage bei den Abgeordneten der Regierungsparteien, insbesondere bei der Fraktion der CDU/CSU, begründet. Wie sich die Abstimmungsverhältnisse im Laufe der Corona-Krise bei den einzelnen Parteien verändert hat und welche Begründungen dafür angeführt wurden, soll im Folgenden näher beleuchtet werden.
CDU/CSU: Immer mehr Abweichler vom Regierungskurs
Abbildung 2: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag. Bei den mit Stern gekennzeichneten Datumsangaben fand die Abstimmung mittels Handzeichen statt, daher sind dort jeweils die Stimmen der Abgeordneten der gesamten Fraktion angegeben.
Der Großteil der Abgeordneten der Fraktion der CDU/CSU hat am 25. August 2021 für die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gestimmt. Auf der Webseite von CDU/CSU begründete der Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus die Zustimmung mit den Argumenten, „dass es zwei fachliche Voraussetzungen für diese Verlängerung der epidemischen Lage gäbe: Erstens, die Weltgesundheitsorganisation gehe noch immer von einem Notstand aus, zweitens, es läge weiterhin eine dynamische Entwicklung des Infektionsgeschehens vor. Zudem, so Brinkhaus, benötigten die Bundesländer diese Feststellung der epidemischen Lage als rechtliche Grundlage für ihre eigenen Verordnungen.“
Die Zustimmung für die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite ist jedoch in der Bundestagsfraktion der CDU/CSU seit Beginn der Corona-Krise sukzessiv gesunken, während die Gegenstimmen stetig zugenommen haben. Die Liste der Abgeordneten der CDU/CSU, die am 25. August 2021 gegen die Verlängerung gestimmt beziehungsweise ihre Stimme nicht abgegeben haben, jedoch bereits am 11. Juni 2021 dagegen votiert haben, zählt 19 Parlamentarier. Einige dieser Abgeordneten der CDU/CSU haben auf ihrer Homepage Begründungen für ihre Entscheidung angegeben. Die Argumente klingen durchweg sehr ähnlich:
„Die Hälfte der Bundesbürger und fast alle Risikogruppen sind vollständig geimpft und die Intensivstationen leer. (…) Bei genauer Betrachtung der zur Zeit vorliegenden neuen Daten besteht kein Grund zur Panik. (…) Weitere Kennziffern zur Bewertung, wie z. B. die Belegungsqote der Intensivstationen in den Krankenhäusern, müssen berücksichtigt werden.“ – Michael von Abercron
„Derzeit liegt meines Erachtens keine Notlage nationaler Tragweite mehr vor, die Grundrechtseinschränkungen rechtfertigen und das Regieren über die parlamentarische Mitwirkung durch Regierung per Verordnung ersetzen.“ – Veronika Bellmann „Die Anzahl der in Deutschland an Corona Erkrankten, aber auch die Bettenbelegung in den Krankenhäusern lassen schon seit längerem keine Notlage mehr erkennen.“ – Jens Koeppen „Während zu Beginn der Pandemie keinerlei Erkenntnisse und Daten darüber vorlagen, wie ansteckend das Virus ist und welche medizinischen Folgen es für die Bevölkerung und die Gesellschaft nach sich zieht, wissen wir heute, dass die Krankheit in den allermeisten Fällen glücklicherweise einen milden Verlauf nimmt.“ – Saskia Ludwig „Wir wollten unser Gesundheitssystem vor Überlastungen schützen, eine Überlastung ist derzeit nicht erkennbar und deutet sich auch nicht an.“ – Sylvia Pantel „Allgemein anerkanntes Ziel der mit der 'epidemischen Lage von nationaler Tragweite' einhergehenden Maßnahmen war es stets, eine Überlastung des deutschen Gesundheitssystems zu vermeiden. Von einer solchen Überlastung sind wir heute weit entfernt.“ – Jana Schimke „Angesichts des bislang erreichten großen Impffortschritts, der niedrigen Inzidenzwerte und der geringen Hospitalisierung sowie der geringen Anzahl an coronabedingten Sterbefällen kann (...) zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr von einer ‚epidemischen Lage von nationaler Tragweite‘ gesprochen werden.“ – Ingo Wellenreuther Des Weiteren haben fünf dieser Abgeordneten, namentlich Albert Weiler, Sylvia Pantel, Dietlind Tiemann, Veronika Bellmann und Hans-Jürgen Irmer sowie Florian Post, Mitglied der SPD-Fraktion, am 10. Juni 2021 einen Aufruf an ihre Kolleginnen und Kollegen im Bundestag veröffentlicht, am Folgetag gegen die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite zu stimmen:
„Wir müssen im Sinne des Volkes handeln. Der Schutz der Gesundheit ist lange genug die einzige Leitlinie der politischen Entscheidungen gewesen. Wir haben die Gesundheit der Menschen geschützt – zumindest die körperliche. Jetzt muss es um den Schutz der seelischen Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands und um den Zusammenhalt in der Gesellschaft gehen.“
Auffällig sowie für zukünftige Abstimmungen im Bundestag zu Verlängerungen der Notlage möglicherweise ausschlaggebend ist die Tatsache, dass 18 der 19 CDU/CSU-Abgeordneten, die gegen den Regierungskurs gestimmt haben, über Direktmandate in den Bundestag eingezogen sind. Sie müssen nicht befürchten, aufgrund ihrer abweichenden Meinung von ihrer jeweiligen Partei auf einen schlechteren Listenplatz „strafversetzt“ zu werden, so dass sie nach der Wahl nicht mehr in den Bundestag einziehen können.
SPD: bis auf zwei Ausreißer auf Linie der Bundesregierung
Abbildung 3: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag. Bei den mit Stern gekennzeichneten Datumsangaben fand die Abstimmung mittels Handzeichen statt, daher sind dort jeweils die Stimmen der Abgeordneten der gesamten Fraktion angegeben.
Bis auf die Abgeordneten Marcus Held und Florian Post, der sich in der Bild-Zeitung öffentlich gegen die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite geäußert hat, stimmten die Mitlieder der SPD-Bundestagsfraktion für die jeweiligen Verlängerungen, gaben ihre Stimme nicht ab oder enthielten sich. Die Verlängerung der Notlage am 25. August 2021 begründet die SPD-Fraktion so:
„Die hohe Zahl an Neuinfektionen, eine steigende 7-Tage-Inzidenz und eine zunehmende Auslastung der Krankenhäuser sprechen eine deutliche Sprache: Die Corona-Pandemie ist noch nicht überwunden. Im Gegenteil: In Deutschland, aber auch weltweit breitet sich das Virus dynamisch aus – vor allem in Form der stark ansteckenden Delta-Variante.“
AfD: Von Beginn an Skepsis und Ablehnung
Abbildung 4: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag. Bei den mit Stern gekennzeichneten Datumsangaben fand die Abstimmung mittels Handzeichen statt, daher sind dort jeweils die Stimmen der Abgeordneten der gesamten Fraktion angegeben.
Die AfD enthielt sich gemeinsam mit der Fraktion DIE LINKE am 25. März 2020 bei der Abstimmung über die erste Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Danach stimmten die Abgeordneten der AfD konsequent gegen eine Verlängerung.
Die Ablehnung der Verlängerung am 25. August 2021 wird mit dem Argument begründet, dass die Einstufung der WHO, es läge eine Pandemie vor, sowie die Gefahr der Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit nicht ausreichten, um weiterhin eine epidemische Lage von nationaler Tragweite in Deutschland auszurufen. Die Krankheit hätte sich längst in Deutschland ausgebreitet, und es bestehe keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit in Deutschland. Wegen COVID-19 sei weder das Gesundheitswesen überlastet noch stehe der Öffentliche Gesundheitsdienst an der Überlastungsgrenze.
In einem Antrag, den die Fraktion der AfD am 25. August 2021, am Tag der Abstimmung über die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite, in den Bundestag eingebracht hatte, forderte die Partei zudem ein sofortiges und bedingungslose Ende der Notlage sowie die Entwicklung eines Konzeptes, wie zukünftig auf wissenschaftlicher Basis ein erneutes Herunterfahren des öffentlichen Lebens verhindert werden kann.
FDP: Wende von Befürwortung über Skepsis zum Gegner der Regierungspolitik
Abbildung 5: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag. Bei den mit Stern gekennzeichneten Datumsangaben fand die Abstimmung mittels Handzeichen statt, daher sind dort jeweils die Stimmen der Abgeordneten der gesamten Fraktion angegeben.
Die Fraktion der FDP hat seit dem Beginn der Corona-Krise eine 180 Grad-Wende hinsichtlich der Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vollzogen. Zu Beginn haben die Parlamentarier dieser Partei dafür gestimmt, Ende 2020 und Anfang 2021 haben sie sich enthalten, und bei den letzten beiden Abstimmung votierten sie dagegen.
In zwei Reden vor dem Bundestag begründete die FDP ihre Ablehnung am 25. August 2021 mit den Argumenten, dass die Pandemie zwar nicht vorbei sei, durch die Impfungen sich jedoch eine neue Situation ergeben hätte und die Entscheidung über weitere Maßnahmen nicht pauschal an die Bundesregierung abgetreten werde dürfe und zurück ins Parlament gehöre. Zudem läge eine Überlastung des deutschen Gesundheitswesens nicht vor (siehe hier, Seite 65 und Seite 77).
Die Ablehnung der Verlängerung der Notlage am 25. August 2021 war zudem geknüpft an einen Antrag der Fraktion der FDP, den sie einen Tag zuvor in den Bundestag eingebracht hatte. Darin wird eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes gefordert, um niedrigschwellige Maßnahmen des Infektionsschutzes wie Testungen an Schulen oder die Anordnung der Verarbeitung von Kontaktdaten auch nach dem Ende der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite fortsetzen zu können. Hintergrund ist ein geordneter Ausstieg aus den Corona-Maßnahmen, welcher inzidenzgekoppelte, automatisierte Grundrechtseinschränkungen auch bei einer unerwarteten Entwicklung der pandemischen Lage ausschließen soll.
Zick-Zack-Kurs bei der LINKEN
Abbildung 6: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag. Bei den mit Stern gekennzeichneten Datumsangaben fand die Abstimmung mittels Handzeichen statt, daher sind dort jeweils die Stimmen der Abgeordneten der gesamten Fraktion angegeben.
Wie die Fraktion der AfD hat sich DIE LINKE bei der ersten Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Trageweite der Stimme enthalten. Auch bei der namentlichen Abstimmung am 18. November 2020 zur Verlängerung der Notlage haben sich die Abgeordneten DER LINKEN größtenteils enthalten. Ein kleiner Teil hat gegen die Verlängerung gestimmt.
Bei der Abstimmung am 4. März 2021 hat jedoch die Fraktion per Handzeichen für die Verlängerung gestimmt (Video hier ab 02:46:10). Dies ist verwunderlich, da kurz vor der Abstimmung die Abgeordnete der LINKEN Susanne Ferschl in der Aussprache explizit geäußert hatte: „Der Bundestag soll nun die epidemische Lage im Dreimonatsrhythmus beschließen. […] Regieren per Verordnung bleibt weiter möglich. Das ist mit uns nicht zu machen, und deshalb lehnen wir das ab.“ (PDF hier, Seite 16 und Video hier ab 00:25:45)
Nach mehreren unbeantworteten Anfragen an die Fraktion DIE LINKE und die Abgeordnete Susanne Ferschl äußerte sich der LINKEN-Abgeordnete und europapolitische Sprecher der Partei Andrej Hunko zum Abstimmungsverhalten seiner Fraktion am 4. März 2021 gegenüber Multipolar wie folgt:
„[Den] Gesetzentwurf der Koalition zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen […] hat DIE LINKE [...] per Handzeichen [am 25.08.2021] abgelehnt. Ein Problem ist jedoch, dass an die Feststellung der ELNT [Epidemische Lage von nationaler Tragweite, Anm. d. Verf.] auch durchaus positive Maßnahmen gekoppelt sind, wie beispielsweise Hilfsgelder, Überbrückungshilfen etc. Wir haben diese Kopplung immer kritisiert. In der Fraktion gab es unterschiedliche Ansichten darüber, wie eine Ablehnung der Verlängerung interpretiert würde. Einerseits war ein Argument, dass dadurch der Eindruck erweckt würde, es gäbe keine Pandemie mehr. Andererseits wurde befürchtet, dass man durch eine Ablehnung auch die Hilfsmaßnahmen ablehnen würde. Ich habe diese Sicht nicht geteilt, Mehrheitsmeinung war jedoch, dass man die Gesetzesänderung ablehnen müsse, aber dem Fortbestehen der ELNT zustimmen.“
Andrej Hunko war einer der wenigen Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE, die bereits am 18. November 2020 gegen die Verlängerung der Notlage gestimmt haben. Bei der nächsten Abstimmung zur Fortsetzung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite am 11. Juni 2021 haben die Abgeordneten der LINKEN bis auf 17 nicht abgegebene Stimmen hingegen geschlossen gegen eine Verlängerung gestimmt. Eine ausführliche Begründung für dieses Abstimmungsverhalten sucht man jedoch auf der Webseite der Bundestagsfraktion der Partei vergeblich. In einem Newsletter vom 16. Juni 2021 steht in der Überschrift eines weiterführenden Textes über die Abstimmung:
„Auch in der Krise geht es nur demokratisch, bekräftigte Gesine Lötzsch in der Debatte zur Fortsetzung der epidemischen Lage nationaler Tragweite am vergangenen Freitag. ‚Die Bundesregierung hat anschaulich bewiesen, dass ohne eine effektive Kontrolle des Parlaments alles völlig aus dem Ruder läuft‘, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende.“
Klickt man auf „Weiterlesen“, erhält man eine Fehlermeldung, dass die zugehörige Seite nicht auffindbar ist. Die Seite wurde also wahrscheinlich gelöscht, ohne die entsprechenden Verweise darauf zu entfernen.
Über die Auseinandersetzungen, die hinsichtlich der Corona-Politik bei den LINKEN hinter verschlossenen Türen geführt werden, kann man nur mutmaßen. Auch im Vorfeld der Abstimmung zur Verlängerung der Notlage am 25. August 2021 ist die offensichtliche Zerstrittenheit der Fraktion hinsichtlich der Bewältigung der Corona-Krise an den unterschiedlichen Äußerungen der LINKEN-Politiker ablesbar. Während der LINKEN-Abgeordnete und parlamentarische Geschäftsführer der Partei Jan Korte, der ebenso wie 17 weitere Abgeordneten der LINKEN bereits im November 2019 für eine Masern-Impfpflicht für Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen stimmte, eine Herdenimmunität gegen SARS-CoV-2 mithilfe von Massenimpfungen anstrebt, kritisiert die Abgeordnete Sahra Wagenknecht den Druck, der auf Ungeimpfte ausgeübt wird, und schreibt auf Twitter, dass kostenpflichtige Tests falsch sind, da auch Geimpfte infektiös seien.
Die mehrheitliche Ablehnung der Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite am 25. August 2021 durch die Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE wird offiziell nicht mit einer mangelnden Wirksamkeit der Maßnahmen, sondern mit der Unfähigkeit der Bundesregierung im Umgang mit der Pandemie begründet.
Grüne: Ehrliche Wende oder taktisches Abstimmungsverhalten?
Abbildung 7: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag. Bei den mit Stern gekennzeichneten Datumsangaben fand die Abstimmung mittels Handzeichen statt, daher sind dort jeweils die Stimmen der Abgeordneten der gesamten Fraktion angegeben.
Bis auf wenige Enthaltungen und nicht abgegebene Stimmen haben die Abgeordneten der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen vier Mal in Folge für die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gestimmt. Am 25. August votierten die Abgeordneten der Partei das erste Mal gegen die Verlängerung der Notlage. Auf ihrer Webseite gibt die Fraktion dafür folgenden Grund an:
„Die Covid-19-Pandemie ist noch längst nicht zu Ende. Vorsicht ist weiter geboten. Aber die Situation hat sich geändert, insbesondere durch die Zahl der Geimpften. Deshalb haben wir gegen die unveränderte erneute Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite gestimmt. Für die Einschränkung von Freiheitsrechten setzt das Grundgesetz enge Grenzen.“
Die Ablehnung ist jedoch verbunden mit dem Vorschlag einer rechtssicheren Übergangsregelung, welchen die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen am 24. August in den Bundestag eingebracht hat. Darin wird eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes gefordert, um nach dem Ende der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite Maßnahmen wie Abstandsgebote, Maskenpflicht, Hygienekonzepte in Betrieben und für Ansammlungen von Menschen, Zugangsbeschränkungen für nicht Geimpfte oder nicht Getestete sowie Kontaktdatenverarbeitung weitere sechs Monate aufrecht zu erhalten.
Die Ablehnung der Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen ist also eine Mogelpackung. Tatsächlich will die Partei die Dauer für einen Großteil der Maßnahmen, die durch die Notlage legitimiert werden, von drei auf neun Monate verlängern.
Nicht abgegebene Stimmen wegen Fraktionsdruck?
Ein Fraktionszwang bei Abstimmungen ist in Deutschland verfassungswidrig. Gemäß Artikel 38, Absatz 1 des Grundgesetzes sind Volksvertreter „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Andererseits ist Fraktionsdisziplin bei Entscheidungen in den Parlamenten gang und gäbe und sogar Gegenstand von Koalitionsverträgen. Am 12. März 2018 legten CDU/CSU und SPD in einem dieser Verträge fest (PDF, S. 173):
„Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“
Eine Möglichkeit, Abgeordnete, die sich nicht an die Fraktionsdisziplin halten, zu sanktionieren, ist eine Verbannung auf einen unteren Listenplatz bei der nachfolgenden Wahl. Dadurch verringern sich die Chancen, erneut ins Parlament einzuziehen. Die Listenwahl mag zwar die personelle Planbarkeit der Fraktionen erleichtern, führt womöglich jedoch dazu, dass Abgeordnete eben doch nicht allein nach ihrem Gewissen entscheiden, sondern der Verbleib im Bundestag über eine Wahlperiode hinaus mit samt seinen Vorzügen wie hohem gesellschaftlichen Ansehen, entgeltlicher Vergütung, Pensionen und ähnlichem das Abstimmungsverhalten beeinflusst.
Es ist daher möglich, dass einige Abgeordnete sich dem Druck ihrer Fraktion, für oder gegen einen Antrag im Bundestag zu stimmen, durch die Nichtabgabe ihrer Stimme entziehen, sowohl in der Regierungskoalition als auch bei der Opposition. Ob der Bundestag jedoch ohne Fraktionsdruck am 25. August 2021 gegen die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gestimmt hätte, ist hochspekulativ.
Ausblick
Gemäß Wahltrend vom 17. September 2021 würde die aktuelle Große Koalition aus CDU/CSU und SPD nur noch über eine knappe Mehrheit von neun Stimmen im Bundestag verfügen.
Abbildung 8: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag
Sollte die Große Koalition nach der Wahl fortgeführt werden, könnten die insgesamt 21 Abweichler aus den beiden derzeitigen Regierungsparteien eine zukünftige Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite unter den aktuellen gesetzlichen Voraussetzungen verhindern. Alle anderen Oppositionsparteien im Bundestag haben sich für einen geordneten Ausstieg aus der Notlagen-Politik ausgesprochen. Die AfD will das sofortige Ende aller Maßnahmen, die FDP will lediglich noch niedrigschwellige Maßnahmen und fordert, ebenso wie die LINKE und Bündnis 90/die Grünen, jede einzelne Maßnahme nur noch im Bundestag zu entscheiden.
Es ist also abzusehen, dass sich für eine Corona-Politik auf Basis von Notverordnungen nach der Wahl am 26. September höchstwahrscheinlich keine Mehrheit mehr im Bundestag finden lässt. Wie schnell wir in Deutschland dann ein Ende der Maßnahmen wie derzeit in Schweden, Dänemark und Großbritannien erfahren, hängt stark davon ab, ob es weiterhin bei einer großen Koalition zwischen CDU/CSU und SPD bleibt und welche Partei eventuell als dritter Koalitionspartner hinzustößt.
Über den Autor: Karsten Montag, Jahrgang 1968, hat Maschinenbau an der RWTH Aachen, Philosophie, Geschichte und Physik an der Universität in Köln sowie Bildungswissenschaften in Hagen studiert. Er war viele Jahre Mitarbeiter einer gewerkschaftsnahen Unternehmensberatung, zuletzt Abteilungs- und Projektleiter in einer Softwarefirma, die ein Energiedatenmanagement- und Abrechnungssystem für den Energiehandel hergestellt und vertrieben hat.
”Wipe out WEF!” - oder doch nicht?: die Kontroverse um das World
Economic Forum 1998-2005 als Folge von sozialem Wandel und neuem
Strukturwandel der Öffentlichkeit von Franz Egle
Originally published at: Egle, Franz. ”Wipe out WEF!” - oder doch nicht?: die Kontroverse um das World Economic Forum 1998-2005 als Folge von sozialem Wandel und neuem Strukturwandel der Öffentlichkeit. 2009, University of Zurich, Faculty of Arts.
Abstract: In der Dissertation wird untersucht, wieso mit einem Höhepunkt im Oktober 2001 über das
WEF in den Medien zunehmend kontrovers berichtet wurde. Der empirische Teil basiert auf einer standardisierten Inhaltsanalyse der Berichterstattung in der Schweizer Presse zwischen 1998 und Juni 2005.
Kommentar (übernommen): " . .hier nochmal eine Doktorarbeit, die auch den Widerstand der linken Szene in den Anfängen des WEFs beschreibt...jetzt ist das WEF grün und links und hat damit seinen größten Gegner abgestellt.." Thomas Bauer
01.10.2021
Russland im Militärmaßstab Bundeswehr lässt hochauflösende Landkarten von Russland herstellen. EU fordert neue Sanktionen, Berliner Denkfabrik will "Wandel in Russland" fördern, YouTube sperrt RT DE.
german-foreign-policy.com, 1. Oktober 2021
BERLIN/MOSKAU(Eigener Bericht) - Die Bundeswehr hat einen Auftrag zur "Herstellung und Lieferung" hochauflösender Landkarten von Russland vergeben. Es gehe um Wanderkarten "im Militärmaßstab", heißt es in einem Bericht. Deutschland sei Teil eines Kooperationsnetzwerks, in dem sich 32 Staaten - gruppiert um einen NATO-Kern - "wechselseitig mit Fotos und Karten versorgen". Die Beschaffung der militärisch nutzbaren Karten erfolgt, während die Spannungen zwischen dem Westen und Russland immer weiter anschwellen. Zuletzt hat die EU mit neuen Sanktionen gedroht. Bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) heißt es, es seien nicht nur neue "Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit im Rahmen von NATO und EU" zu tätigen; es gelte darüber hinaus den "Wandel in Russland" durch intensive Kontakte in die russische Gesellschaft zu fördern. Gleichzeitig sperrt der US-Konzern Google auf seiner Videoplattform YouTube den deutschsprachigen Ableger des Auslandssenders Russia Today, RT DE. Der Schritt ähnelt Maßnahmen, die die DGAP begleitend zu einer aggressiveren deutschen Außenpolitik vorschlägt.
