SPD-Chefin Esken: "Ich halte das für ein Tal der Chancen"
freedert.online, vom 6 Aug. 2023 18:01 Uhr, Von Dagmar Henn
Nun, die Altvorderen, glaubte man lang, malten Bilder von jagdbarem Wild auf Höhlenwände, um mehr Erfolg bei der Jagd zu haben. Nachdem die Bundesregierung die deutsche Wirtschaft gegen die Wand gefahren hat, kommt Frau Esken mit der Lösung: positiv denken.
Was hatten wir nicht schon alles ... eine "gefühlte Rezession", Betriebe, die nicht insolvent sind, sondern nur eine Pause machen, während eigentlich die Erfolge der "Transformation" ins klimaschonende Nirwana nur ein wenig auf sich warten lassen. Für diese Perlen zeichnete meist das Haus Habeck verantwortlich. Aber nun gibt es eine neue Variante. Die Gesundbeterin, oder, wenn man es freundlicher formulieren will, die Wirtschaftspsychotherapeutin namens Saskia Esken.
Die SPD-Vorsitzende konnte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, ein paar tröstende Worte in die laufende Deindustrialisierung zu werfen. So solle man sich "nicht in Depression hineinreden lassen". Solange man nur so tut, als sei der Betrieb nicht dicht, ist demnach alles gut, und auch die Verluste, die beispielsweise bei der Automobil- und Chemieindustrie zu verzeichnen sind, muss man vermutlich nur mit der richtigen Einstellung betrachten.
"Ich halte das für ein Tal der Chancen, für eine Gelegenheit, sich auf unsere Stärken zu besinnen, die unsere Wirtschaft tragen."
Das wird all jene trösten, die das bisher für ein Tal der Tränen hielten und voller Entsetzen auf die Mischung aus sinkenden Realeinkommen und schwindender Wettbewerbsfähigkeit blicken. Dabei hatte die SPD, richtig, die Partei von Frau Esken, schon dafür gesorgt, dass dank der vielen Niedriglöhner große Teile der Bevölkerung vom Exportboom, der der Corona- und Sanktionskrise vorausging, nichts hatten – außer eben niedrigeren Löhnen.
In diesem Tal der Chancen schafft man es dann, die "Abhängigkeit von Energieimporten" genauso hinter sich zu lassen wie die "Abhängigkeiten von globalen Lieferketten und Exportmärkten. "Alles nur eine Frage der richtigen Entzugstherapie.
Wobei gerade das letzte Wort hübsch ist. Abhängigkeit von Exportmärkten. Nun, wenn Exportmärkte wegfallen, kann man das, zumindest in bestimmten Bereichen, durch eine Stärkung des Binnenmarktes ersetzen. Die Reallöhne so weit zu erhöhen, dass eine solche Stärkung des Binnenmarktes möglich ist, schlägt Esken aber nicht vor. Das wäre dann doch zu traditionalistisch für die SPD von heute.
"Der Veränderungsmut in der Wirtschaft hängt genauso wie in der Gesellschaft davon ab, ob wir zuversichtlich in die Zukunft blicken oder schwarzmalen."
In den neunziger Jahren hielt man so was noch für esoterisches Geschwätz, Teil dieses "Chaka, wenn du an dich glaubst, kannst du alles"-Kults aus den USA. In Deutschland hielt man doch mehr vom Rechnen. Aber wir sind hier schließlich in der Wirtschaftspsychotherapie, und wenn man einfach mal einen ordentlichen Schluck Optimismus nimmt, dann macht das gar nichts mehr, wenn die grundlegende Stromversorgung nicht mehr stabil ist oder die Banken knirschen, weil wegen der Sanktionen alle möglichen Gelder aus allen möglichen Ländern aus Europa abgezogen werden. Nur Mut! Nicht schwarzsehen! Das ist kein Abgrund, das ist nur ein negativer Berg.
"Insgesamt haben wir die Herausforderungen in den vergangenen beiden Jahren sehr gut bewältigt."
Vielleicht hat sie auch einen großen schwarzen Kessel zu Hause, in dem sie Frösche und Schlangen kocht ... oder tanzt bei Vollmond um ein großes Feuer.
"Zu einer leistungsstarken Infrastruktur gehören heute die erneuerbaren Energien und Stromnetze, die Datennetze, der Verkehr und nicht zuletzt die soziale Infrastruktur mit Bildung, Betreuung, Gesundheit und Pflege."
Richtig, und deshalb wäre es gut, sie zu haben ... und nicht ein Gesundheitssystem am Rande des Zusammenbruchs, bröckelnde Autobahnbrücken und eine Bahn, die ewig zu spät kommt. Aber vielleicht muss man nur oft genug um das große Feuer tanzen oder morgens mit dem Mantra aufstehen "es gibt kein Energieproblem. Es gibt kein Produktionsproblem. Es gibt keine Rezession. Die USA sind unsere Freunde".
Zwischendrin gibt es sogar kurze Blitze von Erkenntnis.
"Verzichten zu können ist immer noch ein Privileg: Ich kann es mir leisten, kein Fleisch zu essen, ein eAuto zu fahren, lieber die Bahn zu nehmen als das Flugzeug. Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten und nicht wissen, wie sie am nächsten Tag die Mahlzeit für die Kinder bezahlen sollen, haben diese Möglichkeiten nicht."
Aber über Wohlstand möchte sie trotzdem nicht reden. Vermutlich sollen auch die Niedriglöhner einfach schön optimistisch in den Tag blicken und sich nicht in Depressionen reden lassen, ganz so, wie es Tante Esken empfiehlt. Wenn es dann im Winter mit der Habeck-Heizung kalt werden sollte oder der Teller der lieben Kleinen dennoch leer bleibt, helfen sicher ein paar warme Gedanken. Alles gut, mit ein bisschen "Orientierung und Zuversicht".
"Und das macht Olaf Scholz."
Sollte das aber einmal nicht reichen, gibt es eine kleine meditative Übung, die Frau Esken sicher noch in ihr Therapieprogramm aufnehmen könnte. Die geht so: Stellen Sie sich vor, Sie wären Rheinmetall. Und schon verfliegt aller Ärger, und selbst der Blick auf den Krieg in der Ukraine wird zum Vorboten einer verheißungsvollen Zukunft.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
in Kürze...
aus e-mail von Doris Pumphrey, 7. August 2023, 22:01 Uhr
Antony Blinken, dankte den USA für die bereits geleistete Militärhilfe
und forderte die Bereitstellung von ATACMS zur Stärkung der ukrainischen
Langstreckenfähigkeiten."/
Zuvor hatte der Koordinator für strategische Kommunikation im Nationalen
Sicherheitsrat des Weißen Hauses, John Kirby, behauptet, die
US-Regierung habe noch keine neuen Informationen über eine mögliche
Entscheidung bezüglich künftiger Lieferungen von
ATACMS-Langstreckenraketen an Kiew. Auch der Assistent des
US-Präsidenten für nationale Sicherheit, Jake Sullivan, teilte mit,
Biden habe mit Wladimir Selenskij über die Lieferung von
operativ-taktischen ATACMS-Raketen an die Ukraine gesprochen, aber es
gebe noch keine Entscheidungen darüber.
09:07 Uhr
*Frankreich liefert Langstreckenraketen an die Ukraine*
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat seine Ankündigung umgesetzt,
Kiew mit der französischen Variante der Storm-Shadow-Rakete zu
beliefern. Dies geht aus Aufnahmen des ukrainischen
Verteidigungsministeriums hervor, in denen der ukrainische Präsident
Wladimir Selenskij mit einer als SCALP-EG gekennzeichneten Rakete für
ein Foto posiert.
Macron hatte seine Entscheidung, die Ukraine mit "Langstreckenraketen"
auszustatten, zunächst im Mai bekanntgegeben und bekräftigte seine
Zusage im Juli auf dem NATO-Gipfel in Vilnius. Bisher war jedoch nicht
bekannt, wann die Raketen geliefert würden.
Das ukrainische Verteidigungsministerium nennt die Raketen bei deren
britischen Typenbezeichnung "Storm Shadow" und deutet damit an, dass das
von Selenskij signierte Projektil kürzlich bei einem Angriff auf zwei
Brücken eingesetzt wurde, die die Halbinsel Krim mit der russischen
Region Cherson verbinden.
Die britisch-französische Storm Shadow / SCALP-EG ist eine luftgestützte
Langstrecken-Marschflugrakete mit einer Reichweite von rund 250
Kilometern. Die Waffe wurde in den 1990er-Jahren entwickelt und kam bei
mehreren westlichen Militäroperationen zum Einsatz, darunter bei der
NATO-Intervention in Libyen und dem Angriff auf Syrien, den die USA,
Großbritannien und Frankreich im Jahr 2018 gemeinsam durchführten.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Die Kontroverse über den manipulierten OPCW-Bericht zu einem angeblichen Einsatz chemischer Waffen in Douma, Syrien, April 2018
nachdenkseiten.de, 07. August 2023 um 14:30
Ein Artikel von Karin Leukefeld
Hochrangige ehemalige UN-Offizielle und Wissenschaftler, die seit 2021 als „Berlin Gruppe 21“ (BG21) zusammenarbeiten, haben Abgeordneten des Europaparlaments ihre Untersuchung des OPCW-Berichts über einen angeblichen Einsatz chemischer Waffen in Douma, Syrien, im April 2018 vorgelegt. Gefunden haben sie Beweise für Manipulation, Voreingenommenheit und Zensur.
Die Untersuchung wurde von den beiden EP-Abgeordneten Mick Wallace und Claire Daly, Mitglieder der Partei Independents 4 Change (Unabhängige für den Wandel, Irland), in Auftrag gegeben. Im Europaparlament gehören sie zu den GUE/NGL The Left. Ziel sei, das EU-Parlament zu einer eigenständigen Überprüfung und Debatte dieser „ernstzunehmenden Kontroverse“ zu führen, heißt es in einer Notiz, die der Untersuchung vorangestellt ist. Auch die OPCW-Mitgliedsstaaten und die OPCW-Verwaltung sollten die anhaltende Kontroverse über den OPCW-Douma-Bericht „in Übereinstimmung mit der Chemiewaffenkonvention und der Charta der Vereinten Nationen“ lösen.
Gründungsmitglieder der Berlin Gruppe 21 sind der brasilianische Botschafter José Mauricio Bustani, erster Direktor der (1997 gegründeten) Organisation für das Verbot chemischer Waffen, OPCW; Richard Falk, Professor em. für Internationales Recht an der Princeton-Universität, u.a. UN-Sonderberichterstatter für die Einhaltung der Menschenrechte in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten; Dr.h.c. Hans-C. von Sponeck, 32 Jahre lang UN-Diplomat u.a. in der UNDP und als stellvertretender UN-Generalsekretär im Irak; Dr. Piers Robinson, Co-Direktor der Organisation für Propagandastudien, mit Schwerpunkt Rolle von Medien in Konflikten, Außenpolitik und Intervention an den Beispielen der Invasion in den Irak (2003) und in Syrien.
Die Vorgeschichte
Die NachDenkSeiten haben in den letzten Jahren immer wieder über die Kontroverse um den umstrittenen OPCW-Bericht zu Douma berichtet, nachdem ein OPCW-Whistleblower bei einem Panel der Courage Stiftung (Oktober 2019) über den Eingriff der Organisation in die ursprünglichen Untersuchungsergebnisse berichtet hatte.
Informationen über den angeblichen Chemiewaffeneinsatz waren am 7. April 2018 von den „Weißhelmen“ verbreitet worden. Sie schickten dramatische Bilder und Videoaufnahmen aus einem unterirdischen Krankenhaus in Douma über die sozialen Medien in alle Welt. Internationale Fernsehstationen und Agenturen sorgten für die umgehende Verbreitung. Die „Weißhelme“ behaupteten, die syrische Armee habe aus einem Hubschrauber mit Gas gefüllte Zylinder auf Wohnhäuser abgeworfen und mindestens 40 Menschen getötet. Die „Weißhelme“ verbreiteten auch Bilder von Leichen in einem Keller. USA, Großbritannien, Paris, Berlin schlossen sich den Anschuldigungen der „Weißhelme“ an.
Die syrische Armee dementierte die Angaben, die syrische Regierung bat die Organisation für das Verbot chemischer Waffen, OPCW, eine Untersuchungsmission zu senden. Der UN-Sicherheitsrat stimmte zu und die Mission, eine OPCW-Fact-Finding Mission (FFM), machte sich auf den Weg. Doch während sich die OPCW-Inspektoren in Beirut auf die Weiterfahrt nach Damaskus vorbereiteten, bombardierten die USA, Großbritannien und Frankreich in der Nacht zum 14. April 2018 Ziele in Syrien als Bestrafung für Douma. Die drei westlichen Veto-Mächte und ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat waren offensichtlich nicht an einem Ergebnis der OPCW-Mission interessiert. Die OPCW, der UN-Sicherheitsrat, die UN-Vollversammlung schwiegen.
Die OPCW-Inspektoren reisten nach Damaskus und nahmen ihre Arbeit in Douma auf. Sie sammelten Bodenproben, nahmen die Orte des Geschehens in Augenschein und sprachen mit Augenzeugen. Die auf Fotos abgebildeten Leichen in einem Keller waren nicht mehr aufzufinden. Der Ort, an dem sie beerdigt worden waren, ist unbekannt. Zurück in Den Haag – Sitz der OPCW – verfassten sie ihren ersten Zwischenbericht, der nach den OPCW-Vorschriften innerhalb von vier Wochen vorliegen muss. Dann geschah etwas Merkwürdiges. Das Douma-Inspektorenteam wurde von der Arbeit abberufen und es tauchte ein neuer Zwischenbericht auf.
„Besonders besorgniserregend“
Unter dem Betreff „Große Besorgnis über den ‚zensierten‘ Douma-Bericht“ wandte sich einer der Inspektoren des OPCW-Douma-Teams am 22. Juni 2018 mit einem Schreiben an die Vorgesetzten. „Als Mitglied des FFM Teams, das die Untersuchung über den angeblichen chemischen Angriff in Douma am 7. April durchgeführt hat, möchte ich meine große Besorgnis über die zensierte Version des FFM Berichts zum Ausdruck bringen“, heißt es in dem Schreiben. Dieses Schreiben und andere interne Dokumente in der Sache wurden zwischen 2019 und 2020 der Internetplattform WikiLeaks zugespielt und veröffentlicht. „Soviel ich weiß, geschah das im Auftrag der ODG“, das Kürzel für Office of the General Director. Und weiter heißt es:
„Nach der Lektüre dieses geänderten Berichts, wozu übrigens kein anderes Teammitglied, das in Douma im Einsatz war, die Gelegenheit hatte, war ich erstaunt, wie falsch er die Tatsachen wiedergibt. Viele der Fakten und Beobachtungen, die in der vollständigen Fassung dargestellt sind, sind untrennbar miteinander verbunden. Durch das selektive Weglassen bestimmter Informationen wurde eine unbeabsichtigte Voreingenommenheit in den Bericht eingebracht, die seine Glaubwürdigkeit untergräbt. In anderen Fällen haben sich einige entscheidende Fakten, die in der zensierten Fassung verblieben sind, in etwas ganz Anderes verwandelt als das, was ursprünglich verfasst worden war. Wenn Sie gestatten, möchte ich auf einige spezifische Aspekte des geschwärzten Berichts eingehen, die besonders besorgniserregend sind.“
Es folgt eine Aufzählung von Punkten, die dem Autor des Schreibens besonders wichtig waren. „In höchstem Maße irreführend“ sei die Schlussfolgerung, das Untersuchungsteam Douma habe genügend Beweise für den möglichen Einsatz von Chlor oder Chlorgas gefunden; für die Angabe, das Gas sei wahrscheinlich aus den gefundenen Zylindern freigesetzt worden, gebe es „ungenügende Beweise“; die Feststellungen zur Lage der Zylinder aus dem ursprünglichen Bericht fehlten, ebenso dessen umfassende Bibliographie. Der Bericht der Fact-Finding-Mission Douma solle vollständig veröffentlicht werden, da die zensierte Fassung nicht die Arbeit des Teams reflektiere, mahnte der Autor des Briefes an. Sollte die zensierte Version veröffentlicht werden, bitte er „höflich darum“, seine „abweichenden Bemerkungen gemäß Paragraph 62 von Teil II der Verifikationsanlage der Chemiewaffenkonvention beizufügen“.
Der Brief führte zu zahlreichen Reaktionen, doch die OPCW-Leitung war weder bereit, den Douma-Bericht zu veröffentlichen noch eine Stellungnahme des Briefautors dem zensierten Bericht beizufügen. Die beiden mittlerweile bekannten OPCW-Whistleblower Ian Henderson und Brendan Whelan wurden seitens der OPCW-Leitung verfolgt, unter Druck gesetzt, beleidigt und diffamiert.
Der Brief war nur der Anfang einer langen Kontroverse, die bis heute anhält. Zahlreiche Dokumente wurden WikiLeaks zugespielt, die dort nachgelesen werden können.
Die Courage Foundation organisierte ein Panel, in dem über die Unstimmigkeiten des OPCW-Douma-Berichts informiert wurde. Eine dort verabschiedete Stellungnahme lenkte internationale Öffentlichkeit auf den Fall und führte zu Appellen an den OPCW-Generaldirektor und die OPCW-Mitgliedsstaaten, den Fall neu zu untersuchen. Ohne Erfolg.
Neue Untersuchung dringend geboten
Die Autoren der nun vorgelegten Untersuchung begründen ihre Arbeit mit drei wichtigen Aspekten. Die Familien der 40 oder mehr Toten aus Douma müssten wissen, woran ihre Angehörigen tatsächlich gestorben seien. Die Glaubwürdigkeit der OPCW und das Vertrauen ihrer Mitgliedsstaaten in die Organisation müsse wiederhergestellt werden. Whistleblower, die den Mut hätten, Fehlentwicklungen aufzuzeigen, verdienten Anerkennung und Schutz. Nicht nur die OPCW habe versagt, heißt es in dem Vorwort der Autoren. Weder die UN-Generalversammlung noch der UN-Sicherheitsrat hätten zur Aufklärung der Kontroverse beigetragen. Der Umgang mit dem Bericht über einen angeblichen Einsatz chemischer Waffen in Douma und der kurz darauf erfolgte – nicht nach dem internationalen Recht autorisierte – Angriff von USA, Großbritannien und Frankreich auf Syrien gefährdeten den internationalen Frieden und die Sicherheit, wie es in der UN-Charta steht.
Die Untersuchung der Berlin Group 21 (BG21) ist in englischer Sprache verfasst. Bereits dem Titel ist zu entnehmen, was die Berlin Gruppe 21 nach jahrelangen Recherchen, Gesprächen und Untersuchungen der OPCW-Douma-Berichte gefunden hat: Beweise für Manipulation, Voreingenommenheit und Zensur. Untermauert wird das schwerwiegende Fazit mit einer Fülle von Dokumenten, Analysen aus erster Hand und von hochqualifizierten Quellen. Hinzu kommt zahlreiche interne Kommunikation der OPCW, die über die Internetplattform WikiLeaks veröffentlich wurde.
Die Untersuchung
In einem ersten Abschnitt (Section One) geht eine kurze Hintergrundinformation auf das eigentliche Geschehen in Douma, Syrien, am 7. April 2018 ein und erläutert die Einrichtung einer Fact-Finding Mission (FFM) durch die OPCW sowie die Rolle der Vereinten Nationen. Der zweite Abschnitt (Section Two) befasst sich in einer Art Chronologie mit dem angeblichen Einsatz chemischer Waffen in Douma und mit der FFM-Untersuchungsmission. Es beginnt im April 2018 und reicht über Dezember 2019 in die Zeit danach. Beim dritten Abschnitt (Section Three) schließlich handelt es sich um eine zusammenfassende Untersuchung der vier OPCW-Berichte über den angeblichen Einsatz chemischer Waffen in Douma. Dabei werden der ursprüngliche Zwischenbericht des FFM-Teams, das in Douma ermittelte (Juni 2018), der zensierte Zwischenbericht (Juni 2018), der veröffentlichte Zwischenbericht (Juli 2018) sowie der FFM-Abschlussbericht (März 2019) zusammenfassend dargestellt. In einem vierten Abschnitt (Section Four) werden schließlich Schlussfolgerungen gezogen und konkrete Handlungsvorschläge gemacht, „um das Geschehen in Douma akkurat aufzuzeigen und darüber hinaus auch die Glaubwürdigkeit der OPCW wiederherzustellen“.
