Stellungnahme der Neuen Gesellschaft für Psychologie
zur „Kooperationsveranstaltung der Bundeswehr mit der
Psychotherapeutenkammer Berlin“
Betreff: Betr.: Stellungnahme der Neuen Gesellschaft für Psychologie -
Offener Brief
Datum: Thu, 19 Jan 2023 21:20:54 +0100
Von: klaus-juergen.bruder@fu-berlin.de
An: 'Klaus-Jürgen Bruder' <klaus-juergen.bruder@fu-berlin.de>
Liebe Freunde der Neuen Gesellschaft für Psychologie,
liebe Mitglieder,
ich lege Ihnen/ Euch die Stellungnahme der Neuen Gesellschaft für
Psychologie zur „Kooperationsveranstaltung der Bundeswehr mit der
Psychotherapeutenkammer Berlin“ am 7.2. 2023 bei,
mit der *Bitte, diese weit zu verbreiten*.
Das öffentliche Interesse ist durch die Tatsache gegeben, dass die
Psychotherapeutenkammer eine Körperschaft des öffentlichen Rechts unter
der Aufsichtsbehörde der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und
Soziales, in der jeder approbierte Psychotherapeut zwangsweise Mitglied
sein muss und dass mit dieser inhaltlich einseitig von der Bundeswehr
bestimmten Veranstaltung zu diesem Zeitpunkt des Krieges in der Ukraine
eine Militarisierung der Zivilgesellschaft weiter befördert zu werden
droht.
Die NGfP wendet sich mit aller Entschiedenheit gegen diesen Versuch der
Militarisierung und gegen diese Art der Zusammenarbeit von
Psychotherapeutenkammer und Bundeswehr.
Mit besten Grüßen
Der Vorstand der Neuen Gesellschaft für Psychologie
Prof. Dr. Klaus-Jürgen Bruder, Conny Stahmer-Weinandy, Jürgen Günther
Stellungnahme der Neuen Gesellschaft für Psychologie zur „Kooperationsveranstaltung der Bundeswehr mit der Psychotherapeutenkammer Berlin“
Die Psychotherapeutenkammer lädt ihre Zwangs-Mitglieder zu einem Informationstag mit der
Bundeswehr am 7.2. 2023 ein.
Die Veranstaltung wird mit 6 Fortbildungspunkten zertifiziert.
Die Themen sind: „Fragen der Organisation der Bundeswehr, den Besonderheiten des
Soldatenberufes, und des psychosozialen Netzwerks der Bundeswehr“, „Einsatzsituationen in
aktuellen Einsatzgebieten“, die Aufgaben der „Truppenpsycholog:innen im Einsatz“: „mit
Soldatinnen und Soldaten auf Patrouille/ auf Wache/ im Feldlager“, schließlich
„Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in der Bundeswehr;
Symptom- und Belastungslagen von SoldatInnen-PatientInnen, Schnittstellen zur ambulanten
psychotherapeutischen Versorgung, Heilbehandlung für die Bundeswehr: Beantragung –
Überweisung – Abrechnung.
Die Referenten bzw. Referentinnen sind ausschließlich Angehörige der Bundeswehr vom
Oberstarzt, oder Korvettenkapitän bis zum Brigadegeneral, z. Tl. mit Psychologie-Diplom.
Wir fragen uns, wer hat die Psychotherapeutenkammer, deren Präsidentin, Frau Schweizer-
Köhn eine Grußbotschaft zur Eröffnung vorträgt und ansonsten alles in den Händen der
Bundeswehr mit ihren diversen Beamten lässt, ermächtigt, eine derartige Veranstaltung, die
dann im Namen ihrer Zwangs-Mitglieder firmiert, durchzuführen? Im Klartext: Die Kammer
(zu denen wir als Psychotherapeuten ebenfalls zwangsmäßig gehören!) bietet der Bundeswehr
eine Plattform für ihre Zielsetzung und Anliegen an, ohne selbst dazu ihre eigene Agenda zu
äußern. Sind deren Mitglieder darüber informiert und/oder befragt worden? Nein!