Zitat:
Russlands Auslandssender gesperrt
Die Auseinandersetzung um die Sperrung von zwei YouTube-Kanälen von RT DE dauert an. YouTube hatte den eigentlichen Kanal von RT DE zunächst wegen tatsächlicher oder angeblicher Desinformation zur Covid-19-Pandemie für sieben Tage suspendiert und am Dienstagabend, nachdem RT DE einen Ausweichkanal zu nutzen begonnen hatte, beide dauerhaft gelöscht. RT DE ist der deutschsprachige Ableger des russischen Auslandssenders Russia Today. YouTube, eine Plattform, die zum US-Konzern Google gehört, begründet die Löschung beider Kanäle mit "Community-Richtlinien", die "definieren, was auf der Plattform erlaubt ist und was nicht".[1] Die Sperrung hat wegen der dominanten Stellung von YouTube weitreichende Folgen. Während die Bundesregierung behauptet, sie habe mit der Maßnahme rein gar nichts zu tun, kommen aus Russland wütende Reaktionen. Die Chefredakteurin von Russia Today, Margarita Simonjan, wird mit der Aussage zitiert, es werde ein "Medienkrieg" gegen Russland geführt; Simonjan verlangt Gegenmaßnahmen gegen den deutschen Auslandssender, die Deutsche Welle.[2] Das Außenministerium in Moskau kündigt "symmetrische Antwortmaßnahmen" an - gegen YouTube, daneben aber auch gegen noch nicht näher spezifizierte deutsche Medien in Russland.
Aggression und Resilienz
Der Vorgang ist - ganz unabhängig von der Debatte um die inhaltliche Ausrichtung von RT DE - von prinzipieller Bedeutung. Das ergibt sich aus aktuellen Überlegungen im Berliner Polit-Establishment, die ihren Niederschlag in einem vor wenigen Tagen von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) publizierten Strategiepapier gefunden haben. Das Papier skizziert eine aggressivere deutsche Außenpolitik [3] und plädiert quasi komplementär dafür, auch die "Resilienz" (Widerstandskraft) der deutschen Gesellschaft zu stärken. Dazu müsse man "gezielte Desinformations- und Propagandakampagnen" abwehren. Was als "Propaganda" zu gelten hat, liegt im Auge des Betrachters; im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus dem Jahr 2019 etwa wurde RT DE vorgeworfen, "das Ansehen der NATO in der deutschen Bevölkerung zu beschädigen".[4] In dem DGAP-Strategiepapier heißt es, gegen "Propaganda" müsse eine "nicht-staatliche Rating-Agentur" geschaffen werden, die die "Bewertung der Medienangebote" vornehme und dazu auf Kriterien wie eine angebliche "Faktentreue der Berichterstattung" zurückgreife. Um nicht "den Eindruck" zu erwecken, es handle sich um ein Orwell'sches "Wahrheitsministerium", solle sie "staatsfern und unabhängig ausgestaltet sein". Ausdrücklich heißt es, man müsse sich nicht nur gegen "Angriffe von ... außen", sondern auch gegen "Angriffe von innen" verteidigen.
"Wandel in Russland" als Priorität
Während der US-Tech-Konzern Google den deutschen Ableger von Russia Today von YouTube entfernt und damit dessen Reichweite in den deutschsprachigen Ländern spürbar reduziert, dringen Berliner Politikberater auf eine erneute Verschärfung des Konfrontationskurses gegenüber Moskau. So heißt es etwa in einer neuen Stellungnahme aus der DGAP, "Projekte zur ökonomischen und energiepolitischen Interdependenz mit Russland" - gemeint ist nicht zuletzt die Pipeline Nord Stream 2 - müssten umgehend "auf den Prüfstand gestellt werden". Notwendig seien "Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit im Rahmen von NATO und EU" sowie in die "gesellschaftliche Resilienz", außerdem ein entschlosseneres "Vorgehen gegen Feinde der Demokratie in Deutschland und der EU".[5] Darüber hinaus plädiert die DGAP, die äußere Einmischung in der Bundesrepublik entschieden ablehnt, für stärkere deutsche Einmischung in innere Angelegenheiten Russlands: So müsse "der gesellschaftliche Austausch und Wandel in Russland" zu einer "Priorität deutscher Außenpolitik" werden; es gelte "Projekte mit der wachsenden russischen Diaspora", darüber hinaus aber auch "Dialogprojekte in den Bereichen Kultur-, Jugendaustausch" mit Russland zu fördern. "Visaerleichterungen für die russische Gesellschaft" seien einzuführen. Die Maßnahmen sind geeignet, von außen neue Spannungen in Russland zu schüren.
Neue Sanktionen im Gespräch
Darüber hinaus zieht die EU eine erneute Ausweitung ihrer Sanktionen gegen Russland in Betracht. Wie es bereits Ende vergangener Woche in einer Erklärung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell hieß, machten "einige Mitgliedstaaten" eine russische Hackergruppe namens "Ghostwriter" für "bösartige Cyberaktivitäten" verantwortlich, die sich gegen "zahlreiche Parlamentsabgeordnete, Regierungsbeamte, Politiker sowie Journalisten und Personen aus der Zivilgesellschaft in der EU" gerichtet hätten.[6] Dabei handelt es sich um Cyberattacken, die bereits zuvor unter anderem in der Bundesrepublik gemeldet worden waren; ihretwegen hatte der Generalbundesanwalt bereits am 9. September ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.[7] Die EU werde sich in Kürze mit der Sache befassen und ziehe "weitere Schritte" in Betracht, kündigte Borrell an; dies geschehe, weil "Ghostwriter" in Brüssel mit dem russischen Militärgeheimdienst GRU in Verbindung gebracht werde. Borrells Äußerung wird, auch im Hinblick auf frühere Reaktionen der EU, als eine Drohung mit neuen Sanktionen gegen Russland oder auch gegen russische Regierungsmitarbeiter verstanden. Ein öffentlich nachvollziehbarer Beleg für die Anschuldigung, der GRU habe mit den Attacken zu tun, liegt - wie üblich - nicht vor; auch aus dem russischen Außenministerium heißt es, es seien "keine Beweise für eine Beteiligung" Russlands "vorgelegt" worden.[8]
"Fernerkundung samt Datenanalyse"
Unterdessen wird bekannt, dass die Bundeswehr einen Auftrag zur "Herstellung und Lieferung" hochauflösender Landkarten von Russland vergeben hat - "im Militärmaßstab".[9] Auf ihnen solle sich "mehr als nur Straßen, Wege und Häuser erkennen lassen", heißt es. Auftragnehmer ist demnach eine Arge VEHA GbR ("Arbeitsgemeinschaft Vektordatenerfassung Hohe Auflösung"), die von drei Lieferanten der Bundeswehr sowie anderer Streitkräfte gegründet worden ist: vom Dienstleister IABG, von der zum italienischen Rüstungskonzern Leonardo gehörenden GAF AG (München) und von der Airbus DS Geo (Immenstaad am Bodensee). Die drei Unternehmen sind "im Wachstumsmarkt Fernerkundung samt Datenanalyse" tätig.[10] Experten weisen darauf hin, dass der Bundeswehrauftrag nicht isoliert zu sehen ist: "Vielmehr gibt es ein Geodaten-Kooperationsnetzwerk (MGCP), bei dem sich 32 Länder mit dem Kern der Nato-Mitglieder wechselseitig mit Fotos und Karten versorgen." Die "Detailschärfe" betrage gewöhnlich "unter 50 Zentimeter bis maximal ein Meter pro Bildpunkt"; damit ließen sich "jeder etwas größere Baum" sowie "jedes Fahrzeug" erkennen - auch in Russland.
[1] Oliver Noyan: Nach Löschung von Russia Today droht Russland YouTube mit Gegenmaßnahmen. euractiv.de 30.09.2021.
[2] Moskau droht deutschen Medien in Russland. Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.09.2021.
[4] Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat: Verfassungsschutzbericht 2019. Berlin 2020.
[5] Stefan Meister: Pragmatische Russlandpolitik. DGAP Memo Nr. 04. September 2021.
[6] Declaration by the High Representative on behalf of the European Union on respect for the EU's democratic processes. consilium.europa.eu 24.09.2021.
[7], [8] EU wirft Russland gezielte Cyberangriffe vor. n-tv.de 24.09.2021.
[9], [10] Gerhard Hegmann: Verschlusssache Russland. Welt am Sonntag 26.09.2021.
strategic-culture.org, vom Dezember 11, 2019 (Hier automatisch übersetzte Version)
Am 3. Dezember NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kündigte an, dass die NATO die "sicherheitspolitischen Implikationen" des Aufstiegs Chinas zu einer "Militärmacht" angehen müsse, und bestand in wahrer Orwellscher Doppelzüngigkeitdarauf, dass er aus Peking keinen Gegner machen wolle, sondern daran interessiert sei, zu analysieren, wie man am besten auf die Herausforderungen reagiert, die China auf ausgewogene Weisedarstellt ... indem sie es als "Sicherheitsbedrohung" ankündigt.
Was sind diese Herausforderungen?
Dass China jetzt das zweitgrößte Verteidigungsbudget der Welt hat und über moderne Fähigkeiten wie Langstreckenraketen verfügt, die ganz Europa und die USA erreichen können. Dies allein ist offenbar Grund genug für Stoltenberg, öffentlich zu verkünden, dass die NATO dies als Herausforderung für die westliche "Sicherheit" angehen muss, anstatt tatsächlich diplomatische Gespräche mit China zu führen, um ihre Bedenken in dieser Angelegenheit zu lösen, wie es zivilisierte Menschen tun. Vergessen wir nicht, dass die amerikanische Marine ihre Präsenz in China seit einigen Jahren aktiv ausweitet, aber trotz dieser transparenten Feindseligkeit ist es China, das als "Sicherheitsbedrohung" gilt, weil es über ein kompetentes Verteidigungsbudget verfügt.
Aber wir wissen, dass dies nicht die ganze Geschichte ist.
Natürlich mag es kein Mobber, wenn sein Opfer plötzlich die Kunst der Selbstverteidigung erlernt, und wer wäre paranoider vor Aggression als diejenigen, die es seit Jahren an anderen praktizieren, nur um zunehmend den Spieß umgedreht zu finden.
Diese westliche Paranoia des kommunistischen Boogeyman hat ihre Wurzeln in Churchills Rede zum Eisernen Vorhang, die den Kalten Krieg einleitete.
Letzten Monat war der 30heit Jahrestag des Falls der Berliner Mauer und mit seiner Feier die Fortsetzung eines falschen Narrativs, nicht nur darüber, was den Kalten Krieg ausgelöst hatte, sondern vor allem, was der Welt versprochen und letztendlich geleugnet wurde, als ihnen gesagt wurde, dass der Kalte Krieg angeblich endlich vorbei sei.
In einem kürzlich veröffentlichten Artikel, On Churchill's 'Sinews of Peace',ging ich auf die drastische Veränderung der Geopolitik ein, die mit dem Tod von Franklin D. Roosevelt stattfand, der zusammen mit seinem Vizepräsidenten Henry Wallace eine antikoloniale Vision nach dem Zweiten Weltkrieg aufrechterhalten hatte, die als "Das Jahrhundert des gewöhnlichen Mannes" bekannt ist. Churchill war sehr abhängig von der amerikanischen Unterstützung, um das Frankenstein-Monster zu zerstören, das die Bank of England in Bedeutung gebracht hatte, und obwohl Churchill FDRs Vision verabscheute, war er nicht in einer Position, in der er ihr direkt widerstehen konnte und stattdessen große Kompromisse eingehen musste und oft, höchstwahrscheinlich mit dem Gedanken, dass dies alles vorübergehend sein würde ... und so war es auch.
Nach dem Tod von FDR im Jahr 1945 schuf die Rede des Eisernen Vorhangs kurz darauf eine bedrückende Spaltung in der ganzen Welt, von deren Auswirkungen wir immer noch taumeln.
Die Division des Kalten Krieges
Deutschland wurde nach dieser Karte von 1945 bis 1949 offiziell von der Sowjetunion, Großbritannien, den USA und Frankreich geteilt. Dies geschah, um sicherzustellen, dass Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg keine weiteren militärischen Aktionen versuchen würde. Es war Churchills Ankündigung des Eisernen Vorhangs im Jahr 1946, die die UdSSR zum Staatsfeind der freien Welt #1 machte, ohne einen bestimmten Grund dafür, was die Sowjets getan hatten, um diese Erklärung der Division des "Kalten Krieges" zu rechtfertigen. Diese Spaltung mit den Sowjets wurde im Mai 1949 formalisiert, als die britische, französische und amerikanische Zone zur Bundesrepublik Deutschland zusammengeschlossen wurden. Die Sowjets hatten keine andere Wahl, als im Oktober 1949 eine eigene deutsche Republik zu gründen; die Deutsche Demokratische Republik.
Trotz der Gründung dieser beiden deutschen Republiken blieben die britischen, französischen und amerikanischen Militärs bis zum 5. Mai 1955 in Westdeutschland und beendeten ihre fast 10-jährige Besatzung erst, nachdem Westdeutschland 1954 der NATO beigetreten war. Unter diesen Bedingungen wäre es Westdeutschland erlaubt, eine Streitmacht von bis zu einer halben Million Mann aufzubauen und die Waffenherstellung wieder aufzunehmen. Das Ende der alliierten Besetzung Westdeutschlands bedeutete eine vollständige Anerkennung der Republik als Mitglied des westlichen Bündnisses gegen die Sowjetunion.
Es sollte offensichtlich sein, dass solche Manöver gegenüber der UdSSR nicht nur eine feindselige Haltung zeigten, sondern auch eine immer aggressivere Militärdoktrin, die sich auf einen Krieg vorbereitete.
Obwohl Westdeutschland an der kurzen Leine "Unabhängigkeit" erhielt, verließ die alliierte Präsenz West-Berlin bis mindestens 1990 nie. Berlin als Hauptstadt Deutschlands hatte eine große strategische Bedeutung und wurde zu einer Art Schlachtfeld für die Sammlung von Informationen und Spionage. Berlin war nach dem Zweiten Weltkrieg in zwei Teile geteilt worden, und das von den Alliierten besetzte West-Berlin wurde nicht nur zu einem Symbol der "Freiheit" als Reaktion auf die "Tyrannei" der Sowjets, sondern war auch eine wichtige Festung, die es im Kalten Krieg zu halten galt, da es sich mitten in sowjetisch gehaltenem Gebiet befand.
Die Blockade von Straßen und Eisenbahnlinien nach Westdeutschland durch die Sowjets in den Jahren 1948-1949 und der spätere Bau der Berliner Mauer im Jahr 1961 waren schreckliche Entscheidungen der UdSSR, sollten aber in dem Zusammenhang gemessen werden, dass solche Reaktionen in erster Linie durch eine eskalierende westliche militärische Aggression gegen sie ausgelöst wurden.
West-Berlin war von einer Mauer umgeben, die sich auf 140 km erstreckte, 11,8 Fuß hoch war, größtenteils elektrifiziert war und über 116 Wachtürme und über 14.000 Wachen und Hunde verfügte. Es würde Berlin für 28 Jahre spalten.
Dies war in der Tat eine sehr schreckliche Zeit nicht nur für die Menschen in Berlin, sondern für einen Großteil der Welt. Das Denken des Kalten Krieges hatte die Rechtfertigung der spanischen Inquisitions-ähnlichen Roten Angst ermöglicht, die in den Vereinigten Staaten und anderswo auftrat, wo Amerikaner, die sich weigerten, der sehr engen Linie dessen zu folgen, was im Neusprech der freien Welt als akzeptabel angesehen wurde, jederzeit mit einer gerichtlichen Inquisition über sie konfrontiert werden konnten. ähnlich wie ein Gedankenverbrechen begangen zu haben.
Schulen und Arbeitsplätze wurden regelmäßig übungen unterzogen, wie sie reagieren sollten, wenn die Sowjets eine Atombombe gegen Amerika abwerfen würden. Solche Taktiken wurden verwendet, um das amerikanische Volk in einen anhaltenden Angstzustand zu versetzen, und so wurden die ehemaligen Verbündeten, die in ihrer wesentlichen Rolle im Kampf gegen den Faschismus bei weitem die größte Zahl von Todesopfern im Zweiten Weltkrieg hatten, schnell in eine schreckliche Rasse von Boogeymen verwandelt, die scheinbar keinen Sinn für "Menschlichkeit" oder "Moral" hatten.
Als kurze Randnotiz möchte ich die Aufmerksamkeit auf den Elbtag am 25. April 1945 lenken, der den Tag markierte, an dem sich die amerikanischen und sowjetischen Streitkräfte gegen Ende des Krieges zum ersten Mal trafen. Es gab eine sehr starke Kameradschaft, und diese Männer würden für immer vereint sein, da sie gemeinsam die Brutalität und Not eines hart gewonnenen Krieges erlebten.
Daher waren amerikanische und russische Soldaten bis zur Rede Churchills zum Eisernen Vorhang, bei der eine Teilung zwischen den beiden gewaltsam auferlegt werden sollte, immer Waffenkameraden gewesen.
Chinas unsichtbare Rolle
Chinas Beteiligung am Ersten und Zweiten Weltkrieg wird heute zu oft vergessen. Was auch vergessen wird, ist, dass der Eiserne Vorhang auch gegen ihr Land gerichtet war, und das Ausmaß des extremen Verrats, der gegen sie stattfand, entsprach dem der Sowjetunion. Erinnern Sie sich daran, dass unter der Nachkriegsvision von FDR sowohl Russland als auch China neben den USA und Großbritannien gleichberechtigte Partner bei der Gestaltung einer multipolaren Weltordnung sein sollten.
Als der Erste Weltkrieg begonnen hatte, bot China seine militärische Unterstützung für die Sache der Alliierten an. Japan war bereits Mitglied der alliierten Streitkräfte geworden, und es wurde anerkannt, dass ihre Beziehungen zu China nicht zu "freundlichen" Bedingungen waren, insbesondere seit dem Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg im Jahr 1895. Chinas Verlust in diesem Krieg ermöglichte eine Reihe von Abhandlungen, die Teile Chinas auf mehrere Nationen aufteilten. Eine besondere Region, die China sehr zurückwürgt, war Shandong, das für das chinesische Volk als heiliges Land galt, da es nicht nur der Geburtsort von Konfuzius war, sondern auch die Heimat des alten Staates Qin, dem letzten Königreich, das von Qin Shi Huang erobert wurde, der sich 219 v. Chr. zum ersten Kaiser Chinas erklärte.C Japan war zu dieser Zeit im Besitz dieser Region.
Japan wurde gefragt, ob China "erlaubt" werden könne, militärische Unterstützung für die alliierte Sache beizutragen, was Japan ablehnte, da dies China eine gleichberechtigtere Basis mit seinen Beziehungen zum Westen geben würde. Trotz dieser Weigerung bot China an, die Alliierten als Arbeiter zu unterstützen. Ab 1916 begann China, Tausende von Männern nach Großbritannien, Frankreich und Russland zu verschiffen, die panzer reparieren, Granaten montieren, Vorräte und Munition transportieren sollten. Da China offiziell neutral war, wurden kommerzielle Unternehmen gegründet, um die Arbeitskräfte bereitzustellen.
Nach einem Jahr der Bereitstellung von Arbeitskräften blieb der chinesische Beitrag diplomatisch weitgehend unerkannt. Am Ende des Krieges würden chinesische Arbeiter als das größte und am längsten dienende außereuropäische Kontingent im Ersten Weltkrieg eingestuft werden.
Am Ende des Krieges überten die Westmächte schließlich das Shandong-Territorium im Versailler Vertrag an Japan. China war verständlicherweise verärgert und weigerte sich, den Vertrag zu unterzeichnen. Der Versailler Vertrag wurde zu einem klaren Zeichen für die Chinesen, dass sie den europäischen Nationen nicht vertrauen konnten, Chinas Wohlergehen zu unterstützen, und dass China anderswo nach Unterstützung suchen musste, um voranzukommen. [Amerika intervenierte schließlich bei dieser Entscheidung und vergab das Gebiet 1922 an China.]
Ein weiterer Schlag wäre Chinas Gewinn von nur zwei Sitzen bei der Pariser Friedenskonferenz, im Vergleich zu Japans fünf Sitzen, der Grund, warum China weniger Sitze hatte, war, weil sie keine militärische Rolle im Krieg spielten - eine Rolle, die ihnen verboten war.
Als der Zweite Weltkrieg begann und Japan sich auf die Seite des Faschismus stellte, stellte China seine Streitkräfte auf der Seite der Alliierten. China hatte die zweithöchste Zahl von Todesopfern im Zweiten Weltkrieg nach der Sowjetunion. Wenn Sie sich jedoch die oben dargestellte Grafik genauer ansehen, ist die Zahl der zivilen Todesfälle viel höher als die der militärischen Todesfälle (um etwa 12 Millionen). Das liegt daran, dass die japanischen Faschisten Völkermord am chinesischen Volk begangen haben. Das berüchtigtste ist das Nanking-Massaker, das nicht nur eine grausam hohe Zahl von Todesopfern hatte, sondern auch für seine schreckliche Folter und Massenvergewaltigung des chinesischen Volkes berüchtigt wurde. Während dieser ethnischen Säuberung durch die japanischen Faschisten während des gesamten Zweiten Weltkriegs (der sich mit dem zweiten chinesisch-japanischen Krieg überschnitt) wurden Massengräber ausgegraben und Millionen von Chinesen wurden aufgefordert, hinein zu treten, bevor sie erschossen wurden. Der jüdische Holocaust gilt als eines der schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der jüngeren Geschichte. Der Erinnerung an den Massenvölkermord, der im selben Zeitraum am chinesischen Volk begangen wurde, wird jedoch nicht viel gegeben.
Trotz ihrer großen Opfer wurden sowohl die UdSSR als auch China weniger als ein Jahr nach dem Krieg als das neue Gesicht von Anarchie und Barbarei bezeichnet, nicht durch ihre Handlungen, sondern einfach, weil Churchill und das britische Empire es so entschieden hatten.
Die leeren Versprechungen einer Welt nach dem Kalten Krieg
Am 9. Novemberheit, 1989 fiel die Berliner Mauer und das Ende des Kalten Krieges folgte schnell... oder zumindest ist es das, was uns gesagt wird.
Die UdSSR stimmte der Zerstörung der Berliner Mauer ausdrücklich auf der Grundlage zu, dass die Westmächte zustimmen würden, die Kriegsausfliege abzubauen und dass die NATO aufhören würde, ihre Militärbasen weiter auszubauen. Viele der Bedingungen dieser Abkommen wurden im Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa festgelegt. Dieser Vertrag, der die Auflösung des Paradigmas des Kalten Krieges versprach, wurde jedoch letztendlich von der NATO gebrochen, wobei Russland seine Teilnahme 2007 aussetzte und 2015 schließlich seine Teilnahme an dem Vertrag zurückzog, da die NATO nicht die Absicht hatte, ihn zu respektieren. Seit dem angeblichen Ende des Kalten Krieges hat die NATO ihre Expansion nur fortgesetzt und die Spannungen in Richtung eines endgültigen Konflikts mit Russland erhöht.
2007 hielt Präsident Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine inzwischen berühmte Rede. In dieser Rede diskutierte er den Trugschluss einer unipolaren Weltordnung, die sich die NATO vorstellt, und dass es in diesem Stadium der Geschichte nur eine multipolare Welt geben kann:
Dieser universelle, unteilbare Charakter der Sicherheit drückt sich als Grundprinzip aus, dass "Sicherheit für einen Sicherheit für alle ist". Wie Franklin D. Roosevelt in den ersten Tagen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs sagte: "Wenn der Frieden irgendwo gebrochen wurde, ist der Frieden aller Länder überall in Gefahr."
Ich halte das unipolare Modell in der heutigen Welt nicht nur für inakzeptabel, sondern auch für unmöglich. Und das liegt nicht nur daran, dass die militärischen, politischen und wirtschaftlichen Ressourcen nicht ausreichen würden, wenn es in der heutigen – und gerade in der heutigen – Welt eine individuelle Führung gäbe. Noch wichtiger ist, dass das Modell selbst fehlerhaft ist, weil es an seiner Grundlage moralische Grundlagen für die moderne Zivilisation gibt und geben kann."