Beweise für Manipulation, Voreingenommenheit und Zensur
In einem beigefügten Anhang werden Erkenntnisse der Untersuchung in den vier OPCW-Berichten konkret aufgezeigt. In Annex 1 geht es um Aussagen der toxikologischen und forensischen Pathologie, um die „ungerechtfertigte Löschung der ursprünglichen Schlussfolgerung der Toxikologie“ und um das Versäumnis, wichtige Beweise für eine andere Todesursache aufzudecken. Annex 2 befasst sich mit den Zeugenaussagen, wo und wie sie gesammelt wurden und dem Versäumnis, „ungewöhnliche Zeugenaussagen aufzuklären“. Außerdem geht es um analytische Fehler bei der Darstellung von Mustern, wie Gas sich ausbreitet. Annex 3 untersucht die „ungenügenden chemischen Analysen“, bei denen Fehler aufgetreten sind und „wichtige Hinweise auf alternative Erklärungen“ nicht untersucht wurden. Annex 4 schließlich zeigt unzulängliche Informationen bei den ballistischen Fragen auf. Dabei geht es insbesondere um die auffällige und merkwürdige Platzierung von zwei Gaszylindern sowie die Erklärung für ein Loch im Dach, durch die einer der Gaszylinder gefallen sein soll.
Die Untersuchung wurde an alle Abgeordneten des Europaparlaments, an die Leitung und Mitgliedsstaaten der Organisation für das Verbot chemischer Waffen, an den UN-Generalsekretär, die UN-Mitgliedsstaaten und an den UN-Sicherheitsrat geschickt. Auch das deutsche Außenministerium hat eine Kopie erhalten. Alle Empfänger der Untersuchung sind aufgefordert, „die anhaltende Kontroverse entsprechend der Chemiewaffenkonvention und der Charta der Vereinten Nationen zu klären“.
„Zutiefst beunruhigend“
„Dieses Dokument sollte jeden zutiefst beunruhigen, der glaubt, dass die UNO die Achtung des Völkerrechts als Mittel zur Verringerung der weltweiten Gewalt fördern sollte.“ Das schreibt Professor Theodore Postol in seinem Vorwort zu der Untersuchung der Berlin Gruppe 21. Postol ist Professor für Physik em., und hat am Massachusetts Institute of Technology (MIT) gelehrt. Das Geschehen um den OPCW-Bericht zu Douma bezeichnet er als „Angriff auf die Zukunft des Internationalen Rechts und der Chemiewaffenkonvention“. Sollte die Art von „offenkundig unprofessionellen und amateurhaften Analysen“ Bestand haben, ohne korrigiert zu werden, bedeute das für die Vereinten Nationen und die OPCW, dass diese als „Vollstrecker internationalen Rechts einfach aufhören zu existieren.“ Das werde dann ein „bedauerliches Erbe sein, das der Welt von denen hinterlassen wird, die heute den Anspruch erheben, die Hüter der Wahrheit zu sein.“
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Karin Kneissl: Die Aktuelle Politjustiz und ihre Ursachen
freedert.online/meinung, 7 Aug. 2023 07:53 Uhr, Meinung Von Dr. Karin Kneissl
Ob Donald Trump in den USA, Pakistans Ex-Präsident Imran Khan oder der anhaltende Krieg gegen den Terrorismus – eines ist allen gemeinsam: Das Prinzip der Unschuldsvermutung löst sich auf.
Trump-Unterstützer und Gegner im August 2023 in Washington
Binnen weniger Tage wurden zwei ehemalige Staatspräsidenten vor Gericht gestellt. Imran Khan wurde in Pakistan ohne Anhörung von Zeugen wegen des Verkaufs von Gastgeschenken während seiner Amtszeit 2018–2022 zu drei Jahren Haft verurteilt. Für politische Ämter im Atomstaat Pakistan mit einer Bevölkerung von über 230 Millionen Menschen zu kandidieren, ist ihm ebenso untersagt. Damit kann er bei den kommenden Wahlen im Herbst nicht antreten. Eine Menschenrechtsorganisation spricht von "lawfare". Dabei handelt es sich um eine Kombination der englischen Worte "warfare" (Kriegsführung) und "law" Gesetz.
Einen Tag vor Khan wurde Trump vor einem Gericht in Washington mit neuen Anschuldigungen konfrontiert, die es in sich haben. Ihm werden rund um den Sturm auf das Kapitol Anfang des Jahres 2021 Straftatbestände vorgehalten, die an terroristische Handlungen grenzen. Dazu gehört der Vorwurf der Verschwörung. Warum für die Anklage fast drei Jahre gebraucht wurden, fragt man sich. Trump, der vorerst aussichtsreiche Kandidat der Republikaner, könnte im Falle einer Verurteilung in Berufung gehen und dann im November 2024 erst recht gewinnen. Kämpferisch gibt sich der alte Haudegen jedenfalls. Die Vorverurteilung des Lieblingsfeinds der Redaktionen erfolgt nicht nur von medialer Seite, sondern auch auf politischer Ebene, wie die Aussagen führender Amtsträger der Demokraten zeigen. Trump und seine Anhänger verwenden den Begriff der "weaponization of justice", also den Einsatz der Justiz als Waffe. Dies geht weit über das Wort Instrumentalisierung hinaus.
Im Fall des Julian Assange, der nach Jahren in den Räumen der Londoner Botschaft Ecuadors in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis auf seine mögliche Auslieferung in die USA wartet, spricht der UNO-Sonderberichterstatter für Folter eindeutig von Folter. Die Vorverurteilung des Aufdeckers von US-Kriegsverbrechen ist massiv. Etablierte Redakteure setzen sich nicht für ihn ein. Erst jetzt beginnt Australien, sich für seinen Staatsbürger zu engagieren, doch die USA blocken jede konsularische Intervention ab. Aus US-Sicht hat der Journalist Hochverrat begangen, was ein völlig absurder Vorwurf ist.
Wir bewegen uns in vielen westlichen Gesellschaften schon lange nicht mehr auf dem Feld des Rationalen. Die Irrationalität greift so massiv um sich, wie ich auch am eigenen Leib in den letzten Jahren erlebte, dass die Frage nach dem Warum ins Leere läuft. Logische Argumente haben ausgedient, ein totalitäres Lagerdenken breitet sich in der gesamten sogenannten nordwestlichen Atmosphäre aus.
Schuldig bis Unschuld bewiesen
In diesen drei prominenten Fällen wird eines klar: Anders als in der Magna Carta aus dem Jahre 1215 definiert, gilt man im Jahre 2023 nicht mehr als "unschuldig, bis die Schuld bewiesen" ist. Das Konzept der Unschuldsvermutung ist theoretisch als Grundprinzip des Strafprozessrechts verankert. Es waren die englischen Adeligen, die im Machtkampf mit dem König dieses und viele weitere Prinzipien aushandelten. Dieses Dokument des "großen Briefs", der im so gar nicht dunklen, sondern vielmehr weltoffenen Mittelalter geschaffen wurde, legte so manche Grundlage für spätere Verfassungen und Grundrechte, von der Französischen Revolution bis hin zu den großen Deklarationen und Konventionen der Menschenrechte der UNO.
Mit dem Beginn des Kriegs gegen den Terrorismus, den der damalige US-Präsident George W. Bush im Schatten der Anschläge des 11. Septembers 2001 erklärte, wurde dieses Strafrechtsprinzip der Unschuldsvermutung systematisch auf den Kopf gestellt. Zudem wurde auch der völkerrechtlich geschützte Status des Kriegsgefangenen durch den US-Begriff des "feindlichen Kämpfers" ersetzt. Letzterer verfügt über keine Rechte mehr.
Das Straflager von Guantánamo ist zum Symbol dieser US-Politik der Zerstörung des Strafrechts geworden. In über zwei Jahrzehnten ist es keiner US-Regierung gelungen, dieses Lager zu schließen, die dort willkürlich gefangenen Menschen vor ein ordentliches Gericht zu stellen und im Fall des Freispruchs Entschädigungen für die Jahre der Folter und des Freiheitsentzugs zu zahlen.
Der Bumerang
Es ist vielleicht eine Ironie der Geschichte, dass diese völlig rechtswidrige Praxis nunmehr auch die USA selbst zunehmend erfasst. Gefährlich ist, dass die Justiz als unabhängige Gewalt im Gleichgewicht von Exekutive, also der Regierung und Verwaltung, sowie der Legislative, also des Kongresses beziehungsweise der Parlamente, versagt. Diese Politisierung von Gerichtsverfahren, mit denen vermeintlich politische Gegner moralisch und angesichts immenser Anwaltskosten auch finanziell vernichtet werden, ist kein Spezifikum der USA.
In Frankreich wurde der einstige Premier Dominique de Villepin unter Staatspräsident Nicolas Sarkozy rund um ein dubioses Waffengeschäft mit Pakistan, einem der Vorgänger von Khan, strafrechtlich belangt. Sarkozy ist indes seinerseits wegen Wahlkampfkosten strafrechtlich verurteilt. In Österreich wurde ein ehemaliger Vizekanzler in mehreren Prozessen letztlich freigesprochen, aber wirtschaftlich ruiniert.
Die Grundlagen des Rechtsstaates, wie ihn der französische Rechtsphilosoph Charles de Montesquieu in seinem Grundsatzwerk "Vom Geist der Gesetze" als Ideal entwarf, sind einmal mehr tief erschüttert. Das Verfahren gegen Khan kann vorerst zu schweren Unruhen in Pakistan führen, denn die Anhängerschaft des charismatischen Khan ist groß. Von denen, die meinen, auf der "richtigen Seite der Geschichte" zu stehen, wird ihm zudem "Nähe zu Russland" vorgeworfen. Bekanntermaßen ist dies das Totschlagargument, um jede politische Laufbahn in unserer Zeit zu beenden. Ähnlich verhält es sich mit Trump, auch wenn sämtliche Anschuldigungen zu einer "Russland Verbindung" seither ausgeräumt wurden.
Der Trump-Prozess ist explosiv, denn jede Aussage vor Gericht wird zur Wahlkampfansage. Trump könnte gestärkt aus diesem Verfahren in erster Instanz – ob verurteilt oder schuldig gesprochen – hervorgehen. Die nachfolgenden internen gesellschaftlichen Umbrüche können für das US-System zur völligen Zerreißprobe werden. Jetzt bereits bleibt der Rechtsstaat auf der Strecke. War in der Vergangenheit stets die Frage, wer sich den besten Anwalt leisten kann, so zerbröckelt gegenwärtig eine Struktur von Normen, die unsere Gesellschaften seit bald einem Jahrtausend entwickelt haben. Eine Gesellschaft steht und fällt mit ihren Rechtsgrundlagen.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Was der Westen in Bezug auf BRICS nicht versteht
freedert.online, 7 Aug. 2023 06:45 Uhr, Von Timor Fomenko
Das Hauptziel des BRICS-Blocks ist es, Wege zur Entwicklung zu finden, ohne von Supermächten bevormundet zu werden. Hierbei geht es nicht um eine Entweder-Oder-Entscheidung, sondern um die Schaffung eines multipolaren Umfelds, das der derzeitigen Vorherrschaft des Westens entgegenwirkt.
Westliche Experten argumentieren, dass die BRICS-Staaten "Gefahr laufen, zu Vasallen Chinas zu werden", und behaupten, dass die anderen Mitglieder der Gruppe (Brasilien, Russland, Indien und Südafrika) in Bezug auf ihre wirtschaftliche Macht und ihren Einfluss umfassend von Peking dominiert werden.
Laut einem kürzlich erschienenen Artikel der Financial Times hat dies die BRICS zu einem Stellvertreter für Chinas eigene Rivalität mit den USA gemacht, wobei Peking seine Partner in die Konfrontation hineinzieht. Der Autor beschreibt die Gruppe in sehr herablassender Weise und behauptet, sie basiere auf wenig mehr als "Ressentiments" und "trotziger Rhetorik" gegen die "reiche Welt".
In solchen Kommentaren werden die BRICS und ihre Ziele nicht verstanden. China zu beschuldigen, es versuche, Ländern, die immer noch neutrale oder günstige Beziehungen zum Westen anstreben, eine Angleichung aufzuzwingen, geht am Kern der Sache vorbei. Die BRICS entwickeln sich zu einem Forum für die Entwicklungsinteressen der Länder des Globalen Südens. Das hat nichts mit einer ideologischen oder militärischen Ausrichtung zu tun, sondern damit, dass sich diese Länder den politischen Raum sichern können, um ihre eigene Entwicklung durch die Schaffung eines multipolaren Umfelds voranzutreiben und die Beschränkungen des westlichen Modells zu umgehen. Letzteres nutzt das Wachstum von Ländern auf der Grundlage einer exklusiven Reihe von ideologischen und strategischen Bedingungen aus.
Um dies zu verstehen, muss man wissen, dass die Entwicklung eines Landes nicht geradlinig verläuft. Es ist leicht, sich auf den rechten Mythos zu berufen, dass "der Sozialismus gescheitert ist" und dass bestimmte Länder im Globalen Süden die alleinige Verantwortung für ihre eigene Armut oder ihren Missstand tragen. Es ist jedoch komplizierter als das. Damit ein Unternehmen erfolgreich sein kann, braucht man Kapital und Märkte, und Kapital und Märkte gibt es natürlich nur dort, wo sie bereits existieren. In den letzten 400 Jahren wurde die Verteilung des globalen Kapitals und der Märkte von einer exklusiven Gruppe von Ländern (dem Westen) beherrscht, die ihre Position durch Gewalt und Ausbeutung erlangt haben und anschließend den Zugang zu ihrem Reichtum zu für sie günstigen Bedingungen ermöglichten.
Das bedeutet, dass sich die Länder des Globalen Südens nur dann entwickeln können, wenn sie sich der politischen Ordnung und den Regeln des Westens unterwerfen, die gegen sie gerichtet sind, um das etablierte Kapital und den Reichtum am selben Ort zu halten. Nun gibt es zwar einige Länder, die den Übergang von der Armut zum Reichtum erfolgreich vollzogen haben, wie z.B. Südkorea, aber dies geschah nur, indem sie sich den USA unterwarfen und damit ihre nationale Souveränität und strategische Autonomie opferten. Andererseits wird Nationen, die sich gegen die westliche Ordnung auflehnen, insbesondere größeren, wie dem Iran, der Weg zu ihrer Entwicklung gewaltsam versperrt, da ihnen das Kapital und die Exportmärkte, die der Westen bietet, vorenthalten werden.
Daher wurden die Entwicklungsmöglichkeiten der Länder des Globalen Südens traditionell durch die westliche Vorherrschaft über das globale Finanzsystem blockiert. Doch die Welt verändert sich jetzt. Die USA haben den strategischen Fehler begangen, China in die Weltwirtschaft einzubinden, weil sie glaubten, dass die freie Marktwirtschaft den ideologischen Wandel des Landes zu den Bedingungen Amerikas einleiten würde, was jedoch nicht der Fall war. Jetzt ist China auf dem Vormarsch, was den Ländern des Globalen Südens einen politischen Raum geschaffen hat, um ihre wirtschaftliche Entwicklung außerhalb der vom Westen dominierten Blase zu etablieren. Dies war die Hauptantriebskraft für Projekte wie die Belt and Road Initiative (BRI). Natürlich haben die USA jetzt auf diese Verschiebung der globalen Strömungen reagiert, indem sie versucht haben, den Aufstieg Chinas zu unterdrücken, und damit gezeigt, was auf jedes Entwicklungsland zukommt, wenn es versucht, sich zu seinen eigenen Bedingungen zu entwickeln.
In diesem neuen geopolitischen Umfeld hat die strategische Bedeutung der BRICS vor allem deshalb zugenommen, weil sie einen Klub für die Länder des Globalen Südens darstellen, der bei der Gestaltung einer Wirtschaft der Zukunft außerhalb der westlichen Vorherrschaft zusammenarbeitet. Es handelt sich nicht, wie die Financial Times irreführend darstellt, um einen "von China geführten Block", eben weil er auf der Tradition der Nichteinmischung beruht. Auch wenn die Financial Times zu argumentieren versucht, dass Brasiliens Streben nach stärkeren Handelsbeziehungen ein Widerspruch sei, oder auf Indiens eigene Streitigkeiten mit China hinweist, ist dies irreführend.
Bei BRICS geht es nicht um eine Entweder-Oder-Entscheidung, sondern um die Schaffung eines multipolaren Umfelds, das der derzeitigen Vorherrschaft des Westens entgegenwirkt. Daher ist China selbst nicht einmal wirklich gegen die Beziehungen zum Westen, sondern insbesondere gegen den Versuch der USA, diese zu untergraben. Während es sich bei Organisationen wie der NATO um Nullsummenbündnisse handelt, welche die strategischen Ziele der USA ergänzen und somit eine ideologische Mission verfolgen, sind die BRICS pragmatischer und praktischer. Daher haben sich viele Länder um eine Mitgliedschaft beworben, weil sie eine Alternative zu diesen westlich dominierten Institutionen darstellen.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Nachbemerkung zum Friedenstreffen für die Ukraine in Dschidda
seniora.org, 07. August 2023, Von Gilbert Doctorow 07.08.2023 - übernommen von gilbertdoctorow.comEine beachtliche Prognose von Gilbert Doctorow
Wie ich erwartet hatte, berichtete die BBC heute Morgen kurz, dass das Treffen in Dschidda am Wochenende, bei dem ukrainische Friedensvorschläge diskutiert wurden, ohne konkrete Ergebnisse endete.
Das hinderte die Financial Times in ihrer heutigen Ausgabe nicht daran, das Treffen als Erfolg zu bezeichnen, weil China daran teilgenommen und versichert hat, dass es sich in Zukunft an solchen Gesprächen beteiligen wird.
Ich rechne außerdem damit, dass die USA und ihre Verbündeten dieselbe Art von "Big Lie", also die Behauptung eines Sieges, der in Wirklichkeit eine eklatante Niederlage ist, versuchen werden, wenn die Russen Charkow, die zweitgrößte Stadt der Ukraine, zurückerobern und sich die gesamte verbleibende ukrainische Küste am Schwarzen Meer unter den Nagel reißen, indem sie Nikolajew und Odessa überrennen.
Dies könnte bereits in einigen Monaten geschehen, da die ukrainischen strategischen Reserven in den letzten Monaten nahezu vernichtet wurden und der Kreml plant, in die Offensive zu gehen, sobald die ukrainische Gegenoffensive nachlässt und bevor im Herbst die Regenzeit einsetzt, die groß angelegten Militäroperationen entgegensteht.
Welche Kaninchen werden Jake Sullivan, Blinken und seine Kollegen im Außenministerium dann aus dem Hut zaubern wollen?
Was dann passieren wird, zeichnet sich ebenfalls bereits ab. Die Polen werden mit Unterstützung der USA in Lemberg und in der Westukraine eine so genannte defensive Stationierung von Friedenstruppen vornehmen, um eine weitere russische Aggression zu verhindern, und die Vereinigten Staaten werden sagen, dass sie die ukrainische Souveränität angesichts der überwältigenden russischen Militärmacht und der Unfähigkeit von Zelensky und seinen Generälen bewahrt haben. Wir können davon ausgehen, dass Zelensky zu diesem Zeitpunkt physisch "neutralisiert" sein wird, damit er nicht in der Weltpresse über den Verrat der USA jammert.
Das Problem für die Biden-Regierung besteht darin, dass sie diese offensichtlich falschen Siegesbehauptungen mitten im Präsidentschaftswahlkampf 2024 aufstellen wird, wenn ihre große Lüge von den Republikanern Donald Trump und Ron Desantis einerseits und von Robert F. Kennedy im Lager der Demokraten andererseits heftig angegriffen werden wird.
Was die Kosten betrifft, die den EU-Mitgliedstaaten durch ihre leichtsinnige Unterordnung unter Washington bei der Verhängung von Sanktionen gegen Russland entstehen, so können wir der Financial Times für ihren heutigen Artikel danken, in dem sie die Verluste beziffert, die Energieunternehmen, Banken und andere Großunternehmen verbucht haben, die ihre russischen Betriebe unter Bedingungen eines Notverkaufs veräußert haben oder vom russischen Staat als Entschädigung für die Beschlagnahme russischer staatlicher und privater Vermögenswerte durch den Westen in der EU konfisziert wurden.
Im günstigsten Fall behielten sie ihre Eigentumsrechte, mussten aber die Vermögenswerte, die sie noch besitzen, zu Buchhaltungszwecken als "wertgemindert" ausweisen, da keine Dividenden oder Kapitalbeträge ins Ausland transferiert werden können. Die von der FT genannte Zahl beläuft sich auf über 100 Milliarden Euro an Verlusten.
Hinzu kommen die wirtschaftlichen Verluste für die Bevölkerung in der EU aufgrund der stark gestiegenen Energiekosten infolge der Abkehr von russischen Kohlenwasserstoffen. Die FT macht dazu keine Angaben, aber ich würde schätzen, dass es sich um mehr als 200 Milliarden Euro handelt, wenn man nur die öffentlich gemeldeten Entschädigungsmaßnahmen Deutschlands und mehrerer anderer EU-Länder berücksichtigt, mit denen Einzelpersonen und Unternehmen für den Energiepreisschock entschädigt werden.
Das Nettoergebnis dieser westlichen Verluste kommt den russischen finanziellen Verlusten in Europa und Amerika nahe. Wo liegt also der "Gewinn" des Westens bei seinen "Sanktionen aus der Hölle" gegen Russland?