Die neue Gesellschaft für Psychologie – NGfP legt gegen diese politische Übergriffigkeit
Widerspruch ein:
Eine so einseitige militaristische Positionierung der Kammer ist mit dem Tatbestand der
Zwangs-Mitgliedschaft der einzelnen berufsausübenden Psychotherapeutinnen und
Psychotherapeuten nicht vereinbar.
"Die Psychotherapeutenkammer ist ein demokratische, auf Selbstverwaltung beruhende
Interessenvertretung aller approbierten Psychotherapeut:innen“ (Definition der
Psychotherapeutenkammer auf ihrer website). Im Impressum heißt es jedoch:
„KöR“ (Körperschaft des öffentlichen Rechts); Aufsichtsbehörde: Senatsverwaltung für
Gesundheit und Soziales.
Wie passt das zusammen? Demokratische Interessenvertretung und behördliche Anbindung?
Es erhebt sich vor diesem Hintergrund auch die Frage der Finanzierung! Dienen die Zwangs-
Beiträge (€ 455.-/Jahr!) eventuell auch noch zur Finanzierung dieser Militär-Plattform? Und
werden eventuell auch Abzweigungen der Beiträge für Waffenlieferungen an die Ukraine
missbraucht? Dies wäre sicherlich zum Wohlgefallen der gegenwärtigen Ampelregierung!
Diese Einladung ist eine Verletzung des Neutralitätsgebotes und des demokratischen
Anspruches der Kammer! Besonders bedauerlich ist, dass es sich hierbei nicht um die erste
Grenzüberschreitung der Psychotherapeutenkammer Berlin handelt.
Zum Hintergrund:
Am 16. September 2013 trat eine Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium der
Verteidigung und der Bundespsychotherapeutenkammer in Kraft, nach der zivile
Psychotherapeuten in Privatpraxen Soldaten nach Verfahren behandeln, die von der
Bundeswehr geregelt sind. Der Vereinbarung ging eine gleichartige Übereinkunft des
Bundesministeriums der Verteidigung mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung voraus.
Die Bundeswehr und die Psychotherapeutenkammer veranstalteten zudem am 13. März 2014
in Berlin im Offiziersheim der Blücher-Kaserne eine erste gemeinsame
Fortbildungsveranstaltung, die Therapeut:innen auf die Therapie mit Soldaten vorbereiten
sollte. Es wurde kein Zweifel daran gelassen, dass Zielsetzung und Behandlung der
Soldat:innen unter der Regie der Bundeswehr geschehen sollte! Der damalige Kammer-
Präsident, Prof. Reiner Richter versicherte, dass bei den zunächst psychisch Erkrankten und
dann „erfolgreich behandelten“ Soldat:innen ein erneuter Auslandseinsatz durchaus in Frage
kommen könnte. (Aus der Stellungnahme der NGfP 9.März 2014).
Wir betonen, dass traumatisierte Soldat:innen durchaus psychotherapeutischer Behandlung
bedürfen, jedoch muss dies jenseits von militärischen und politischen Interessen, gleich
welcher Art, geschehen. Gerade in Kriegen, von denen es leider immer noch zu viele gab und
gibt, bedauerlicherweise unter deutscher Beteiligung, stellt sich bei etlichen Teilnehmer:innen
die Frage nach dem Sinn des Lebens und der seiner Opferung für imperialistische
Zielsetzungen, sowie den Profitinteressen des globalen monetär-militaristischen Sektors. Wir
als Psychotherapeut:innen sind angehalten, offene Türen und Möglichkeiten der Heilung
für die Hilfesuchenden zu bieten, und deren emanzipatorische Möglichkeiten einzubeziehen.
Es ist unsere Pflicht, dass Dritte mit anderen Interessen keinen Einfluss auf die Behandlung
nehmen können. Es kann und darf kein Therapieziel ins Auge gefasst werden, bei dem die
Heilung darin bestehen soll, die Soldat:innen wieder einsatzfähig für kriegerische Einsätze zu
machen.
So ist auch die bevorstehende Veranstaltung ein weiterer Schritt in Richtung Militarisierung
der Gesellschaft dem wir uns entgegenstellen.
Berlin, 20.01.2023
Der Vorstand der Neuen Gesellschaft für Psychologie
Prof. Dr. Klaus-Jürgen Bruder, Conny Stahmer-Weinandy, Jürgen Günther
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.