Wo stehen wir jetzt?
Wir müssen erwachsen werden und schnell erwachsen werden. Wir können es uns nicht leisten, uns von kindlichen Geschichten des Boogeyman leiten zu lassen und so leicht von Angst regiert zu werden.
Es ist an der Zeit, dass wir, der Westen, unsere Fehler und Heuchelei erkennen. Die westliche Hegemonie über die Welt geht zu Ende und wir sollten uns für unsere Brüder und Schwestern freuen, die eine neue Hoffnung auf ein besseres Leben haben, vor allem von der Neuen Seidenstraße. Wir haben keinen Platz, um ihren Aufstieg als Bedrohung der westlichen Stabilität zu verurteilen. Die westlichen Mächte haben sich schuldig gemacht, das Vertrauen zu den Russen und Chinesen immer wieder gebrochen zu haben. Wir müssen diese monströse Unfähigkeit korrigieren, um in der Lage zu sein, denen außerhalb der westlichen Sphäre zu vertrauen und sie zu lieben. Diese Kulturen, von denen einige vor nicht allzu langer Zeit von uns als rückständig betrachtet wurden, sind gewachsen und haben sich so kultiviert, dass wir heute neben ihnen sehr klein aussehen. Wir sind zur rückständigen Kultur geworden. Wir sind zu der barbarischen Kultur geworden, die nur krieg kennt und ein Ungläubige an den Frieden ist. Wir, die wir privilegiert genug sind, seit fast einem Jahrhundert nie einen Krieg in unseren Heimatländern erlebt zu haben, sind diejenigen, die ihn für andere als notwendig dulden. Was für ein hässlicher Glaube das ist. Es ist an der Zeit, dass der Westen und seine Menschen die Demut haben, zuzugeben, dass sie etwas vom Rest der Welt lernen können. Nur dann kann es einen echten Dialog zwischen den Zivilisationen über das gemeinsame Ziel des Friedens geben.
FDP und Grüne haben sich überraschend schon zu Gesprächen getroffen – Wo es bei den Verhandlungen schwierig wird
handelsblatt.com, vom 29.09.2021 - 06:30 Uhr 7 Kommentare
Bevor sich entscheidet, ob die SPD oder die Union den Kanzler stellt, wollen die kleineren Parteien sich auf eine Linie einigen. Das dürfte nicht so leicht werden.
Zitat: Berlin Erst der Wahlsieger, dann der Rest. Die Reihenfolge bei Sondierungsgesprächen stand wie ein ungeschriebenes Gesetz über Jahrzehnte fest. Die Partei, für die das Kanzleramt am aussichtsreichsten ist, lädt ein. Doch diesmal ist alles anders. Mit Grünen und FDP starten die Dritt- und Viertplatzierten der Bundestagswahl in Gespräche.
Bislang hieß es, dass die Vertreter sich an diesem Mittwoch zusammensetzen würden, tatsächlich haben die Gespräche der Parteispitzen bereits begonnen. An einem ersten Treffen für sogenannte Vorsondierungen waren am Dienstag für die Christian Lindner und Volker Wissing für die FDP beteiligt, für die Grünen die beiden Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock.
Ein Bild auf den Instagram-Accounts der Beteiligten zeigte die vier Spitzenpolitiker bei dem Treffen. „Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und finden sogar welche. Spannende Zeiten“, hieß es dazu.
Ziel ist es zunächst, Vertrauen aufzubauen und gemeinsam Lösungen für Probleme zu finden, sagte der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter am Dienstag in Berlin. FDP-Chef Lindner wirbt seit dem Wahlabend für dieses Vorgehen. Es sei sinnvoll, „dass diese beiden Parteien zuerst miteinander das Gespräch suchen, um zu prüfen, ob daraus bei allen Unterschieden ein fortschrittliches Zentrum einer neuen Koalition werden könnte“.
Erinnerungen an die schwierigen Jamaika-Sondierungsgespräche nach der Bundestagswahl 2017 werden wach, die die Liberalen schlussendlich verließen. Das wollen sowohl Grüne als auch FDP dieses Mal unbedingt verhindern – und deswegen schon vor den Gesprächen mit Union und SPD Gegensätze ausräumen, Schnittmengen identifizieren und so gemeinsame Positionen erarbeiten.
Dafür sollen zügig die Unterhändler der einzelnen Fachthemen für Verhandlungen zusammenkommen. Offen ist dabei noch, wer teilnimmt, welche Themen im Fokus stehen und wie lange die Gespräche dauern werden. Klar ist nur: Es gibt einiges zu besprechen. „Zwischen Grünen und FDP gibt es extreme Unterschiede – insbesondere in der Wirtschaftspolitik“, sagt Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW).
Klimaschutz
Schon vor der Wahl zeigte sich, dass beim Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft Grüne und FDP zumindest ein ideologischer Graben trennt. Als Baerbock in einem TV-Triell von Verboten als Innovationstreiber sprach, dürfte der gemeine FDPler vor dem Fernseher hochgeschreckt sein. Für die Liberalen ist klar: Für mehr Klimaschutz muss der Staat zwar mehr eingreifen – aber mithilfe des CO2-Zertifikatehandels durch einen marktwirtschaftlichen Mechanismus.
Die Grünen hingegen setzen auch auf den Zertifikatehandel, vor allem aber auf Subventionen und Verbote. Auf den Autobahnen soll ein Tempolimit gelten, für Dächer müsse es eine Solarpflicht geben. Wie sollen diese Extrempositionen überbrückt werden?
IfW-Präsident Felbermayr hält ausgerechnet die Grünen für den flexiblen Akteur bei ihrem Kernthema. „Beim Klimaschutz traue ich den Grünen zu, dass sie mit marktwirtschaftlichen Mechanismen zufriedenzustellen sind“, sagt er. Natürlich favorisiere die Partei eine Verbotspolitik. „Aber die CO2-Bepreisung ist letztendlich das stärkste Verbot: Wer kein Zertifikat hat, darf nichts ausstoßen“, meint Felbermayr.
Für weniger Konfliktpotenzial unter den potenziellen Partnern dürfte die Forderung der Grünen sorgen, den Kohleausstieg von 2038 auf 2030 vorzuziehen. Die FDP will den Kompromiss der Kohlekommission zwar eigentlich nicht wieder aufschnüren. Aber es gilt als wahrscheinlich, dass sich das mit der Kohle auch ohne den Gesetzgeber schon 2030 erledigt hat.
Das ergibt sich schon aus den Zielen des Klimaschutzgesetzes, außerdem machen es die CO2-Preise für die Betreiber ohnehin unattraktiv, länger am Netz zu bleiben. Ein früherer Ausstieg würde sich für die FDP also einigermaßen gut kommunizieren lassen, getreu dem Motto ‚der Markt hätte es auch so gewollt‘.
Seltene Einigkeit herrscht zwischen den Parteien darüber, dass es eine Wasserstoffstrategie brauche. Lamia Messari-Becker, Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Universität Siegen, sieht das als Möglichkeit für Kompromisse auch in anderen Bereichen: „Wo sinnvoll und speicherfähig, können auch Bauvorgaben wie ein Photovoltaik-Dach Teil einer Wasserstoffstrategie sein.“
Schuldenbremse
Ähnlich wichtig wie die Debatte um die Klimamaßnahmen dürfte die Frage sein, wie sie finanziert werden sollen und was das für die Schuldenbremse bedeutet. Grüne und FDP sind sich einig, dass es Investitionen für die grüne Transformation braucht – nur über den Weg dorthin nicht. Die Grünen wollen in die Schuldenbremse eine Investitionsregel verankern. Die FDP will das Konzept hingegen nicht antasten. Parteichef Lindner hat stattdessen ein Instrument für Investitionen neben der Schuldenbremse ins Spiel gebracht.
Das könnte man den Grünen aber schmackhaft machen. Denn ihre Idee dürfte ohnehin nicht durchsetzbar sein. Die Schuldenbremse ist verfassungsmäßig verankert, eine Änderung braucht im Bundestag also eine Zweidrittelmehrheit. Die ist aber in weiter Ferne.
Also ein Instrument außerhalb der Schuldenbremse: Ein Konzept dafür liegt auf dem Tisch und hört auf den Namen Sondervermögen. Dabei kann der Bundestag mit einfacher Mehrheit für bestimmte Bereiche Investitionen auf den Weg bringen, die nicht auf die Rechnung der Schuldenbremse einzahlen.
Die Crux: Das Schaffen von Sondervermögen außerhalb der Schuldenbremse ist an strenge Regularien geknüpft. So gibt es bereits das Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ – das allerdings unter die Schuldenbremse fällt. „Bei einer anderen Gestaltung müssten Schuldenbremsen-Befürworter schon eine Kröte schlucken“, sagt der Ökonom Jens Boysen-Hogrefe. Die Einigungslinie für Grün-Gelb müsste also lauten: Die FDP darf die Schuldenbremse behalten, muss sie allerdings grün einschränken.
Eng damit verbunden ist die Debatte um ein weiteres Kernthema der FDP: Steuersenkungen. Allerdings scheint ein Kompromiss in Sicht. Lindner hat bereits angedeutet, dass auch ein Programm für schnellere Abschreibungen als Vehikel für Entlastungen annehmbar sein könnte.
Mieten und Bauen
In der Wohnungs- und Baupolitik überwiegen die Differenzen zwischen Grünen und FDP deutlich. Vor allem in der Mietenpolitik gibt es große Unterschiede. Während die Grünen gern weitere Mietenregulierungen durchsetzen würden, wollen die Liberalen davon nichts wissen.
Beide Parteien treten zudem für mehr Wohneigentum ein und wollen den Kauf von Wohnraum erleichtern. So plädieren die Grünen etwa für eine niedrigere Grunderwerbsteuer für Privatpersonen. Die FDP wird bereits konkreter: Sie will bei der Grunderwerbsteuer einen Freibetrag von bis zu 500.000 Euro für natürliche Personen einführen. Dieser Freibetrag soll wiederauffüllbar sein, damit er bei einem Verkauf für einen neuen Erwerb wieder zur Verfügung steht.
Gesundheit/Pflege
Grüne und FDP haben viele Schnittmengen, aber auch teils völlig gegensätzliche gesundheitspolitische Forderungen, die eine Einigung erschweren dürften. Die größte Hürde ist die Finanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Einig sind sich beide Parteien zumindest darin, dass die neue Regierung nicht drum herumkommen wird, die Finanzierung des Gesundheitswesens zu reformieren. Der Weg dahin unterscheidet sich aber.
Während die Grünen die Systemfrage stellen und auf lange Sicht eine Bürgerversicherung umsetzen wollen, bauen die Liberalen weiterhin auf die gesetzliche und private Krankenversicherung. Sie fordern mehr Wettbewerb zwischen den Kassen und wollen den Wechsel zwischen ihnen erleichtern.
Um die Pflegeversicherung zu stärken, fordert die FDP ein Drei-Säulen-Modell aus betrieblicher und privater Vorsorge sowie den bestehenden Umlageverfahren. Die Grünen wollen hingegen auch hier alle Versicherten in eine Bürgerversicherung einzahlen lassen.
Denkbar ist, dass die Unterhändler vor allem den Punkt Bürgerversicherung bis zu den Verhandlungen mit SPD und Union ausklammern. Die SPD ist dafür, die Union dagegen. Denkbar ist auch, dass Grüne und FDP ihren Konflikt zugunsten einer anderen Forderung aufgeben – die Bürgerversicherung werde nicht „kriegsentscheidend“ sein, heißt es. Stattdessen könnte man sich auf kurzfristigere Maßnahmen einigen, etwa einen erhöhten Steuerzuschuss für die gesetzlichen Krankenversicherungen.
Denn neben den Gegensätzen finden sich bei Grünen und den Liberalen viele Schnittmengen, die auf die von beiden Seiten als übergreifende Klammer geforderte „große Erzählung“ einzahlen würden. Beide eint das Ziel, die ambulante und stationäre Versorgung grundsätzlich zu modernisieren. Das teils schlechte medizinische Angebot in ländlichen Regionen und ein Missverhältnis der Zahl der Krankenhäuser und deren Qualität sind nur einige Probleme, die beide Parteien angehen wollen.
Sowohl Grüne als auch FDP kritisieren in ihren Wahlprogrammen die Krankennaus-Fallpauschale, die Fehlanreize setze. Die Grünen wollen Krankenhäuser stärker nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag durch eine Vorhaltepauschale für bestimmte Einrichtungen wie eine Notfallambulanz oder eine Geburtsstation finanzieren. Die FDP hingegen fordert, bei der Vergütung stärker die Qualität miteinzubeziehen.
Überschneidungen gibt es auch beim Punkt Digitalisierung, die beide Parteien stärker vorantreiben wollen.
FDP und Grüne wollen etwa mit Robotik und Telemedizin den Pflegeberuf attraktiver machen und die elektronische Patientenakte weiter ausbauen. Beide Parteien wären sich auch schnell in der Drogenpolitik einig, insbesondere bei der Legalisierung von Cannabis. Ein Randthema zwar, das allerdings große Signalwirkung haben könnte.
Ein grün-gelbes Bündnis verbindet auch die gemeinsame Forderung, die epidemische Notlage sofort aufzuheben - und, den Arzneimittelstandort Deutschland zu stärken. Insgesamt überwiegen die Schnittmengen, wodurch die Gesundheits- und Pflegepolitik zu einem wichtigen Anker eines grün-gelben Bündnisses werden könnte.
Kommentar: Gemeinsame bzw. unterschiedliche Standpunkte zu sicherheitspolititischen Fragen scheinen bei den bisherigen Sondierungsgeprächen keine Rolle zu spielen. Thomas Bauer
30.09.2021
Die Versorgungskrise am Horizont Experten warnen, eine Versorungskrise wie in Großbritannien drohe wegen Lkw-Fahrermangels auch Deutschland und der EU. Grund sind Dumpinglöhne und miserable Arbeitsbedingungen.
german-foreign-policy.com, 30. Sept. 2021
BERLIN/LONDON(Eigener Bericht) - Eine Versorgungskrise wie aktuell in Großbritannien droht wegen des kontinuierlich zunehmenden Mangels an Lkw-Fahrern auch Deutschland und der EU. Das besagen Einschätzungen von Branchenexperten. Im Vereinigten Königreich waren nach ersten Schwierigkeiten bei der Belieferung von Supermärkten nun am vergangenen Wochenende die Benzinvorräte von wohl zwei Dritteln aller Tankstellen zur Neige gegangen; trotz erster Anzeichen einer Erholung dauert der Mangel an. Experten weisen darauf hin, dass in der Bundesrepublik fast ebensoviele Lkw-Fahrer fehlen wie in Großbritannien - und es werden mehr. Das ist auch in den Ländern Ost- und Südosteuropas der Fall, die einen beträchtlichen Teil des Lkw-Frachtverkehrs in der EU abdecken. Ursache des Fahrermangels sind - wie in Großbritannien - Dumpinglöhne und miserable Arbeitsbedingungen, mit denen in der EU allgemein meist Arbeitskräfte aus Europas östlicher und südöstlicher Peripherie abgefunden werden. Philippinische Lkw-Fahrer werden mit der Aussage zitiert, sie hätten in Saudi-Arabien bessere Arbeitsbedingungen vorgefunden als in Europa.
Zitat:
Kein Nachschub aus Osteuropa mehr
In Großbritannien führt der Mangel an Lkw-Fahrern, der bereits seit geraumer Zeit für Probleme sorgt, seit dem vergangenen Wochenende zu großen Schwierigkeiten in der Benzinversorgung. Ausfälle bei der Belieferung zunächst nur weniger Tankstellen hatten gegen Ende vergangener Woche eine Welle an Panikkäufen ausgelöst, wodurch rund zwei Dritteln der Tankstellen der Treibstoff ausging und sich vor den anderen extreme Schlangen bildeten. Branchenexperten sagen für die kommenden Tage eine erste Entspannung voraus.[1] Bestehen bleibt jedoch der Mangel an Lkw-Fahrern, der auf rund 100.000 Personen geschätzt wird und nicht nur die Belieferung von Tankstellen und von Supermärkten, sondern auch der Industrie betrifft. Zum Teil ist er durch die Covid-19-Pandemie bedingt; 2020 konnten aufgrund der Lockdowns 25.000 Lkw-Fahrprüfungen weniger abgelegt werden als 2019.[2] Die Hauptursache sind allerdings die miserablen Arbeitsbedingungen, die vor allem Jüngere abschrecken; das Durchschnittsalter wird mittlerweile mit 55 Jahren angegeben. Nicht zuletzt wirkt sich auch der Brexit aus: Ende März waren im Vereinigten Königreich gut 16.000 Lkw-Fahrer aus der EU weniger registriert als ein Jahr zuvor. Die bis zum EU-Austritt vorhandene Option, Nachschub aus Ost- und Südosteuropa anzuwerben, entfällt.
"Lkw als Wohnort"
Ein rasch zunehmender Mangel an Lkw-Fahrern besteht auch in Deutschland und anderen Staaten der EU. Für Deutschland berichten Branchenverbände von einer Personallücke, die sich auf 60.000 bis 80.000 Fahrer beläuft. Für Polen ist von bis zu 120.000 die Rede. Zu den Ursachen trägt in der Bundesrepublik laut Berichten in gewissem Umfang die Aussetzung der Wehrpflicht bei: Die Bundeswehr, heißt es, bilde mit 10.000 Lkw-Fahrern im Jahr nur noch halb so viele aus wie zuvor.[3] Als Haupthindernis beim Anwerben neuer Fahrer gelten allerdings auch in Deutschland die niedrigen Löhne sowie die miserablen Arbeitsbedingungen. So sind Lkw-Fahrer in der Praxis oft mehrere Monate lang von ihren Familien getrennt, müssen zahlreiche Überstunden machen und in ihren Fahrerkabinen übernachten: "Lkw als Wohnort, Autobahnraststätten als Zuhause", hieß es vor kurzem in einem Bericht.[4] Hinzu kommen oft starker Pünktlichkeitsdruck, gesetzeswidrige Ausbeutungspraktiken der Speditionen sowie unzulängliche gesetzliche Rahmenbedingungen bei einer gleichzeitig eher rudimentären Durchsetzung geltender Gesetze mittels Kontrollen; überlange Arbeitszeiten etwa werden, wie berichtet wird, immer noch häufig durch gezielte Manipulationen an den Tachometern verschleiert und allzu oft nicht aufgedeckt.
Dumpinglöhne als Kostenvorteil
Möglich ist die Aufrechterhaltung von Dumpinglöhnen und miserablen Arbeitsbedingungen dank der EU. Die Voraussetzungen dafür schafft das kaum veränderte Wohlstandsgefälle in der Union in Verbindung mit dem Binnenmarkt und der Arbeitnehmerfreizügigkeit. So greifen Konzerne aus Deutschland in steigendem Maß auf Dienstleistungen von Lkw-Firmen mit Sitz in Ost- und Südosteuropa zurück, weil dort die Löhne und die Lohnnebenkosten erheblich niedriger sind; auch westeuropäische Speditionen haben Ableger in den östlichen und südöstlichen EU-Mitgliedstaaten gegründet. Eine im Auftrag der EU erstellte Studie beziffert den "Kostenvorteil" dort ansässiger Fahrer auf "mehr als 170 Prozent".[5] Laut der Untersuchung wird der internationale Lkw-Frachtverkehr in der EU - grenzüberschreitender Frachtverkehr sowie Transporte, die innerhalb eines Landes von Lkw aus einem anderen Land abgewickelt werden - mittlerweile zu 62 Prozent mit Fahrzeugen durchgeführt, die in Ost- oder Südosteuropa registriert sind. Polen hält mit rund 33 Prozent mit Abstand die Spitzenstellung; Litauen und Rumänien kommen mit rund 6 Prozent auf einen Marktanteil, der ebenso hoch ist wie derjenige Deutschlands.[6] Hinzu kommt, dass auch bei Lkw, die in der Bundesrepublik zugelassen sind, der Anteil der Fahrer aus anderen europäischen Staaten steigt - von kaum 7 Prozent im Jahr 2012 auf fast 20 Prozent im Jahr 2020.[7]
Auf Niedriglohn gebaut
Die systematische Ausbeutung ost- und südosteuropäischer Lkw-Fahrer gelingt auch deswegen, weil es mehreren Staaten der Region gelungen ist, den Frachtverkehr auf der Straße zu einer Säule ihrer Wirtschaft auszubauen. In Polen etwa trug das Speditionsgewerbe im Jahr 2018 bereits rund 6,5 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei.[8] Transportdienste bedienen dabei auch die Kfz-Branche inklusive Zulieferer, die ihren Ausstoß - gemessen am Wert - seit dem polnischen EU-Beitritt im Jahr 2004 um 127 Prozent auf 27,85 Milliarden Euro (2019) steigern konnte und nun zweitgrößter Sektor der verarbeitenden Industrie in Polen ist; die Branche, die von deutschen Konzernen wie Volkswagen dominiert wird, ist auf Lkw-Transporte zwingend angewiesen.[9] Ähnlich verhält es sich in Ungarn, einem der bedeutendsten Auslandsstandorte der deutschen Kfz-Industrie, der inzwischen 4 Prozent des gesamten internationalen Lkw-Frachtverkehrs in der EU abwickelt.[10] Die weitreichende Festlegung der Länder Ost- und Südosteuropas auf wirtschaftlich abhängige Tätigkeiten mit oft schlechter Entlohnung und miserablen Arbeitsbedingungen führt zuweilen zu Exzessen, die öffentliche Aufmerksamkeit erregen. Das gilt nicht nur für die Situation von Lkw-Fahrern aus Ost- und Südosteuropa, sondern auch für ost- und südosteuropäische Arbeitskräfte in der deutschen Landwirtschaft, in deutschen Schlachtbetrieben und in der deutschen 24-Stunden-Pflege (german-foreign-policy.com berichtete [11]).
"Sehenden Auges in den Verkehrskollaps"
Allerdings zeigt der Mangel an Lkw-Fahrern auch in Deutschland und Polen, dass das System an seine Grenzen stößt. Insbesondere polnische Speditionen haben längst begonnen, Fahrer aus Ländern östlich der EU zu rekrutieren; nach etwas mehr als 20.000 im Jahr 2015 lag ihre Zahl im Jahr 2017 bereits über 65.000.[12] Angeworben werden Fahrer längst nicht mehr nur aus der Ukraine und Moldawien, sondern auch aus Belarus oder aus Kasachstan, zuweilen sogar aus den Philippinen. Dennoch lässt sich der Bedarf unter den Bedingungen von Dumpinglöhnen und miserablen Arbeitsbedingungen nicht mehr decken. Das liegt womöglich auch daran, dass die Bedingungen anderswo besser sind als in der EU: Philippinische Fahrer beispielsweise berichten, sie seien in Saudi-Arabien besser behandelt worden als in Europa.[13] Mit Blick auf den Lkw-Fahrermangel auch in Deutschland urteilt der Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, Dirk Engelhardt, mutmaßlich werde "in Westeuropa die gleiche Situation" eintreten wie zur Zeit in Großbritannien, "nur etwas zeitversetzt": "Wir warnen davor, dass wir auch in Westeuropa sehenden Auges in einen Versorgungskollaps laufen."[14]
In der Übergangskrise
Großbritannien, das seinerseits Niedriglohnpersonal traditionell stark aus seinen früheren Kolonien rekrutiert, hat mit dem Austritt aus der EU auch Abschied vom Niedriglohnimport aus Ost- und Südosteuropa genommen. Es steckt nun in einer Übergangskrise, von der noch nicht klar ist, wohin sie führt. Bereits im Sommer wurde berichtet, erste Unternehmen böten Lkw-Fahrern deutliche Lohnerhöhungen an.[15] Jetzt dringt auch die Regierung darauf, den Fahrern "mehr zu zahlen, statt den Markt nur mit billiger Arbeit zu überfluten"; sie gerät dadurch in Konflikt mit der auf Lkw-Transporte angewiesenen Industrie.[16] Die Auseinandersetzungen dauern an.