Quelle: https://gilbertdoctorow.com/ Mit freundlicher Genehmigung von Gilbert Doctorow Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Deutschlad Archiv Wie ist dieser Krieg zu deeskalieren und zu beenden? Teil 1
bpb.de, vom 27.07.2023, Martina Fischer
Perspektiven für Sicherheit und einen gerechten Frieden in der Ukraine und Europa
Nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs der russischen Regierung gegen die Ukraine befasste sich die Autorin im Deutschland Archiv am 26. April 2022 mit der Genese des Konflikts. Sie vertrat die Einschätzung, dass man trotz aller Verzweiflung und Empörung über das brutale Kriegsgeschehen die Hoffnung auf die Neugestaltung einer Friedens- und Sicherheitsordnung in Europa nicht aufgeben dürfe. Nach eineinhalb Kriegsjahren und zahllosen Kriegsverbrechen fällt es schwer, dafür Visionen zu entwickeln. Dennoch sollte weiter über Perspektiven für Sicherheit und Frieden in Europa nachgedacht werden. Vor allem gilt es nach Wegen suchen, um die Eskalationsspirale zu durchbrechen und das Sterben auf beiden Seiten zu beenden. Es ist schwer vorherzusagen, wann sich ein Fenster dafür öffnet – aber man muss jetzt dafür Vorbereitungen treffen. Und man sollte auch über Europa hinausschauen und Voraussetzungen für die Bewältigung globaler Friedensgefährdungen schaffen.
Seit Beginn des Überfalls der russischen Armee auf die Ukraine konzentrierte sich der öffentliche Diskurs hierzulande vor allem auf die Frage der Waffenlieferungen und die von Bundeskanzler Scholz verkündete „Zeitenwende“. Zahlreiche Fernseh-Talkshows widmeten sich der Dynamik des Krieges, nicht immer in ausreichender Differenzierung. So wurde die Regierung wegen anfänglicher Zurückhaltung bei der Lieferung schwerer Waffen, die der Abstimmung mit den Verbündeten geschuldet und durchaus begründet war, als zu zögerlich gescholten. Warnungen vor Eskalationsgefahren wurden, ebenso wie kritische Nachfragen zur Verschuldung und massiven Erhöhung der Militärausgaben, als Verrat an der Ukraine betrachtet.
Analysen, die den Krieg in eine übergeordnete globale Konfliktlage einordnen und auf dieser Grundlage nach Ansätzen für Deeskalation suchen, gerieten in den Verdacht, die Verantwortung für den Angriffskrieg zu relativieren. Die empörten Reaktionen sind verständlich, denn schließlich wurde ein Land überfallen und mit entsetzlichen Kriegs- und Menschenrechtsverletzungen überzogen, und es steht außer Frage, wer Täter und wer Opfer ist.
Mit der Zerstörung des Kachowka-Staudamms kam am 6. Juni 2023 eine weitere Katastrophe hinzu, unter der zahllose Zivilist:innen leiden. Es gilt weiterhin, die Ukraine als souveränen Staat zu retten, dessen Zerschlagung die russische Führung explizit ankündigte, und der ein Recht auf Selbstverteidigung hat. Gleichwohl wirft dieser Krieg ethische Fragen auf, für die es keine einfachen Antworten gibt.
Alternativlose Waffenlieferungen und chancenlose Diplomatie?
Neben umfangreichen Sanktionen gelten vor allem Waffenlieferungen an die Ukraine seit dem 24. Februar 2022 für die Mehrheit der politisch Verantwortlichen in den Nato- und EU-Mitgliedsländern als alternativlos. Gleichzeitig betonen die meisten, dass sie nicht selbst „Kriegspartei“ werden wollen. Allerdings bleiben die Zielsetzungen der militärischen Unterstützung recht „nebulös“, wie Samuel Charap, Politikanalyst bei der RAND-Corporation, in einem Beitrag für Foreign Affairs bemerkt. Zur Auflösung der Fußnote[1] Daher – und weil sich die Begründungen für die politischen und militärischen Entscheidungen zuweilen als widersprüchlich erweisen – sind kritische Nachfragen geboten. Zur Auflösung der Fußnote[2]
Inzwischen fragen sich immer mehr Menschen – auch jenseits des pazifistischen Spektrums –, ob ein mehr an Waffen und eine Fortsetzung des Kriegs auf unbestimmte Zeit die Aussichten für einen „gerechten Frieden“ tatsächlich erhöhen. Zum Jahrestag des Angriffs im Februar 2023 häuften sich die Friedensappelle. Einige ließen leider die klare Aufforderung an die russische Führung, die Truppen aus der Ukraine zurückzurufen, vermissen. Aber manche plädierten auch mit guten Argumenten für friedenslogische Sichtweisen und für eine langfristige kooperative Sicherheitspolitik. Zur Auflösung der Fußnote[3]
Das Plädoyer für mehr Diplomatie und die Vorbereitung von Verhandlungen wurde in der darauffolgenden Debatte von politischen Akteur:innen oft pauschal mit dem Hinweis zurückgewiesen, die Voraussetzungen dafür seien bis auf Weiteres nicht gegeben, wie zum Beispiel Wolfgang Ischinger (2023) explizit beklagte. Aus dem christlichen Spektrum, in dem über friedensethische Grundlagen seit geraumer Zeit sehr kontrovers diskutiert wird (vergleiche dazu die Übersicht von Thomas Hoppe), gab es neben zahlreichen Solidaritätsbekundungen für die Ukraine daher auch kritische Nachfragen. Zur Auflösung der Fußnote[4]
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, betonte in ihrer Osterbotschaft (bei Anerkennung der Notwendigkeit von militärischer Unterstützung), zwar seien Verhandlungsmöglichkeiten im Moment sehr erschwert, „dennoch dürfen wir als Christen zu keiner Zeit sagen, es kann keine Gespräche geben“. Zur Auflösung der Fußnote[5] Verhandlungen auf Augenhöhe ergäben sich nicht von selbst, man müsse sich aktiv darum bemühen, meint Kurschus, und: „Ich weigere mich, den Ruf nach Verhandlungen als zynisch und naiv abzutun". Zur Auflösung der Fußnote[6] Ein prominenter Vertreter der katholischen Kirche, Kardinal Reinhard Marx, kam zeitgleich zu dem Schluss: „Man sagt jetzt oft, die Ukraine allein entscheidet, wann der Krieg zu Ende geht. Aber ich denke, das ist ein bisschen zu kurz gegriffen. Wenn wir Waffen liefern, haben wir auch eine Verantwortung, denn mit unseren Waffen werden Menschen getötet. Deswegen gibt es auch eine Verantwortung, alles zu tun, um diesen Krieg zu beenden“. Zur Auflösung der Fußnote[7] Bei jedem Schritt müsse man sich fragen, was die Ziele sind und ob man diese erreichen könne, so Marx: „Bei der Münchner Sicherheitskonferenz hörte man: Wir stehen an Eurer Seite, ‚whatever it takes‘. Was soll das bedeuten? Dass immer noch mehr Waffen oder irgendwann auch Soldaten geschickt werden? Alle sagen, wir wollen keine Kriegspartei sein, es heißt, am Ende will man keinen sogenannten dritten Weltkrieg. Dann muss man Szenarien entwickeln, (und sagen) was denn das Ende sein könnte.“
Die Rhetorik von Sieg und Niederlage helfe nicht weiter, meint Marx, sondern heize die Eskalation an. Die politisch Verantwortlichen müssten dem Einhalt gebieten und vermeiden, dass wir „einen Krieg führen, der einen dritten Weltkrieg heraufbeschwört. Wenn man das nicht will, muss man jetzt Szenarien entwickeln, um das zu beenden.“ Gerade weil man Waffen liefere, stehe man in der Pflicht, dies fortlaufend auf Verhältnismäßigkeit und Eskalationsrisiken hin zu prüfen, und nach Möglichkeiten einer Beendigung des Krieges zu suchen: „Wir benötigen eine Exit-Strategie. Man kann nicht dabei stehen bleiben, ständig weiter zu rüsten, ständig Waffen zu liefern und zu glauben, irgendwann käme dann der Frieden. Der Frieden kommt nicht durch Waffen. Er kommt am Ende durch eine Absprache, wie wir einen Weg finden, die Waffen schweigen zu lassen und zu einer politischen Lösung zu kommen, zu einem gerechten Frieden. Das sehe ich so einfach jetzt nicht vor mir. Aber es muss doch alles dafür getan werden, auch hinter verschlossenen Türen, es ist eine Verpflichtung der Politik, jetzt schon zu sprechen. (…) Ich erwarte, dass die Politiker und alle, die irgendeinen Kontakt haben, zwischen der Ukraine und Russland Gesprächsfäden herzustellen, das nutzen.“
Eine Reihe von Expert:innen aus der Diplomatie, aus dem Militär und wissenschaftlichen Einrichtungen machen sich mittlerweile verstärkt Gedanken darüber, wie man die Eskalationsspirale durchbrechen könnte. Einige bedenkenswerte Überlegungen werden in diesem Beitrag vorgestellt und bewertet.
Widersprüchliche Aussagen über Ziele der militärischen Unterstützung
Man kann davon ausgehen, dass sowohl unter den westlichen, die Ukraine unterstützenden Akteuren, als auch über die verfeindeten Linien hinweg auf verschiedenen Ebenen gesprochen wird. Aber worüber und mit welchem Ergebnis hinter verschlossenen Türen kommuniziert wird, ist für die Öffentlichkeit und auch für politische Analyst:Innen extrem schwer zu beurteilen. Insofern sind wir darauf angewiesen, uns anhand der veröffentlichten Statements ein Bild zu machen.
Im Verlauf des Jahres 2022 war der westliche politische Diskurs zunächst stark von dem Argument bestimmt, nur durch militärische Erfolge könne die Ukraine eine gute Position in Verhandlungen erreichen. Der amerikanische Präsident Joe Biden hatte das ausdrücklich als Ziel der amerikanischen Politik beschrieben. Zur Auflösung der Fußnote[8] Gleichzeitig hatte er klargestellt, man werde keine Waffen liefern, die zum Angriff auf russisches Gebiet geeignet sind. Auch die Aussage von Bundeskanzler Scholz, dass die Ukraine „diesen Krieg nicht verlieren darf“, war in diesem Sinne zu verstehen, und zugleich von einem klaren Nein zu einer Flugverbotszone begleitet, weil dies die Nato unweigerlich in einen Krieg mit Russland manövriert hätte. Angesichts erfolgreicher lokaler Gegenangriffe der ukrainischen Armee hörte man dann nicht nur aus der Ukraine, sondern auch hierzulande immer häufiger die Forderung, man müsse das Land in die Lage versetzen, den „Krieg zu gewinnen“ und Russland zu „besiegen“.
Selten wurde erklärt, was damit genau gemeint ist: die Rückeroberung der von Russland nach dem 24. Februar 2022 besetzten und annektierten Gebiete? Die Vertreibung des russischen Militärs von ukrainischem Territorium, also auch von der Krim? Oder gar die Befähigung der ukrainischen Streitkräfte zu Angriffen auf russisches Staatsgebiet? Die problematischen Dimensionen einer Rhetorik von „Sieg“ und „Niederlage“ hat der Philosoph Jürgen Habermas treffend analysiert. Zur Auflösung der Fußnote[9]
Zwar hat die Ukraine für eine Rückeroberung der besetzten Gebiete das Völkerrecht auf ihrer Seite. Jedoch ist dies aufgrund der Überlegenheit der russischen Streitkräfte unweigerlich mit großen menschlichen und materiellen Verlusten verbunden. Zudem bergen alle Szenarien massive Eskalationsgefahren, wie der deutsche Brigadegeneral a.D. Helmut Ganser Zur Auflösung der Fußnote[10] immer wieder dargelegt hat. Er fordert daher von der deutschen und westlichen Politik ein „verantwortungsbewusstes Navigieren in einer Dilemmasituation“ (2022c), da sich die russische und die ukrainische Regierung nach anfänglichen Gesprächen im Frühjahr 2022 an Verhandlungen nicht mehr interessiert zeigten.
Im März 2022 hatte Präsident Selenskyj potenzielle Verhandlungsgegenstände benannt, war dann aber unter dem Eindruck massiver Menschenrechtsverletzungen (Butscha, Irpin) und militärischer Teilerfolge davon abgerückt ist und seither auf das Ziel fokussiert, mit einer militärischen Offensive möglichst das gesamte Territorium von der Besatzung zu befreien. Zwar gibt es die Zusage, die von den westlichen Verbündeten gelieferten Waffen nicht für Angriffe auf russisches Gebiet zu nutzen, allerdings sind ukrainische Drohnenangriffe auf Ziele in Russland inzwischen an der Tagesordnung.
Auch die Angriffe, die von Milizen dubioser (oft rechtsextremer) Herkunft aus der Ukraine auf russischem Gebiet gegen russische Streitkräfte verübt werden, sind schwer einzuschätzen. Zur Auflösung der Fußnote[11] Vor diesem Hintergrund gilt es, die Gefahr einer Ausweitung und Eskalation des Krieges unbedingt ernst zu nehmen: „Dieses Risiko ist real, denn im oft zitierten ‚Nebel des Krieges‘ (Clausewitz) können Kämpfe auch ungeplant außer Kontrolle geraten und eskalieren, etwa durch Raketen, die durch Systemfehler auf Nato-Gebiet einschlagen“. Zur Auflösung der Fußnote[12]
Ein langer Abnutzungskrieg ist wahrscheinlich
Trotz beharrlicher Verteidigungsanstrengungen und zahlreicher Teilerfolge wird die Möglichkeit, dass die Ukraine die russische Führung militärisch zur Aufgabe und zum Abzug aller Kräfte von ihrem Territorium zwingen könnte, als nicht sehr realistisch eingeschätzt. Ranghohe amerikanische Militärs, unter anderem Generalstabschef Mark Milley, sprechen seit Ende 2022 von einer militärischen Pattsituation, in der weder Russland noch die Ukraine den Krieg militärisch entscheiden können, und die unweigerlich einen langjährigen, verlustreichen Stellungskrieg nach sich ziehen wird. Auch in Deutschland wird diese Einschätzung von namhaften Militärexperten geteilt Helmut Ganser. Zur Auflösung der Fußnote[13] Sie verweisen auf weitaus größere Nachschubreserven an Soldaten auf russischer Seite.
Sanktionen in den Bereichen Finanzen, Wirtschaft und Technologie sind weiterhin erforderlich, um Druck auf Russland auszuüben. Aber sie konnten das Putin-Regime kurzfristig noch nicht zum Einlenken bewegen. Zwar gibt es offenbar Einbußen in der Wirtschaftskraft, wie der US-Reporter Evan Gershkovich Zur Auflösung der Fußnote[14] nachwies (der Autor wurde inzwischen in Russland inhaftiert), und einige Sanktionsexperten gehen davon aus, dass so dem Regime sukzessive Ressourcen entzogen und damit langfristig die Kriegführung erschwert wird (zum Beispiel Janis Kluge, Stiftung Wissenschaft und Politik). Zur Auflösung der Fußnote[15] Jedoch können Sanktionen offenbar kurzfristig diese nicht verhindern. Auch die Sanktions-Experten sagen daher einen langjährigen Krieg voraus. Vor diesem Hintergrund mehren sich Stimmen, die vorschlagen, eine Waffenruhe zu erwirken, um so den Weg für ein längerfristiges Waffenstillstandsabkommen und/oder politische Verhandlungen zu ebnen. Der Journalist und UN-Experte Andreas Zumach spricht von einer „Strategielosigkeit auf beiden Seiten“ in einer Pattsituation, in der der russische Präsident die Eskalationsdominanz und größere Durchhaltekraft mitbringe. Zur Auflösung der Fußnote[16] Auch Putin verfüge über keine gesichtswahrende Exit-Strategie. Zumachs Befürchtung lautet: Ein „Weiter so“ mit jahrelangen Waffenlieferungen werde möglicherweise dazu führen, dass sich der Krieg sehr lange hinziehe, „mit noch mehr Toten, und dass am Ende viele ukrainische Städte so aussehen, wie Grosny nach dem zweiten Tschetschenienkrieg.“
Die Verantwortung für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg sei klar bei der russischen Führung zu verorten. Gleichwohl seien westliche Regierungen gut beraten, wenn sie der ukrainischen Regierung signalisierten, sich Gesprächen nicht zu verweigern, so Zumach: „Es geht nicht darum, der Ukraine zu sagen, worüber sie zu verhandeln hat und wo sie Konzessionen machen soll. Aber auf der anderen Seite wissen wir doch, was die Verhandlungsgegenstände sind. Sie lagen am 29. März 2022 auf dem Tisch und wurden von Selenskyj und der ukrainischen Regierungsdelegation vorgelegt. Das sind die Kernfragen: die Nato-Mitgliedschaft, die Frage des künftigen Status des Donbass, die Krim, und verlässliche Sicherheitsgarantien.“ Um hier weiterzukommen, meint Zumach, brauche es auch Signale aus Washington. Zur Auflösung der Fußnote[17] Mit der Einschätzung, dass der amerikanischen Regierung eine herausragende Rolle für eine mögliche Beendigung des Krieges zukommt, steht Zumach nicht allein. In US-amerikanischen Thinktanks sind ebenfalls eine Reihe von Analyst:innen davon überzeugt, dass es neben einer Verhandlungsbereitschaft seitens der Ukraine und Russlands auch Signale der amerikanischen Regierung braucht. Verschiedene Autor:innen weisen auf die besondere Verantwortung der USA hin. Zur Auflösung der Fußnote[18] Sie ergibt sich unter anderem daraus, dass die Vereinigten Staaten einen Großteil (ca. 70 Prozent) der militärischen Unterstützung stellen. Sie umfasst nicht nur Waffen und Ausrüstung, sondern auch die Mitwirkung bei der strategischen Planung, bei der militärischen Aufklärung und Zielerkennung. Wie stark das Pentagon in all diesen Bereichen mitwirkt, belegen unter anderem auch die Dokumente, die im April 2023 geleakt wurden. Zur Auflösung der Fußnote[19]
Vorschläge aus amerikanischen Thinktanks: Das Kriegsende vorbereiten
Schon im Frühjahr 2022 lieferten einige amerikanische Politikwissenschaftler:innen recht differenzierte Analysen. Thomas Graham (Council on Foreign Relations, New York) und Rajan Menon (City University of New York) äußerten in Foreign Affairs die Einschätzung, dass sich der Krieg gegen die Ukraine sehr lang hinziehen und sich die Zahl der Toten und Zerstörungen erhöhen würde. Damit steige das Risiko einer Ausweitung des Kriegs und auch die Gefahr, dass die USA und die Nato-Alliierten in eine bewaffnete Konfrontation mit Russland hineingezogen werden könnten. Graham und Menon forderten eine Verstärkung des diplomatischen Engagements, das sich kurzfristig auf humanitäre Versorgung und längerfristig auch auf eine politische Übereinkunft richten müsse.
Es sei das Recht der Ukraine, die Bedingungen dafür zu definieren, stellten Graham und Menon klar. Zur Auflösung der Fußnote[20] Aber Verhandlungen könnten sich nicht allein auf die Ukraine und Russland beschränken, denn ein Ausweg aus der gegenwärtigen Krise müsse neben der geopolitischen Orientierung der Ukraine auch Moskaus Bedenken bezüglich der europäischen Sicherheitsarchitektur adressieren. Dafür werde die russische Regierung vor allem mit den Vereinigten Staaten verhandeln wollen, dem einzigen Land, das – neben Russland – über das militärische Potenzial verfüge, die Machtbalance auf dem Kontinent zu beeinflussen. Die USA müssten folglich auch als Garant für ein Friedensabkommen fungieren.
Die mögliche Nato-Mitgliedschaft der Ukraine stehe im Zentrum einer solchen Debatte – Putin werde seinen Widerstand gegen den Beitritt nicht aufgeben. Graham und Menon empfehlen auszuloten, ob der Kreml die militärische Kooperation einer neutralen Ukraine mit westlichen Ländern akzeptieren würde, die eine Selbstverteidigung ermögliche, aber gleichzeitig die Dislozierung von Nato-Kampftruppen, -Waffen oder -Stützpunkten in der Ukraine ausschließe. Im Gegenzug müsse Russland auf die Stationierung militärischer Arsenale im Grenzgebiet verzichten. Zu ernsthaften Verhandlungen und Konzessionen wären die Kriegsbeteiligten vermutlich erst dann bereit, wenn sie zu dem Schluss kommen, dass eine Fortsetzung der Kampfhandlungen mit höheren Kosten verbunden wäre als die Zugeständnisse, die ihnen eine diplomatische Regelung abverlangen würde. Auf eine solche Situation müsse man sich – anknüpfend an die Vorschläge der ukrainischen Regierung vom März 2022 – vorbereiten.
