aus e-mail von Doris Pumphrey, 7. Dezember 2023, 16:51 Uhr
*"Wir haben auf die Falschen gesetzt" –
Selenskijs Ex-Berater kommt ins Grübeln
*In einem live auf seinem YouTube-Kanal übertragenen Gespräch mit dem
ukrainischen Journalisten Nikolai Feldman hat der ehemalige
Präsidentenberater Alexei Arestowitsch sich zur aktuellen Lage der
Ukraine geäußert. Dabei ging es auch um die geopolitische Dimension des
Konflikts mit Russland, wo Arestowitsch sichtlich verbittert feststellt,
dass die Ukrainer "im Konflikt zwischen Globalisten und Realisten auf
die Falschen gesetzt" haben.
/Hier zum kurzen Video:
/https://odysee.com/@RTDE:e/-Wir-haben-auf-die-Falschen-gesetzt--%E2%80%93-Selenskijs-Ex-Berater-kommt-ins-Gr%C3%BCbeln:9
<https://odysee.com/@RTDE:e/-Wir-haben-auf-die-Falschen-gesetzt--%E2%80%93-Selenskijs-Ex-Berater-kommt-ins-Gr%C3%BCbeln:9>
RT 7.12.2023
*Washington Post zur Ukraine: Annäherungen an die hässliche Wahrheit
*/Von Dagmar Henn
/
So weit im Eingeständnis der Niederlage ging noch kein Text, der in
einem westlichen Medium veröffentlicht wurde. Aber auch der neue Artikel
der Washington Post schafft nicht die ganze Strecke, und die Erkenntnis
verbirgt sich hinter einem falschen Drama und vielen Vorurteilen.
Es muss weh tun. Das merkt man dem ausführlichen Bericht
<https://www.washingtonpost.com/world/2023/12/04/ukraine-counteroffensive-us-planning-russia-war/>
der /Washington Post/ über die gescheiterte ukrainische Offensive
deutlich an. Schließlich war das Ganze monatelang geplant worden, in
Wiesbaden, bei EUCOM. Und dann ging alles derart gründlich schief.
Das jedenfalls wird eingestanden, auch wenn nach wie vor das Wort "Patt"
das Wort "Niederlage" kaschiert. Diese Pläne sind gescheitert. An diesem
Punkt geht es nicht weiter, und der geradezu episch zu nennende Bericht
– zwei lange Teile, eigentlich schon eher eine Broschüre als ein Artikel
– weckt auch keinerlei Hoffnung auf einen militärischen Ausweg.
Damit erweist sich ein weiteres Mal, dass die öffentliche Darstellung in
den Vereinigten Staaten immer noch ein gutes Stück näher an der Realität
ist als in Deutschland und im restlichen Westeuropa, wo die Ukraine
immer noch siegen kann, und sei es, wie der CDU-Politiker Roderich
Kiesewetter jüngst vorschlug, indem man alle in der EU befindlichen
männlichen Ukrainer noch in den Fleischwolf wirft. Ganze zehn Brigaden
könnte man in Deutschland holen, meinte er.
Ein Sieg für die Ukraine, so das Fazit des Artikels, sei weit weniger
wahrscheinlich als Jahre von Krieg und Zerstörung. Noch nicht die ganze
Wahrheit, aber doch nahe dran. Interessant sind all die anderen Details,
die hier erstmalig oder zumindest zum ersten Mal so geballt und so
deutlich berichtet werden.
Die Rolle, die die US-Einrichtungen in Deutschland gespielt haben.
Grafenwöhr in Franken etwa taucht als Szene eines Besuchs des
US-Generals Mark Milley im Januar 2023 bei ukrainischen Truppen auf, die
dort ausgebildet werden, und nebenbei findet sich dann die Aussage "Die
Einrichtung war seit 2014 genutzt worden, um kleine Gruppen von
Ukrainern auszubilden". Gruppen, deren Aufgabe dann darin bestand, den
Donbass anzugreifen. Wie weit war die deutsche Regierung einverstanden
oder daran beteiligt?
Die militärische Planung der ukrainischen Offensive fand ebenfalls in
Deutschland statt:
/"In den Anfangsmonaten des Jahres 2023 führten Militärs aus
Großbritannien, der Ukraine und den Vereinigten Staaten in einem
Stützpunkt der US-Armee in Wiesbaden eine Reihe von Kriegsspielen durch,
wo ukrainische Offiziere in ein neu etabliertes Hauptquartier integriert
wurden, das dafür verantwortlich war, den Kiewer Kampf zu unterstützen."/
Der ganze Bericht der/WaPo/ gibt sich große Mühe, den Ukrainern
unabhängige Entscheidungen zuzuschreiben. Wie real das ist und wie
direkt der Einfluss dieser Wiesbadener Kommandozentrale war, ist aber
ein anderes Thema. Vor allem, weil eines der Ziele dieser Darstellung
mit Sicherheit darin besteht, die Verantwortung für das Ergebnis
vorzugsweise bei der ukrainischen Seite anzusiedeln.