[1] George Bowden: Petrol supply: Army will be delivering fuel in days - Kwarteng. bbc.co.uk 29.09.2021.
[2] How serious is the shortage of lorry drivers? bbc.co.uk 28.09.2021.
[3] Eva Fischer: Versorgungsengpass droht. Allein in Deutschland fehlen derzeit 60.000 bis 80.000 Lkw-Fahrer. handelsblatt.com 22.09.2021.
[4] Gerhard Schröder: Lange Fahrten für wenig Geld. deutschlandfunkkultur.de 14.09.2021.
[5] Regina Weinrich: Kostenvorteil bei über 170 Prozent. eurotransport.de 02.03.2021.
[6] Assessment of the impact of a provision in the context of the revision of Regulation (EC) No 1071/2009 and Regulation (EC) No 1072/2009. Final Report. February 2021.
[7] Deutsche Verkehrs-Zeitung: Fahrerlöhnereport 2020.
[8] Reinhard Lauterbach: Totenschiffe auf der Straße. junge Welt 06.10.2018.
Soros und China: Das Vokabular der neoliberalen Diplomatie im heutigen neuen Kalten Krieg von Michael Hudson
akf-europa.org, 29. September 2021,
Zitat: Herr Soros hat einen öffentlichen Wutanfall bekommen, weil er mit China nicht so viel Geld verdienen kann, wie er es bei der Zerschlagung und Privatisierung der Sowjetunion tun konnte. Am 7. September 2021 brachte George Soros in seinem zweiten Mainstream-Leitartikel innerhalb einer Woche sein Entsetzen über die Empfehlung von BlackRock, dem größten Vermögensverwalter der Welt, zum Ausdruck, Finanzmanager sollten ihre Investitionen in China verdreifachen. Mit der Behauptung, dass solche Investitionen die nationale Sicherheit der USA gefährden würden, weil sie China helfen, verstärkte Soros seine Befürwortung von Finanz- und Handelssanktionen durch die USA.
Chinas Politik, die Märkte so zu gestalten, dass sie den allgemeinen Wohlstand fördern, anstatt den wirtschaftlichen Überschuss in den Händen von Unternehmen und ausländischen Investoren zu konzentrieren, sei eine existenzielle Bedrohung für die neoliberalen Prioritäten der USA, erklärt er. Präsident Xis Programm “Allgemeiner Wohlstand” “zielt darauf ab, die Ungleichheit zu verringern, indem der Reichtum der Reichen an die breite Bevölkerung verteilt wird. Das verheißt nichts Gutes für ausländische Investoren.”[1] Für die Neoliberalen ist das Ketzerei.
In seiner Kritik an Chinas “abrupter Annullierung einer Neuemission von Alibabas Ant-Gruppe im November 2020″ und der “Verbannung von US-finanzierten Tutoring-Unternehmen aus China” hebt Soros den Mitbegründer von Blackstone, Stephen Schwarzman hervor (wohlgemerkt: Blackstone unter Schwartzman ist nicht zu verwechseln mit BlackRock unter Larry Fink), und den ehemaligen Präsidenten von Goldman Sachs, John L. Thornton, weil sie versuchen, finanzielle Gewinne für ihre Investoren zu erzielen, anstatt China als feindlichen Staat und drohenden Gegner im Kalten Krieg zu behandeln:
„Die BlackRock-Initiative gefährdet die nationalen Sicherheitsinteressen der USA und anderer Demokratien, weil das in China investierte Geld dazu beiträgt, das Regime von Präsident Xi zu stützen … Der Kongress sollte ein Gesetz verabschieden, das die Börsenaufsichtsbehörde SEC ermächtigt, den Geldfluss nach China zu begrenzen. Die Bemühungen sollten von beiden Parteien unterstützt werden.“
Die New York Times veröffentlichte einen viel beachteten Artikel, in dem die “Biden-Doktrin” folgendermaßen definiert wird:
“China ist Amerikas existenzieller Konkurrent; Russland ist ein Störfaktor; der Iran und Nordkorea verbreiten Atomwaffen; Cyberbedrohungen entwickeln sich ständig weiter und der Terrorismus breitet sich weit über Afghanistan hinaus aus.”
Gegenüber diesen Bedrohungen stellt der Artikel die US-Strategie als “Demokratie” dar, ein Euphemismus für Länder mit minimalen Regierungen, die die Wirtschaftsplanung den Finanzmanagern der Wall Street überlassen, und einer Infrastruktur in den Händen privater Investoren, die nicht zu subventionierten Preisen bereitgestellt wird. Staaten, die Monopole und die damit verbundene Gewinnsucht einschränken, werden beschuldigt, autokratisch zu sein.
Das Problem ist natürlich, dass die Vereinigten Staaten, Deutschland und andere Nationen im 19. und 20. Jahrhundert durch staatlich geförderte Infrastruktur, progressive Besteuerung und Antimonopolgesetze zu Industriemächten heranwuchsen. Die Ablehnung dieser Politik nach 1980 hat sie in eine wirtschaftliche Stagnation für die 99 Prozent geführt, die durch Schuldendeflation und steigende Rentierkosten für den Finanz-, Versicherungs- und Immobiliensektor (FIRE) belastet sind. China gedeiht, indem es genau die Politik verfolgt, mit der die ehemals führenden Industrienationen reich wurden, bevor sie an der neoliberalen Finanzialisierungskrankheit litten. Aus diesem Kontrast ergibt sich die Stoßrichtung des Artikels, zusammengefasst in seiner Zusammenfassung dessen, was hoffentlich zu einer vom Kongress unterstützten Biden-Doktrin der Eskalation eines Neuen Kalten Krieges gegen nicht-neoliberalisierte Volkswirtschaften werden wird, indem der von den USA unterstützte liberal-demokratische Imperialismus dem ausländischen Sozialismus gegenübergestellt wird:
Letzten Monat warnte US Außenminister Blinken, dass China und Russland “öffentlich und privat das Argument vorbringen, dass die Vereinigten Staaten im Niedergang begriffen sind – es sei also besser, sein Los mit ihren autoritären Visionen für die Welt zu teilen als mit unseren demokratischen Visionen.”[2]
Soros hatte gesehen, wie das Ende des Kalten Krieges ihm und anderen ausländischen Investoren den Weg für eine “Schocktherapie” öffnete, um in Russland leichte Beute zu machen, gefolgt von der viel umfassenderen Asienkrise von 1997, die ihm die Gelegenheit bot, die lukrativsten Vermögenswerte aufzukaufen. Er ist verärgert darüber, dass Präsident Xi nicht Boris Jelzin nacheifert und eine Klientel-Kleptokratie in China entstehen lässt, um Russlands Wirtschaft zu zerstückeln – was Russlands Aktienmarkt für ein paar Jahre, 1995-97, zum Liebling der Welt machte.
Unmittelbar nach der Asienkrise nahm die Regierung von Bill Clinton China in die Welthandelsorganisation auf, wodurch US-Investoren und -Importeure Zugang zu billigen Arbeitskräften bekamen, die in der Lage waren, die US-Industriearbeit zu unterbieten. Dies trug dazu bei, die Lohnzuwächse in den USA zu stoppen, während China ausländische Investitionen als Mittel zur Verbesserung seiner Technologie und seiner Arbeitskräfte nutzte, um wirtschaftlich unabhängig zu werden. China hat nicht zugelassen, dass sein Geldsystem oder seine soziale Organisation finanziell von “Märkten” abhängig werden, die als Vehikel für die Kontrolle durch die USA fungieren, die sich Herr Soros erhoffte, als er begann, in China zu investieren.
China war sich von Anfang an darüber im Klaren, dass sein Beharren auf der Beibehaltung der Kontrolle über seine Wirtschaft – und deren Steuerung zur Förderung des allgemeinen Wohlstands und nicht zur Bereicherung einer Klientel-Oligarchie, die einer ausländischen Investorenklasse vorsteht – politischen Widerstand seitens der Ideologen des Kalten Krieges in den USA hervorrufen würde. China suchte daher Verbündete an der Wall Street und bot Goldman Sachs und anderen Investoren Gewinnchancen an, deren Eigeninteresse sie tatsächlich dazu veranlasst hat, sich einer China-feindlichen Politik zu widersetzen.
Der Erfolg Chinas hat jedoch so viele Milliardäre hervorgebracht, dass das Land nun versucht, den exorbitanten Reichtum zu beschneiden. Diese Politik hat die Preise für die führenden chinesischen Aktien stark gesenkt, was Herrn Soros dazu veranlasste, US-Anleger zu warnen, sich aus dem Land zurückzuziehen. Er hofft, dass dies China zur Vernunft bringt und seine Politik der Anhebung des Lebensstandards auf Kosten der Weitergabe seiner wirtschaftlichen Gewinne an amerikanische und andere ausländische Investoren umkehrt.
In Wirklichkeit braucht China kein Geld aus den USA oder anderen Ländern, um sich zu entwickeln. Die chinesische Volksbank kann alles Geld schaffen, das die heimische Wirtschaft braucht, während der Export das Land bereits mit Dollar überschwemmt und den Wechselkurs in die Höhe treibt.
John McCain bezeichnete Russland als eine Tankstelle mit Atombomben (wobei er übersah, dass das Land heute der größte Getreideexporteur der Welt ist und bei der Lebensmittelversorgung nicht mehr vom Westen abhängig ist – vor allem dank der von den USA unterstützten Handelssanktionen). Das korrespondierende Bild ist das der Vereinigten Staaten als finanzialisierte und monopolisierte Wirtschaft mit Atombomben und Cyber-Bedrohungen, die Gefahr laufen, ein gescheiterter Staat wie die alte Sowjetunion zu werden und die gesamte Weltwirtschaft mit sich in den Abgrund zu reißen, wenn andere Länder ihre schuldengeplagte Wirtschaft des Neuen Kalten Krieges nicht subventionieren.
Die Vereinigten Staaten, die sich trotz ihrer Finanzoligarchie im eigenen Land und ihrer Unterstützung von Klientel-Oligarchien im Ausland als die weltweit führende Demokratie präsentieren, haben ihre Finanzmacht im Zuge des Schrottimmobilien- und Bankenbetrugs von 2008 konsolidiert.
Politische Entscheidungen und die Zuweisung von Ressourcen liegen nicht mehr in den Händen einer sinnvollen Wahlpolitik, sondern in denen des Finanz-, Versicherungs- und Immobiliensektors (FIRE) und des von Ray McGovern als MICIMATT bezeichneten Militär-Industrie-Kongress-Intelligenz-Medien-Akademie-Think-Tank-Komplexes, einschließlich der großen Stiftungen und NGOs. Diese Institutionen versuchen, Einkommen und Reichtum in den Händen einer Oligarchie des FIRE-Sektors zu konzentrieren, so wie der römische Senat Reformen durch sein Vetorecht gegenüber der Gesetzgebung des Volkes blockierte und europäische Oberhäuser wie das britische House of Lords ähnliche Würgegriffe einsetzten, um sich einer Regierungskontrolle im öffentlichen Interesse zu widersetzen.
Der Aufstieg des von den USA geförderten Neoliberalismus bedeutet, dass der Kampf des 19. Jahrhunderts um die Befreiung der Märkte von der räuberischen Finanzwirtschaft, die den Rentierparasitismus fördert, gescheitert ist. Dieses Scheitern wird als ein Sieg der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie, der Eigentumsrechte und sogar der freien Märkte über die Autorität der öffentlichen Macht zur Regulierung des privaten Reichtumsstrebens gefeiert. Die Integration der Weltwirtschaft entlang unipolarer Linien, die es den US-Finanzinteressen und denen der verbündeten NATO-Volkswirtschaften ermöglicht, sich die profitabelsten und ertragreichsten Vermögenswerte fremder Länder anzueignen, wird als natürliche Entwicklung der Zivilisation idealisiert, nicht als der Weg zu neoliberaler Leibeigenschaft und Schuldknechtschaft, der in dem verkörpert wird, was US-Beamte Rechtsstaatlichkeit nennen.
Was ist Rechtsstaatlichkeit?
Die Vereinigten Staaten weigern sich, dem Weltgerichtshof oder anderen internationalen Organisationen beizutreten, in denen sie kein Vetorecht haben. Und sie ziehen sich einfach aus internationalen Verträgen und Abkommen zurück, die sie unterzeichnet haben, wenn sie der Meinung sind, dass diese ihren Interessen nicht mehr dienen. Das war schon immer die Politik der USA, von den vielen Verträgen mit den amerikanischen Ureinwohnern, die von Andrew Jackson und seinen Nachfolgern gebrochen wurden, über die Abkommen zwischen den USA und der Sowjetunion zur Beendigung des Kalten Krieges im Jahr 1991, die von Bill Clinton gebrochen wurden, bis hin zu dem Vertrag zur Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran, der von Donald Trump gebrochen wurde. Diese Politik hat einen neuen Begriff in das diplomatische Vokabular der Welt eingeführt, um die US-Diplomatie zu beschreiben: “nicht abkommensfähig”.
Die von Vizepräsident Dick Cheney geführte evangelistisch/neokonservative Regierung von George W. Bush folgte dem Grundsatz: “Wir sind jetzt ein Imperium, und wenn wir handeln, schaffen wir uns unsere eigene Realität.”[3]
Um anderen Ländern diese Realität aufzuzwingen, werden amerikanische “Geheimdienstinformationen” ausgewählt, erfunden oder zensiert, um den Anschein einer Realität zu erwecken, die zu einem bestimmten Zeitpunkt den Interessen der USA dient. Die vergangene und gegenwärtige Realität wird nach Belieben neu definiert, um einen Leitfaden für das Handeln zu liefern. Was auch immer die US-Diplomatie diktiert, es wird behauptet, dass es die Rechtsstaatlichkeit widerspiegelt, was den Vereinigten Staaten das Recht gibt, zu bestimmen, was legal ist und was nicht, wenn sie wirtschaftliche und militärische Sanktionen gegen Länder verhängen, die sich nicht an die proamerikanische Politik halten. Die daraus resultierenden Diktate, die das Recht festlegen, sind immer in die Rhetorik der „freien Märkte“ und der „Demokratie“ verpackt.
Was ist ein freier Markt?
Für die klassischen Ökonomen bestand das Ziel der Reformen des 19. Jahrhunderts darin, die politische Macht der Rentierklasse durch eine demokratische Macht zu ersetzen, um eine staatliche Politik zu schaffen, die entweder die Landrente und andere wirtschaftliche Renten besteuert oder Land, natürliche Ressourcen und natürliche Monopole wie Transport, Kommunikation und andere grundlegende Infrastrukturbedürfnisse in den öffentlichen Besitz bringt (zurückgibt). Ein freier Markt wurde definiert als ein Markt ohne wirtschaftliche Pacht – die von den Erben der feudalen Warlord-Grundbesitzerklasse auferlegte Landrente, deren wirtschaftliche Rolle rein extraktiv, nicht produktiv war. Die Pacht natürlicher Ressourcen sollte als nationales Erbe der Allgemeinheit gehören, und die Monopolrente sollte dadurch verhindert werden, dass natürliche Monopole in der Allgemeinheit verbleiben bzw. im Falle ihrer Privatisierung streng reguliert werden.
Die antiklassische Reaktion des 20. Jahrhunderts hat das Konzept des freien Marktes im Stil des Orwellschen Doublethink umgedreht, um einen “freien” Markt zu schaffen, auf dem sich die Pächter ein kostenloses Pachteinkommen verschaffen können. Das Ergebnis ist eine Rentenökonomie, in der Land, natürliche Ressourcen und natürliche Monopole privatisiert und zu gegebener Zeit finanzialisiert werden, um die Mieten in einen Strom von Zinszahlungen an den Finanzsektor zu verwandeln, während die Wirtschaft in die Verschuldung getrieben wird, um sich den Rentier-Überbau und die schuldenfinanzierte Vermögenspreisinflation für renditeträchtige Vermögenswerte zu leisten.
Die “Freiheit” solcher Märkte ist die Freiheit von Regierungen, die wirtschaftliche Rente zu besteuern und die Preise zu regulieren, um die Mieteinnahmen zu begrenzen. Ein exponentielles Wachstum von unverdienten Rentier-Einkommen und Vermögen in den Händen eines Sektors führt dazu, dass Einkommen von der “echten” Produktions- und Konsumwirtschaft abgezogen wird.
Was den Freihandel betrifft, so behalten sich die Vereinigten Staaten auch das Recht vor, nach Belieben Zölle zu erheben (euphemisiert als “fairer Handel”) und Geldstrafen und Sanktionen zu verhängen, um Unternehmen daran zu hindern, Technologie nach China zu verkaufen. Das Ziel ist es, technologische Monopole in den Händen der USA zu konzentrieren. Jegliche “Verbreitung” von Technologie (die ähnlich wie Atomwaffen als Frage der nationalen Sicherheit behandelt wird) wird als “unfair” betrachtet und steht im Widerspruch zur Freiheit der USA, die Handels- und Investitionsmuster der Welt in ihrem eigenen Interesse zu kontrollieren.
Dieser Versuch, “freie Märkte” und “fairen Handel” zu fördern, wird durch die Behauptung der USA verteidigt, die Demokratie vor Autokratie zu schützen und in der ganzen Welt zu intervenieren, um die Mitglieder der Freien Welt zu fördern, die ipso facto als demokratisch definiert werden, nur weil sie Verbündete der USA sind. Im heutigen Neuen Kalten Krieg geht es um die Aufrechterhaltung und Ausweitung eines solchen gekaperten, auf die USA ausgerichteten “freien Marktes” mit Gewalt, von Henry Kissingers Staatsstreich in Chile zur Durchsetzung “freier Märkte” im Chicagoer Stil bis hin zu Hillary Clintons Staatsstreichen auf dem ukrainischen Maidan und in Honduras und ihrer von der NATO unterstützten Zerstörung Libyens und der Ermordung von Gaddafi.
Was ist Demokratie?
Aristoteles schrieb, dass viele Verfassungen oberflächlich betrachtet demokratisch erscheinen, in Wirklichkeit aber oligarchisch sind. Demokratie war schon immer der trügerische Euphemismus für eine Oligarchie, die sich zu einer erblichen Aristokratie entwickelt. Demokratien neigen dazu, sich zu Oligarchien zu entwickeln, wenn Gläubiger Schuldner enteignen (die “Rechtsstaatlichkeit” garantiert eine Hierarchie von “Eigentumsrechten” mit Gläubigeransprüchen an der Spitze der rechtlichen Pyramide).
Der Übergang zu demokratischen politischen Reformen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert sollte Miet-freie Märkte schaffen. Die Dynamik der politischen Demokratie wurde jedoch in einer Weise gesteuert, die die wirtschaftliche Demokratie blockiert. Die eigentliche Bedeutung von “Demokratie” wird zur Opposition gegen die Macht der Regierung degradiert, die im Namen der 99 Prozent gegen das oligarchische Ein-Prozent der Rentiers vorgeht. Die sich daraus ergebende Travestie eines demokratischen freien Marktes dient dazu, politische Versuche zu blockieren, die öffentliche Macht zu nutzen, um die Interessen der lohnabhängigen Bevölkerung im Allgemeinen und der Industriewirtschaft selbst zu fördern, um die Ausplünderung von Finanzvermögen und die Deflation der Märkte zu verhindern.
In der Sprache der internationalen Diplomatie ist “demokratisch” zu einem Etikett für jedes US-freundliche Regime geworden, von den baltischen Kleptokratien bis zu den Militärdiktaturen Lateinamerikas. Länder, die ihre Staatsgewalt zur Regulierung von Monopolen oder zur Besteuerung von Rentier-Einkünften einsetzen, werden als “autokratisch” denunziert, selbst wenn sie gewählte Staatsoberhäupter haben. In dieser neuen Orwellschen Rhetorik der internationalen Diplomatie war Boris Jelzins kleptokratisches russisches Regime demokratisch, und der natürliche Schritt, die Korruption und Entvölkerung zu stoppen, wurde “Autokratie” genannt.
Was sind Autokratie und “Autoritarismus”?
Ausländische Maßnahmen, die sich gegen finanzielle Übernahmen durch die USA und die Unterstützung von Oligarchien wehren, werden als autoritär denunziert. Im diplomatischen Vokabular der USA bezieht sich der Begriff “Autokratie” auf eine Regierung, die die Interessen ihrer eigenen Bevölkerung schützt, indem sie sich gegen die finanzielle Übernahme ihrer natürlichen Ressourcen, ihrer grundlegenden Infrastruktur und ihrer lukrativsten Monopole durch die USA wehrt.
Alle erfolgreichen Volkswirtschaften in der Geschichte waren gemischte, öffentlich-private Volkswirtschaften. Die eigentliche Rolle der Regierung besteht darin, die Volkswirtschaften vor dem Entstehen einer Rentier-Oligarchie zu schützen, die die Wirtschaft auf Kosten der breiten Bevölkerung polarisiert. Dieser Schutz erfordert, dass die Kontrolle über Geld und Kredit, Land und natürliche Ressourcen, die grundlegende Infrastruktur und natürliche Monopole in den Händen der Regierungen bleibt.
Es sind die Oligarchien, die autokratisch sind und Reformen blockieren, um ihre Rentier-Sucht zu überwinden, indem sie die Grundbedürfnisse und die Infrastruktur in öffentlicher Hand halten. Um das Verständnis zu verwirren, beschuldigte die römische Oligarchie die Sozialreformer, “nach dem Königtum zu streben”, so wie die griechische Oligarchie die Reformer beschuldigte, nach “Tyrannei” zu streben – als ob ihre Reformen nur dem persönlichen Vorteil dienten und nicht der Förderung des allgemeinen Wohlstands. Das daraus resultierende Orwellsche Doppeldenken ist in die Rhetorik des Neoliberalismus eingewoben.
Was ist Neoliberalismus?
Der Neoliberalismus ist eine exponentiell wachsende Finanzdynamik, die darauf abzielt, die profitabelsten und ertragreichsten Ressourcen der Welt in den Händen von Finanzmanagern zu konzentrieren, hauptsächlich in den Vereinigten Staaten und ihren Klientel-Oligarchien, die als Prokonsule über ausländische Volkswirtschaften agieren.
Die liberalen Massenmedien, die akademische Welt und die Lobbying-Institutionen der “Denkfabriken”, die politischen Stiftungen und die Nichtregierungsorganisationen unterstützen die oben beschriebene Rhetorik der freien Märkte, um Vehikel für Kapitalflucht, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Deregulierung und Privatisierung (und die mit den entstehenden Kleptokratien verbundene Korruption) zu schaffen. Die neoliberale Doktrin stellt alle öffentlichen Maßnahmen zum Schutz des allgemeinen Wohlstands vor der Last der Rentiers als autoritäre Autokratie dar, die sich in die Eigentumsrechte “einmischt”.
Was sind Eigentumsrechte?
In den heutigen finanzialisierten Volkswirtschaften bedeutet “Eigentumsrecht” den Vorrang der Rechte von Gläubigern bei der Zwangsvollstreckung von Häusern, Grundstücken und anderem Eigentum von Schuldnern. (In der Antike gehörte dazu auch die persönliche Freiheit von Schuldnern, die zur Schuldknechtschaft gegenüber ihren Gläubigern verurteilt waren.)