In ähnliche Richtung argumentieren aktuelle Beiträge, etwa von Tapio Kanninen (Vorsitzender von Global Crisis Network, New York) und Heikki Patomäki (Professor für Weltpolitik und internationale Volkswirtschaft an der Universität Helsinki). Sie empfehlen, praktikable Bedingungen für ein Abkommen auszuarbeiten, das beiden Ländern mehr Vor- als Nachteile verspricht. Die Ukraine, so Kanninen und Patomäki, könne „nur mithilfe des Westens und insbesondere der USA vom Sinn von Verhandlungen überzeugt werden“, und sie benötige dafür konkrete Garantien. Ein Abkommen müsse sicherstellen, dass die russische Invasion nicht belohnt wird und ein möglicher Vertrag nicht zur Destabilisierung des internationalen Systems führt. Mit Blick auf Russland müsse man jedoch auch „anerkennen, dass seine Sicherheitsinteressen (…) legitim und mehrere seiner früheren und aktuellen Forderungen nicht aus der Luft gegriffen sind.“ Zur Auflösung der Fußnote[21]
Im Dezember 2021 hatte Moskau den USA und der Nato dazu Vertragsentwürfe vorgelegt, die abgelehnt wurden. Zur Auflösung der Fußnote[22] „Einige Vertragspunkte hätten womöglich ausgehandelt und vereinbart werden können, andere Forderungen waren hingegen schwer annehmbar oder komplett inakzeptabel“ (ebd.). Die Autoren erinnern auch daran, dass zu Beginn der russischen Invasion einige ehemalige Diplomaten und Wissenschaftler Zur Auflösung der Fußnote[23] (Lord Owen u.a.) empfahlen, die Nato möge gemeinsam mit der Ukraine Vorschläge für die Verhandlung eines neuen Vertrags mit Russland erarbeiten, der „keine institutionelle Feindschaft erzeugt.“
Ein solcher Vertrag müsse Vereinbarungen zum Abzug atomwaffenfähiger Raketen, vertrauensbildende Maßnahmen zur Begrenzung der Truppenstärke und internationale Vereinbarungen über die umstrittenen russisch-ukrainischen Grenzen umfassen. Außerdem, so schlagen Kanninen und Patomäki vor, müsse man ernsthaft über die Möglichkeit von entmilitarisierten Zonen unter der Obhut der Vereinten Nationen für längere Zeiträume nachdenken. Verhandlungen sollten möglichst von Staaten, die aus der Sicht der Ukraine und Russlands nicht direkt am Konflikt beteiligt sind, angebahnt werden. Ziel könnte ein vom UN-Sicherheitsrat verkündeter Waffenstillstand sein, mit dem gleichzeitig eine UN-Friedenstruppe mandatiert wird. Auf dieser Grundlage könnten dann vertrauensbildende Maßnahmen etabliert werden, um Fragen wie jene über den Status der Ukraine und offizielle Abrüstungsverhandlungen zu initiieren.
In den US-amerikanischen Denkfabriken gibt es weitere bedenkenswerte Studien und Analysen. Wissenschaftler:innen am Institute for the Study of War analysieren das Kriegsgeschehen fortlaufend anhand ukrainischer, russischer und internationaler Quellen. Zur Auflösung der Fußnote[24] In der Zeitschrift Foreign Affairs Zur Auflösung der Fußnote[25] , im Onlinemagazin Responsible Statecraft Zur Auflösung der Fußnote[26] des Quincy Institutes sowie in Studien der RAND Corporation wurden diverse Vorschläge für die Deeskalation und Beendigung des Kriegs veröffentlicht. Anders als viele Beratungsagenturen in den europäischen Hauptstädten, legen sie auch einen starken Fokus auf die Eskalationsgefahren.
„Avoiding a long war“ – Eine Studie der RAND Corporation
Besonders aufschlussreich erweist sich die RAND-Studie von Samuel Charap und Miranda Priebe. Zur Auflösung der Fußnote[27] Sie gehen sehr detailliert der Frage nach den möglichen Auswirkungen eines langanhaltenden Krieges nach und begründen, warum ein solcher auf keinen Fall wünschenswert wäre – weder für die Ukraine, noch für die USA und ihre Verbündeten und die übrige Welt. Sie sehen vor allem das Risiko, dass irgendwann ein Nato-Mitgliedsland in Mitleidenschaft gezogen wird. Dabei denken sie weniger an absichtliche Angriffe als an Irrläufer. Als Beispiel nennen sie die ukrainische Luftabwehrrakete, die im November 2022 auf polnischem Gebiet einschlug. Es könne ein „spill over“ auf Bündnisgebiet erfolgen, auch mit umgekehrten Vorzeichen, denn auch russische Raketen könnten vom Kurs abkommen und einen Aktions-Reaktionsmechanismus auslösen, der in einen viel größeren Krieg münden kann.
Eine weitere Gefahr sehen die Autor:innen im möglichen Einsatz taktischer Atomwaffen von russischer Seite. Diese Gefahr dürfe man nicht herunterspielen, sondern man müsse sie sehr ernst nehmen, denn unter russischen Kommandeuren sei diese Möglichkeit angesichts von Verlusten im Herbst 2022 durchaus diskutiert worden. Die Einschätzung, dass Russland vom Einsatz von Atomwaffen aus eigenem Interesse absehen würde, verkenne, dass dieser Krieg für das Regime inzwischen nahezu existenzielle Bedeutung habe, und dass es bereit sei, einen hohen Preis zu zahlen, erst recht, falls es bei den konventionellen Kapazitäten (trotz der Überlegenheit an Personal) Engpässe geben sollte. Der Einsatz taktischer Atomwaffen wiederum könnte einen umfassenden Nuklearkrieg zwischen Russland und der Nato nach sich ziehen.
Weiterhin hinterfragen Charap und Priebe Zur Auflösung der Fußnote[28] die Annahme, dass ein möglichst großer territorialer Rückgewinn durch die ukrainischen Streitkräfte vorteilhaft und wünschenswert wäre. Sie plädieren dafür, die Frontlinie, die ukrainische Truppen im Dezember 2022 erreicht haben, als „ausreichend vorteilhafte Grundlage“ für einen Verhandlungsprozess zu bewerten. Diese Linie stelle sicher, dass keine für das Land vitalen Regionen verloren seien. Angesichts der militärischen Pattsituation sei offen, ob weitere Gebietsgewinne möglich sind – die Fortsetzung des Kriegs könne auch weitere Gebietsverluste nach sich ziehen.
Die Autor:innen kommen zu dem Schluss, Moskau werde versuchen, inzwischen besetzte Gebieten zu behalten, einen militärischen Sieg über die Ukraine jedoch nicht mehr erzielen können. Ein militärischer Sieg der Ukraine, der mit einer Rückeroberung aller besetzten Regionen ende, sei ebenfalls sehr unwahrscheinlich. Selbst wenn es den ukrainischen Streitkräften gelänge, alle Gebiete einschließlich der Krim zurückzugewinnen, habe Putin die Eskalationsdominanz mit Luftwaffe und Marine, die in diesem Krieg noch kaum Verluste erfuhren. Man solle sich vor Augen führen, so Charap und Priebe, dass ein länger andauernder Krieg weitere menschliche Verluste, Leid für die ukrainische Bevölkerung und einen ökonomischen Niedergang mit sich bringen würde. Auch die Kosten für Europa und den globalen Süden durch Inflation und Lebensmittelengpässe seien in Rechnung zu stellen. Daher solle die amerikanische Regierung darauf hinwirken, dass ein langandauernder Krieg vermieden wird. Es brauche Verhandlungen, um einen Waffenstillstand zu erwirken. Die Aussichten dafür stünden kurzfristig schlecht, dennoch müsse man sich bemühen, dorthin zu gelangen.
Zugleich unterscheiden die Autor:innen klar zwischen Waffenstillstandsabkommen (armistice agreements) und politischen Abkommen (political settlements). Ähnlich wie im Koreaabkommen (1953) oder im Abkommen zwischen Moldau und Transnistrien (1992) könne man die Gewalt durch demilitarisierte Zonen stoppen, mit dem Ergebnis weitgehend geschlossener und militarisierter Grenzen, ohne dass die Konfliktursachen und gegenläufigen politischen Interessen verhandelt würden. Damit würde man den Krieg längerfristig einfrieren. Strebe man stattdessen ein politisches Abkommen an, wären Kompromisse in den strittigen territorialen und geostrategischen Fragen auszuhandeln. Die bilateralen Verhandlungen, die im März 2022 im Istanbul-Communiqué mündeten, hätten die relevanten Themen benannt. Die Erwartungen Russlands erstrecken sich auf die Neutralität der Ukraine, und das Hauptinteresse der Ukraine liege auf westlichen Sicherheitsgarantien.
Charap und Priebe weisen zudem darauf hin, dass sich politische Abkommen in der Regel als dauerhafter erwiesen, aber viel schwerer zu erreichen seien. Ein politisches Abkommen würde regionale Stabilität ermöglichen und eine Behandlung von Fragen, die die Sicherheitsarchitektur im Eurasischen Raum betreffen. Aber man könne auch zunächst über Wiederaufbau, Aspekte des Handels, Personen- und Güterverkehr verhandeln, während die komplexen territorialen Fragen in einem späteren Schritt behandelt werden: „A political settlement does not have to definitely resolve all the differences between the parties; it does need to address enough of these differences to qualitatively improve the broader relationship between the belligerents“. Zur Auflösung der Fußnote[29] Viele Abkommen bewegen sich irgendwo zwischen Waffenstillstands- und Friedensvereinbarungen. Auch die Beendigung des Ukrainekriegs könnte sich in solch einer Zwischenform vollziehen.
Die USA selbst könnten den Krieg zwar nicht verkürzen, aber durchaus Schritte ergreifen, um seine Beendigung zu unterstützen: „Avoiding a long war requires efforts to spur talks. And the United States could take steps to address key impediments to starting them“. Zur Auflösung der Fußnote[30]
Hindernisse sehen Charap und Priebe allerdings in der Annahme sowohl auf russischer als auch auf ukrainischer Seite, dass sich die Dynamik des Krieges zu den jeweils eigenen Gunsten entwickele, und dass man über das längere Durchhaltevermögen verfüge. Zudem gebe es auf beiden Seiten großes Misstrauen, ob die andere Seite ein Abkommen auch einhalten würde. Um dem zu begegnen, könnten die USA gemeinsam mit anderen Staaten auf demilitarisierte Zonen hinwirken. Gleichzeitig müssten sie verbindliche Festlegungen über die zukünftigen Sicherheitsgarantien und militärische Unterstützung jenseits einer Nato-Mitgliedschaft ausbuchstabieren.
Als Vorbild für Sicherheitsgarantien nennen Charap und Priebe die umfassenden Zusagen, die die USA gegenüber Israel verbrieft haben, um dessen Zustimmung zum Frieden mit Ägypten zu erhalten. (Anm. der Autorin: Eine solche Variante wurde vom amerikanischen Präsidenten Joe Biden beim jüngsten Nato-Treffen in Vilnius bereits in Erwägung gezogen). Solche Garantien wären unterhalb von Beistandsverpflichtungen angesiedelt, könnten aber sehr weitreichende Formen annehmen, und man könne sie mit langfristiger militärischer und ökonomischer Unterstützung verknüpfen. Allerdings wären Sicherheitsgarantien für die Ukraine wiederum für den Kreml akzeptabler, wenn sie nicht nur von den USA, sondern auch von weiteren, nicht in die westliche Allianz eingebundenen Staaten getragen würden. Auch die G7-Staaten hätten bei ihrem Treffen im Juli 2022 bereits in Aussicht gestellt, dass sie zur Unterstützung im Falle eines erneuten Angriffs nach einem Waffenstillstand bereit wären.
Noch würden Russland und die Ukraine eine Fortsetzung des Kampfes positiver einschätzen als einen Friedensschluss. Die US-Regierung solle versuchen, die Dynamik zu beeinflussen, indem sie ihre Bereitschaft zur zukünftigen militärischen Unterstützung erklärt und Sicherheitsgarantien im Falle einer Neutralität des Landes und Bedingungen für die Lockerung von Sanktionen formuliert (Charap and Priebe). Zur Auflösung der Fußnote[31] Hilfen müssten so ausbalanciert werden, dass die Ukraine ausreichend Sicherheit gewinnt und dass gegenüber Russland keine Schwäche signalisiert wird; man dürfe sie aber nicht so gestalten, dass sie die Ukraine motivieren, den Krieg auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Auf russischer Seite gebe es die Annahme, dass westliche Sanktionen ein Ende des Krieges überdauern werden. Daher brauche es einen Prozess, in dem eine Lockerung von Sanktionen im Gegenzug für das Mitwirken an einem Abkommen moderiert wird.
Ein Krieg, der nicht gewonnen werden kann
Die Thesen aus der genannten Studie hat Samuel Charap in einem Beitrag für Foreign Affairs nochmals zugespitzt. Zur Auflösung der Fußnote[32] Er betont: „The Ukrainians are the ones dying for their country, so they ultimately get to decide when to stop – regardless from what Washington might want, but it is time now that the United States develop a vision for how the war ends. Fifteen months of fighting has made clear that neither side has the capacity – even with external help – to achieve a decisive military victory over the other.”
Das Argument, dass die ukrainische Regierung soeben eine Frühjahrsoffensive gestartet habe, lässt Charap nicht gelten. Denn selbst wenn sie erfolgreich wäre und die Frontlinie nochmals verschieben könnte, würde sie den Krieg nicht beenden. Weitere Mobilisierungsrunden könnten folgen, Bombardements ukrainischer Städte – oder auch eine Stillhaltetaktik, um zu einem späteren Zeitpunkt wieder anzugreifen. Oft würden Staaten weiterkämpfen, auch wenn sie ihre Ziele nicht mehr erreichen können. Unter Verweis auf Studien des Center for Strategic and International Studies und der Universität Uppsala belegt Charap, dass etwa 50 Prozent aller zwischenstaatlichen Kriege maximal ein Jahr dauern. Kriege, die nicht in diesem Zeitraum beendet wurden, erstreckten sich im Schnitt über mehr als eine Dekade – wie beispielsweise der Iran-Irak-Krieg, der fast eine halbe Million tote Soldaten und ebenso viele Verwundete mit sich brachte. Es gelte, die Ukraine vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren.
Unabhängig davon, wie viel Territorium die ukrainischen Streitkräfte wiedergewinnen, werde Russland die Fähigkeit behalten, die Ukraine fortlaufend zu bedrohen. Gleichzeitig werde die Ukraine weiterhin die Fähigkeit besitzen, russisch besetzte Gebiete anzugreifen und auch militärische und zivile Ziele in Russland ins Visier zu nehmen. Ein langwieriger und zerstörerischer Konflikt wäre die Folge. Auf dieses Szenario müssten sich die USA einstellen: „An effective strategy (…) requires the United States and its allies to shift their focus and start facilitating the endgame.“
Auch wenn kurzfristig kein politisches Friedensabkommen vorstellbar sei, sei zumindest eine bilaterale Waffenstillstandsvereinbarung wünschenswert. Der Waffenstillstand zwischen Nord- und Südkorea habe seit 1953 gehalten, obwohl beide Länder das Territorium der gesamten Halbinsel weiterhin für sich beanspruchen. Man könne der Ukraine keine Bedingungen diktieren. Dennoch sollten Diskussionen über eine Kriegsbeendigung zwischen den USA, den Verbündeten und der Ukraine rasch und parallel zur militärischen Unterstützung beginnen, um eine gemeinsame Vision zu entwickeln. Es brauche Monate, um zwischen der Ukraine, der US-Regierung und den Verbündeten eine gemeinsame diplomatische Strategie zu entwickeln. Je eher man die Diskussion beginne, desto besser.
Anders als die beiden „Minsker-Abkommen“, Zur Auflösung der Fußnote[33] die 2014/2015 durch Frankreich und Deutschland vermittelt wurden, um die Kämpfe in der Ostukraine zu befrieden, müsse man ein zukünftiges Abkommen zwischen Russland und der Ukraine mit effektiven Mechanismen ausstatten, welche die Einhaltung des Vereinbarten durch beiden Seiten garantieren. Diese zu entwickeln sei die Herausforderung der Stunde – einschließlich der erforderlichen Sicherheitsgarantien, die jenseits der Nato international breit und gut verankert werden müssten. Denn – davon ist Charap überzeugt –, mit dem Insistieren auf einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine werde man Moskau nicht für einen Waffenstillstand gewinnen. Um all das vorzubereiten, brauche es spezielle Strukturen: Sondergesandte und diplomatische Akteure innerhalb der US-Administration, die sich der Ausarbeitung von Konzepten und intensiven Gesprächen zwischen den USA, den Verbündeten, der Ukraine und Russland widmen, die im absolut geschützten Raum und jenseits der öffentlichen Beobachtung gestaltet werden.
Diplomatische Foren und juristisch fundierte Konzepte sind notwendig
Auch hierzulande gibt es Empfehlungen, sich frühzeitig und fachlich fundiert auf Verhandlungen vorzubereiten. Im März 2023 erregte Wolfgang Ischinger, Staatssekretär und Botschafter a.D. sowie langjähriger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Aufmerksamkeit mit seiner Forderung, Deutschland müsse sich angesichts des russischen Angriffskriegs auf eine „Kriegswirtschaft“ einstellen. Dieses Anliegen wurde kontrovers diskutiert und von vielen als unpassend kritisiert. Weniger bekannt wurden seine Vorschläge zur Ausarbeitung fachlicher Konzepte, um einer Beendigung des Krieges näher zu kommen. Am 12. März 2023 veröffentlichte Ischinger konkrete Vorschläge für die Vorbereitung eines diplomatischen Prozesses. Zur Auflösung der Fußnote[34] Er distanzierte sich von Aufrufen zur sofortigen Einstellung der Waffenlieferungen und zugleich auch von denen, die argumentieren, die Voraussetzungen für Verhandlungen seien bis auf Weiteres nicht gegeben: „Also nur Krieg und Waffenlieferungen – wo soll das enden?“ Zwar könne man der Ukraine nicht Verhandlungsbereitschaft „jetzt und heute“ abverlangen. Es bleibe deren Entscheidung, wann und worüber sie verhandeln wolle. Gleichwohl dürfe man „nicht in politisch-strategischer Schockstarre“ verharren. Es sei an der Zeit, „einen Prozess zur Erarbeitung einer Friedenslösung für die Ukraine“ zu initiieren. Ischinger schlug vor, eine politisch-strategische Kontaktgruppe solle neben die militärische Ramstein-Kontaktgruppe treten und alle denkbaren Elemente künftiger Verhandlungskonzepte ausloten, Optionen für Verhandlungsstrategien entwickeln, Textentwürfe erarbeiten und mit der Ukraine abgleichen. Sollte es tatsächlich zu Verhandlungen kommen, könnte sie Teil einer Vermittlungsgruppe werden. Für den Friedensschluss in Bosnien-Herzegowina 1995 und zum Ende des Kriegs im Kosovo 1999 hätten größere Diplomaten-Teams über mehrere Wochen hinweg Textentwürfe für alle Eventualitäten vorbereitet – Gesetzestexte, detaillierte Vorschläge für Rüstungskontrollvereinbarungen und Überwachungsmodalitäten bis hin zur Einrichtung einer internationalen Schutztruppe. All das sei von Juristen durchgeprüft worden. Nur aufgrund solcher juristisch fundierter Vorarbeiten könne man Abkommen, die aus sehr umfangreichen Vertragswerken bestehen, dann bei Bedarf in einem überschaubaren Zeitrahmen erfolgreich verhandeln. Die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, die sich ohnehin fortlaufend zur Situation abstimmen, sollten als „Vierergruppe“ den engsten Kern bilden, meint Ischinger. Drumherum könne sich „ein größerer Kreis von europäischen und transatlantischen Partnern gruppieren, darunter Kanada, Spanien, Polen, Italien, die Baltischen Staaten sowie die UN, EU, OSZE und Nato“.
Diese Gruppe solle auf Außenministerebene zusammentreten, einzelne Gespräche könnten an hohe Beamte oder Botschafter delegiert werden. Staaten des Globalen Südens – zum Beispiel Brasilien, Indien und China – sollten in einem weiteren Kreis mitwirken. Angesichts der russischen Veto-Blockade im UN-Sicherheitsrat könne so „eine gewisse Ersatz-Legitimität durch eine möglichst breite internationale Beteiligung“ hergestellt werden.