Schließlich hätten die Wiesbadener Planer der Ukraine einen einzigen,
hochgerüsteten Keil in Richtung Melitopol angetragen, und es sei Kiew
gewesen, das auf drei kleineren Angriffsbewegungen bestanden hätte. "Die
westliche Militärdoktrin", so die /WaPo/, "fordert einen konzentrierten
Schlag auf ein einziges Ziel." Wer dahinter den Schatten des Blitzkriegs
erahnt, vermutet wahrscheinlich richtig; nur dass, wenn man die
russischen Vorbereitungen betrachtet, auch diese Variante gescheitert
wäre. Die befestigten Stellungen der russischen Armee seien "nach
sowjetischem Handbuch" gebaut worden, was nicht verwundert, denn der
Aufbau mit mehreren Reihen befestigter Stellungen spielte schon in der
Schlacht von Kursk eine entscheidende Rolle. Die bekanntlich nicht mit
einem Erfolg der Angreifer endete.
Der oben erwähnte Besuch Milleys galt der 47. Brigade der ukrainischen
Armee, die in Grafenwöhr geschult wurde und die für den Durchbruch
Richtung Melitopol vorgesehen war. An dieser Stelle lässt sich gut
erkennen, auf welche Weise die /WaPo/ mit den unangenehmeren
Informationen umgeht. Es wird offen eingestanden, dass diese Brigade zu
70 Prozent mit frisch Eingezogenen bemannt war, weil "über ein Jahr des
Krieges die ukrainischen Streitkräfte viel gekostet" habe. Aber sogleich
wird daraus ein Vorteil gezaubert: "Junge Offiziere würden die
NATO-Taktiken unbeeinflusst von der sowjetischen Weise der Kriegsführung
aufnehmen, die immer noch Teile des ukrainischen Militärs beeinflusste."
Das weitaus größere Problem war allerdings, dass die in Wiesbaden
ausgetüftelte Strategie schlicht die gesamte militärische Entwicklung ‒
die sich bereits im Donbasskrieg abgezeichnet hatte, aber im Verlauf des
ersten Jahres der Speziellen Militäroperation einen gewaltigen Sprung
machte ‒ nicht wirklich berücksichtigt hatte. In Grafenwöhr, gesteht die
/WaPo/, hätten die Ukrainer darauf bestanden, Drohnen in die Ausbildung
mit einzubeziehen. Die US-Ausbilder weigerten sich anfänglich, weil "die
Übungsprogramme bereits festgelegt waren". An anderer Stelle wird
eingestanden:
/"Die ukrainischen Soldaten kämpften einen Krieg, wie ihn keine
NATO-Truppe erlebt hatte: einen großen konventionellen Konflikt, mit
Gräben im Stil des Ersten Weltkriegs, unter allgegenwärtigen Drohnen und
anderen futuristischen Werkzeugen – und ohne die Luftüberlegenheit, die
das US-Militär in jedem modernen Konflikt hatte, in dem es kämpfte."/
Das Fazit eines anonymen Ukrainers, das die /WaPo/ hierzu anführt,
lautet profan: "Diese ganzen Methoden – man kann sie geradewegs nehmen
und wegschmeißen, weißt du?" Ein weiterer der Fälle, in denen dieser
Text die Wahrheit ausspricht, aber trotzdem hinterher versucht, sie
wieder ungesagt zu machen.
Auch bezogen auf die Fantasie des siegreichen Panzerkeils gibt es an
anderer Stelle eine Antwort. Denn das Fazit eines anderen ukrainischen
Offiziers bezogen auf die amerikanischen Vorhaltungen, man sei einfach
zu sparsam mit dem gelieferten Material umgegangen, lautet nüchtern:
"Die Ausrüstung, die auf dem Schlachtfeld erscheint, hat eine
Lebenserwartung von maximal einer Minute."
Man könnte auf dieser Grundlage sagen, nicht nur die Ukraine, sondern
die gesamte NATO hat im Grunde keine Ahnung, wie sie unter derartigen
Bedingungen Erfolge erzielen könnte. Die heutige Führungsgeneration geht
von völlig falschen Voraussetzungen aus, weil auch niemand mehr übrig
ist, der noch mit den Berechnungen vertraut ist, die während des Kalten
Krieges angestellt wurden, die beispielsweise einem Panzergrenadier eine
Überlebenszeit von 90 Sekunden gaben. Immer noch mehr als eine Minute,
aber doch nahe dran.
Auch diese Frage der falschen Annahmen wird in dem Artikel durchaus
angesprochen, wenn auch recht verborgen, im Kontext der Berechnung
möglicher Verluste bei der Planung, wo es heißt: "Die amerikanischen
Offiziere hatten in den größeren Schlachten im Irak und in Afghanistan
erlebt, dass die Verluste weit niedriger waren, als geschätzt worden
war. Sie sahen die Schätzungen als Ausgangspunkt für die Planung der
medizinischen Versorgung und der Evakuierungen vom Schlachtfeld, wodurch
die Verluste nie das angenommene Niveau erreichten." Sprich, die
Berechnungen mögen eventuell sogar zutreffend gewesen sein, aber die
vorhandene Erfahrung hinderte daran, sie tatsächlich ernst zu nehmen.