Die Weltbank hat solche Gläubiger-orientierten Eigentumsrechte von der ehemaligen Sowjetunion bis zu den indigenen Gemeinschaften Lateinamerikas gefördert, um bisher gemeinschaftliches oder öffentliches Eigentum zu privatisieren, einschließlich von Land, das von Hausbesetzern oder lokalen Gemeinschaften besetzt ist. Die Idee dahinter ist, dass gemeinschaftliches oder öffentliches Eigentum, sobald es als individuelles Recht privatisiert ist, als Sicherheit für Kredite verpfändet und unter wirtschaftlichem Zwang ordnungsgemäß verfallen oder verkauft werden kann.
Die Folge ist eine Konzentration des Eigentums in den Händen des Finanzsektors. Das wiederum führt unweigerlich zu einer gescheiterten, von Sparmaßnahmen geprägten Wirtschaft.
Was ist eine gescheiterte Wirtschaft?
Volkswirtschaften scheitern an der zunehmenden Macht von Besitzstandswahrern, vor allem im Finanz-, Versicherungs- und Immobiliensektor (FIRE), die den größten Teil der Vermögenswerte und des Reichtums der Volkswirtschaft kontrollieren. Eine gescheiterte Wirtschaft ist eine Wirtschaft, die nicht expandieren kann, weil sie in der Regel durch steigende Kosten in Form von Landrenten, Rohstoffrenten und Monopolrenten belastet wird, da der Finanzsektor demokratisch gewählte Regierungen als zentrale Planer und Ressourcenzuteiler ablöst.
Der FIRE-Sektor ist eine Symbiose aus Finanz- und Immobiliensektor sowie dem Versicherungswesen. Sein Geschäftsplan beinhaltet eine hochpolitische Dimension, die darauf abzielt, die Kontrolle über die Geld- und Kreditschöpfung in erblichen Privathänden zu zentralisieren und diese wirtschaftliche Rente in einen Zinsfluss zu verwandeln. “Frei” von Besteuerung, öffentlicher Erhebung oder Regulierung. Die Kreditvergabe in erster Linie an Käufer von Vermögenswerten, die als Sicherheiten für Kredite verpfändet werden, führt nicht zur Schaffung neuer Produktionsmittel, sondern zur Aufblähung der Preise für bereits vorhandenes Eigentum.
Die daraus resultierenden Gewinne des Finanzkapitals sind der einfachste Weg, um ein Vermögen zu erwerben, das in Form von Rentenansprüchen an die Wirtschaft und nicht in Form neuer Produktionsmittel zur Förderung von “echtem” wirtschaftlichem Wohlstand und steigendem Lebensstandard besteht.
Finanzialisierte Volkswirtschaften sind dazu verdammt, zu gescheiterten Staaten zu werden, weil der exponentiell wachsende Expansionspfad der mit Zinseszinsen angehäuften Schulden plus neuer Kreditschöpfung und “quantitativer Lockerung (QE)” die der Wirtschaft zugrunde liegende Wachstumsrate der Produktion von Waren und Dienstleistungen, die diese Last tragen können, bei weitem übersteigt. Diese finanzielle Dynamik droht die USA und ihre Satellitenstaaten zu gescheiterten Staaten zu machen.
Die zugrundeliegende Frage ist, ob die westliche Zivilisation selbst zu einer gescheiterten Zivilisation geworden ist, wenn man bedenkt, dass die Wurzeln ihres Rechtssystems und ihrer Konzepte von Eigentumsrechten im oligarchischen Rom liegen. Die polarisierte Wirtschaft Roms führte zu einem dunklen Zeitalter, das sich durch die Plünderung von Byzanz und anschließend des Ostens und die erneute Eroberung der Neuen Welt sowie Ost- und Südasiens erholte. In den letzten zwanzig Jahren war es vor allem Chinas sozialistisches Wachstum, das den westlichen Wohlstand aufrechterhalten hat. Doch diese Dynamik wird abgelehnt und als existenzielle Bedrohung angeprangert, eben weil es sich um erfolgreichen Sozialismus und nicht um neoliberale Ausbeutung handelt.
In der Vergangenheit gab es immer einen Teil des Globus, der überlebte und weitermachte. Die Superdekadenz tritt jedoch ein, wenn die ganze Welt gemeinsam in den Abgrund gerissen wird und keine Region in der Lage ist, der polarisierenden und verarmenden Rentier-Dynamik zu widerstehen, die vom militarisierten imperialen Kern aufgezwungen wird. Dem Beispiel der USA folgend, schneidet sich der Westen selbst vom Überleben ab. Die Ablehnung des Neoliberalismus durch China und andere Mitglieder der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) stößt auf US-amerikanische Handels- und Finanzsanktionen, deren selbstzerstörerische Wirkung darin besteht, dass sie sich zusammentun, um ein staatliches Regulierungssystem (“Autokratie”) zu schaffen, das der Dollarisierung, Finanzialisierung und Privatisierung widersteht. Deshalb werden sie als existenzielle Bedrohung für die Dynamik der neoliberalen Rentier-Dekadenz isoliert.
Die Alternative
Natürlich muss es nicht so sein. China verteidigt sich nicht nur mit der produktiven Industrie- und Agrarwirtschaft, die von seiner sozialistische Regierung gefördert wird, sondern auch mit einem Leitbild für das Funktionieren von Volkswirtschaften. Chinas Wirtschaftsmanager verfügen über die klassischen Konzepte von Wert, Preis und wirtschaftlicher Rente, die verdientes von unverdientem Einkommen und produktive Arbeit und Reichtum von unproduktivem und räuberischem Finanz- und Rentenvermögen unterscheiden.
Dies sind die Konzepte, die notwendig sind, um die gesamte Gesellschaft, die 99 Prozent und nicht nur das eine Prozent, zu fördern. Aber die neoliberale Reaktion nach 1980 hat das westliche Wirtschaftsvokabular und die akademischen Lehrpläne abgeräumt. Die gegenwärtige wirtschaftliche Stagnation, die Schuldenlast und die festgeschriebenen Nullzinsen sind eine politische Entscheidung des Westens und nicht das Ergebnis eines unvermeidlichen technologischen Determinismus.
Notes
[1] George Soros, “BlackRock’s China Blunder,” Wall Street Journal, September 7, 2021.
[2] Helene Cooper, Lara Jukes, Michael D. Shear and Michael Crowley, “In the Withdrawal from Afghanistan, a Biden Doctrine Surfaces,” The New York Times, September 5, 2021.
[3] Ron Suskind, “Faith, Certainty and the Presidency of George W. Bush,” New York Times Magazine, October 17, 2004, quoting Bush-Cheney strategist Karl Rove.
Zitat: Anlässlich des von herrschenden Kräften mit aller Macht bekämpften aber trotzdem überwältigenden Protests “Berlin invites Europe – Fest für Freiheit und Frieden“ am 29. August 2020 in Berlin hat sich das “Freidenker-Netzwerk Demokratischer Widerstand” konstituiert, um die von “Querdenken” und “Nicht ohne uns” initiierte Bewegung zur Verteidigung der Grundrechte, zur Überwindung des unverhältnismäßigen Corona-Ausnahmezustands und zur Erkämpfung einer menschlicheren, tatsächlich demokratischen Gesellschaft zu begleiten und zu stärken. Inzwischen kann nicht mehr übersehen werden, dass hinter dem Geschehen eine langfristig angelegte Strategie steht. Insbesondere die seit dem Jahreswchsel 2020/21 brutal durchgezogene Impf-Kampagne zeigt dies in aller Klarheit. In einer kompakten Erklärung macht das Netzwerk deutlich, was es zu erkennen gilt und was daraus folgt. Die NRhZ dokumentiert die Erklärung.
Wir sehen und erkennen:
Weltweit ist mit dem Ausrufen der Corona-Pandemie im März 2020 eine Situation eingetreten, wie es sie in der Geschichte der Menschheit noch nicht gegeben hat.
In großen Teilen der Welt haben die ergriffenen Maßnahmen zu drastischer Beeinträchtigung und Vernichtung menschlicher Existenzen geführt – auch in Deutschland, aber besonders in der “Dritten Welt”. Profiteure sind globale Kapital-Giganten wie Big Tech und Big Pharma.
Der jahrzehntelang für Weltbank und WHO tätige Peter Koenig beschreibt die Situation wie folgt: “Wir befinden uns bereits im Dritten Weltkrieg. Ein edlerer Begriff ist ‘The Great Reset’ – die wortgewaltige Beschreibung des Weltwirtschaftsforums (WEF) für eine verwüstete Weltwirtschaft, unzählige Pleiten und Arbeitslosigkeit, großes Elend, Hunger, Tod durch Verhungern, Krankheit und Selbstmord. Hunderte von Millionen Menschen sind bereits von diesem ‘Kollateralschaden’ des ‘Covid-19′-Angst-Propaganda-Biokrieges betroffen, den eine mafiöse Elite von Multi-Multi-Milliardären uns – uns, den Menschen – aufgezwungen hat. Und wir befinden uns erst im ersten Jahr des Krieges, der nach dem Plan des Reset das gesamte Jahrzehnt 2020-2030 dauern soll. Die Agenda soll bis 2030 abgeschlossen sein. Sie wird auch UN-Agenda 2030 genannt. Der ‘Great Reset’ hat drei Hauptziele, die alle gleich wichtig sind: massive Entvölkerung, Umschichtung aller Vermögenswerte nach ‘oben’ und eine komplette digitalisierte Kontrolle…”
Im NATO-Strategie-Papier “NATO 2030: United for a New Era” (Vereint in ein neues Zeitalter) werden Pandemien neben Terrorismus und hybrider Kriegsführung als Drohkulisse aufgebaut.
Die Holocaust-Überlebende und Pharma-Kritikerin Vera Sharav warnt: “Dieser große Reset ist der Masterplan, so wie Hitler einen Masterplan hatte.” Nicht das Virus sei das Problem, “es ist die Eugenik” – also die Pläne zur Reduktion und besseren Kontrollierbarkeit der Weltbevölkerung.
Das wesentliche Instrument zur Vorspiegelung des Krankheitsgeschehens ist der PCR-Test. Im Urteil von Weimar vom 08.04.2021 (Az.: 9 F 148/21) heißt es dazu: “Die verwendeten PCR-Tests und Schnelltests sind für sich allein prinzipiell und schon im Ansatz nicht geeignet, eine ‘Infektion’ mit dem Virus SARS-CoV-2 festzustellen… Auf zwei echt-positive Schnelltest-Ergebnisse kämen 98 falsch-positive Schnelltest-Ergebnisse… ” In Deutschland sind auf dieser Basis seit März 2020 unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes entscheidende Grundrechte außer Kraft gesetzt. Deutschland ist immer weniger ein Rechtsstaat. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht.
Die Mainstream-Medien sind weitgehend gleichgeschaltet und verbreiten statt Aufklärung Angst-Propaganda. Abweichende Informationen werden systematisch unterdrückt. Es herrscht eine moderne Form der Bücherverbrennung – z.B. per Löschen von Videos oder ganzer Informationskanäle. Versammlungen werden willkürlich untersagt. Kritiker werden unter Druck gesetzt und ihrer Existenzgrundlagen beraubt. Bei ihnen werden Hausdurchsuchungen durchgeführt – so auch beim Richter von Weimar.
Seit Jahreswechsel 2020/21 werden in großen Teilen der Welt “Impfstoffe” verabreicht, die in unverantwortlich kurzer Zeit entwickelt worden sind und nicht regelgerecht zugelassen sind. Das hat bereits in den ersten Monaten in hoher Zahl zu Nebenwirkungen bis hin zum Tod geführt (in der EU laut EMA-Datenbank bis 8. Mai 2021 über 400.000 Nebenwirkungsfälle mit über 10.000 Todesfällen). Die Langzeitwirkungen drohen noch gravierender zu werden.
Der überwiegende Teil der Linken ist wie paralysiert, sieht die Gefahren nicht oder will sie nicht sehen.
Wir appellieren daher:
Wir dürfen keine Zeit verlieren. Wir müssen unsere ganze Kraft in Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit investieren.
Es ist höchste Zeit für eine breite, starke Widerstandsbewegung über nationale und ideologische Grenzen hinweg – in Deutschland auf Basis von Grundgesetz-Artikel 20.
Die Geschichte lehrt uns: die Fehler bei der Bekämpfung des aufkeimenden Hitler-Faschismus dürfen nicht wiederholt werden. Die Opposition darf sich nicht erneut spalten lassen!
Siehe auch:
“Berlin invites Europe – Fest für Freiheit und Frieden“, Berlin, 29. August 2020 Freidenker melden sich zu Wort Von Freidenker-Netzwerk Demokratischer Widerstand NRhZ 753 vom 09.09.2020 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27005
Appell zum Widerstand gegen die paar Multi-Multi-Milliardäre und ihren “Great Reset” Wir befinden uns bereits im Dritten Weltkrieg Von Peter Koenig NRhZ 766 vom 28.04.2021 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27388
Holocaustüberlebende richtet dringenden Appell an die Deutschen Stoppt den Masterplan Eugenik Vera Sharav im Corona-Untersuchungsausschuss NRhZ 765 vom 14.04.2021 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27369
Bis zum 5. Juni über 550.000 Nebenwirkungsfälle mit über 13.600 Toten Corona-Impf-Alarm (2) Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann NRhZ 771 vom 09.06.2021 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27487
Rede bei der Kundgebung “Für eine menschliche Zukunft”, Aachen, 10. April 2021 Testen, testen, testen, impfen, impfen, impfen! Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann NRhZ 765 vom 14.04.2021 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27344
Stellungnahme zu “Pfingsten in Berlin”, 27. Juni 2021 Demokratische Rechte verteidigen! Von Deutscher Freidenker-Verband (DFV) NRhZ 774 vom 16.07.2021 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27543
Erklärung zur Nichtzulassung der DKP bei der Bundestagswahl Gegen alle repressiven Maßnahmen Von Bundesverband Arbeiterfotografie NRhZ 774 vom 16.07.2021 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27541
Pressemitteilung zur Nichtzulassung der DKP bei der Bundestagswahl: Forderung nach “Frieden mit Russland und China” ist der Regierung ein Dorn im Auge Berlin will Regimekritiker zum Schweigen bringen Von Deutscher Freidenker-Verband NRhZ 774 vom 16.07.2021 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27542
Deutschlands Klima-Außenpolitik Deutsche Wirtschaftsinstitute und Denkfabriken fordern "starke Klima-Außenpolitik". Von einem billionen-schweren Markt ist die Rede; allerdings profitieren nicht alle Branchen.
german-foreign-policy.com, 29. September 2021
BERLIN(Eigener Bericht) - Deutsche Wirtschaftsinstitute und Denkfabriken fordern von der nächsten Bundesregierung eine "starke Klima-Außenpolitik". Als der "mit Abstand größte CO2-Emittent in Europa" müsse die Bundesrepublik zwar zum einen selbst "besonders weitgehende Maßnahmen" ergreifen, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme aus der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Darüber hinaus gelte es aber auch, die eigenen "Anstrengungen" in der "internationalen Klimadiplomatie" zu verstärken. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sagt bei verstärktem weltweitem Klimaschutz "neue Absatzchancen" für die deutsche Exportindustrie voraus: In Ländern, in denen striktere Klimaziele eingeführt würden - darunter die USA und China -, steige die "Nachfrage nach entsprechenden klimafreundlichen Produkten"; davon könnten deutsche Hersteller profitieren. Die Rede ist von einem "Umsatzpotenzial" von bis zu zehn Billionen Euro bis zum Jahr 2050. Allerdings warnt das IW, Chancen ergäben sich längst nicht für alle Branchen; "etwa jedes siebte Industrieunternehmen" in der Bundesrepublik sehe sogar sein Geschäftsmodell bedroht.
Zitat: Zeit wird knapp
Deutsche Wirtschaftsinstitute und Denkfabriken formulieren zunehmend Richtlinien zur Anpassung der deutschen Außen- und Wirtschaftspolitik an die Dynamik der Klimakrise. Deutschland brauche eine "starke Klima-Außenpolitik", da die Zeit zum Handeln langsam "knapp" werde, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).[1] Unter Verweis auf die Extremwetterereignisse und Unwetterkatastrophen des laufenden Jahres wird ein rascher Kurswechsel der neuen Bundesregierung angemahnt. Zwar habe sich die Bundesrepublik im vergangenen Jahrzehnt als "zentraler Akteur der internationalen Klimadiplomatie" etabliert, behauptet die DGAP; doch müsse Berlin nach der Wahl die "Anstrengungen auf diesem Gebiet steigern". Insbesondere die globalen Klimaproteste hätten den Klimaschutz zu einem "Politiktrend" gemacht, den alle demokratischen, im Bundestag vertretenen Parteien zu einem "wesentlichen Bestandteil ihres Wahlprogramms" gemacht hätten. Die Denkfabrik nennt in diesem Zusammenhang drei Bereiche, auf die sich die Außenpolitik der Bundesrepublik konzentrieren solle: die Verringerung von Emissionen, die Prävention von Krisen durch Anpassung an den Klimawandel und die "Verzahnung anderer Politikbereiche mit der Klimapolitik".
Innovationsdruck und neue Arbeitsplätze
Ohne eine rasche Minderung der Emissionen von Treibhausgasen werde es der Menschheit nicht gelingen, "ihre zivilisatorischen Errungenschaften vor Klimaschäden zu schützen", warnt die DGAP, die für "ambitionierte Zielsetzungen" wie einen erweiterten "Green Deal" der EU plädiert. Dieser müsse mit "konkreten Investitionen" sowie neuen Grenzwerten und Verboten einhergehen, darunter ein rascher Kohleausstieg auch auf EU-Ebene, das Ende des Verbrennungsmotors sowie eine "Abkehr vom Erdgas als Übergangslösung". Eine "ernsthafte Klimapolitik" müsse sich diesen "unangenehmen Wahrheiten" stellen. Die "harten physikalischen Grenzen", die der Klimawandel setze, erzeugten zugleich aber auch "einen enormen Innovationsdruck", der die "Möglichkeit zur Schaffung neuer Arbeitsplätze" mit sich bringe, urteilt die DGAP. Die Bundesrepublik solle dem Druck nachgeben und sich "forschungs- und wirtschaftspolitischen Klimastresstests unterziehen", in deren Verlauf "anachronistische Politiken" wie Dieselsubventionen zu entsorgen seien. Deutschland als der "mit Abstand größte CO2-Emittent in Europa" müsse rasch "besonders weitgehende Maßnahmen" ergreifen und seiner "Verantwortung" für den Klimaschutz nachkommen.
"Nachhaltige Wirtschaftsformen" und Absatzchancen
Hätten sich die Auseinandersetzungen um die Klimapolitik früher auf "Klimaschutzverhandlungen" beschränkt, so würden sie mittlerweile zu einem zentralen Aspekt der "Außen- und Sicherheitspolitik", konstatiert die DGAP. Die rasche Absenkung der Emissionen in der Bundesrepublik sei auch deshalb außenpolitisch relevant, da Deutschland und die EU "Technologietransfers" in Entwicklungsländer initiieren könnten, um so Möglichkeiten zu eröffnen, dort "eine Industrialisierung über die fossilen Energien zu überspringen und gleich in nachhaltige Wirtschaftsformen einzusteigen". Der Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden habe zudem die Perspektive einer "transatlantischen Klima-Kooperation" wiederbelebt. Deutsche Wirtschaftsinstitute hoffen in diesem Zusammenhang auf neue Absatzmöglichkeiten. So will das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln im weltweiten Klimaschutz vor allem "neue Absatzchancen" für die Exportindustrie der Bundesrepublik erkennen.[2] Die verschärften Klimaziele in Ländern wie den USA, China, Japan und Südkorea führten zu einer "steigenden Nachfrage nach entsprechenden klimafreundlichen Produkten", von der deutsche Hersteller trotz derzeit begrenzter "Exportchancen" profitieren könnten - sofern die deutsche Außenpolitik für "verlässliche Rahmenbedingungen, Innovationsförderung und Technologieoffenheit" sorge.
Neue deutsche Unsicherheit
Allerdings schränkt das IW unter Verweis auf eine Umfrage in der Industrie ein, es erblickten zwar in allen Branchen einzelne Unternehmen "zusätzliche Absatzchancen"; doch hielten sich in den besonders wichtigen Exportbranchen - "Maschinenbau, Elektroindustrie, Fahrzeugbau" - optimistische und pessimistische Einschätzungen "in etwa die Waage". In den meisten anderen Wirtschaftszweigen sehe sogar "weniger als die Hälfte" der Umfrageteilnehmer zusätzliche Absatzchancen durch die Umstellung auf Umwelttechnologien. Nur in der Branchengruppe "Energie, Wasserversorgung, Entsorgung" sei eine Mehrheit der Unternehmen der Ansicht, von der Klimakrise durch zunehmende Exporte profitieren zu können. Von den Konzernen, die sich bessere Absatzchancen im Verlauf der Klimakrise erhoffen, sind laut IW "fast 71 Prozent" der Meinung, sie könnten ihren "Vorsprung beim Absatz klimafreundlicher Produkte und Dienstleistungen" gegenüber internationalen Wettbewerbern auch langfristig zumindest halten, wenn nicht gar ausbauen. Eine Mehrheit der Unternehmen - rund 60 Prozent - gab überdies an, man gehe nicht davon aus, dass klimabedingte Kostensteigerungen das "eigene Geschäftsmodell" gefährdeten.
Risiken und Chancen
Immerhin rund zehn Prozent aller Unternehmen sehen dem IW zufolge aufgrund des Klimawandels und der Klimapolitik eine "unmittelbare Gefahr" für das eigene Geschäft. Die Sorgen sind demnach in der Branchengruppe "Chemie, Pharma, Gummi und Kunststoff" mit 27 Prozent aller Befragen am höchsten, während es im gesamten verarbeitenden Gewerbe rund 19 Prozent waren. Insgesamt sehe "etwa jedes siebte Industrieunternehmen" sein Geschäftsmodell bedroht, hält das IW fest. Bei etablierten exportorientierten Industriezweigen wie dem Maschinenbau wiederum ergäben sich Chancen, so etwa bei der "Ausrüstung mit klimafreundlichen Anlagen"; es bestehe ein gewaltiges "Umsatzpotenzial" von bis zu zehn Billionen Euro bis 2050. In der Industriesparte "Umwelttechnik und Ressourceneffizienz" seien deutsche Unternehmen unverändert "global gut positioniert", urteilt das IW - zumal gerade auf Märkten mit "besonders hohen deutschen Weltmarktanteilen und komparativen Vorteilen" ein großer Bedarf an neuen, energieeffizienten Maschinen und Anlagen entstehe. Die "komparativen Vorteile" müssten weiter ausgebaut und neue Produktionsverfahren wie die "batterieelektrische Mobilität" vorangetrieben werden, mahnt das IW. Dies gelte sowohl für den Maschinenbau wie auch für die Autoindustrie. Anders sehe es hingegen bei "Produkten zur Gewinnung erneuerbarer Energien" aus, wo die deutsche Marktposition "ernüchternd" sei. Deutschland war in dieser Industriesparte einst Weltmarktführer, wurde aber von China überflügelt.
Klimapolitik "nicht auf Deutschland beschränken"
Berliner Denkfabriken integrieren klimapolitische Maßnahmen mittlerweile in eine umfassende "Geoökonomie", die auf die effiziente globale Durchsetzung deutscher Wirtschaftsinteressen abzielt.[3] So plädiert etwa die DGAP dafür, neben einer Stärkung der "Resilienz der EU" gegenüber der "technologischen und geopolitischen Konfrontation" insbesondere mit China [4] die aktive Klimapolitik "nicht nur auf Deutschland zu beschränken". So werde die Umsetzung des Green New Deal der EU die internationalen "Handelsströme verändern". Überdies könne die zurückgehende EU-Nachfrage nach fossilen Energieträgern etwa aus Russland die Wirtschaftsmodelle der bisherigen Lieferanten und deren politische Stabilität gefährden.[5] Es gelte diesen "politischen Wandel zu managen" - eine "große Herausforderung", urteilt die DGAP. Zugleich müsse man im Rahmen der Energiewende neue "resiliente Lieferketten" aufbauen, um nicht in "neue Abhängigkeiten von Rohstofflieferanten" zu geraten.