Die Gruppe solle die Modalitäten eines möglichen Waffenstillstands abstimmen und klären, welche Textentwürfe erforderlich sind, wie ein Friedensprozess überwacht werden kann, zum Beispiel durch die Vereinten Nationen oder die OSZE, und ob eine militärische Pufferzone nötig ist. Gleichzeitig müssten schon jetzt Bestandteile einer möglichen längerfristigen Friedenslösung skizziert werden: „Falls es der Ukraine nicht gelingen sollte, die Krim militärisch zu befreien, welche verschiedenen Szenarien böten sich für die Behandlung des Gebiets? (…) Hätten mehrere Staaten die Kontrolle über das Gebiet? Sollten die Bewohner der Krim in einem Referendum über ihre Zugehörigkeit entscheiden? Sollte man die Frage der Krim erst einmal ausklammern? Ähnliche Fragen könnten sich je nach Entwicklung der militärischen Lage für die Gebiete im Donbass oder Teile davon stellen.“
Auch über Sicherheitsgarantien müsse man sich verständigen: „Bleibt die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine auf der Tagesordnung? Oder wird der ukrainische Verzicht, den der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Frühjahr 2022 andeutete, doch wieder zum Verhandlungsgegenstand? Wie könnten für einen solchen Fall alternative Sicherheitsgarantien der USA und anderer Nato-Partner möglichst glaubwürdig ausgestaltet werden?“ Außerdem müsse über Wiederaufbau, Reparationen, internationale Gerichtsbarkeit und Strafverfolgung von Kriegsverbrechen gesprochen werden, und es seien Überlegungen zur Neugestaltung einer verlässlicheren und dauerhaften europäischen Sicherheitsordnung notwendig. Dafür müsse ausgelotet werden, ob und wie nukleare und konventionelle Rüstungskontroll- und Abrüstungsverhandlungen wiederbelebt werden könnten – und auch vertrauensbildende Maßnahmen, beispielsweise das Wiener Dokument über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen (2011), Zur Auflösung der Fußnote[35] oder der Vertrag über den Offenen Himmel (Open Skies-Abkommen) Zur Auflösung der Fußnote[36] . Und es sei zu klären, welche Rolle der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zukäme, und ob eine Neuauflage der Charta von Paris für ein neues Europa (1990) Zur Auflösung der Fußnote[37] vorstellbar wäre. Zudem stelle sich auch die Frage nach der Bedeutung des Konzepts der „Neutralität“ in Europa. Aus solchen Überlegungen – so Ischingers Hoffnung – könnte sich ein neuer Helsinki-Prozess ergeben, der vor fast 50 Jahren in die Unterzeichnung der Grundakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa mündete. Zur Auflösung der Fußnote[38] Man mag insbesondere das Modell der konzentrischen Kreise in der Verantwortung für den Prozess kritisch betrachten, das letztlich doch von einem recht eurozentrischen Blickwinkel getragen ist. Es stellt sich die Frage, ob die Bedeutung Deutschlands und der Einfluss europäischer Akteure in diesem Szenario nicht völlig überschätzt wird. Aber der Vorschlag verdeutlicht, ebenso wie Empfehlungen aus den amerikanischen Thinktanks, dass man extrem gut vorbereitet sein muss, wenn man erfolgreich auf die Deeskalation und Beendigung eines Krieges hinwirken möchte. Ohne eine fundierte inhaltliche wie diplomatische Vorbereitung läuft man Gefahr, dass man das „window of opportunity“, wenn es sich denn öffnet, nicht nutzen kann.
Zitierweise: Martina Fischer, „Wie ist dieser Krieg zu deeskalieren und zu beenden? Teil 1“, in: Deutschland Archiv, 27.07.2023, Link: www.bpb.de/523377
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Eskalation im Niger – Wie in Mali: Beteiligung von auch durch die „Bundeswehr“ ausgebildete Soldaten und Armeeeinheiten am Militärputsch wahrscheinlich.
Am 26.7.2023 fand im Niger ein Militärputsch statt. Derzeit droht die Lage zu eskalieren, eine militärisch-kriegerische Eskalation scheint möglich. Niger wurde bis zuletzt von „Bundeswehr“ und „Verteidigungs“minister als „Stabilitätsanker“ in der Sahel-Zone gepriesen.
Auch Mali galt bis zum Militärputsch am 18.8.2020 als so ein Stabilitätsanker.
In beiden Ländern hat sich die deutsche Armee in unterschiedlicher Weise, zumeist eingebettet in EU-Missionen engagiert.
Klar ist auf jeden Fall: Die „Bundeswehr“ und ihre „Spezialkräfte“ haben seit 2021 die nigrischen „Spezialkräfte“ ausgebildet und ausgerüstet. „Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung“ heißt das auf militärdeutsch, „Joint Special Operations Task Force Gazelle“ der Einsatzname. Die deutsche Armee schreibt dazu (Hervorhebungen durch uns):
„Der Einsatz der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle verfolgt zwei Handlungslinien: Zum einen wurde der Partnerverband 41. Bataillon Special d’Intervention seit 2018, zunächst im Rahmen der Mission Gazelle, ausgebildet. Auch wurde er unter anderem mit Schutzausstattung, Geländewagen, Funk- und Nachtsichtgeräten materiell ausgestattet sowie die erforderliche Infrastruktur am nigrischen Heimatstandort in Tillia mitfinanziert. Nach einer Ausbildungsphase begleiten die Kampfschwimmer wechselweise je eine der drei Kampfkompanien des 41. Bataillon Special d’Intervention und evaluieren den Ausbildungsstand dieser Einheit während ihrer Operationen.
Zum anderen wurde zusammen mit den nigrischen Partnern mitten in der Dornstrauchsavanne eine Ausbildungseinrichtung für Spezialkräfte aufgebaut – das Centre d’Entrainement des Forces Speciales. Hier werden, derzeit noch mit Hilfe von Mentoren westlicher Partnernationen, alle nigrischen Spezialkräfte ausgebildet, evaluiert und durch mobile Ausbilderteams an den landesweiten Standorten unterstützt. (…)
Am Einsatz der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle waren bisher die Spezialkräfte der Marine, der Luftwaffe und des Heeres sowie über 50 verschiedene Dienststellen und Truppenteile aus nahezu allen Organisationsbereichen der Bundeswehr beteiligt.
Von Anfang war das Kommando Spezialkräfte der Marine der Leitverband für die Mission und später den Einsatz Gazelle und stellt mit seinen Kampfschwimmern den Kern der Ausbilder. Zahlreiche Kampfschwimmer aus Eckernförde waren wiederholt in Niger.
Gemeinsam mit Spezialkräften westlicher Partnernationen wie den USA, Belgien und Italien beraten deutsche Ausbilder die nigrischen Spezialkräfte. Den Schwerpunkt des Einsatzes der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle bildet auch in der letzten Phase des Einsatzes die Ausbildung und Evaluierung nigrischer Spezialkräfte, einschließlich nigrischer Ausbilder.
Einzelpersonal aus dem Kommando Spezialkräfte ist ebenfalls Teil der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle. So arbeiten Kommandosoldaten mit ihren Marinekameraden als Ausbilder und Berater an der Spezialkräfteschule oder in mobilen Evaluierungs- und Trainingsteams zusammen.
Zur direkten Unterstützung der Kampfschwimmer sind als schnelle Eingreifkräfte Quick Reaction Force Fallschirmjäger mit erweiterter Grundbefähigung in Tillia. Sie werden durch eine hochwertige und intensive Ausbildung gesondert befähigt, eng mit Spezialkräften zu operieren. Als Angehörige der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle übernehmen auch die Fallschirmjäger mit erweiterter Grundbefähigung eigene Ausbildungsaufgaben für nigrische Partner oder unterstützen als Ausbilder in Kursen der nigrischen Spezialkräfteschule.
Die Spezialkräfte der Luftwaffe sind mit dem Waffensystem Leichter Unterstützungshubschrauber Spezialkräfte H145M und rund 25 Frauen und Männern vor Ort. Im Kleinen bilden sie alle Fähigkeiten ab, die sonst auf mehrere Einheiten verteilt sind: Technikpersonal, Piloten, Luftumschlag, Munitions-, Rettungsmittel- oder Betriebsstoffspezialisten. Oft übernehmen die Kameraden mehrere Aufgaben, um jederzeit einsatzbereit zu sein. Im Ernstfall werden die bewaffneten LUH SOFLight Utility Helicopter – Special Operation Forces zur Feuerunterstützung der deutschen Soldatinnen und Soldaten aus der Luft eingesetzt. Behelfsmäßiger Verwundetentransport sowie Nachversorgung sind ebenfalls Teil ihres Auftrages. (…)“
Das Auswärtige Amt äußert sich auf eine Beteiligung von durch die „Bundeswehr“ ausgebildete nigrische Militärs am Putsch nicht eindeutig und das Bundes“verteidigungs“ministerium wollte auf eine Presseanfrage zu dieser Frage und zu Fragen, inwiefern durch Deutschland geliefertes Material, Fahrzeuge oder Waffen am Putsch beteiligt sind oder sein könnten bislang noch gar nicht antworten …
„Der Einsatz der Joint Special Operations Task Force Gazelle ist eine Kombination aus einem Spezialkräfte Military Assistance Ansatz und der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung. Dadurch war es möglich, mit einem vergleichsweise geringen Kräfteansatz nigrische Spezialkräfte flexibel auszubilden und zu beraten sowie die materielle Ausstattung unserer Partnereinheit zu verbessern sowie die erforderliche Infrastruktur zu finanzieren. Das aufeinander aufbauende Zusammenspiel dieser Aspekte ist im Vergleich zu anderen Einsätzen einzigartig. (…) Grundlage für den Erfolg: klar formulierte Ziele, zeitlich befristetes Engagement und maximale Teilhabe der Partnernation. Ausgangspunkt für die Unterstützung unseres nigrischen Partners war die gemeinsame Definition der zu erreichenden Ziele. Dabei ging es darum, konkret festzuschreiben, was wir bis zu einem bestimmten und ebenfalls festgeschriebenen Zeitpunkt erreichen wollten. Die Ziele sollten messbar, erreichbar und damit nicht überambitioniert sein, gleichzeitig aber einen Beitrag zur Stärkung der Sicherheitsstrukturen in dem afrikanischen Staat leisten. Gerade mit dem Kommandeur der nigrischen Spezialkräfte haben wir einen Partner, der mit einem klaren Konzept und eigenen Vorstellungen, ausgerichtet an dem Machbaren, sich in den Prozess eingebracht hat. Auch die Ausbildung unseres Partnerverbandes wurde von ihm begleitet, Fortschritte gewürdigt. Es wurde auch von nigrischer Seite nachgesteuert, wo es erforderlich war. (…) Die Partnerschaft hat sich als loyale und respektvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe dargestellt. Stets den Bedarf der nigrischen Spezialkräfte im Fokus wurde sich gegenseitig abgestimmt und das weitere Vorgehen erarbeitet. Ausgeprägte Motivation beiderseits diente als Grundlage für die zügige Umsetzung des Auftrages. Der Erfolg dieses Military Assistance Engagements beruht auf einer über Jahre hinweg gemeinsam gewachsenen Vertrauensbasis. (…) Gazelle verfolgt zwei wesentliche Ziele. Zum einen die Befähigung eines nigrischen Spezialkräfte-Bataillons im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität. Zum anderen die Unterstützung zum Aufbau und Betrieb der nigrischen Spezialkräfteschule. Der Kommandeur der nigrischen Spezialkräfte erwähnt gerne, dass das in Tillia ausgebildete Bataillon zur Spitze der nigrischen Streitkräfte gehört. Die Kompanien unseres Partnerbataillons werden neben den besonderen Aufgaben in der Region um Tillia, aber auch für Operationen in anderen Sicherheitszonen, so an der Grenze zu Mali und Burkina Faso sowie an der Grenze zu Nigeria, eingesetzt. Dies unterstreicht die hohe Leistungsfähigkeit der ausgebildeten Sicherheitskräfte. (…) Zusammenfassend kann ich sagen, dass durch Gazelle die nigrischen Sicherheitsstrukturen gestärkt und eine signifikante Steigerung der Sicherheit in der Grenzregion zu Mali erreicht werden konnte. Mit Betrieb der Spezialkräfteschule wurden darüber hinaus die Voraussetzungen geschaffen, nachhaltig positive Effekte auf die Sicherheitslage in Niger zu erzielen. (…)“
Klar ist: Der bisherige Chef der durch Deutsche aus- und fortgebildeten (ist Kriegsführung „Bildung“?) nigrischen Spezialkräfte – der wohl eben mehrfach erwähnte Kommandeur Barmou – wurde von den Putschenden inzwischen zum neuen Oberbefehlshaber der nigrischen Armee befördert, ist also ein Teil des Spitzenpersonals des Militärputsches. Die Phrasen von der „gemeinsamen Vertrauensbasis“ und den „nachhaltig positiven Effekten auf die Sicherheitslage“ wirken im Nachhinein bitter und ernüchternd.
Auch andere Portale haben darüber schon berichtet, die Tagesschau schreibt gar pointiert:
„Jetzt aber sieht es so aus, als sei die Bundeswehr zu erfolgreich mit ihrer Ausbildung gewesen: Brigadegeneral Batoure, der Chef der nigrischen Spezialkräfte soll auf Fotos der Putschisten zu sehen sein. Das Grundproblem, dass westliches Training nicht nur im Anti-Terrorkampf erfolgreich eingesetzt werden kann, hatte die Bundeswehr übrigens schon im Nachbarland Mali, wo man auch einige Teilnehmer der verschiedenen Putsche der vergangenen Jahre militärisch ausgebildet hatte. „
Und heute nun haben die Militärputschenden im Niger den Luftraum über dem Land in Erwartung eines Angriffes von anderen westafrikanischen Staaten und durch Frankreich für geschlossen erklärt. Es stinkt nach Krieg.
Niger war bis zu seiner formellen Unabhängigkeit in 1960 eine Kolonie Frankreichs. Wieweit diese Unabhängigkeit von der ehemaligen Kolonialmacht tatsächlich erreicht wurde bleibt diskutabel.
Und auch gut zu wissen: „Frankreich bezieht den größten Teil seines Urans, das für seine Nuklearindustrie benötigt wird, aus Niger.“ (Quelle)
Dieser Beitrag wurde unter Bericht veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Nachrichten von Pressenza: 5G, Mikrowellen und ihre Auswirkungen auf Lebewesen
5G, Mikrowellen und ihre Auswirkungen auf Lebewesen
Die Matrix des Lebens Die Ökosphäre oder Lebenssphäre der Erde ist durchdrungen vom Erdmagnetfeld und seinen gelegentlichen Störungen, die durch die Wechselwirkung mit dem Sonnenwindplasma verursacht werden. Örtliche geomagnetische Felder werden auch durch natürliche atmosphärische Elektrizität leicht modifiziert. Elektromagnetische Felder…
Letzten Donnerstag musste ich sehr früh aufstehen. Ich musste um 6:30 Uhr morgens am Bahnhof Hongqiao in Shanghai sein, um nach Peking zu reisen. Ein leichtes Frühstück mit Wanton-Suppe (chinesische Ravioli) in einem kleinen Restaurant am Bahnhof gab mir die…
Sie sind schuld! He, Sie da! Haben Sie sie gesehen?
Stellen wir uns vor, dass der ökologische Fußabdruck, den wir während unserer irdischen Existenz hinterlassen, eine Datenspur nach sich zöge, die im Archiv des Lebens gespeichert wäre. Dort ließe sich nach unserem Gastspiel ablesen, was wir im Laufe der uns…
Pressenza - ist eine internationale Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat, mit Vertretungen in Athen, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Florenz, Lima, London, Madrid, Mailand, Manila, Mar del Plata, Montreal, München, New York, Paris, Porto, Quito, Rom, Santiago, Sao Paulo, Turin, Valencia und Wien.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Ibrahim Traore, Präsident Burkina Fasos
aus e-mail von Doris Pumphrey, 7. August 2023, 00:30 Uhr
Der Präsident Burkina Fasos, das jüngste auf dem Gipfel anwesende
afrikanische Staatsoberhaupt, der 35-jährige Hauptmann Ibrahim Traoré,
hat auf dem Russland-Afrika-Gipfel eine denkwürdige Rede gehalten.
Traoré sprach über den Kampf seines Landes um Unabhängigkeit.
Er erklärte: "Was Burkina Faso angeht, heute, seit über acht Jahren,
sind wir mit der barbarischsten und gewalttätigsten Form des
Neo-Kolonialismus, dem Imperialismus konfrontiert. Unsere Vorfahren
lehrten uns eines: 'Ein Sklave, der nicht rebelliert, verdient kein
Mitleid.' Wir bitten niemanden, uns zu bemitleiden."
Traoré sagte auch, dass Russland für Afrika Familie sei:
"Wir fühlen uns als Familie in dem Sinne, dass Russland auch Familie für
Afrika ist. Wir sind eine Familie, weil wir dieselbe Geschichte haben."
Auch wies er darauf hin, dass eine Reihe afrikanischer Staatschefs ihren
Völkern nicht dienen und forderte die afrikanischen Führer auf, "sich
nicht länger wie Marionetten zu verhalten, die jedes Mal springen, wenn
die Imperialisten an den Fäden ziehen". Der Präsident schloss seine Rede
mit einem berühmten Zitat Fidel Castros ab: "Heimat oder Tod! Wir werden
siegen!" (Patria o Muerte, Venceremos!)
Die Delegation des westafrikanischen Landes traf als erste in Sankt
Petersburg ein, noch vor allen anderen. Es waren einfache Leute,
Kämpfer, einige von ihnen kamen direkt von der Front, doch sie baten
nicht um Almosen. Sie vereinbarten, dass Burkina Faso Erdölprodukte,
Mineraldünger und Arzneimittel kaufen werde. "Wir waren angenehm
überrascht, dass sie nicht nach Krediten oder Schuldtiteln gefragt
haben, sondern sich für den Kauf von so grundlegenden Dingen wie Diesel,
Erdölprodukten, Mineraldünger, Ausrüstung für die Landwirtschaft und
pharmazeutischen Produkten interessierten, die sie in großen Mengen
benötigen, da sie sich von europäischen Herstellern lösen wollen", sagte
Roman Tschekuschow, Direktor der Abteilung für internationale
Zusammenarbeit und Lizenzen im Bereich des Außenhandels des Ministeriums
für Industrie und Handel der Russischen Föderation.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
berliner-zeitung.de, vom 06.08.2023 | aktualisiert am 07.08.2023 - 09:19 Uhr, Maritta Adam-Tkalec
Erinnerungen eines DDR-Diplomaten: Ausgebildet, abgewickelt, ausgegrenztDer Rausschmiss der „Staatselite“ war radikal und Teil der DDR-Delegitimierung. Ein Hochqualifizierter erzählt, wie er die Wende erlebte und verarbeitete.
Das Gebäude des Außenministeriums der DDR in Ost-Berlin im Oktober 1988. Der massive Riegel wurde 1995/96 abgerissen. Rechts dahinter ist die Friedrichswerdersche Kirche zu sehen.Imago teutopress
Konkursmasse – so nennt ein ehemaliger DDR-Bürger die Berufsgruppe, zu der er selbst ein paar Jahre lang gehört hatte, bis er wie alle DDR-Diplomaten mit dem Tag des „Beitritts der DDR zum Geltungsgebiet des Grundgesetzes“ mit sofortiger Wirkung entlassen wurde. „Von denen nehmen wir keinen“, soll BRD-Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) dazu gesagt haben. Man habe keinen Mehrbedarf, die bundesdeutschen Botschaften würden nun alles regeln. Damit hatte er das Urteil über 2172 hoch qualifizierte Leute gesprochen. Den Rest gab ihnen der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, der das Budget für die Übernahme verweigerte.
Auch jene, die es in den letzten DDR-Monaten mit besonderer politischer Geschmeidigkeit versucht hatten, bekamen keine Chance. Mit dem 3. Oktober gehörten all diese Menschen zum strahlenden Restmüll eines ausgebrannten Landes. Die Immobilien der DDR-Botschaften – mehr als 50 Botschaftsgebäude und Residenzen sowie mehr als 1000 Wohnungen der Ex-DDR im Ausland – übernahm Deutschland einig Vaterland gerne, auch deren Meißner Porzellan, die Vorräte an Rotkäppchen-Sekt und Radeberger Pils.
Bert Lichtenheldt, in der DDR ausgebildet als Spezialist für arabischsprachige Staaten Bert Lichtenheldt
Wie das ablief, hat der zitierte DDR-Bürger Bert Lichtenheldt, zuletzt Kultur- und Presseattaché und Charge d’Affaires (Geschäftsträger) im Nordjemen, erlebt. Gerade noch hatte man mit den West-Kollegen in Sanaa kollegial und freundlich über die Frage diskutiert, wie das künftige Europa denn aussehen würde, da traf die Anweisung ein, „alles zu unternehmen, um eine reibungslose Übergabe aller Aktivitäten an die Botschaft der BRD zu gewährleisten“. In einem Wutanfall hat er damals das Schreiben zerrissen.
So steht es in den Erinnerungen, die Bert Lichtenheldt, 1957 im thüringischen Rudolstadt geboren, jetzt veröffentlicht hat. „Solange wir leben, reichen die Tage. Erinnerungen eines DDR-Diplomaten“ ist eine weitere Biografie, die Einblicke in die DDR-Wirklichkeit gibt, so wie auch die vor kurzem hier vorgestellte Lebensgeschichte von Wolfgang Beck, dem Direktor des Elektromotorenwerks Wernigerode (Elmo). Es sind Zeitzeugenberichte, die heute von der DDR-Aufarbeitungsmaschine noch nicht beachtet werden, über die sich aber künftige Historiker freuen werden.
Bert Lichtenheldt ärgert sich inzwischen über den Verlust jener zerrissenen Weisung. Sie hätte gut in seine Sammlung von Zeitdokumenten gepasst. Den Empfang am 3. Oktober 1990 zur Einheitsfeier in der BRD-Botschaft verpasste er – die Abwicklung der DDR in Sanaa ließ ihm keine Zeit. Die Einladung zum Fest war auch nicht mehr an den 3. Sekretär der DDR-Botschaft ergangen, sondern an den Bürger Lichtenheldt. Am 26. September 1990 hatte er mit seiner Frau, den einjährigen Sohn auf dem Arm, die DDR-Flagge der Botschaft eingeholt. Am Tag nach der Vereinigung „ließen wir buchstäblich die Schlüssel fallen“, erinnert er sich. Man flog zurück in die im Umbruch befindliche Heimat. Ins Ungewisse.
Viele Berufsabschlüsse nicht anerkannt
Natürlich, die Diplomaten bildeten eine kleine Gruppe im Vergleich zu den Millionen DDR-Bürgern, die damals ihren Arbeitsplatz verloren, deren Berufsabschlüsse nicht anerkannt wurden, denen ihre professionelle Reputation, ihre Würde genommen wurde. Mit der Staatselite, zumal den Diplomaten, hatte damals kaum einer Mitleid.
Ihre Qualifikationen, die zum Beispiel der Entwicklungszusammenarbeit oder der Arbeit mit internationalen Organisationen zu mehr Sach- und Ortskenntnis oder lokalen Kontakten hätten verhelfen können, wurden ignoriert. Lichtenheldt zum Beispiel hatte eine straffe Ausbildung in Arabisch genossen, beherrschte die komplizierte Sprache in Wort und Schrift mit einiger Praxis. Natürlich gehörten Russisch und Englisch dazu sowie die Fähigkeit zu politischen Lageanalysen, die auch nicht nur aus Floskeln bestanden.
Handschriftlich auf Arabisch reichte Bert Lichtenheldt seinen Lebenslauf im Auswärtigen Amt Bonn ein. Bert Lichtenheldt
Sein auf Arabisch handschriftlich verfasster Lebenslauf als Teil seines Bewerbungsschreibens beim Auswärtigen Amt beweist das Können. Im Buch ist auch die Antwort, Bonn, 29. Juni 1992, abgedruckt. Da ist vom „relativ begrenzten personellen Mehrbedarf des Auswärtigen Dienstes im vereinigten Deutschland“ die Rede und dass die benötigten Sprachkenntnisse „häufig ganz andere sind als im früheren MfAA der DDR“. Ob die Muttersprachler im arabischen Raum zwischen DDR-Arabisch und BRD-Arabisch unterschieden? Ob die in den folgenden Jahren gerade im arabischen Raum zu beobachtenden Fehleinschätzungen der Lage mit ein paar „ganz anderen“ Sichtweisen hätten gemildert werden können, sei dahingestellt.
Gauck: „DDR-Eliten delegitimieren“
Worum es in den Nachwendezeiten, als die DDR abgewickelt wurde, eigentlich ging, hat in der Erinnerung Lichtenheldts Joachim Gauck am klarsten mitgeteilt. Gauck, von 2012 bis 2017 als Bundespräsident Repräsentant aller Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik, sagte im Jahr 2020 anlässlich der Feiern zu 30 Jahren Deutsche Einheit in einem Fernsehinterview, Aufgabe sei es gewesen, „die DDR-Eliten zu delegitimieren“. Präsidentenmund tut Wahrheit kund.
Lichtenheldt, aus einfachen Verhältnissen stammend, erzählt eine klassische Sozialaufsteigergeschichte aus der DDR: ein schlaues Kind, aufmerksame Lehrer, konsequente Förderung, viele Chancen, die ihm nicht in die Wiege gelegt waren – vom Sohn eines Operativtechnologen an den Härteöfen einer Werkzeugfabrik und einer Arbeiterin in selbem Betrieb in Sitzendorf, wo die Familie auch wohnte, zum Abitur, zum NVA-Dienst und zum Studium am Institut für Internationale Beziehungen in Potsdam-Babelsberg.
Die DDR wollte genau solche Leute – natürlich auch im diplomatischen Dienst, der früher und im Westen auch später in der Hand von Adelssprösslingen war. In den 1970er-Jahren, als der Durchbruch hin zur internationalen Anerkennung der DDR absehbar wurde, baute der Staat systematisch die entsprechenden Kader auf: Diplomaten, Sprachmittler etc. Was heutzutage schwerfällt, nämlich langfristig zu planen, das zumindest brachte die Planwirtschaft zustande. Heute kennt die Überraschung, dass die demografische Alterung zu Fachkräftemangel führt, keine Grenzen. Sie war seit mindestens 30 Jahren absehbar. In der DDR bekamen es alle Abiturienten irgendwie mit der Studienlenkung zu tun.
Wer in der DDR für die Diplomatenkarriere auserwählt war, hatte ein bedeutendes Privileg: die Aussicht auf Reisen in Länder, die anderen unerreichbar blieben. Im Fall von Bert Lichtenheldt hieß der erste Einsatzort Khartum, Sudan. Sandstürme, Extremhitze, Stromausfälle. Dahin verschlägt es auch heute keine Pauschalreisenden. Im jemenitischen Sanaa war es klimatisch angenehmer, dafür hatte man es mit ständigen Stammeskonflikten und strengen religiösen Vorschriften zu tun. Das Einstiegsgehalt im Außenministerium nach dem Studium betrug 580 DDR-Mark, Unterbringung im Wohnheim-Doppelzimmer. Ein Arbeiter im Braunkohletagebau Bitterfeld ging mit etwa dem Doppelten nach Hause.
Bleibt die Frage der Systemnähe: Die leugnet Bert Lichtenheldt nicht. Er führt plausible Gründe dafür an, er erklärt seine Ansichten, seine Konflikte, bleibt sachlich, klingt nie verbittert. Wer aus kleinen Verhältnissen kam, der hatte in der DDR seine Chancen. Das ist ein akzeptabler Grund für Loyalität zu seinem Staat.
Zum Buch
Autor: Bert Lichtenheldt
Titel: Solange wir leben, reichen die Tage. Erinnerungen eines DDR-Diplomaten
Verlag: THK-Verlag, Arnstadt 2023
Umfang: 188 Seiten
Preis: 19,90 Euro
Der abgewickelte Mann mit seinen Sprach- und Fachkenntnissen fand ein neues Betätigungsfeld. Andere, vor allem ältere Kollegen, traf es härter, sie hingen in ABM-Stellen immer an der Kante zur offenen Arbeitslosigkeit fest. Der Spiegel berichtete am 19. Januar 1993 von Scharen abgewickelter Ost-Staatsdiener in Jobs mit minderen Anforderungen: „Diplomierte Sprachwissenschaftler versuchen sich als Fahrgastbetreuer der U-Bahn, SED-Juristen bei der Bodensanierung, ein ehemaliger Stasi-Oberst karrt Gurkengläser im Supermarkt.“ Botschafter jobbten als Taxifahrer, Currywurstbrater oder Reiseführer. Manche machten in Ex- und Import, handelten mit Bettwäsche oder verließen das Land dorthin, wo sie mit ihren Kenntnissen geschätzt und willkommen geheißen wurden.
Neuanfang als Ossi im Westen
Der Ex-Diplomat Lichtenheldt fand eine neue interessante Aufgabe in der Wirtschaft, bei einem Großkonzern, dem Kompetenz wichtiger war als ideologische Bedenken – und schließlich sein berufliches Glück in einer aufstrebenden, international tätigen Firma in Ghana mit libanesischem Besitzer.
Das klingt fast wie die Geschichte von Generalmajor Sigmund Jähn, dem ersten Deutschen im All, der am 2. Oktober 1990 mit der Auflösung der Nationalen Volksarmee arbeitslos wurde. Ihm half sein westdeutscher Astronautenkollege Ulf Merbold. Jähn wurde Berater im russischen Raumfahrtzentrum – ein Kulturdolmetscher in der Weltraumfahrerausbildung, weithin geschätzt.
Die Ausgrenzung Ostdeutscher aus Führungspositionen begann unmittelbar nach der staatlichen Einheit. Daran hat sich bis heute wenig geändert – bloß dass die Folgen nun weithin beklagt werden. Bert Lichtenheldt schließt sein Buch mit einer klar gegliederten „Nachbetrachtung zur Wende“: drei Punkte und ein Fazit. Hier nur eine seiner vielen, in Sprücheform gegossenen Erfahrungsweisheiten: „Wenn Du im Osten einen Westdeutschen triffst, dann bist Du entweder verwandt mit ihm oder es ist Dein Vermieter.“
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Danke, Robert! Westliche Sanktionen halfen Russland, Deutschland zu überholen
freedert.online, 6 Aug. 2023 20:21 Uhr,Von Elena Karajewa, RIA Nowosti
Dass die europäischen antirussischen Sanktionen "nach hinten" losgingen, hat inzwischen wohl jedermann begriffen. Sie tragen die ersten sichtbaren Früchte: Russland hat Deutschland seiner Wirtschaftsgröße nach überholt und nimmt weltweit den fünften Platz ein. Die wirkliche Rechnung kommt aber noch.
Gute Aussicht auf den Absturz: Mitglieder der Bundesregierung im Juli 2023 in Berlin
Aus der Zitadelle des Globalismus und des Triumphs der Marktbeziehungen, der Stadt Washington, dem Sitz der Weltbank, wird berichtet, dass unser Land Ende letzten Jahres die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich seiner in Kaufkraftparität berechneten Wirtschaftskraft überholt hat und zu den fünf führenden Volkswirtschaften der Welt gehört. Ja, das Russland, das amerikanische Präsidenten gerne als "Zapfsäule mit Atomwaffen bezeichnen", und dessen Ökonomie sie in ihren Reden bereits "in Stücke gerissen" haben, wurde zum Spitzenreiter und überholte Frankreich, Spanien und Italien, ganz zu schweigen von all den Maltas und Griechenlands.
Es stellte sich heraus, dass die Sanktionen (sektorale, punktuelle, allgemeine, paketweise, inzwischen 12.000 an der Zahl), die der russische Präsident vor einigen Jahren als "völligen Unsinn" bezeichnet hatte, nicht nur zum Wirtschaftswachstum Russlands (das nach den bescheidensten und noch vorläufigen Schätzungen mindestens zwei Prozent des BIP betragen wird), sondern auch zu einer Steigerung des Wohlbefindens seiner Bürger beigetragen haben.
Nachdem der Westen 2014 damit begonnen hatte, Russland unter Druck zu setzen, fand er sich unbemerkt in der Position einer abgesoffenen Sprinkleranlage wieder. Das Aufstellen von Schlingen und Fallen mag unterhaltsam sein, aber man muss aufpassen, dass man sich dabei nicht selbst in lebenswichtige Organe kneift. Moskau hat die westlichen Entscheidungsträger regelmäßig davor gewarnt, dass die Angelegenheit für sie alle in Schmerz und Leid enden könnte. Aber nein, sie haben nicht zugehört, sie hören es jetzt nicht und sie werden es auch weiterhin nicht hören.
Die wirtschaftliche Konfrontation wurde angeordnet, und das (Zwischen-)Ergebnis wurde erreicht. Und nun veranstaltet das Aspen Institute ein Kolloquium darüber, was unter den Bedingungen einer drohenden Rezession zu tun ist und wer die Schuld daran trägt, dass der Tsunami der Rezession die "gesamte zivilisierte Welt" (GZW) überrollen könnte.
Praktisch alle makroökonomischen Messgeräte der GZW stehen auf Rot. Die rasant steigende Inflation, die die Zentralbanken beziehungsweise Zentralbanksysteme durch Anhebung der Diskontsätze und der Renditen für Staatsanleihen einzudämmen versuchen, der starke Anstieg der Rohstoffpreise, vor allem aber die Explosion der Energiepreise, die Streichung zahlreicher Posten in den Haushaltsentwürfen der einstmals luxuriösen Länder – das Bild ist breit gefächert, aber es gibt auch Nuancen.
In Deutschland zum Beispiel ist kein Geld mehr da, um die Digitalisierung und die damit verbundenen Dienstleistungen auszubauen. In Frankreich gibt es kein Geld mehr, um den Anstieg der Strompreise aufzuhalten. Mit anderen Worten, den Deutschen wird anstelle eines schnell und gut funktionierenden öffentlichen Dienstes in Aussicht gestellt, weiterhin "wie zu Großmutters Zeiten" zu leben, und den Franzosen, den Gürtel noch ein paar Löcher enger zu schnallen, um für Wärme und Licht zu bezahlen. Wir sind höfliche Menschen und sollten nicht mit dem Finger auf diejenigen zeigen, die der Lokomotive vorauseilten und riefen, dass sie Russland einen "totalen Wirtschaftskrieg" erklärt hätten. Jetzt, wo die Lokomotive sie überrollt.
Warum haben sich all diese hoch bezahlten und in Elitehochschulen ausgebildeten Leute geirrt? Weil keiner von ihnen Russland kannte oder verstand. Diese Antwort mag banal erscheinen, aber in ihrer Einfachheit liegt der Schlüssel zum Verständnis der derzeitigen Machtverhältnisse.
Keiner der Westler – hier kann man von den Hundsrittern oder vom schwedischen Karl XII. oder von Napoleon oder von der Entente sprechen – konnte und wollte sich das Ausmaß Russlands vorstellen. Vor allem im geographischen Sinne. Jedes ihrer Länder, ja, auch die gesamte EU, vom äußersten Osten bis in den äußersten Westen, passt praktisch in eine Zeitzone hinein. Da kann sich ein europäischer Bürokrat eben nicht mehr als ein Dutzend solcher Zeitzonen ausmalen, selbst wenn er drei Diplome an der Wand hängen hat. In seinem Kopf gibt es keine Datei, die für die erforderliche Vorstellungskraft zuständig ist. Und aus irgendeinem Grund scheinen diese Eurobürokraten zu glauben, dass Russland klein ist. Nicht größer als Luxemburg, wenn Luxemburg eine Tankstelle wäre.
Wie in dem Caruso-Witz wurde ihnen auch gesagt, dass die russischen Behörden schwach sind und das Land aus den Fugen geraten ist. Mit diesen beiden Annahmen schnürte der Westen seine Päckchen und Pakete an Sanktionen. Womöglich auch in der Überzeugung einer Liz Truss, dass "die Regionen Woronesch und Rostow nicht zu Russland gehören".
Das Ergebnis der pathologischen historischen Ignoranz, der ebenso pathologischen Russophobie und des eklatanten geografischen Analphabetismus ließ also nicht lange auf sich warten. Während sich die GZW auf das Schlimmste vorbereitet, schmiedet Russland strategische Pläne. Wirtschaftlich. Mit dieser Menge an Rohstoffen, mit den riesigen Dimensionen des Landes, macht schon der Prozess Freude.
Und mit den westlichen Eliten, die heute nicht wissen, wie sie die kollabierenden Mechanismen ihrer früheren Macht retten können, sollte man nicht mitfühlen. Sie wurden gewarnt, sie wurden aufgeklärt, sie wurden ermahnt. Die Rechnungen für all die Fehler und Fehleinschätzungen der "gesamten zivilisierten Welt" sind bereits geschrieben, sie werden ihnen nun präsentiert. Der Countdown läuft und zählt die letzten Stunden der Zahlungsfrist.
Übersetzung aus dem Russischen. Der Artikel ist am 6. August 2023 auf ria.ru erschienen.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Nach uns der Flächenbrand (II)Vor dem Ablauf des ECOWAS-Ultimatums gegen Niger nehmen in Afrika Warnungen vor dem angedrohten Einmarsch in das Land zu. Paris und Berlin unterstützen die ECOWAS dennoch.
german-foreign.policy.com, 7. August 2023
NIAMEY/PARIS/BERLIN (Eigener Bericht) – Aufrufe aus der EU zum Einschreiten gegen die Junta in Niger haben am gestrigen Sonntag abend den Ablauf des ECOWAS-Ultimatums zur Wiedereinsetzung des gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum begleitet. Die westafrikanische Staatengruppierung ECOWAS hatte mit einem Einmarsch nach Niger für den Fall gedroht, dass die Junta an Bazoums Entmachtung festhält. Die Putschisten tun dies; zudem haben sie Nigers Stationierungsabkommen mit Frankreichs Streitkräften gekündigt. Eine Reaktion der ECOWAS liegt bislang noch nicht vor. Paris hatte der Staatengruppe feste Unterstützung zugesagt; aus Berlin hieß es nur, man befürworte vor Gewaltmaßnahmen weitere Verhandlungen. Das Interesse der EU-Staaten an einer prowestlichen Regierung in Niamey ist vor allem geostrategisch bedingt. Niger ist darüber hinaus zwar auch ein wichtiger Lieferant von Uran, verliert dabei aber spürbar an Bedeutung. Gegen einen Einmarsch sprachen sich am Wochenende nicht nur Zehntausende in Niamey, sondern auch der Präsident Algeriens sowie der Senat Nigerias aus, auf dessen Zustimmung Nigerias Präsident Bola Tinubu angewiesen ist. Ein Krieg drohe, hieß es, den gesamten Sahel zu verwüsten.
Zitat: Uran aus Arlit
Die ökonomische Bedeutung, die Niger insbesondere für Frankreich, aber auch für die EU besitzt, liegt vor allem in drei großen Uranlagerstätten bei Arlit im Norden des Landes. Die Gesamtproduktion dort ist allerdings von 4.518 Tonnen im Jahr 2013 auf 2.020 Tonnen 2022 zurückgegangen. Eine der drei Lagerstätten ist inzwischen erschöpft. Eine zweite nähert sich diesem Zustand. Die dritte gilt als eine der größten weltweit, wird aber zur Zeit aus Rentabilitätsgründen nicht abgebaut. Der französische Konzern Orano (ehemals Areva) hat seine Aktivitäten diversifiziert, fördert Uran auch in Kasachstan und in Kanada und erkundet Lagerstätten in Usbekistan. Frankreichs wichtigster Lieferant war in den vergangenen zehn Jahren – aufsummiert – laut den Statistiken von Euratom Kasachstan (27 Prozent) vor Niger (20 Prozent) und Usbekistan (19 Prozent).[1] Die EU insgesamt führte im Jahr 2022 rund 26,8 Prozent ihres Urans aus Kasachstan ein, 25,4 Prozent aus Niger, 22 Prozent aus Kanada und 16,9 Prozent aus Russland.[2] Mit einem Anteil an der globalen Gesamtförderung von 4,7 Prozent lag Niger im vergangenen Jahr hinter Kasachstan (43 Prozent), Kanada (15 Prozent), Namibia (11 Prozent), Australien (8 Prozent), Usbekistan und Russland nur noch auf Platz sieben.[3]
Pipelinepläne
Eine wichtige Rolle spielt Niger zudem für die Pläne, Erdgas aus Nigeria mit einer neuen Pipeline durch die Sahara bis an die nordafrikanische Küste zu transportieren und es von dort in die EU weiterzuleiten. Nigeria ist eines der zehn Länder mit den größten Erdgasvorräten der Welt. Die Verwirklichung des Vorhabens ist freilich ungewiss. Die Pläne dazu sind alt. Nach jahrzehntelangen Debatten einigten sich Nigeria, Niger und Algerien erstmals im Juli 2009, den Bau der Pipeline in Angriff zu nehmen. Die Kosten wurden schon damals auf rund 13 Milliarden US-Dollar geschätzt. Das Projekt scheiterte recht bald, nicht zuletzt, weil Aufständische im Süden Nigerias mit Angriffen auf die Leitung drohten und insbesondere ab 2013 jihadistische Milizen Teile des Transitgebiets im Norden Nigerias wie auch in Niger unsicher machten. Im Juli 2022 einigten sich die drei Staaten erneut, den Bau der Leitung in Angriff zu nehmen.[4] Die Kosten werden inzwischen auf gut 18 Milliarden Euro geschätzt; eine alternative Strecke an die marokkanische Küste würde sogar 23 Milliarden Euro verschlingen. Die Finanzierung ist dabei ebenso ungeklärt wie das Interesse Europas. Im Januar stellte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in Frage, ob die EU zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Pipeline die Gaseinfuhr überhaupt noch steigern wolle. Borrell zufolge wünscht Europa stattdessen grünen Wasserstoff.[5]
Kontrollverlust
Hoch ist zur Zeit vor allem Nigers geostrategische Bedeutung. Noch vor wenigen Jahren stand die Dominanz Frankreichs und der EU im Sahel nicht in Frage. Die Kontrolle der Region ist für die Mächte Europas wichtig: Vor allem über Mali und Niger werden Drogen und allerlei mehr in die EU geschmuggelt; Flüchtlinge durchqueren beide Länder auf dem Weg an die Mittelmeerküste; im Sahel operierende Jihadisten sind potenziell genauso eine Bedrohung für Europa, wie es Jihadisten in Syrien noch vor wenigen Jahren waren. Wäre eine gegnerische Macht in der Lage, den Sahel zu kontrollieren, wäre das für die EU – ähnlich wie der Verlust jeglichen Einflusses auf Syrien – ein ernster Rückschlag. Die EU-Staaten mussten zuletzt ihre Truppen aus Mali und Burkina Faso zurückziehen, die sich, wenn auch auf unterschiedliche Weise, Russland annähern.[6] Die Putschisten in Niger kündigten am Donnerstagabend ihre Truppenstationierungsverträge mit Frankreich auf. Müssten die Mächte der EU, darunter Deutschland, sich wirklich aus Niger zurückziehen, dann hätten sie die Kontrolle über den zentralen Sahel komplett verloren. Paris hat noch Truppen im Tschad stationiert; das dortige Militärregime gilt allerdings nicht mehr als unbedingt loyal, hat im April den Botschafter der Bundesrepublik ausgewiesen [7] und weigert sich jetzt, Soldaten für einen etwaigen Einmarsch nach Niger zu stellen.