Der Grenzausgleichsmechanismus
Gegenüber China, das zur einer schnellen Dekarbonisierung bewegt werden müsse, könne man indes "nicht nur" auf Kooperation setzen, erklärt die DGAP. Im Rahmen eines transatlantischen Klimaabkommens solle ein Grenzausgleichsmechanismus für Emissionen beschlossen werden, der Beijing "einen Anreiz" biete, seine "Klimabemühungen zu verstärken". Faktisch handelt es sich dabei um einen Klimastrafzoll, bei dem "Waren, die in die EU importiert" werden, mit denselben Abgaben für CO2-Emissionen besteuert würden "wie in Europa produzierte Produkte", erläutert etwa die CDU-Europaabgeordnete Sabine Verheyen.[6] Länder mit schwächerer Wirtschaft, die energieintensiv produzieren, geraten dadurch verstärkt unter Druck. China müsse durch westliche Maßnahmen dazu gebracht werden, ein "Interesse an einer schnellen Verringerung seiner Emissionen" zu entwickeln, fordert die DGAP; dies könne dann auch "auf andere Länder ausstrahlen".
[1] Die Zeit wird knapp. DGAP Memo Nr. 12. Berlin, September 2021.
[2] Weltweiter Klimaschutz bringt neue Absatzchancen auch für deutsche Hersteller. IW-Kurzbericht Nr. 61. Köln, September 2021.
[3] Aktionsplan Wirtschaft und Außenpolitik. dgap.org.
Kommentar: Kein Wort von den Nachhaltigkeitsentwicklungszielen SDG´s bzw. sollen diese hier nur marketingtechnisch bei der Veranschaulichung notwendiger aber unbequemer Veränderun-gen im Alltag vieler Menschen eine Rolle spielen? Vielleicht auch nur zur Umsetzung des "Great Reset". Werbewirksame Stimmen von jungen Klimaaktivistinnen mit besonderer Kinderstube, wie von Neubauer, Thunberg und Reemtsma werden bereits verstärkt in de Massenmedien lanciert. Thomas Bauer
28.09.2021
Pulverisiert: Warum der Linken-Absturz bei der Bundestagswahl keine Überraschung war
de.rt.com, 28. Sep. 2021 06:45 Uhr, von Kaspar Sachse
Die Linke hat es geradeso in den Bundestag geschafft – wegen dreier Direktmandate. Der Einbruch löst bei den Anhängern Entsetzen aus. Doch wer so eklatant seinen sozialen Markenkern vernachlässigt und mit inkompetentem Personal eine zweite grüne Partei sein will, braucht sich darüber nicht zu wundern.
Zitat: Groß war der Frust am Sonntagabend im Berliner Festsaal Kreuzberg. Statt in den ehemaligen linken Hochburgen in Ostberlin zu "feiern", blieb die Linken-Führung, freilich unter Einhaltung strenger Corona-Regeln, im hippen und ach so bunten Kreuzberg unter sich. Die Gesichter der Linken-Chefinnen Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow waren lang, der Bundestagsfraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch meinte am Montag:
"Wir waren zu sehr mit internen Auseinandersetzungen beschäftigt. Ab heute beginnt der Wahlkampf wieder."
Also "Vorwärts immer, rückwärts nimmer"? Seine Parteikollegin Sahra Wagenknecht hatte da bereits am Wahlabend eine bessere Analyse: Sie meinte, "dass die Linke sich in den letzten Jahren immer weiter von dem entfernt hat, wofür sie eigentlich mal gegründet wurde, nämlich als Interessenvertretung für normale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für Rentnerinnen und Rentner", wie sie im Wahlstudio der ARD verriet. Wer es ausführlicher mag, kann das auch in ihrem Buch "Die Selbgerechten" nachlesen. Das bereits erwähnte Spitzenpersonal hat das ganz bestimmt nicht getan.
Weder Ost- noch Protestpartei
Vorbei sind die Zeiten, in denen die Linke, damals noch als PDS, für die Interessen der Ostdeutschen stand und sich als Bollwerk gegen westdeutsche Kolonialisierung samt Treuhandunwesen und Massenarbeitslosigkeit bzw. Kurzarbeit zur Wehr setzte und den Herrschenden auf die Finger klopfte.
Statt der Arbeiterschaft unterstützt man lieber das deutsche Kapital, das dringend billige Arbeitskräfte aus dem Nahen Osten und Nordafrika benötigt – auch wenn diese Menschen zumeist mit der propagierten gendergerechten Sprache und einem emanzipierten Frauenbild eher wenig anfangen können. Wer da nicht mitzieht, ist in null Komma nichts Nazi, fliegt raus und wählt beim nächsten Mal aus Frust die AfD. Dazu geht man der heiligen Greta auf dem Leim, will noch grüner als die Grünen sein und übersieht, dass das Narrativ vom Klimawandel – ob nun 100 Prozent "menschengemacht" oder nicht, sei an dieser Stelle dahingestellt – in erster Linie dazu dient, die aktuellen Besitzverhältnisse zugunsten der herrschenden Klasse samt digitalem Überwachungs-Kapitalismus und der Abschaffung des Bargelds zu zementieren. Währenddessen wird der Großteil der Bevölkerung mit höheren Abgaben, Lebensmittel- und Strompreisen sowie immer stärkeren Freiheitseinschränkungen belastet.
Die Haltung, in der "Corona-Krise" noch autoritärer als der von Lobbyisten großer Konzerne durchseuchte "starke Staat" zu agieren, hat für viele ehemalige Linken-Wähler das Fass zum Überlaufen gebracht. Das Propagieren freiheitsverachtender Aktionen wie ZeroCovid und NoCovid sowie die absolute Unterstützung des auf Masken-, Test- und Impfzwang aufbauenden in Deutschland seit März 2020 regierenden "Corona-Regimes" (Herfried Münkler) haben jeden potenziellen Wähler im Osten verschreckt, der historische Erfahrung damit hat, wenn Regierende und Medien hin und wieder nicht so ganz bei der Wahrheit bleiben und persönliche Freiheiten wie das Reisen einschränken. Dazu kommt, dass im Westen das demokratische Vertrauen in das "beste Deutschland aller Zeiten" (Frank-Walter Steinmeier) sowieso stärker ausgeprägt ist als bei den ewigen "Jammerossis", daher wählt man dort lieber gleich SPD oder Grüne statt eine ostdeutsche Mischung aus beiden Parteien.
Unterirdisches Personal
Doch nicht nur das Verkennen der realen Probleme im Land hat zum katastrophalen linken Wahlergebnis beigetragen. So hat man die letzten politischen Realisten wie Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine, Diether Dehm, Andrej Hunko, Sevim Dağdelen, Alexander Neu oder Fabio De Masi in den letzten Jahren systematisch ausgegrenzt und durch neue "Powerfrauen" und "Identitätspolitik" ersetzt. Beispielhaft steht hierfür die neue Co-Vorsitzende Hennig-Wellsow, auch bekannt als schlechte Thüringer Wahlverliererin mit nur groben Vorstellungen von den aktuellen Einsätzen der Bundeswehr und wenig konkreten Aussagen zur Ausgestaltung einer linken Vermögensabgabe für Superreiche.
Dazu gesellen sich blutjunge, urbane Städter aus gut situiertem Hause, die meist irgendwas mit Medien, Politik oder Sozialem studieren und vom realen Leben gerade auf dem Land eher wenig Ahnung haben – die Alten dagegen mit ihrer DDR-Vergangenheit dürfen zwar noch wählen gehen, sollen sich ansonsten aber mit ihrer fehlenden Wokeness und ihrem Marxismus-Geschwätz bitte aus dem Parteigeschehen raushalten.
Konsequenzen? Immer sind die anderen schuld!
Unter dem Führungsduo Kipping/Riexinger hat sich in der Partei eine bestimmte Haltung etabliert: Nicht wir sind an der Misere schuld, sondern stets die anderen. Der innere, nach außen streng abgeschirmte Machtzirkel ist daran interessiert, seine Pöstchen zu behalten, da sind Netzwerker und Apparatschiks gefragt – fachliche Qualifikation oder gar intellektuelle Fähigkeiten sind da fehl am Platze. Nicht die berechtigte Kritik des Wagenknecht-Flügels an der Parteiführung und Vergrünung der Partei werden zur Kenntnis genommen oder gar berücksichtigt, nein, die vermeintlichen Renegaten dienen als Sündenbock für das eigene politische Versagen – so auch nach der Bundestagswahl.
Bartsch führte das miese Wahlergebnis seiner Partei auch auf die "linke" Konkurrenz zurück. Vor allem die SPD habe die Linken Stimmen gekostet: "Olaf Scholz ist mit einer Anti-Wahl nach oben gekommen." Er befürchtet, dass es "mit der Raute, die Olaf Scholz gezeigt hat, ein 'Weiter-so'" geben werde. Damit hat er nicht Unrecht, aber Selbstkritik sieht anders aus. Denn ob Finanz-, Flüchtlings-, Klima- oder Corona-Krise – das völlige Versagen der Linken im Bereich des Sozialen und einer wirkungsvollen Kapitalismuskritik zeigt das Ende einer Partei auf, die sich über die Jahre völlig von ihrem Markenkern entfernt – und somit eindeutig überflüssig gemacht hat. Das muss man erst einmal hinbekommen.
Quo vadis, DIE LINKE? Zwischen "NATO-Verstehern" und der "Nie wieder Krieg"-Fraktion
de.rt.com, vom 20. Feb. 2021 12:44 Uhr, von Kaspar Sachse
Schon seit einigen Jahren wird der Riss zwischen zwei zum Teil diametral entgegengesetzten Lagern größer. Diese Kluft wurde besonders an den Haltungen zur "Ukraine-Krise" 2014 und zur "Flüchtlingskrise" ab 2015 deutlich und hat sich fortan immer stärker zugespitzt.
Zitat: Auf der einen, der "Realo"-Seite existiert das dominante Lager der "woken" Linken um die Parteiprominenz aus der Strömung der Emanzipatorischen Linken. Dazu gehören zum Beispiel Katja Kipping oder Anne Helm. Dazu kommt das Forum Demokratischer Sozialismus um das ehemalige Mitglied der Atlantik-Brücke Stefan Liebich, Klaus Lederer, Benjamin-Immanuel Hoff, Dietmar Bartsch und Matthias Höhn sowie Akteure vom Netzwerk Reformlinke um Jan Korte, Petra Pau oder Halina Wawzyniak.
Diese setzen sich in erster Linie für den "Kampf gegen Rassismus" und Kampagnen der Solidarität für politisch und sozial benachteiligte Minderheiten, beispielsweise für Geflüchtete und politisch Verfolgte ein. "Geschlechtersensible Sprache" stellt eine weitere, unverrückbare Säule beim ideologischen Richtungskompass dar, der es mittlerweile über die linkeninterne Kommunikation bis an Universitäten, die öffentlich-rechtlichen Medien und gar in den Duden geschafft hat. Der unabdingbare "Klimaschutz" um jeden Preis zeigt sich in der Unterstützung von Fridays for Future oder Extinction Rebellion.
Nicht nur dabei gerät die soziale Frage immer deutlicher ins Hintertreffen. Grundsätzlich wird zwar beispielsweise Hartz IV kritisiert, doch forciert man zunehmend stärker ein "bedingungsloses Grundeinkommen", das soziale Probleme nicht dauerhaft lösen kann und die staatliche Abhängigkeit und Überwachung der Menschen noch vergrößern wird. Die programmatischen Unterschiede zur SPD und den Grünen werden dabei auffälligerweise immer kleiner.
Abgesehen von der COVID-19-Pandemie, in der man voll auf Regierungskurs fährt und mit NoCovid oder Zero-Covid am besten noch totalitärer anmutende "Maßnahmen" durchsetzen will, sind besonders die "alten, weißen Männer" an allem Übel dieser Welt schuld, was sich exponiert an der Einreihung in die vierjährige Dauerverachtung auf allen Kanälen für Ex-US-Präsident Donald Trump zeigte. Dazu wird immer wieder eine vermeintlich inhärente Homophobie in Russland kritisiert. Wer etwaige moralische Doppelstandards zwischen der westlichen Welt und Moskau kritisiert, wie der Bundestagsabgeordnete Alexander Neu, steht massiv in der Schusslinie.
Der fast schon universalistische "Kampf gegen rechts" trifft dabei auch Linke mit von den oben abweichenden Haltungen aus dem anderen Lager der eigenen Partei. Besonders Vertreter der Kommunistischen Plattform, des Marxistischen Forums und der Antikapitalistischen Linken, die alle insbesondere die soziale Frage stärker in den Mittelpunkt stellen, strikt gegen Auslandeinsätze der Bundeswehr sind und sich gegen die NATO und für ein friedliches Bündnis mit Russland einsetzen trifft dabei der Bannstrahl.
In erster Linie ist hier Sahra Wagenknecht, Gründungsmitglied der Kommunistischen Plattform und bis 2010 Teil der Antikapitalistischen Linken, zu nennen, die parteiübergreifend eine sehr große Popularität genießt. Im März 2019 kündigte Wagenknecht an, ihrer Gesundheit geschuldet nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linksfraktion im Bundestag zu kandidieren. Heftige Kämpfe mit Vertretern des anderen Flügels hatten ihre Spuren hinterlassen. Daran hat sich bis heute nichts geändert: So gab es vor wenigen Tagen bei den Linken in Sachsen-Anhalt scharfe Kritik an einem Wahlkampfauftritt von Wagenknecht, die sich beim Thema Whistleblower wiederholt für Julian Assange oder Edward Snowden eingesetzt hatte.
So äußerte sich Rebekka Grotjohann, Mitglied im Landesvorstand, gegenüber dem Spiegel:
"Ich hätte es besser gefunden, wenn man sie nicht eingeladen hätte. Sie polarisiert und bringt immer wieder Streit in die Partei. Mit ihren flüchtlingsfeindlichen Aussagen und ihrem Blinken nach rechts hat sich Wagenknecht bei vielen von uns und auch bei mir sehr unbeliebt gemacht."
Nun rumort es kurz vor dem Bundesparteitag auch in außenpolitischen Fragen. So äußerte sich Matthias Höhn, der sicherheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, im Januar ebenfalls gegenüber dem Spiegel mit Bezug auf die Causa Nawalny:
"Wer eine sicherheitspolitisch gebotene Normalisierung der Beziehungen zwischen Russland und der EU anstrebt, darf Völkerrechtsbrüche nicht akzeptieren und muss auf Aufklärung solcher Verbrechen bestehen. […] Es gibt keinen Grund zur Nachsicht gegenüber der russischen Regierung. Inakzeptables Verhalten muss auch so benannt werden."
In Höhns Strategiepapier mit der Überschrift: "Linke Sicherheitspolitik" heißt es, NATO, Russland und China seien gleichermaßen für die angespannte internationale Lage verantwortlich. Obwohl die selbst von Höhn zitierten Zahlen eine andere Sprache sprechen: 1,04 Billionen Dollar (!) betrug 2019 das Militärbudget der NATO, davon 732 Milliarden der USA, China hatte einen Etat von 261 Milliarden, Russland noch hinter Indien mit 65,1 Milliarden, also weniger als einem Zehntel der USA.
Dennoch fordert Höhn:
"Es wird höchste Zeit, dass die Linke Antworten findet, die jenseits ausgedienter Freund-Feind-Bilder zu finden sind."
Passend dazu will Höhn die Rolle der Bundeswehr als Instrument der Außenpolitik neu definieren:
"Solange die Linke keine kurzfristige Auflösung der Bundeswehr fordert, sondern richtigerweise auf eine Neudefinition ihrer Aufgabe orientiert (keine weltweiten Kriegseinsätze, Konzentration auf die Landesverteidigung, Umbau auf defensive Fähigkeiten...), muss sie auch in der Lage sein zu definieren, welche Mittel sie dafür aufwenden will. Das bleibt bisher jedoch eine Fehlstelle. In den zurückliegenden Legislaturperioden hat die Linksfraktion nahezu keiner Beschaffung für die Bundeswehr, von der persönlichen Ausrüstung bis zum Kampfflugzeug, zugestimmt. Diese pauschale Ablehnung ist kein sicherheitspolitisches Konzept."
Final kommt Höhn zu folgenden, seltsam relativierenden Schlussfolgerungen:
"Deutschland sollte beim Aufbau neuen Vertrauens eine zentrale Rolle einnehmen. Dazu gehört etwa, den diplomatischen Austausch im NATO-Russland-Rat und der OSZE zu revitalisieren und die in der NATO-Russland-Grundakte und der KSE-Schlussakte gegenseitig versicherten politischen Vereinbarungen einzuhalten, dass beide Seiten keine ständige Stationierung substanzieller Streitkräfte in Grenzgebieten durchführen. Aus linker Sicht ist jederzeit unerlässlich, auf klaren völkerrechtlichen Regeln zu beharren und diese in allen Richtungen gleichermaßen anzuwenden. Ein nicht-mandatierter amerikanischer Luftschlag in Syrien, ein Einmarsch türkischer Truppen in ein Nachbarland oder der Einsatz von verbotenem Nervengift in Russland – wer glaubwürdig sein und Vertrauen aufbauen will, darf nicht mit zweierlei Maß messen."
Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Wolfgang Gehrcke, der lange außenpolitische Fragen in der Fraktion mitgestaltet hatte, gab bereits zu bedenken:
"Gute Gründe als überholt, alt, von gestern abzuwerten, ist ein beliebtes Muster neoliberaler Ideologen, um sich selbst als innovativ, modern, der Zukunft zugewandt darzustellen."
Und auch am neuen Wahlprogrammentwurf von Kipping und Bernd Riexinger gibt es Kritik von der Basis. So äußerten sich Sevim Dağdelen, Ulla Jelpke, Ellen Brombacher, Lydia Krüger, Steffen Niese, Isabelle Casel, Andrej Hunko, Justo Cruz in der Jungen Welt:
"In der Gesamtschau ist dieser Entwurf daher als Versuch einer Relativierung der friedenspolitischen Positionen der Partei und der internationalen Solidarität zu werten. Nicht der Ruf nach 'weniger Geld für Aufrüstung' (Seite 114), sondern die Forderung nach einem Abzug der US-Truppen aus Deutschland und der Schließung von Ramstein sowie aller anderen US-Militärbasen müssen in ein friedenspolitisches Programm für das 21. Jahrhundert."
Zu Recht stellen die Autoren die Frage: "Warum Konfrontationspolitik gegenüber Russland nicht mehr klar benennen?" Sie
"erwarten, dass so wie in unserem 2017er Programm auch jetzt die Konfrontations- und Einkreisungspolitik der USA und der NATO-Verbündeten gegenüber Russland klar benannt wird. Die gewaltige Aufrüstung der NATO gegenüber Russland ist ein friedensgefährdender Aggressionsakt und muss von uns als solcher kritisiert werden. Eine Äquidistanz, mit der die mehr als 1.000 Milliarden Dollar Militärausgaben der NATO 2019 mit den 64 Milliarden Dollar Russlands gleichgesetzt werden, spricht der Realität Hohn."
Beim anstehenden ersten digitalen Parteitag am 26./27. Februar, bei dem auch die Wahl einer neuen Doppelspitze vorgesehen ist, wird sich zeigen, ob es die beiden favorisierten Vertreterinnen der unterschiedlichen Lager, Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler, noch einmal schaffen, die Partei zu einen. Nicht nur bei den außenpolitischen Vorstellungen zeigt sich jedoch, dass es immer schwieriger wird, grundlegende Differenzen zu überbrücken.
Wagenknechts gerechter Ärger: Das fatale Wirken der "Selbstgerechten" und ihrer Identitätspolitik
de.rt.com, vom1. Mai 2021 15:57 Uhr, von Kaspar Sachse
Sahra Wagenknecht untersucht die Gründe dafür, warum "linksliberale Akademiker" sich von der sozialen Frage verabschiedet und einer autoritären Identitätspolitik zugewandt haben. Deren Bündnis mit dem Neoliberalismus hat eine enorme Spaltung der Gesellschaft hervorgebracht.
"Sahra Wagenknecht entlarvt die Identitätspolitik als das, was sie ist: das Distinktionsbedürfnis kleinbürgerlicher Intellektuellendarsteller."
Analyse
Dabei will die Autorin eben nicht spalten und polarisieren, sondern versöhnen. Bereits im Vorwort stellt sie fest, dass in Deutschland – ähnlich wie in den USA – eine tief gespaltene Gesellschaft existiere, nicht nur wegen materieller Gegensätze, sondern einer hypermoralischen und gleichzeitig verleumderischen "Debattenkultur".
Das zeige sich am deutlichsten in den beiden unversöhnlichen Lagern, die der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel als "Kosmopoliten" und "Kommunitaristen" deutet, und deren Haltung in der Corona-Krise. Diese Entwicklung lässt sich spätestens seit 2015 beispielsweise bei der "Flüchtlingskrise" oder der "Klimakrise" aufzeigen. Auf den Punkt gebracht, beschreibt die Linken-Politikerin das Hauptproblem zwischen den Gruppen:
"Emotionen ersetzten Argumente."
Für sie steht fest, dass ehemals und nur noch vorgeblich linke, grüne, sozialdemokratische sowie konservative Parteien selbst zu dieser Vergiftung des Meinungsklimas beitrugen. Das geschah, indem sie sich auf die Seite der ökonomischen Gewinner des Neoliberalismus stellten und so rechten Parteien erst deren zunehmend starke Existenz ermöglichten. Diese wiederum versuchen, die politisch heimatlos gewordenen ökonomischen, aber auch soziokulturellen Verlierer mit erheblichen Erfolg aufzufangen oder wie sich Wagenknecht explizit aufgrund dieser Entwicklungen ausdrückt:
"Die politische Rechte ist der große Gewinner des beginnenden 21. Jahrhunderts."
Ähnliches hatte bereits 2009 bzw. 2016 in der deutschen Übersetzung Didier Eribon mit seinem Bestseller "Rückkehr nach Reims" für Frankreich konstatiert. Zugespitzt, frei nach der Dimitroff-Doktrin aus den 1930er Jahren, heißt das:Wenn der Kapitalismus, befeuert durch ein entfesseltes Finanzsystem, in die Krise gerät, dann tendiert er zum Faschismus.
Mehrfach hat Wagenknecht bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass die "Linksliberalen" weder "links" noch "liberal" sind, sondern sich genau gegenteilig, nämlich autoritär und intolerant gegenüber Andersdenkenden verhalten.
Im weiteren Verlauf des Buches zeigt Wagenknecht den Unterschied zwischen der "traditionellen" und der sogenannten "Lifestyle"- bzw. identitären Linken auf. Sie beschreibt, wie sich Letztere von Ersteren historisch entkoppelt haben bzw. gesellschaftlich eigentlich im Bürgertum zu verorten sind. Nach vierzig Jahren Sozialabbau entwickelten sich dadurch zwei abgeschottete Milieus, die sich nichts mehr zu sagen haben. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung noch dramatisch verschärft.