Kriegsdrohung
Einen Einmarsch nach Niger hatte die westafrikanische Staatengruppierung ECOWAS (französisch: CEDEAO) schon vor rund einer Woche in Aussicht gestellt – für den Fall, dass die Putschisten in Niamey den gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum bis zum gestrigen Sonntag nicht wieder ins Amt brächten. Detaillierte Einsatzpläne wurden daraufhin von den Generalstabschefs der elf noch aktiven ECOWAS-Mitgliedstaaten [8] von Mittwoch bis Freitag in der nigerianischen Hauptstadt Abuja ausgearbeitet. Frankreich will zwar offiziell nicht selbst intervenieren, hat der ECOWAS aber „fest und entschlossen“ Unterstützung versprochen. Nigers gestürzter Ministerpräsident Ouhoumoudou Mahamadou hält sich zu näheren Absprachen in Paris auf.[9] Am Donnerstag publizierte die Washington Post einen Beitrag unter Bazoums Namen, in dem dieser „die US-Regierung und die gesamte internationale Gemeinschaft“ aufrief, die Junta in Niamey zu stürzen.[10] Wie die Zeitschrift Jeune Afrique berichtet, wurde der Beitrag explizit auf Anregung von US-Außenminister Antony Blinken in einem Telefonat mit Bazoum verfasst. Der Zeitung übermittelt wurde er demnach von der US-Botschaft in Niamey.[11] In Berlin heißt es noch, man plädiere für eine diplomatische Lösung.[12] Eine ausdrückliche Ablehnung einer Militärintervention liegt seitens der Bundesregierung allerdings nicht vor.
Kriegsablehnung
Entschieden abgelehnt wird ein Einmarsch der ECOWAS oder einer anderen auswärtigen Macht allerdings in mehreren afrikanischen Staaten. In Niger selbst haben sich am Sonntag in einer Großveranstaltung Zehntausende auf die Seite der Junta und gegen eine Invasion gestellt. Mali und Burkina Faso haben angekündigt, im Fall eines Einmarschs unmittelbar aus der ECOWAS auszutreten und Niger militärisch zu unterstützen. Das suspendierte ECOWAS-Mitglied Guinea lehnt jede Intervention ebenso ab wie Nigers Nachbarstaaten Tschad und Mauretanien. Nigeria, das im Fall einer Invasion den Hauptteil der ECOWAS-Truppen zu stellen hätte, gerät in massive Schwierigkeiten: Der Senat, Nigerias obere Parlamentskammer, hat sich am Wochenende laut Berichten in aller Form gegen einen Einmarsch ausgesprochen. Laut der nigerianischen Verfassung muss Präsident Bola Tinubu, will er eine militärische Intervention in einem fremden Staat befehlen, vorab eine Zustimmung des Senates einholen. In einer Stellungnahme von Senatoren aus den nordnigerianischen Grenzgebieten zu Niger heißt es, unter einem Krieg würden vor allem Zivilisten leiden, und Nigerias Wirtschaft drohe noch heftiger in die Krise zu geraten. Auch starke Kräfte der nigerianischen Opposition sprechen sich gegen eine Intervention aus.[13] Dasselbe tat am Wochenende zudem Algeriens Präsident Abdelmadjid Tebboune. Tebboune erklärte in einer Fernsehansprache, Algier lehne „jede Militärintervention kategorisch ab“, weil sie „den gesamten Sahel in Brand stecken“ würde.[14] Die Folgen eines Intervention könne man heute etwa in Libyen sehen.
[8] Die ECOWAS, die ursprünglich 15 Mitgliedstaaten hatte, hat inzwischen die Mitgliedschaft Malis, Burkina Fasos, Nigers und Guineas jeweils wegen Putschs suspendiert.
[9] Niger : l’ultimatum de la Cedeao touche à sa fin avant une possible intervention militaire. lemonde.fr 06.08.2023.
[10] Mohamed Bazoum: President of Niger: My country is under attack and I’ve been taken hostage. washingtonpost.com 03.08.2023.
[11] Exclusif – Révélations sur la sequestration de Mohamed Bazoum. jeuneafrique.com 04.08.2023.
[12] Niger : l’ultimatum de la Cedeao touche à sa fin avant une possible intervention militaire. lemonde.fr 06.08.2023.
[13] Nigeria : des voix s’élèvent contre une intervention militaire au Niger. lemonde.fr 06.08.2023.
[14] Pour Abdelmadjid Tebboune, une intervention militaire au Niger est « une menace pour l’Algérie ». jeuneafrique.com 06.08.2023.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
06.08.2023
Das Ende der Täuschung
aus e-mailvon transition-news.org, 6. August 2023, 18:21 Uhr
enn dich jemand enttäuscht, dann bedanke dich. Das Ende der Täuschung Wenn dich jemand enttäuscht, dann bedanke dich. Schliesslich ist eine Enttäuschung das Ende der Täuschung
Vera F. Birkenbihl
Liebe Leserinnen und Leser Heute möchte ich Ihnen zuerst einmal den «Hitzeschutzmantel» für den deutschen Sommer 2023 vorstellen. In meiner einstigen Heimat Norddeutschland nennen wir dieses schicke und zeitlose Outfit «Ostfriesennerz» und es gehört sozusagen in jeden Kleiderschrank. Denn wir alle wissen: Es ist fast das ganze Jahr über die perfekte Bekleidung für unsere Klimazone.
Bild: Telegram-Kanal Henning Rosenbusch Glaubt man den Mainstream-Medien, sieht die Lage allerdings anders aus. Jedenfalls seitdem Gesundheitsminister Karl Lauterbach versprochen hat, das deutsche Volk vor dem drohenden Hitzetod zu bewahren. Eine haarsträubende Klima-Anekdote nach der anderen wird aus dem Ärmel geschüttelt. Im besten «Pandemie»-Stil werden Halbwahrheiten und Lügen verbreitet – und fliegen auf. Am 28. Juli titelte die öffentlich-rechtliche Tagesschau: «Lauterbach will Zahl der Hitzetoten halbieren». Im nächsten Satz teilte sie mit, er wolle «die hitzebedingten Todesfälle in diesem Jahr unter 4000 drücken». «Da stimmt was nicht», dachte ich. Hatte Lauterbach Ende Juni nicht von «fast 5000» Hitzetoten im Jahr 2022 gesprochen? Und genauso ist es. Diese Aussage wurde per Video für die Nachwelt festgehalten. Dennoch verkündet die Tagesschau, die ein Millionen-Publikum hat und sich durch Zwangsgebühren finanziert, nur vier Wochen später:
«Nach schätzungsweise 8000 Hitzetoten im vergangenen Jahr sei es das Ziel, die Zahl zu halbieren, sagte Lauterbach.»
Das ist nicht zu toppen: In Deutschland hat es 2022 also deutlich mehr Hitzetote gegeben als in Spanien. Laut MOMO-Daten, die vom renommierten Gesundheitsinstitut Carlos III (ISCIII) ermittelt wurden, gab es im letzten Jahr von Januar bis Ende August 5739 Todesfälle, die den Temperaturen zugeschrieben werden. Die Hitze wurde für etwa 4700 Todesfälle verantwortlich gemacht, die anderen Menschen müssen somit an Kälte gestorben sein. Hat die Tagesschau den deutschen Gesundheitsminister missverstanden oder die 8000 Hitzetoten einfach erfunden? Wohl eher nicht. Man muss davon ausgehen, dass solche Fake News vom Gesundheitsministerium lanciert werden – und von den Hofberichterstattern der Regierung nicht hinterfragt werden dürfen. Nach dem Motto: «Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.» Übrigens surfen die spanischen Staatsmedien mittlerweile auf der gleichen Klima-Katastrophen-Welle wie die deutschen. Am 10. Juli 2023 verkündete der Sender RTVE, der im September 2022 noch von den 4700 hitzebedingten Todesfällen berichtet hatte, dass in Spanien im Jahr 2022 nun doch mehr als 11’300 Hitzetote zu beklagen waren (hier und hier). Was soll man dazu sagen? Ich erinnere mich jedenfalls nicht an eine dramatische Hitzewelle, die uns zwischen September und Dezember 2022 ereilt hätte. Und ich lebe in einer der sonnenverwöhntesten Gegenden des Landes. Letzte Woche gab es noch ein Highlight, das klarstellt, wie dreist und schamlos in der «Neuen Normalität» getäuscht und betrogen wird. Schauplatz Australien: In einer Senatssitzung mussten Pfizer-Verantwortliche zugeben, dass ihr Unternehmen für die eigenen Mitarbeiter eine spezielle Charge seines «Covid-Impfstoffs» importieren liess. Warum? «Um die Gesundheit und Sicherheit unserer Kollegen zu schützen», erklärte der medizinische Direktor von Pfizer/Australien, Dr. Krishan Thiru. Von der australischen Zulassungsbehörde TGA (Therapeutic Goods Administration) wurde diese Charge nicht geprüft. Noch mehr ins Schwitzen kam Thiru, als der liberale Politiker Gerald Rennick von ihm wissen wollte, warum der mRNA-«Impfstoff» seines Unternehmens Myokarditis und Perikarditis verursacht. In einem Video-Clip ist zu sehen, wie Thiru der Frage wiederholt ausweicht, sich windet wie ein Aal – und versucht, jede Verantwortung von sich zu schieben. Letztendlich verspricht er, die Antwort auf Rennicks Frage schriftlich nachzureichen. Die gequälten Gesichtsausdrücke von Thiru und seinem Kollegen sprechen Bände. Und sie erinnern an andere Anhörungen, bei denen Vertreter von Pharmakonzernen und Regulierungsbehörden sowie Politiker ebenso peinliche und verlogene Auftritte abgeliefert haben, als sie zur Sicherheit und Effektivität der «Covid-Impfstoffe» befragt wurden. Auch einige von ihnen griffen nach dem Rettungsanker – und versprachen, die Antworten auf brisante Fragen schriftlich nachzureichen. Wohl in der Hoffnung, dass mit der Zeit Gras über die Angelegenheit wächst. Ob das passiert, werden wir sehen. Auf jeden Fall möchte ich mich bei der Tagesschau, RTVE, Karl Lauterbach und Krishan Thiru bedanken für diese «Enttäuschung». Herzlich Wiltrud Schwetje
** Die TTV News vom 14. Juli 2023 mit folgenden Themen: ????Nato-Gipel: Was die Medien zum Verhältnis Türkei-Russland verpassten ????Militärische Lage: «Die Ukraine hat verloren», sagt Colonel Douglas Macgregor ????Cluster-Bomben: Was ihr Einsatz durch die Ukraine über ihre Lage verrät ????Nordstream atomar gesprengt? Die seismischen Ausschläge deuten darauf hin ????Instant Pot: Was man von einem Dampfkochtopf alles lernen kann ????Befreiung vom Mangelbewusstsein Redaktion und Moderation: Christoph Pfluger Sie finden uns auf folgenden Kanälen und Plattformen: Telegram│Rumble│Instagram│Facebook│YouTube ***********************
Australien: Pfizer-Direktor schwimmt bei Senatsanhörung Ein weiteres Beispiel dafür, wie Verantwortliche der Pharma-Konzerne bei Anhörungen zur Sicherheit ihrer «Impfstoffe» in die Bredouille geraten, lieferte kürzlich eine Senatssitzung in Australien. Diesmal erwischte es einen Pfizer-Mitarbeiter. → Weiterlesen
USA: Nachfolgerin von Anthony Fauci ernannt Ihr Name ist Dr. Jeanne Marrazzo. Sie sei dem Narrativ treu und behaupte weiterhin, dass die Coronavirus-«Pandemie» durch eine Fledermaus und/oder ein Schuppentier ausgelöst worden sei, berichtet «The Dossier». → Weiterlesen
Norbert Häring: Bargeld ist für die Nachrichtenagentur Reuters rechtsextrem ie „Nachrichtenagentur“ Reuters hat sich nicht entblödet, in einem englischsprachigen Beitrag über Österreich in der Überschrift (übersetzt) zu schreiben: „Österreichs Regierungschef stellt sich hinter die rechtsextreme Forderung, Bargeld in der Verfassung zu verankern“. → Weiterlesen
tkp: Starke Änderungen der Temperaturen seit jeher dank natürlicher Zyklen Historische Aufzeichnungen und unzählige Forschungsergebnisse belegen, dass Klimawandel und Veränderungen der durchschnittlichen Temperatur natürlichen Ursprungs sind und in wiederkehrenden Zyklen verlaufen. Die These des „menschengemachten“ Klimawandels ist angesichts der Fakten nicht haltbar. → Weiterlesen
WELT: „Deutschland fällt immer weiter zurück“, sagt Söder Die Union fordert von der Ampel-Koalition ein „Sofortprogramm“ für die Wirtschaft. Der „Cocktail“ aus hohen Steuern, Abgaben und Energiepreisen müsse weggeschüttet werden. Grünen-Chefin Ricarda Lang verspricht, das Thema schnell in Angriff zu nehmen. → Weiterlesen
apolut: Kurzer Prozess gegen Meinungsfreiheit Mal ist es ein Hamburger, dann eine Frau in Köln, jetzt jüngst ein Düsseldorfer: Querbeet Bundesrepublik häufen sich die Fälle wegen angeblicher „Billigung des russischen Angriffskrieges“. Fälle, die juristisch verfolgt werden. → Weiterlesen
Weltwoche: Aufstand in Niger Warum die Bürger in den west- und zentralafrikanischen Staaten nicht die französische Trikolore oder das blaue Europabanner, sondern die Flagge Russlands bei sich tragen → Weiterlesen
tkp: Seuchen als Bevölkerungskontrolle Die selbst ernannten Eliten sind eine Minderheit. Das macht ihnen Angst. Und diese Angst ist nur zu berechtigt. Die Jahrhunderte seit der ersten Pandemie ab 1347 waren nicht nur die Zeit von Pest und Cholera, sondern auch die der Revolten. → Weiterlesen
Spiegel: Sleepy Joe gegen Teflon-Trump? Joe Biden stolpert. Verwechselt Personen. Sagt manchmal unverständliches Zeug. Und kann seine gute Bilanz nicht als Erfolg verkaufen. Donald Trump hingegen trotzt allen Skandalen. Was heißt das für Amerika? → Weiterlesen
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
06.08.2023
Eine Milliarde «überflüssige Menschen» dank Künstlicher Intelligenz?
seniora.org, 06. August 2023, 06. August 2023 Autor: Jake Johnson - übernommen mit Dank von globalbridge.ch
Diese Art von Arbeitsplätzen ist dank technischem Fortschritt verschwunden. Aber haben alle “überflüssig" gewordenen Mitarbeiterinnen auch einen neuen und besseren Arbeitsplatz gefunden? Die Arbeitslosigkeitsrate in Japan stieg von 2,6% im Jahr 1985 auf 5,4% im Jahr 2002. Das Bild zeigt die Produktion von CANON-Kameras in Japan Mitte der 1980er Jahre. (Foto Christian Müller)
(Red.) Vor zehn Jahren, im Jahr 2013, veröffentlichte Ilija Trojanow ein kleines Büchlein, inkl. Literaturverzeichnis keine 100 Seiten stark, mit dem provokativen Titel «DER ÜBERFLÜSSIGE MENSCH». Der 1965 in Sofia in Bulgarien geborene Publizist, der aus beruflichen Gründen seines Vaters auch viele Jahre in Afrika lebte, machte in diesem seinem absolut hervorragenden Essay darauf aufmerksam, wie die immer raffiniertere Technik die brandgefährliche Spaltung der Menschheit in wenige Superreiche und immer mehr Arme noch zusätzlich verstärkt. Das Büchlein ist eine Pflichtlektüre für alle Politiker! Jetzt warnt auch der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz davor, dass die Künstliche Intelligenz (KI) viele zusätzliche Millionen von Menschen in die Armut abstürzen lassen wird – ein Horrorszenario.(cm)
„Ich bin zuversichtlich, dass die KI großartig sein wird, wenn wir das Richtige tun. Aber die Frage ist: Werden wir in unserem politischen Einflussbereich auch wirklich das Richtige tun? Und ich denke, das ist viel problematischer.“
Der Wirtschaftswissenschaftler Joseph Stiglitz sagte diese Woche, er sei sehr besorgt über das Potenzial der unregulierten Künstlichen Intelligenz, die globale Ungleichheit noch zu verstärken, die schon während der Coronavirus-Pandemie nachgerade explodierte, als Milliardäre ihren Reichtum in die Höhe schießen sahen, während Dutzende von Millionen in die Armut gedrängt wurden.
„Ich bin sehr besorgt“, sagte Stiglitz, der im Jahr 2001 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt, gegenüber «Scientific American». „In gewisser Weise haben Roboter physische Routinearbeiten ersetzt. Und die künstliche Intelligenz ersetzt jetzt die Routinearbeit der Angestellten – oder sie ersetzt sie nicht, aber sie reduziert die Nachfrage. Ich denke also, dass Arbeitsplätze, die Routine-Jobs waren, gefährdet sein werden.“
„Und davon gibt es so viele, dass es einen makroökonomischen Effekt auf das Niveau der Ungleichheit haben wird“, fügte Stiglitz hinzu. „Es könnte auch das Gefühl der Desillusionierung verstärken: [An Orten, an denen die Deindustrialisierung stattfand, gab es einen] Anstieg der Todesfälle durch Verzweiflung. Sie waren an bestimmten Orten zu finden, aber diese Routinearbeit findet überall statt“.
Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der «Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung» (OECD) kommt zu dem Schluss, dass die KI „wahrscheinlich erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsplätze haben wird“, da die Unternehmen die sich schnell entwickelnde Technologie weiterhin einsetzen. „Betrachtet man alle Automatisierungstechnologien einschließlich der KI, so fallen 27 Prozent der Arbeitsplätze in Berufen mit hohem Automatisierungsrisiko“, schätzt die OECD.
Stiglitz räumte ein, dass KI „mit den richtigen politischen Maßnahmen“ zu „höherer Produktivität und weniger Ungleichheit führen könnte, und es würde allen besser gehen“. „Aber man könnte sagen, dass die politische Ökonomie, die Art und Weise, wie unsere Politik bisher funktioniert hat, nicht in diese Richtung geht“, sagte Stiglitz. „Auf der einen Seite habe ich also die Hoffnung, dass KI großartig wäre, wenn wir das Richtige tun würden. Aber die Frage ist: Werden wir in unserem politischen Bereich das Richtige tun? Und ich denke, das ist viel problematischer.“
Stiglitz ist nicht der einzige Wirtschaftswissenschaftler, der sich Sorgen über die disruptiven und potenziell schädlichen Auswirkungen macht, die KI auf Arbeitnehmer in aller Welt haben könnte, insbesondere wenn die Regierungen den wachsenden Forderungen nach einer strengeren Regulierung der Technologie nicht nachkommen.
Yingying Lu, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für angewandte makroökonomische Analyse der «Crawford School of Public Policy», schrieb Anfang des Jahres, dass „obwohl Ökonomen unterschiedliche Meinungen zu den Auswirkungen von KI haben, es eine allgemeine Übereinstimmung unter den Wirtschaftsstudien gibt, dass KI die Ungleichheit erhöhen wird“. „Ein mögliches Beispiel hierfür könnte eine weitere Verlagerung des Gewinns von der Arbeit zum Kapital sein, wodurch die Arbeitsplätze noch mehr gefährdet werden“, fügte sie hinzu.“
Stiglitz warnte auch davor, dass die KI im Kontext eines Systems entwickelt wird, in dem „die Arbeitnehmer keine große Verhandlungsmacht haben. In einer solchen Welt könnte die KI ein Verbündeter des Arbeitgebers sein und die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer noch mehr schwächen, was die Ungleichheit noch verstärken könnte“, so Stiglitz. „Die Regierung muss versuchen, die Innovation so zu lenken, dass sie die Produktivität steigert und Arbeitsplätze schafft, statt sie zu vernichten.