Den "modernen Linksliberalismus" verortet Wagenknecht als "große Erzählung", die mit der Umetikettierung seiner eigentlichen Wortbestandteile hin zu einem universalistischen, alle Lebensbereiche umfassenden Raubtierkapitalismus einhergeht. Dieser ist weitgehend losgelöst von staatlichen Eingriffen und sozialen Versorgungssystemen. Diesen datiert sie zurück auf die Amtszeit der britischen Premierministerin Margaret Thatcher:
"Die radikale Botschaft des Thatcherismus war: Es gibt überhaupt keine Gesellschaft, es gibt nichts, was die in einem Land lebenden Individuen miteinander verbindet außer der Markt, über den sie miteinander ins Geschäft kommen, und die gemeinsame Rechtsordnung, auf deren Grundlage sie sich bewegen müssen."
Interessen der Allgemeinheit, so Wagenknecht, die darüber hinaus gehen und etwaige gemeinschaftliche Sinnstiftungen oder Ziele, zum Beispiel innerhalb eines Landes deklarieren, werden als "rechts" oder reaktionär betitelt und gehören offiziell angefeindet, so dass jeder sein eigenes "Süppchen" kocht und eine bewusst herbeigeführte Atomisierung der Gesellschaft entsteht.
In einem weiteren Kapitel steht Wagenknecht der ungebremsten Zuwanderung kritisch gegenüber. Denn einerseits werde dadurch der Braindrain, beispielhaft an Ärzten geschildert, aus Entwicklungsländern verstärkt, andererseits verschärfe sich durch die zum großen Teil eher gering Qualifizierten die ohnehin bereits angespannte Situation im Niedriglohnsektor, der durch die Digitalisierung ohnehin bereits massive Kapazitätsrückgänge hinnehmen musste. Das gleiche gilt für billigen Wohnraum in den Großstädten.
Nicht zuletzt wurden und werden diese Entwicklungen vom "Elitenprojekt EU", den "Hohepriestern des Wirtschaftsliberalismus" befeuert. Konkret werden Kürzungen im Gesundheitssektor zu Recht kritisiert (Erinnern Sie sich noch daran, dass diejenigen, die seit einem Jahr den Notstand wegen Corona ausgerufen haben, für die katastrophale Entwicklung im Gesundheitssystem verantwortlich sind und in Deutschland während der von der WHO ausgerufenen Pandemie ca. 8.000 Intensivbetten abgebaut haben?). Ähnliches Gilt für Renten und Mindestlöhne.
Schlussfolgerungen
Im zweiten Teil des Buches stellt Wagenknecht ihr "Programm für Gemeinsamkeit, Zusammenhalt und Wohlstand" vor. Darin plädiert sie für mehr Gemeinsinn und die Überwindung des marktradikalen Wirtschaftsmodells des "Homo oeconomicus" in Verbindung mit der Aufrechterhaltung des Nationalstaats in einem "Europa souveräner Demokratien". Das wiederum beruhe auf der Bewusstmachung von "Geschichte und Kultur statt [der] Gene", denn nur "Kolonialherren machen Identitätspolitik".
Sie befürwortet grundsätzlich den starken Staat, der aber auch die Wahrung von Checks und Balances während Krisensituationen gewährleisten muss. Parallel dazu will sie "die Herrschaft des großen Geldes" beenden, doch dazu braucht es institutionelle gesellschaftliche Neuerungen. Dabei stehen vor allem die Parteien im Fokus. Durch Mitgliederschwund und fehlende Verankerung in der Gesellschaft, die dazu noch durch Lobbyismus ersetzt wird, haben diese einen Großteil ihrer Legitimation verloren – zumal im Grundgesetz eine so starke Position für die Parteien wie derzeit überhaupt nicht vorgesehen ist.
Den großen Datenkraken aus dem Silicon-Valley muss in zweierlei Hinsicht das Handwerk gelegt werden: Zum einen weil deren finanzielle Macht, nochmals verstärkt seit Corona, gigantische Ausmaße angenommen hat und zum anderen deren immer totalitäre Überwachungsmechanismen ein einigermaßen freies und selbst bestimmtes Leben immer stärker unmöglich machen.
Fazit: Wagenknechts Buch ist die perfekte Analyse eines Epochenumbruchs 2020/21, dessen Wurzeln bis in die 1980er Jahre zurückreichen. Was daraus folgt? Die große Mehrheit der Bürger sollte sich nicht von den "Selbstgerechten" die Butter vom Brot nehmen lassen, egal wie große deren politisch-medial-ökonomische Macht bereits geworden ist.
Denn wenn jetzt nicht politisch gehandelt wird, werden zahlreiche "neue Normalitäten" nicht mehr abzuwenden sein. Kritisch allerdings stellt sich die Frage, wie Wagenknecht das mit ihrer eigenen Partei, deren Mitglieder zum Großen Teil in das Lager der "Selbstgerechten" einzuordnen sind, eigentlich erreichen will.
Handlungsempfehlungen an die nächste Bundesregierung (II) Berliner Denkfabrik konkretisiert Forderungen für die deutsche Außenpolitik: Schaffung einer Art Nationalen Sicherheitsrats, radikaler Kurswechsel gegenüber China, innere Formierung der EU.
german-foreign-policy.com, 28. September 2021
BERLIN(Eigener Bericht) - Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) legt konkrete Vorschläge zur Formierung Deutschlands und der EU für die bevorstehenden globalen Machtkämpfe vor. Die Vorschläge, die eine von der DGAP koordinierte Expertengruppe erarbeitet hat, richten sich an die nächste Bundesregierung, die unmittelbar mit ihrer Umsetzung beginnen soll. Die Expertengruppe greift Forderungen auf, die seit geraumer Zeit immer wieder vorgebracht werden, darunter die Einrichtung einer Art Nationalen Sicherheitsrats und der Aufbau einer EU-Interventionstruppe ("European Joint Force"). Besondere Aufmerksamkeit gilt den digitalen Technologien, die etwa als "entscheidender Faktor" für wirtschaftliche Stärke eingestuft werden. Einen radikalen Wandel verlangt das DGAP-Strategiepapier für die Chinapolitik. Eine bedeutende Rolle nehmen Pläne für eine umfassende propagandistische Formierung der Zivilgesellschaft ein. So soll etwa eine "Rating-Agentur" geschaffen werden, die eine "Bewertung" von Medien auf angebliche "Faktentreue der Berichterstattung" vornimmt.
Zitat: Eine "nationale Sicherheitswoche"
Zu den Maßnahmen, die die Expertengruppe vorschlägt, gehört zunächst die Etablierung spezieller Strukturen und Prozesse, die es ermöglichen sollen, selbst bei "parallelen, vielschichten Krisen" in Zukunft "handlungsfähiger zu werden".[1] Insbesondere soll der Bundessicherheitsrat, der aktuell etwa Rüstungsexporte genehmigen muss, "zum zentralen außenpolitischen Koordinierungsrahmen der Bundesregierung aufgewertet werden". Dies entspricht der Forderung nach der Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats, die seit Jahren immer wieder vorgebracht wird (german-foreign-policy.com berichtete [2]). Der Bundessicherheitsrat soll aus einem "Kabinettsausschuss" und einem "Sekretariat" gebildet werden, in dem wiederum Beamten sowie Experten versammelt sind. Er müsse, so heißt es, zu Beginn jeder Legislaturperiode eine "außen- und sicherheitspolitische Strategie" vorlegen "und ihre Umsetzung begleiten". Ergänzend plädiert die Expertengruppe dafür, der Bundesregierung "eine jährliche Berichtserstattung" vor dem Deutschen Bundestag "zur 'Lage Deutschlands und der Welt'" zur Pflicht zu machen. Nicht zuletzt müssten neue "Anlässe zur Einbindung der Zivilgesellschaft" geschaffen werden - so "beispielsweise in Form einer jährlichen nationalen Sicherheitswoche des Bundestags".
Übungen mit Zivilisten
Darüber hinaus schlagen die Autoren des DGAP-Strategiepapiers konkrete Maßnahmen zur Aufrüstung wie auch zur Einstimmung der Gesellschaft auf weitere Krisen und Kriege vor. Zur Begründung werden "Gefahren und Bedrohungen für Deutschlands Sicherheit" genannt, als deren erste das Papier "Chinas globale Dominanzstrategie" und "Russlands territoriale[n] Revisionismus" aufführt, des weiteren "Kriege, Krisen und interne Konflikte" nicht nur unmittelbar jenseits der EU-Außengrenzen, sondern auch "in Europa selbst" (Ukraine, östliches Mittelmeer).[3] Die Autoren plädieren dafür, nicht nur "einen qualitativen Sprung in der Verzahnung von EU und NATO [zu] ermöglichen", sondern auch eine neue Militäreinheit ("European Joint Force", "EJF") aufzubauen. Diese solle - als ein "sichtbare[r] politische[r], militärische[r] und technologische[r] Kristallisationspunkt" - "50 Prozent der konventionellen Fähigkeiten bereitstellen, die für die kollektive Verteidigung in Europa und das militärische Krisenmanagement erforderlich sind". Um die Gesellschaft krisen-, womöglich sogar kriegsfest zu machen, sollen "regelmäßige Übungen und Planspiele auf allen Ebenen (Bund, Länder, Kommunen) und mit allen Akteuren (zivil, militärisch, staatlich, privat) abgehalten" werden. Für "Institutionen, die als kritisch eingestuft werden", wird ein "regelmäßiger Stress- und Funktionalitätstest" geplant.
Technologische Konfrontationen
Besonderes Augenmerk richtet das Strategiepapier auf ein Feld, das für die globalen Machtkämpfe immer größere Bedeutung erhält - auf Technologien. Technologien, "insbesondere im digitalen Bereich", seien heute, so heißt es in dem Papier, nicht nur "Innovationstreiber", sondern sogar "der entscheidende Indikator für (zukünftige) Wettbewerbsfähigkeit, wirtschaftliche Stärke und Resilienz".[4] Es müsse alles daran gesetzt werden, die Entwicklung eigener Technologien in Deutschland und der EU zu stärken. Dies gelte nicht zuletzt, da "digitale Technologien ... auch für Sicherheitsbehörden und Militär eine wichtige Rolle" spielten. Die Expertengruppe warnt, die Angelegenheit sei äußerst heikel. So sei "ein Aufbau eigener technologischer Fähigkeiten, die die Abhängigkeiten von US-Firmen reduzieren, ... kurzfristig nicht realistisch" und zudem "mit hohen Risiken und Kosten verbunden". Ein Versuch wiederum, "gemeinsam mit europäischen Partnern einen eigenen Weg zwischen den USA und China zu definieren", werde "Deutschland und die EU dauerhaft zum Spielfeld der Konfrontation zwischen chinesischen und amerikanischen Interessen werden lassen". "Ein stärkerer Schulterschluss mit den USA im Technologiesektor" aber führe "zwangsläufig zu schärferen Konfrontationen mit China".
"Pioniergruppe China"
Gegenüber Beijing fordert die Expertengruppe von Berlin einen radikalen Kurswechsel. "Die neue Bundesregierung sollte die deutsche Chinapolitik von Grund auf verändern", heißt es in dem Strategiepapier; andernfalls drohe die Bundesrepublik einerseits "vom Innovator zu einem Markt für chinesische Zukunftstechnologien" zu werden, andererseits aber auch "an Bedeutung für einen zentralen Bündnispartner, die USA, zu verlieren". Künftig müsse die Chinapolitik "im erweiterten Bundessicherheitsrat behandelt werden", verlangen die Autoren; "vor jeder Sitzung sollten sich Fachabteilungen der jeweiligen Ministerien beraten". In der EU solle eine "Pioniergruppe China" ein gemeinsames Vorgehen abstecken; jenseits Europas wiederum müsse Berlin sich mit "Gleichgesinnten" abstimmen. "Gleichgesinnte" fungiert dabei vor allem als Deckwort für Rivalen der Volksrepublik (Japan, Australien, Indien).[5] Das DGAP-Strategiepapier sieht außerdem eine umfassende propagandistische Formierung der Zivilgesellschaft für den Konflikt mit China vor. So sollen "China-Informationsbörsen" geschaffen werden, die "gezielte Informations-, Beratungs- und Bildungsangebote für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen erarbeiten" - von kommunale[n] Verwaltungen, die mit chinesischen Investitionsangeboten konfrontiert sind", bis hin zu Schulen. Die Propagandaoffensive soll auch "ein Informationsangebot" für "Auslands-Chinesen" enthalten - "zum Beispiel [für] Studenten".
Kritikabwehr und innere Formierung
Einen hohen Stellenwert misst das DGAP-Strategiepapier schließlich der inneren Formierung der Gesellschaft bei, die unter dem Stichwort "Resilienz" (Widerstandskraft) beschrieben wird. Dabei geht es vorrangig um Maßnahmen, die "gezielte Desinformations- und Propagandakampagnen" abwehren sollen. Was als eine solche "Kampagne" zu gelten hat, hängt vom Standpunkt der definierenden Person bzw. Institution ab. Die Autoren des Strategiepapiers schlagen zum Beispiel vor, eine "nicht-staatliche Rating-Agentur" zu schaffen, die - "ausgerichtet an Kriterien wie etwa der 'Faktentreue der Berichterstattung'" - eine "Bewertung der Medienangebote" vornimmt. "Eine solche Agentur", heißt es, müsse selbstverständlich "den Eindruck" vermeiden, als Orwell'sches "Wahrheitsministerium" aufzutreten; sie solle daher "staatsfern und unabhängig ausgestaltet sein". Auch die Bundesregierung solle allerdings "in Zukunft verstärkt die Möglichkeiten und die Reichweite der sozialen Netzwerke nutzen" - freilich nur, "um die Bürger mit vertrauenswürdigen Inhalten zu versorgen". Nicht zuletzt könne "eine der EU East StratCom vergleichbare Struktur in Deutschland" geschaffen werden, deren Ziel die "Aufdeckung und Bekämpfung ausländischer Desinformation und Propaganda" sei. Die East StratCom Task Force hat die Aufgabe, angebliche "russische Propaganda" offenzulegen sowie zu bekämpfen. Sie hat in der Vergangenheit bereits Kritik an der EU als energisch abzuwehrende "Desinformation" eingestuft (german-foreign-policy.com berichtete [6]).
[1] Zitate hier und im Folgenden: Ideenwerkstatt Deutsche Außenpolitik: Smarte Souveränität. 10 Aktionspläne für die neue Bundesregierung. DGAP Bericht Nr. 16. September 2021.
Die frühere Grünen-Fraktionschefin Antje Vollmer beklagt eine Kluft zwischen Parteispitze und Wählerschaft und sieht eine Präferenz für ein Bündnis mit der SPD.
- ab hier Bezahlschranke -
Zitat:Auszüge aus dem Interview mit der früheren (grünen) Bundestags-Vizepräsidentin Antje Vollmer zu Grüne, Außenpolitik + Pazifismus zur Kenntnis
Vollmer: Ich bedaure, dass ich über Außenpolitik in diesem Wahlkampf so wenig gehört habe. Das wird eine wichtige Frage für die kommende Regierung. Als größtes Problem der Grünen sehe ich die Tatsache, dass die Partei faktisch keinen pazifistischen Flügel mehr hat. Umwelt und Frieden waren die beiden Themen, die die Grünen in fortschrittlichen Kreisen erfolgreich gemacht haben. Das war die Zeit nach Helsinki, der Verbindung von Entspannungspolitik zwischen den Blöcken und der Menschenrechtspolitik an der Basis. Heute vertreten sie die Nato-Formel: Härte und Dialog, aber Dialog findet kaum statt.
SPIEGEL: Und diese Position finden Sie falsch?
Vollmer: Ich glaube, das gesamte westliche Bündnis muss nach dem Scheitern in Afghanistan sein triumphales Überlegenheitsgefühl infrage stellen. Auch die Grünen brauchen eine ehrliche Analyse, wir waren ja Anhänger dieser missionarischen Idee von Nation-Building, die jetzt gescheitert ist. Das ist mein eigener drängender Wunsch an die Partei, da doch noch mal mit aller Nüchternheit die Entwicklung der letzten 20 Jahre zu überprüfen. Europa ist ein von Kriegen schwer geprüfter Kontinent. Wir brauchen schon aus Gründen unserer Geschichte und unserer geopolitischen Lage einen eigenen Spielraum für den Vorrang von Entspannungspolitik und Diplomatie gegenüber präpotenten Drohgebärden.
sueddeutsche.de, 27. September 2021, 8:14 Uhr, Von Verena Mayer, Berlin
In einem Volksentscheid spricht sich eine Mehrheit dafür aus, große Immobilienkonzerne zu enteignen. Ob man so den überhitzten Wohnungsmarkt abkühlen kann, ist allerdings fraglich.
Zitat: 60 Quadratmeter in einer der heruntergerocktesten Ecken von Neukölln: 1999 Euro. 56 Quadratmeter an der ebenfalls nicht gerade idyllischen Potsdamer Straße: 1300 Euro. 67 Quadratmeter am Verkehrsknotenpunkt Alexanderplatz: 2200 Euro - bei allen Beträgen handelt es sich um Kaltmieten. Berliner Wohnaktivisten mussten in den vergangenen Wochen auf ihren Social-Media-Kanälen nur ganz normale Immobilienanzeigen posten, um ihren Punkt zu machen: Auf dem Wohnungsmarkt der Hauptstadt läuft einiges aus dem Ruder.
Der jüngsten Auswertung des Maklerportals Homeday zufolge, das die Wohnungspreise deutscher Städte verglich und ins Verhältnis zu den jeweiligen Einkommen setzte, befinden sich von den zehn am wenigsten erschwinglichen Stadtteilen sieben in Berlin (sowie zwei in München und einer in Hamburg.) Einer der Gründe: Ein Teil der Berliner Wohnungen gehört großen Immobilienkonzernen, die renditeorientiert wirtschaften. Wenn es nach dem Volksentscheid geht, über den am Sonntag in Berlin abgestimmt wurde, sollen die Bestände von privaten Immobiliengesellschaften, die in der Hauptstadt mehr als 3000 Wohnungen besitzen, vergesellschaftet werden. Die 240 000 Wohnungen, die unter anderem Unternehmen wie Deutsche Wohnen, Vonovia oder Akelius gehören, sollen dann von der öffentlichen Hand verwaltet und die Firmen dafür entschädigt werden.
Nach Auszählung aller Wahlbezirke war am Montagmorgen klar: Eine Mehrheit stimmte mit "Ja", 56,4 Prozent der Wahlberechtigten sprachen sich für eine Vergesellschaftung aus. Mit "Nein" stimmten 39 Prozent, teilte die Landeswahlleitung mit.
Unklar ist jedoch, was daraus folgt
Dem Volksentscheid liegt kein konkreter Gesetzesentwurf zugrunde, der Berliner Senat wird nur "aufgefordert, alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind".
Ob solche Maßnahmen überhaupt rechtens sein können - darüber ist bereits eine Gutachterschlacht entbrannt. Im August 2019 kam der Wissenschaftliche Parlamentsdienst des Berliner Abgeordnetenhauses zu dem Schluss, dass eine Vergesellschaftung nicht unverhältnismäßig sei und auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Dagegen legte der Berliner Verwaltungsrechtler Ulrich Battis ein Gutachten vor, demzufolge die vorgeschlagene Enteignung ein unverhältnismäßiger Eingriff in privates Eigentum sei und sowohl verfassungs- als auch europarechtlich problematisch. Auch die Wohnungsbaugenossenschaften, die nicht gewinnorientiert arbeiten, warnten vor einer Mehrheit für den Volksentscheid: Sie fürchten, dass sie aus rechtlichen Gründen ebenfalls von der Vergesellschaftung betroffen sein könnten. Und da ist noch das Preisschild, das auf dem Vorhaben klebt: Mindestens zehn Milliarden Euro Entschädigungen müssten den Firmen gezahlt werden. Andere Schätzungen gehen von bis zu 30 Milliarden Euro aus.
Die Lust der Parteien, den Volksentscheid umzusetzen, hält sich dementsprechend in Grenzen. CDU und FDP haben sich klar dagegen ausgesprochen, SPD-Landeschefin Franziska Giffey kündigte zwar an, man werde "respektvoll und verantwortungsvoll" mit einer Mehrheit umgehen, sie ließ aber in den vergangenen Wochen keinen Zweifel daran, dass Enteignungen mit ihr nicht zu machen seien. Die Grünen sind zwiegespalten, Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sagte zwar, dass sie persönlich für Ja stimmen werde, die Grünen haben aber nicht dezidiert für das Projekt geworben. Sie fordern einen Mieterschutzschirm, eine Selbstverpflichtung für Wohnungsbesitzer, Mieten für fünf Jahre einzufrieren und sich dem Gemeinwohl zu verpflichten, eine Art Fair-Trade-Label für Vermieter gewissermaßen.
Offensiv für die Enteignung geworben hat nur die Linke, die in Berlin bei Wohnungsthemen ohnehin den radikalsten Ansatz vertritt - sie hat schon den Mietendeckel in Berlin durchgesetzt, der später vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde. Ob dem Volksentscheid ein ähnliches Schicksal bevorsteht, wird sich zeigen. Sicher ist jedenfalls, dass es sich nicht um die letzte radikale Idee in der Berliner Wohnungspolitik handeln wird.
Düsseldorf. Mit der Volksabstimmung in Berlin ist längst noch keine Entscheidung für die Enteignung von Wohnungskonzernen getroffen. Die wäre auch ökonomisch fahrlässig. Denn sie würde keinen zusätzlichen Wohnraum schaffen.
Zitat: Eine Volksabstimmung ist noch kein Gesetz. Deshalb sollten all jene, die das positive Votum von Berliner Bürgern für eine Teilenteignung der großen Wohnungskonzerne bejubeln, sich nicht zu früh freuen. Nach der Bundestagswahl gibt es in der Hauptstadt aller Voraussicht nach eine Regierende Bürgermeisterin, die sich klar gegen Enteignung ausgesprochen hat. Selbst bei einer Fortführung der rot-grün-roten Koalition wäre ein solches Gesetz fraglich, weil es auch bei den Grünen nur die Ultima ratio wäre und die beiden großen Fraktionen lieber auf konstruktive Gespräche mit allen Beteiligten setzen als die harte politische Linie fahren würden.
Abseits einer solchen politischen Einschätzung wäre eine Enteignung ökonomisch fahrlässig. Sie würde keinen Quadratmeter mehr Wohnraum schaffen, sondern private Investoren vergrätzen, die man dringend für die Beseitigung der Wohnungsnot in Berlin braucht. Es stimmt, dass die Mieten in der Hauptstadt in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sind; es ist richtig, dass manche Familie kaum noch bezahlbaren Wohnraum findet. Aber das den privaten Vermietern allein zuzuschreiben, ist falsch. In Berlin ist der Zuzug groß, die Nachfrage gewaltig. Wenn beispielsweise Genehmigungsverfahren sich dann zu lange hinziehen, wird der Druck immer größer. Ein Punkt, den die Initiatoren des Volksbegehrens offenbar ausgeblendet haben.
Ebenso wie die Tatsache, dass der Steuerzahler für ihre Pläne kräftig bluten soll. Woher sollen denn die bis zu 36 Milliarden Euro kommen, die für die Entschädigung enteigneter Konzerne fällig würden? Und was passiert in einem jahrelangen Streit, der sich vermutlich bis zum Bundesverfassungsgericht ziehen würde und bei dem Investitionen ausbleiben könnten? Wer würde denen, die nach Berlin wollen, erklären, dass die Wohnungslage noch angespannter ist als bisher, weil immer noch viel zu wenig gebaut wird?
Den Mietern in den Wohnungen, die zur Vergemeinschaftung anstehen, würde eine Enteignung helfen. Allen anderen würden die Befürworter der Enteignung einen Bärendienst erweisen. Sie ist falsch. Was hilft: Alle müssen in Berlin an einen Tisch und gemeinsam eine Lösung finden. Das wäre gelebte Demokratie.