Zum Originalbeitrag von Jake Johnson auf «Common Dreams», in dem zahlreiche Verlinkungen auf wissenschaftliche Studien zu diesem Thema eingefügt sind. So etwa wird dort auf eine UNDP-Studie verwiesen, wonach allein in den letzten drei Jahren weltweit zusätzliche 165 Millionen Menschen in die Armut abgerutscht sind (bei einer angenommenen Armutsgrenze von 3,65 US-Dollar, also USD 110 Monatseinkommen pro Kopf).
Es kann nicht intensiv genug zum Lesen empfohlen werden: Ilija Trojanow: Der überflüssige Mensch. Ein äusserst wichtiges Buch, um die heutige Situation und die ihr drohende Verschlechterung zu verstehen. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. – Zur Biographie von Ilija Trojanow hier. Seine Doku "Oasen der Freiheit - Anarchistische Streifzüge" finden Sie hier.
Und was machen all die Kleinbauern, wenn die moderne Technik ihre kleinen Äcker in industriell bewirtschaftete Monokulturen verwandelt? Die mitarbeitenden Ehefrauen werden weder bei der Berechnung der Arbeitslosenquote noch beim GDP mitgerechnet. Das Bild zeigt den Markt in Santa Cruz in Peru im Jahr 1995. (Foto Christian Müller)
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
06.08.2023
nigerianischer Senat weigert sich, ECOWAS-Krieg zu unterstützen
aus e-mail von Doris Pumphrey, 6. August 2023, 13:59 Uhr
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
06.08.2023
Was ist Chinas wichtigste strategische Waffe im globalen Kampf um Ressourcen und Energie?
freedert.online, vom 5 Aug. 2023 20:43 Uhr, Von Timur Fomenko
China preist seine Belt & Road Initiative als Akt der Solidarität mit den Entwicklungsländern des globalen Südens an. Das ist diese tatsächlich – aber sie ist noch viel mehr als nur das. Es geht auch darum, die Versuche der USA zu unterbinden, China zu dominieren.
Dieses von der saudischen Presseagentur SPA veröffentlichte Bild zeigt den chinesischen Präsidenten Xi Jinping, den saudischen Kronprinzen bin Salman und den Generalsekretär der Arabischen Liga Ahmed Aboul Gheit während des Arabisch-Chinesischen Gipfels in Riad am 9. Dezember 2022.
"Chinas Auslandsinvestitionen in die Metallindustrie und den Bergbau werden Rekordwerte erreichen", hieß es in einem Artikel der Financial Times Anfang dieser Woche. Der Autor analysierte, wie Chinas Investitionen in seine Belt & Road Initiative (BRI) – ein gigantisches globales Infrastrukturprogramm – "strategischer" geworden sind.
Während die Financial Times (FT) bekanntermaßen eine negative Haltung gegenüber China einnimmt und keine Gelegenheit auslässt, sich mit Narrativen zu befassen wie "Schuldenfallen" und Korruptionsvorwürfe und die Art und Weise, wie "Dutzende" Länder in diesen angeblich ermitteln sollen – wobei die FT nur das von den USA unter Druck gesetzte Italien als Beispiel nennt –, macht sie hier jedoch eine wichtige Feststellung. Die BRI ist in der Tat strategisch. Und sie wurde nie als etwas anderes geplant.
Während China sein massives Investitionsprogramm als einen Akt der Solidarität mit den Entwicklungsländern des globalen Süden anpreist und wirtschaftliche Integration und gegenseitige Vorteile verspricht, verlief der kolossale Aufbau von Infrastruktur durch Peking in anderen Ländern nie zufällig, diskret oder unorganisiert. Der daraus gewonnene gute Wille aus den Partnerländern ist natürlich wichtig. Aber es gab immer einen Plan, und dieser Plan bestand nicht nur darin, Chinas Exporte am Laufen zu halten, sondern auch in einem zunehmend unsicheren internationalen Umfeld Energie und Ressourcen zu sichern, im Vorgriff auf das, was die USA zu tun beabsichtigen.
China ist der weltweit größte Verbraucher von Energie und natürlichen Ressourcen, hat jedoch eine strategische Achillesferse, da es abgesehen von den kritischen Seltenen Erden, nicht über viele eigene Ressourcen verfügt, die es benötigt. Als Industrieriese kann China seinen Energiebedarf nicht selbst decken, sei es für den Betrieb seiner Fabriken oder für den Antrieb seiner Autos. Dies hat dazu geführt, dass Peking immer lukrativere und engere Partnerschaften mit jenen Nationen des Nahen Ostens eingeht, die sich entsprechend von ihren traditionellen Paten im Westen emanzipiert haben.
Gleichzeitig nimmt der globale Wettbewerb um natürliche Ressourcen zu. Mit den Begriffen "Resilienz der Lieferketten" und "Diversifizierung" versuchen die USA, die Kontrolle über Ressourcen zu erlangen, die sie für strategisch wichtig halten, wie etwa Lithium und viele andere Metalle und Mineralien. Die USA wollen alle diese globalen Lieferketten dominieren und schließlich China aus ihnen hinausdrängen, was zu einem Wettbewerb um Investitionen rund um den Globus geführt hat. Lieferketten sind nicht länger globalisiert, sondern wurden aufgeteilt, um den strategischen Bedürfnissen einzelner Akteure gerecht zu werden, die im Falle einer militärischen Krise autark sein wollen. Folglich stellt dieser militärische Faktor eine enorme Dynamik im strategischen Denken Chinas dar, da seine Material- und Energieimporte bisher auf Routen durch Gebiete angewiesen sind, die von den USA bedrängt werden, darunter das Südchinesische Meer, das Ostchinesische Meer und der Indische Ozean.
Washington versucht, Chinas Peripherie umfassend einzukreisen. Der britische Staatssender BBC bejubelte dies als einen "Bogen von militärischen Stützpunkten rund um China", wobei die USA kürzlich Zugang zu noch mehr Militärstandorten auf den Philippinen erhalten haben. Anschließend handelten die USA einen militärischen Vertrag mit Papua-Neuguinea aus und unterstützen gleichzeitig die vollständige Aufrüstung Japans und die Stationierung weiterer Waffen auf der koreanischen Halbinsel.
Für den Fall eines Konflikts streben die USA die militärische Vorherrschaft über die Region rund um China an – so undurchführbar das auch sein wird – und versuchen, Chinas Außenhandel und Energieimporte mit einem Embargo zu belegen. Wie konnte das Britische Empire zweimal über Deutschland triumphieren? Die Antwort liegt in der Überlegenheit der britischen Seestreitkräfte, die Berlins Zugang zum Atlantik und zum Mittelmeer blockierten und Deutschland auf lange Sicht durch Zermürbung lahmlegten. Chinas östliche Peripherie ist ähnlich verwundbar. Aus diesem Grund nutzt China die Belt & Road Initiative, um Eurasien auf dem Landweg so zu verbinden, dass es diese von den USA beanspruchten Gebiete umgehen und neue Routen für Energie und Rohstoffe schaffen kann.
Dies wiederum ist der Grund, warum Chinas wichtigster strategischer Partner im gesamten Projekt der Belt & Road Initiative Pakistan ist, ein Land, das nicht nur auf dem Landweg mit China verbunden ist, sondern sich südwärts bis zum Arabischen Meer erstreckt und somit den gesamten indischen Subkontinent umgeht und eine freie Route zum Mittleren Osten eröffnet. Pakistan ist außerdem eine beeindruckende Militärmacht und verfügt über Nuklearwaffen, was jeden potenziellen Angriff der USA und ihrer Verbündeten in einem möglichen Konflikt mit China abschreckt. China beabsichtigt, Pakistan über den Seehafen Gwadar als sein wichtigstes maritimes Tor in den Nahen Osten und nach Afrika zu nutzen und einen sicheren Durchgang für Öl und Erdgas zu schaffen.
Aus diesem Grund sind Chinas Partnerschaften mit Russland und Staaten in Zentralasien ebenso wichtig. Peking hat in großem Umfang in die Schaffung transkontinentaler Eisenbahnrouten für Fracht investiert und war in diesem Jahr Gastgeber des ersten Gipfels zentralasiatischer Staats- und Regierungschefs. Dies ist auch ein Grund, warum China trotz der Instabilität in Afghanistan eine enge Beziehung zu den Taliban anstrebt und sich Zugang zu den natürlichen Ressourcen dieses Landes verschaffen will.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die BRI eine Meisterleistung im Schachspiel Chinas ist, weil sie diplomatische, handelspolitische und strategische Prioritäten berücksichtigt. Man schaue sich zum Beispiel nur an, wie die neue Eisenbahnverbindung zwischen China und Binnenland Laos eine zusätzliche Handelsroute dorthin geschaffen hat, die bald bis nach Thailand reichen und mit seinen Häfen erschlossen sein wird. China diversifiziert aktiv seine Routen der Logistik und behält gleichzeitig seine Partnerländer mit an Bord der Reise.
Es geht darum, die Versuche der USA zu unterbinden, China zu dominieren, indem sie die Region militarisieren und den Zugang zu Handelswaren kappen. Es geht darum, die Rückkehr zur Diplomatie der Kanonenboote des 19. Jahrhunderts zu verhindern.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
06.08.2023
Internationale Arbeit für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure
de.connection-ev.org, vom Pressemitteilung am 5. August 2023,Connection e.V., EBCO, WRI und Internationaler Versöhnungsbund (IFOR)
An die ukrainische Regierung: Lassen Sie die Anklage gegen Yurii Sheliazhenko fallen
Pazifismus ist kein Verbrechen
von Connection e.V., EBCO, WRI und Internationaler Versöhnungsbund (IFOR)
(05.08.2023) Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO), War Resisters’ International (WRI), der Internationale Versöhnungsbund (IFOR) und Connection e.V. (Deutschland) verurteilen aufs Schärfste die Tatsache, dass Yurii Sheliazhenko, Geschäftsführer der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung, von der ukrainischen Regierung formell des Verbrechens der "Rechtfertigung der russischen Aggression" angeklagt wurde. Als einziger "Beweis" wird dafür die Erklärung der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung angeführt, die auf dem Treffen zum Internationalen Tag des Friedens am 21. September 2022 mit dem Titel "Friedensagenda für die Ukraine und die Welt" beschlossen wurde. Darüber hinaus wird in der Erklärung die russische Aggression ausdrücklich verurteilt (https://worldbeyondwar.org/peace-agenda-for-ukraine-and-the-world/).
Wir sind alle schockiert darüber, dass der ukrainische Sicherheitsdienst am 3. August 2023 in die Wohnung von Yurii Sheliazhenko eingebrochen ist und eine illegale Durchsuchung durchführte. Dabei wurde nichts Kriminelles gefunden. Trotzdem wurde sein Telefon, sein Computer sowie einige Dokumente der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung beschlagnahmt. Wir protestieren aufs Schärfste gegen die Schikanen gegen Yurii Sheliazhenko. Er wurde für den 7., 8. und 9. August 2023 zum Verhör vorgeladen.
Wir erinnern die ukrainische Regierung daran, dass Pazifismus kein Verbrechen ist. Wir fordern, dass die Anklage gegen Yurii Sheliazhenko unverzüglich fallen gelassen wird und dass die Menschenrechte in vollem Umfang geschützt werden, einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung, das dem Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit innewohnt, das unter anderem in Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie in Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) garantiert wird und das auch in Zeiten des öffentlichen Notstands nicht außer Kraft gesetzt werden kann, wie in Artikel 4 Absatz 2 des ICCPR festgelegt.
Yurii Sheliazhenko ist ein bekannter Kriegsdienstverweigerer, Pazifist, Menschenrechtsverteidiger und Rechtsanwalt. Wir verurteilen aufs Schärfste alle Schikanen und Einschüchterungsversuche gegen ihn und die Ukrainische Pazifistische Bewegung sowie alle Fälle von Zwangsrekrutierung und Entführung von Wehrpflichtigen für die am Krieg in der Ukraine beteiligten Armeen und alle Verfolgungen von Kriegsdienstverweigerern, Deserteuren und gewaltlosen Kriegsgegner*innen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
06.08.2023
Neuer Grundrechtseingriff? Bundesbeamter fordert Gesinnungsprüfung für Kandidaten
freedert.online, vom 5 Aug. 2023 17:44 Uhr, Von Dagmar Henn
Jetzt sollen Kandidaten für Wahlen überprüft werden, ehe sie überhaupt kandidieren dürfen. So lautet zumindest eine neue Fantasie aus einer Abteilung des Innenministeriums. Die Einschränkungen der Meinungsfreiheit scheinen nicht mehr zu genügen ‒ jetzt geht es an andere Grundrechte.
Also ein Bundesbeamter, der nach seinem Amtseid verpflichtet ist, Recht und Gesetz zu achten, fordert öffentlich: "Jeder potenzielle Amts- und Mandatsträger sollte vor der Wahl auf seine Haltung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung überprüft werden." Es wird interessant, zu sehen, ob ihm diese Position noch disziplinarische Maßnahmen einträgt.
Warum? Weil diese Forderung verfassungswidrig ist. Der Herr, ein Karrierediplomat namens Felix Klein, der nach jahrelanger Zuständigkeit für Südamerika zuletzt Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung wurde, spricht natürlich nicht aus, was diese Forderung tatsächlich bedeutet. Also muss man es ausbuchstabieren.
Das Wahlrecht, das jedem erwachsenen Staatsbürger zusteht, gibt es in zwei Formen: aktiv und passiv. Der Wortgebrauch täuscht ein wenig, denn das aktive Wahlrecht besteht nur darin, alle paar Jahre ein Kreuz machen zu dürfen, während das passive Wahlrecht bedeutet, für ein Amt oder ein Mandat kandidieren zu dürfen. Was Klein nicht sagt, ist, dass die Konsequenz einer solchen Überprüfung, sollte man sie etablieren, darin bestünde, einem Teil der Kandidaten das passive Wahlrecht abzusprechen. Und zwar auf einer sehr willkürlichen Grundlage. So gibt es zwar viele Politiker, die behaupten würden, die Befürwortung eines anderen Wirtschaftssystems als des kapitalistischen widerspräche dem Grundgesetz, aber es gibt ebenso Verfassungsrechtler, die belegt haben, dass genau dies nicht der Fall ist. Die Auslegung der Grenzen dessen, was gerade als in Übereinstimmung mit der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung" gilt und was nicht, ist alles andere als konstant.
Allerdings gibt es klare Vorgaben, wann das Wahlrecht aberkannt werden kann. Gültig ist hier § 45 Strafgesetzbuch, Absatz 1:
"Wer wegen eines Verbrechens zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, verliert für die Dauer von fünf Jahren die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen."
Außerdem gibt es noch die Möglichkeit, dass das Bundesverfassungsgericht Grundrechte aberkennt; auf jeden Fall aber ist eine richterliche Entscheidung die Voraussetzung, die allen Kriterien eines ordentlichen Verfahrens genügen muss, und die Grundlage ist immer ein massiver und bewiesener Rechtsverstoß. Der Bundesbeamte Klein stellt also eine politische Position, die nach Meinung der Verfassungsschutz- oder einer neu einzurichtenden anderen Behörde nicht die richtige "Haltung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung" darstellt, einer Verurteilung wegen eines Verbrechens gleich, das mit einer Haft von mindestens einem Jahr geahndet wird.
Sicher, der jetzigen Bundesregierung könnte man selbst einen derartigen Eingriff ins passive Wahlrecht noch zutrauen, da sie bisher schon einen äußerst traurigen Rekord im Umgang mit der Meinungsfreiheit hält. Aber noch einmal: Es geht dabei um ein grundlegendes politisches Recht, das nach dem Grundgesetz nicht an eine bestimmte Gesinnung gebunden ist, eine bestimmte Haarfarbe oder ein bestimmtes Einkommen, sondern einzig an die zwei Faktoren Staatsbürgerschaft und Volljährigkeit (übrigens hat die Bundesrepublik schon, weil sie geistig Behinderten das Wahlrecht verweigert, Probleme mit der UN).
Klein steht sicher nicht allein mit seinen Fantasien. Schließlich ist es in den letzten Jahren bereits gelungen, aus der Meinungsfreiheit die Freiheit zu machen, jene Aussagen zu wiederholen, die von den zuständigen offiziellen Stellen für wahr erkannt wurden, obwohl die Meinungsfreiheit nichts mit der Frage zu tun hat, ob die geäußerte Meinung richtig oder falsch ist. Wäre Wahrheit das Kriterium, müsste die Religionsfreiheit im Grunde mit fallen, denn es ist noch niemandem gelungen, einen gültigen Gottesbeweis anzutreten, was dann jegliche Form der Predigt zur Lüge machte, die ja als Meinung mittlerweile nicht mehr erlaubt ist.
Aber solche möglichen Konsequenzen eines derart engen Ansatzes beim Gebrauch der Grundrechte scheinen Klein wenig zu scheren. Er will einen Gesinnungs-TÜV nicht nur für potenzielle Beamte – da gab es doch einmal ein Verfahren gegen die Berufsverbote, das die Bundesrepublik verloren hat – sondern für alle Kandidaten aller öffentlichen Wahlen.
Wie stellt er sich das praktisch vor? Eine Art FDGO-Prüfgericht, das verhört und dann das Wahlrecht bestätigt oder entzieht? So etwas Ähnliches kann man in den Aufnahmen aus dem McCarthy-Ausschuss in den USA genießen. Die Vernehmungen von Brecht und Eisler sind da besonders zu empfehlen.
Es ist erstaunlich. Die ursprüngliche Begründung für die Schaffung solcher Stellen wie jener des Herrn Klein (es lässt sich nicht genau herausfinden, wie sie dotiert ist, aber Regierungsdirektor mit A15 dürfte die untere Grenze sein) war, dass sie helfen würden, die Demokratie vor Gefahren zu bewahren. Und nun erweist sich, dass genau diese Stellen die Gefahr für die Demokratie darstellen. Regierungsamtliche Apologeten einer weiteren Einschränkung demokratischer Rechte.
Und solche Fantasien über eine leichtfertige Aberkennung des passiven Wahlrechts passen zusammen mit Vorhaben wie einer erleichterten Einziehung oder Verweigerung von Pässen und der inzwischen unübersehbaren Neigung der Strafverfolgungsbehörden, jede Äußerung zu ahnden, die das NATO-Narrativ in Frage stellt. Was sich in Summe all dieser Tendenzen ergibt, ist etwas, was Herr Klein eigentlich in dienstlicher Funktion wiedererkennen müsste.
Sicher, noch ist Sommerloch, was auch alle möglichen Hinterbänkler und politischen Nebenfiguren nutzen, um Platz in der Presse zu beanspruchen. Aber die Klein'sche Fantasie passt zu gut zu Erfindungen wie "Delegitimierung des Staates", und schließlich begründet er sie noch mit den Umfrageergebnissen der AfD. Als ließe sich das Legitimationsloch, das die in jeder Hinsicht verhängnisvolle Politik dieser Bundesregierung gegraben hat, dadurch stopfen, dass man schlicht nur noch das eigene Personal zur Wahl antreten lässt.
Aber im Gegensatz zu möglichen Kandidaten für welche Wahlen auch immer ist Klein selbst als Bundesbeamter eigentlich verpflichtet, die von ihm so betonte freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht in Stücke zu schlagen. Derartige Äußerungen zum Wahlrecht wecken massive Zweifel an seiner Verfassungstreue.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
Der inhaftierte Kremlkritiker Nawalny ist wegen „Extremismus“ zu einer weiteren Haftstrafe von 19 Jahren verurteilt worden. Der Prozess in einem Straflager fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Von Helmut Ortner Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist erneut zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt…
Afrika, eine Geschichte zum Wiederentdecken: 30 – Afrikaner mit einem besonderen Lebensweg
Hier möchte ich von zwei Afrikanern berichten, deren Lebenswege so wenig bekannt wie dennoch faszinierend sind. Welches ist das erste Land oder Königreich südlich der Sahara, das einen Botschafter beim Vatikan hatte? Noch bis vor zehn Jahren wusste ich das…
Eine neue Flugschrift von Freerk Huisken nimmt die aktuelle deutsche Nationalmoral und ihre Grundlage ins Visier: eine Friedensordnung, die jederzeit mit dem Übergang zum Krieg kalkuliert. Dem „Frieden“ kommt in der Propaganda für den Krieg gegen Russland dabei eine prominente…
Friedrich Kniestedt, Antifaschist im Brasilien der 1930er Jahre
Über die Verheerungen, die der Nationalsozialismus in den entsetzlichen zwölf Jahren seiner Herrschaft in Deutschland und Europa angerichtet hat, ist viel geforscht und geschrieben worden. Wenig bekannt ist hingegen, dass die Nazis in ihrem Bestreben, ihr Terrorregime über die Welt…
Pressenza - ist eine internationale Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat, mit Vertretungen in Athen, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Florenz, Lima, London, Madrid, Mailand, Manila, Mar del Plata, Montreal, München, New York, Paris, Porto, Quito, Rom, Santiago, Sao Paulo, Turin, Valencia und Wien.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.