Kommentar: "Auf konstruktive Gespräche mit allen Beteiligten setzen und gemeinsam eine Lösung finden." So etwas kommt meistens aus der Phrasendreschmaschine. Thomas Bauer
27.09.2021
US-Bürgerin vor Prozess wegen Zivilen Ungehorsams angesichts von Atomwaffen der USA in Deutschland
aus E-Mail von Marion Küpker, 27. September 2021, 08:32 Uhr
Kontakt: John LaForge, Nukewatch Co-director, Luck, Wisc., USA, mobile 001 715-491-3813; or: Marion Küpker, <marion@gaaa@gmx.de> mailto:marion@gaaa@gmx.de ; mobile: 0172-771-3266
US-Bürgerin vor Prozess wegen Zivilen Ungehorsams angesichts von Atomwaffen der USA in Deutschland
Susan Crane, 74, aus Redwood City, Kalifornien, seit vielen Jahren aktiv gegen die nukleare Aufrüstung, wird am 29.9.2021 um 10 Uhr in Cochem an der Mosel vor Gericht stehen. Sie hat Widerspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt. Der Vorwurf: Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung bei zwei verschiedenen Aktionen gegen die Stationierung von Atomwaffen der USA am Militärflugplatz Büchel. Crane ist erst die dritte US-Bürgerin, die während der bereits seit mehreren Jahren laufenden Kampagne zivilen Ungehorsams gegen die “nukleare Teilhabe der NATO" an Atomwaffen bestraft werden kann.
Die Strafbefehle beziehen sich auf Aktionen vom 15.7.2018 und 6.8.2018, bei denen sie sich zusammen mit anderen Zugang auf den Luftwaffenstützpunkt Büchel verschafft und anschließend einen mit Erde getarnten Flugzeugbunker erstiegen hat. (Siehe Foto.) Die übrigen Personen, die für beide Aktionen in gleicher Weise bestraft worden sind, wurden zu Geldstrafen von bis zu 1.500 Euro verurteilt.
Crane war seit 2017 Mitglied von vier US-Delegationen auf jährlichen Friedenscamps, die gleich neben dem Luftwaffenstützpunkt Büchel stattfanden. 2017 befanden sich unter der Delegation von elf Personen sieben, die wegen Protestaktionen gegen Atomwaffen oder Militarismus insgesamt 36 Jahre in Gefängnissen der USA verbracht haben.
Crane ist Lehrerin in Ruhestand und seit vielen Jahren Mitglied der Catholic Worker in Redwood City/ Kalifornien, die sich um Obdachlose in der Stadt kümmern. Sie war aktiv in vier sogenannten Pflugscharaktionen, die dafür bekannt sind, Atomwaffensysteme mit Blut zu markieren, und war in der Folge mehr als sechs Jahre in Bundesgefängnissen der USA.
In einem vorbereiteten Text, den Crane der Zeitschrift Nukewatch zugeschickt hat, erklärt sie kurzgefasst, was sie dem Gericht mitteilen will:
“Auf der Grundlage von § 34 des deutschen Strafgesetzbuches (Rechtfertigender Notstand) war gerechtfertigt, was ich getan habe. Eine Person, die ein Kind sieht, das in einem brennenden Haus von einem Fenster im Obergeschoss um Hilfe schreit, ist verpflichtet, die Tür aufzubrechen, das Haus zu betreten, das Kind zu ergreifen und es ins Sichere hinauszutragen. … Der Retter, der in das brennende Haus eindringt, um ein Kind zu retten, hat eine Hoffnung, dass seine Aktion das Kind vor dem Tod rettet. In ähnlicher Weise hoffen wir, dass unsere Versuche, ein Licht auf die Atomsprengköpfe zu werfen, die sich auf dem Luftwaffenstützpunkt Büchel befinden, andere inspirieren wird, dasselbe zu tun und in der Folge die Abschaffung der Atomwaffen erzwingen wird.”
Marion Küpker
Friedensreferentin beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes
27.09.2021
Die Linke hält drei Direktmandate
fr.de, 27.09.202100:12, Von Jan Emendörfer
Die Partei zieht in den Bundestag ein, selbst wenn sie unter fünf Prozent bleibt. Denn sie kann wohl drei der fünf Direktmandate halten.
Zitat: Das war „ein Schlag in die Magengrube“, sagt Linken-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow. Gemeinsam mit ihrer Co-Vorsitzenden Janine Wissler und Fraktionschef Dietmar Bartsch steht sie am Sonntagabend auf der Bühne im Festsaal Kreuzberg in Berlin vor dem überwiegend jungen Publikum, das zur Wahlparty gekommen ist. Kein Jubel, keine knallenden Sektkorken, stattdessen bange Blicke, betretene Gesichter. Die Linke muss zittern.
Wissler spricht von einem „schweren Abend“ und deutlichen Verlusten. 2017 hatte die Partei noch 9,2 Prozent geholt, jetzt muss sie um dem Wiedereinzug in den Bundestag bangen.
Die nötigen fünf Prozent waren bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht sicher. Fraktionschef Bartsch sagt, die Ergebnisse dieses „bitteren Abends“ müssten nüchtern eingeschätzt werden. Ein „Weiter so“ könne es nicht geben. „Die Fehler lagen nicht im Wahlkampf, sondern schon davor“, ist er überzeugt und ruft den Anhänger:innen kurz nach 19 Uhr zu: „Die fünf Prozent schaffen wir noch, und wir holen auch die drei Direktmandate.“
Die drei Direktmandate sind nötig, um den Sprung in den Bundestag auch dann zu schaffen, sollten die Linke an der Fünfprozenthürde scheitern. Das war schon einmal 1994 der Fall, als die Partei nur 4,4 Prozent erreichte, aber dank vier Direktmandaten mit 30 Abgeordneten ins Parlament einzog.
Bei den Direktmandaten, die parteiintern in den vergangenen Wochen als Lebensversicherung betrachtet wurden, spielt Berlin die zentrale Rolle. Vor vier Jahren holte die Linke dort vier Direktmandate – in Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Pankow. Zudem ging der Wahlkreis Leipzig-Süd an die Linke.
Zu Redaktionsschluss sah es am Abend so aus, als könnte die Partei drei der fünf Direktmandate halten – und zwar die von Gregor Gysi in Treptow-Köpenick, von Gesine Lötzsch in Lichtenberg sowie von Sören Pellmann im Leipziger Süden.
Gysi bezeichnet bei seinem Auftritt im Festsaal Kreuzberg das Gesamtergebnis als „desaströs“ und setzt nach: „Wenn wir noch einmal mit einem blauen Auge davonkommen, dann müssen wir sehr selbstkritisch über uns und unsere Zukunft nachdenken.“ mit FR
Kommentar: Die Linke wird unglaubwürdig, wenn sie ihre Kriegsbündnis NATO-Ablehnung für den Preis einer Regierungsbeteiligung feilbietet. Nichts anderes unterstelle ich hat Herr Gysi vor, wenn er jetzt glaubt mit seiner Partei in Klausur gehen zu müssen. Thomas Bauer
27.09.2021
Gas Energiewende Russland Die Preise für Erdgas explodieren – und Russland gibt sich knauserig
rnd.de, 23.09.2021, 8:23 Uhr, Frank-Thomas Wenzel
Die Internationale Energieagentur fordert, dass Russland dabei hilft, Gasspeicher aufzufüllen.Preissteigerungen hängen auch mit kaltem Wetter, wenig Windstrom und stark gestiegener Nachfrage zusammen.Annalena Baerbock spricht von Erpressung durch Putin und macht sich für eine nationale Gasreserve stark.
Zitat: Frankfurt. Die Internationale Energieagentur (IEA) ist bekannt für wohl erwogene Argumente und zurückhaltende Formulierungen. Umso bemerkenswerter ist eine aktuelle Mitteilung, die sich mit den Rekordpreisen für Erdgas befasst. Zwar erfülle Russland derzeit seine langfristigen Lieferverträge gegenüber europäischen Staaten. Aber: „Die IEA glaubt, dass Russland mehr machen könnte, um die Verfügbarkeit von Gas zu erhöhen.“
Das bringt einen neuen Akzent in die Debatte über die Preisexplosion. Naheliegend ist, dass die höchst umstrittene und fast fertiggestellte Pipeline Nord Stream 2 hierbei eine wichtige Rolle spielt. Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen, spricht sogar von Erpressung.
Die IEA erwähnt die Rohrleitung in ihrer Mitteilung mit keinem einzigen Wort. Macht aber darauf aufmerksam, dass Russland aktuell dafür sorgen könne, dass die Gasspeicher in Deutschland und anderen Ländern „auf ein angemessenes Niveau“ aufgefüllt werden. Das sei eine Chance für Russland, seine Zuverlässigkeit als Lieferant für den europäischen Markt zu unterstreichen.
Das lässt sich durchaus als Aufforderung der IEA lesen. Die Reservoire hierzulande weisen nach Angaben der Initiative Erdgasspeicher (Ines) aktuell einen „historischen Tiefstand“ aus. Sie sind derzeit nur zu 64 Prozent gefüllt. Doch es bestehe, so Ines, noch bis Anfang November die Chance, das übliche Füllstandniveau von über 90 Prozent zu erreichen. Die Brennstoffvorräte werden bei längeren Kälteperioden – die oft im Januar und Februar auftreten – dringend benötigt, um Verbrauchsspitzen „lokal und zeitnah“ abzudecken, erläutert der Erdgasspeicher-Verband.
Für Baerbock ist unterdessen klar, was hinter der Zurückhaltung Russlands bei den Gaslieferungen steckt: „Das Putin-Regime will politischen Druck aufbauen, um die ausstehenden Genehmigungen für Nord Stream 2 schneller zu bekommen und so die Leitung in Betrieb zu nehmen“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Baerbock betont: „Die Leidtragenden sind die Kunden in Deutschland, deren Gaspreise steigen werden oder die im Extremfall sogar im Kalten sitzen müssen.“
An den Energiebörsen wird Erdgas derzeit so hoch wie niemals zuvor gehandelt. Der aktuelle Preis bewegt sich bei 60 bis 65 Euro pro Megawattstunde. Das ist gut dreimal so viel, wie in den vergangenen Jahren im Schnitt üblich war. Und viele Rohstoffexperten gehen davon aus, dass diese Entwicklung bis tief ins nächste Jahr hineinreichen könnte. Das bedeutet auch, dass sich Verbraucher auf deutlich steigende Preise fürs Heizen einstellen müssen.
IEA-Direktor Fatih Birol macht darauf aufmerksam, dass die russische Knauserigkeit keineswegs der einzige Grund für die aktuell kritische Lage ist: „Die jüngsten Steigerungen bei den globalen Erdgaspreisen sind das Resultat multipler Faktoren“, erläutert Birol. Dazu zählt eine starke Erholung der Nachfrage. Auch die Witterung spiele eine Rolle, unter anderem mit einer kalten und langen Heizperiode in Europa im vergangenen Winter und einer geringeren Verfügbarkeit von Windstrom in den zurückliegenden Wochen.
Die Lage in Europa ist zudem das Ergebnis einer ganz speziellen Dynamik auf dem Weltmarkt. Auch Ostasien und Nordamerika hatten es im ersten Quartal des Jahres mit heftigen Kältewellen zu tun. Gefolgt von Hitzewellen in vielen Teilen der Erde. Das hat die Nachfrage laut IEA nach oben getrieben, insbesondere in China, aber auch in Japan und Korea. Zugleich gab es größere technische und logistische Probleme beim verflüssigten Gas (LNG), das mit Schiffen transportiert wird – vor allem Japan ist davon abhängig. Mit der Folge, dass seit Monaten kaum noch LNG nach Europa geliefert wird, es lässt sich in Asien schlicht teurer verkaufen.
Birol und seine Leute gehen davon aus, dass der europäische Gasmarkt mit „weiteren Stresstests“ konfrontiert werden könnte. Falls es zu unerwarteten Lieferausfällen und/oder heftigen Kältewellen kommen werde – insbesondere im späten Winter, also im Februar. Die Füllstände der Gasspeicher seien derzeit in ganz Europa unterhalb des Fünf-Jahres-Durchschnitts.
Mehr Erneuerbare für mehr Unabhängigkeit
Die Niederlande und Norwegen sind zwar wichtige Erdgaslieferanten. Mit dem leichtflüchtigen Brennstoff aus Russland wurde aber 2019 gut die Hälfte des hiesigen Bedarfs gedeckt. Zugleich ist die Bundesrepublik für den russischen Staatsmonopolisten Gazprom der wichtigste Abnehmer in Europa.
Mit Nord Stream 2 will Russland die Belieferung von Westeuropa noch einmal deutlich steigern. Kritiker des Projekts befürchten, dass die neue Rohrleitung durch die Ostsee auch als geostrategische Waffe eingesetzt werden könnte, insbesondere gegen die Ukraine und Polen, die bislang hohe Einnahmen mit Gebühren für die Durchleitung von Erdgas mittels Pipelines an Land machen.
Für Baerbock besteht derweil kein Zweifel: Das Spiel, das Russlands Präsident Wladimir Putin betreibe, zeige einmal mehr, „welchen Bärendienst SPD und Union mit ihrem Einsatz für Nord Stream 2 Deutschland erwiesen haben“. Die Bundesregierung habe die Pipeline vorangetrieben, allen Bedenken, Warnungen und Befürchtungen zum Trotz. Das räche sich. „Denn Deutschland ist nun in der Erpressungssituation, vor der ausgiebig gewarnt wurde.“
Die Grünen-Politikerin fordert von Union und SPD ein klares Signal Richtung Moskau: „Das Signal muss sein, dass Russland zu seinen Zusagen stehen muss und über die bestehenden Pipelines wie in der Vergangenheit auch genügend Gas liefert.“
Sie fügt hinzu: „Um uns unabhängiger von autokratischen Regimen zu machen, wäre eine meiner Prioritäten in der kommenden Bundesregierung, sich für den raschen Erneuerbaren-Ausbau bei uns in Deutschland einzusetzen.“ Gleichzeitig brauche es Vorgaben für Minimalfüllstande der Speicher beziehungsweise eine nationale Gasreserve – analog zur Ölreserve, „damit niemand im Winter im Kalten sitzt“.
Handlungsempfehlungen an die nächste Bundesregierung (I) Berliner Denkfabrik fordert offensivere, risikobereitere Außenpolitik: "Die Grenzen zwischen Krieg und Frieden verwischen."
german-foreign-policy.com, 27. September 2021
BERLIN(Eigener Bericht) - Die nächste Bundesregierung soll eine Wende zu einer offensiveren, risikobereiten Außenpolitik einleiten und dafür "gesellschaftliche Akzeptanz" schaffen. Das fordert eine Expertengruppe, die von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) über einen Zeitraum von zehn Monaten koordiniert wurde, in einem soeben publizierten Strategiepapier. Die internationale Politik werde auf absehbare Zeit vom "Machtkampf zwischen den USA und China" dominiert, heißt es in dem Papier; "Verwundbarkeit" sei "zum Normalzustand geworden": "Die Grenzen zwischen Krieg und Frieden verschwimmen." Die Bundesrepublik habe dabei in den vergangenen Jahren an Einfluss verloren; Ziel müsse es daher nun sein, "ein weiteres strategisches Déclassement zu verhindern". Als Beispiele für den Einflussverlust listet das DGAP-Papier die inneren Zerwürfnisse in der EU und die eskalierenden Krisen jenseits der EU-Außengrenzen auf. Berlin müsse künftig bereit sein, "auch unter großer Unsicherheit Entscheidungen zu fällen". Wichtige Anstöße für das Papier kamen aus Ministerien und von Politikern von Union, SPD und Bündnis 90/Die Grünen.
Zitat: "Smarte Souveränität"
Das Strategiepapier mit dem Titel "Smarte Souveränität" ist in einem Ende 2020 gestarteten, rund zehn Monate währenden Prozess von einer Expertengruppe im Rahmen der "Ideenwerkstatt Deutsche Außenpolitik" erstellt worden, eines Projektes der DGAP (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik). Es enthält zehn "Aktionspläne", die explizit als "Handlungsempfehlungen an die nächste Bundesregierung" deklariert sind und für die deutsche Außenpolitik nicht nur Ziele vorschlagen, sondern auch Instrumente und Bündnisse, mit denen sie erreicht werden sollen. Die Expertengruppe tagte unter dem Vorsitz des DGAP-Forschungsdirektors Christian Möller und der ehemaligen (bis April 2021) DGAP-Direktorin Daniela Schwarzer; in ihr arbeiteten mehrere Hochschulprofessoren sowie Spezialisten verschiedener Denkfabriken aus Europa und den USA zusammen. Begleitet wurde die Tätigkeit der Expertengruppe von einem "Policy Board", das, wie es heißt, "wichtige Denkanstöße" geliefert habe.[1] Ihm gehörten unter anderem der Leiter der außenpolitischen Abteilung im Bundespräsidialamt, Thomas Bagger, der Leiter des Leitungsstabs im Bundesverteidigungsministerium Nico Lange sowie Politiker von CDU/CSU, SPD sowie Bündnis 90/Die Grünen an. Gefördert wurde das Projekt von der Stiftung Mercator.
"Weiteres Déclassement verhindern"
Wie die Expertengruppe in ihrem Strategiepapier konstatiert, wird "der Machtkampf zwischen den USA und China ... auf absehbare Zeit die wichtigste internationale Entwicklung" bleiben. China, aber auch andere Staaten wie Russland errichteten "eigene, zumeist regionale Ordnungsstrukturen, die es ihnen erlauben, ihre Macht zu erhalten und zu mehren", heißt es in dem Papier. Gleichzeitig zeige sich: Zahlreiche andere Staaten - "so auch Deutschland - verlieren an Gestaltungsmacht". Dieser Prozess solle nun gestoppt werden. "Ziel ist es, ein weiteres strategisches Déclassement zu verhindern", erklären die Autoren: "Deutschland sollte in zentralen Bereichen nicht die Ziele anderer übernehmen müssen, sondern sich in die Lage versetzen, seine eigenen Ziele zu definieren und durchzusetzen." Dazu müsse die künftige Bundesregierung "die zunehmend begrenzten Machtressourcen gezielt so nutzen, dass sie einen weiteren Verlust an Gestaltungsspielraum und Einfluss verhindert". "Durch Kooperationen" müssten "neue Handlungsoptionen eröffnet" werden. Die Methode, nicht als klassisch souveräner Nationalstaat, sondern in - durchaus wechselnden - Bündniskonstellationen den eigenen globalen Einfluss zu sichern, bezeichnet die DGAP-Expertengruppe als "smarte Souveränität".
Von Krisen gezeichnet
Die Autoren des DGAP-Strategiepapiers deuten zunächst zwei konkrete Felder an, auf denen die deutsche Außenpolitik in den vergangenen Jahren zum Teil gravierende Rückschläge verzeichnen musste. So steht für die Expertengruppe gänzlich außer Frage, dass die Bundesrepublik in der internationalen Politik auf das Gewicht angewiesen ist, das ihr die EU verleiht. Allerdings sei "Europas Handlungsfähigkeit nach außen ... direkt an die Handlungsfähigkeit im Inneren gekoppelt". "Der Zusammenhalt in der EU" aber habe "in den vergangenen Jahren abgenommen": "In ihrem Inneren kämpft die EU nicht nur um wirtschaftliche Kohäsion, sondern auch um Rechtsstaatlichkeit und liberale Demokratie." Die nächste Bundesregierung müsse wegen der anhaltenden Auseinandersetzungen - nicht nur - mit Polen und Ungarn "den Zusammenhalt in der EU stärken"; "sowohl abweichende rechtsstaatliche Standards als auch Hürden bei der außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungsfindung" sollten auf ihrer Agenda stehen, heißt es in dem DGAP-Papier. Die EU sei ohnehin bereits "durch den Brexit ... geschwächt" worden. In der Tat hätte, abgesehen von der unmittelbaren Schwächung der EU durch den Brexit, etwa der AUKUS-Pakt, der Frankreich und mit ihm auch der EU schadet [2], ohne den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union kaum geschlossen werden können.
Von Krisen umgeben
Hinzu kommt, dass die Bemühungen Berlins, rings um die EU eine sichere Pufferzone stabiler, kooperationswilliger Staaten zu schaffen, gescheitert sind. Vor acht Jahren hatte ein ebenfalls aus Anlass einer Bundestagswahl publiziertes Strategiepapier ("Neue Macht, neue Verantwortung", german-foreign-policy.com berichtete [3]) gefordert, die deutsche Außen- und Militärpolitik solle sich "in erster Linie" auf das "zunehmend instabil werdende europäische Umfeld von Nordafrika über den Mittleren Osten bis Zentralasien konzentrieren". Nun konstatiert hingegen die DGAP-Expertengruppe: "Der Konfliktbogen, der sich von Osten nach Süden um die EU zieht, hat sich in kürzester Zeit erweitert und intensiviert." Die "Zahl der Krisen, die heute oder in absehbarer Zeit die europäische Lebensweise und Sicherheit in Frage stellen", sei "gestiegen". Zudem stünden "viele Staaten in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU ... in immer größerer Abhängigkeit von Russland, China oder auch der Türkei". Dies trifft auf immer mehr Länder Nordafrikas [4], des Nahen Ostens [5] und sogar Südosteuropas [6] zu. "In der Folge gehen Deutschland national und international immer mehr Handlungsspielräume verloren", heißt es in dem Strategiepapier.
Mehr "Bereitschaft zum Risiko"
Die von der DGAP koordinierte Expertengruppe dringt auf "mutige politische Innovationen" und urteilt, die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen böten "eine Chance", ihnen "den Weg ... zu bereiten". "Verwundbarkeit" sei "zum Normalzustand geworden", heißt es in dem Strategiepapier; "sektor- und grenzüberschreitende Schocks" würden sich künftig "nicht vermeiden lassen": "Die Grenzen zwischen Krieg und Frieden verwischen." Die Bundesrepublik müsse daher "weg von einer reaktiven ad-hoc-Politik", die darauf bedacht sei, "Schaden einzugrenzen", hin zu einer "proaktiven Politik". Dies bedeute "auch eine Bereitschaft zu geteiltem Risiko und die Fähigkeit, auch unter großer Unsicherheit Entscheidungen zu fällen". Gelingen könne dies allerdings nur, wenn "die gesellschaftliche Akzeptanz dafür gegeben" sei. Deshalb sei es "eine der größten Aufgaben der nächsten Jahre, bei den Bürgerinnen und Bürgern, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft für eine aktive deutsche Außenpolitik zu werben" und diese dabei "gegen Angriffe" zu verteidigen. "Verteidigt" werden müsse die neue "aktive" Außenpolitik nicht nur gegen "Angriffe von ... außen", heißt es in dem Strategiepapier, sondern auch gegen "Angriffe von innen".
Aktionspläne
Die Expertengruppe hat insgesamt zehn "Aktionspläne" erstellt, in denen sie zentrale Grundlinien für die künftige deutsche Außenpolitik skizziert. german-foreign-policy.com berichtet in Kürze.
[1] Zitate hier und im Folgenden: Ideenwerkstatt Deutsche Außenpolitik: Smarte Souveränität. 10 Aktionspläne für die neue Bundesregierung. DGAP Bericht Nr. 16. September 2021.
[3] Neue Macht, neue Verantwortung. Elemente einer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik für eine Welt im Umbruch. Ein Papier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und des German Marshall Fund of the United States (GMF). Berlin, Oktober 2013. S. dazu Die Neuvermessung der deutschen Weltpolitik.