Strenggenommen reichen schon diese Punkte, um eine Niederlage
wahrscheinlich werden zu lassen. Dazu kam dann noch das Problem mit der
Artilleriemunition, was weder die (hier erstmals eingestanden)
350.000 aus Südkorea bezogenen Granaten dauerhaft lösen konnten, noch
die Lieferung von Clustermunition; die Produktion in den USA, so die
/WaPo/, liegt bei weniger als 9.000 Granaten im Monat.
Oder das winzige Detail, dass zumindest nach ukrainischen Aussagen, die
die /WaPo/ anführt, das gelieferte westliche Material oft schadhaft war:
"Deutsche Marder-Schützenpanzer hatten keinen Funk; sie waren nicht mehr
als Eisenschachteln auf Ketten", wird ein weiterer Ukrainer zitiert. Von
amerikanischer Seite erfolgt im Gegenzug der Vorwurf, die Ukrainer wären
nicht fähig, das gute Gerät angemessen zu behandeln. Und, zu guter
Letzt, selbst die Lieferung der von Kiew so begehrten F-16 würde nichts
ändern. Dazu sagte ein höherer US-Offizier: "Wenn man in drei Monaten
eine Staffel F-16-Piloten ausbilden könnte, dann wären sie am ersten Tag
abgeschossen worden, denn die russische Luftabwehr in der Ukraine ist
sehr stark und sehr fähig."
Es lässt sich also in diesem Artikel alles finden, was nötig ist, um
alle Hoffnungen auf einen Sieg nicht nur der Ukraine, sondern auch der
NATO selbst zu beenden. Da führt schlicht kein Weg hin. Aber diese
ganzen Punkte sind in den Artikel eingestreut, während die
Aufmerksamkeit gezielt auf eine ganz andere Geschichte gelenkt wird –
auf die Kommunikation zwischen dem Pentagon und der ukrainischen Armee.
So soll der Chef von EUCOM, General Christopher Cavoli, den ukrainischen
Generalstabschef Saluschny im Sommer wochenlang nicht erreicht haben.
Die Ukrainer hätten den Beginn der Offensive immer weiter
hinausgezögert. Und da wäre ja noch der große Fehler der drei
Angriffskeile, die der ursprünglichen Planung widersprachen.
Es ist diese Geschichte, die beim unaufmerksamen Lesen die anderen
Informationen überlagert, weil hier handelnde Personen
aufeinanderprallen, US-Generalstabschef Mark Milley, Saluschny,
Selenskij, Pentagon-Chef Lloyd Austin... Dass das Drama, in dem diese
Personen aufgestellt werden, auch bei einem völlig anderen Verlauf
nichts an den erwähnten objektiven Gegebenheiten ändern würde, ist eine
Erkenntnis, die man sich bei der Lektüre selbst erarbeiten muss.
Zur Garnierung werden dann noch allerlei Vorurteile und
Propagandabröckchen geliefert, die von der technischen Ebene ablenken.
So wird zwar die Zahl ukrainischer Verluste bis Anfang 2023 mit 130.000
für westliche Medien relativ hoch angesetzt, aber es wird ebenfalls
behauptet, die russischen hätten zur gleichen Zeit 200.000 betragen. Man
habe die russische Bereitschaft unterschätzt, "Leben in einer
Größenordnung zu opfern, die wenige andere Länder billigen könnten",
während die Ukrainer "sich vor katastrophalen Verlusten fürchteten".
Von den Sperrtruppen, die die schlecht motivierten Soldaten an der
Flucht hindern sollen (die, nebenbei, mit Videos belegt sind, allerdings
bei der ukrainischen Armee), bis hin zur menschlichen Flut, die bei
Angriffen die fehlenden Fähigkeiten ersetzen soll, wird fast jedes
Klischee wiederholt, das schon über die sowjetische Armee im Umlauf war.
Ein Musterbeispiel dafür liefert ein Zitat von CIA-Chef William J. Burns:
/"Bei all ihrer Inkompetenz im ersten Kriegsjahr gelang es ihnen [den
Russen], eine chaotische Teilmobilisierung zu starten, um eine Menge
Löcher in der Front zu stopfen. In Saporoschje konnten wir sehen, wie
sie wirklich ziemlich beeindruckende feste Verteidigungen aufbauten,
schwer zu durchbrechen, wirklich teuer, wirklich blutig für die Ukrainer."/
Tatsächlich wurden besagte Verteidigungen nie durchbrochen, auch wenn
die /WaPo/ behauptet, etwa das endlos umkämpfte Dorf Rabotino liege
hinter der ersten dieser Linien. Das Zitat von Burns belegt aber genau
diese eigenartige Mischung aus Verachtung und Unglauben, die den Artikel
prägt.
Bei den Planspielen in Wiesbaden war sogar eine Kapitulation Russlands
als Möglichkeit erwogen worden. "Die Aufklärung während des Winters
hatte gezeigt, dass die russische Verteidigung vergleichsweise schwach
und überwiegend unbesetzt war, und dass die Moral der russischen Truppen
nach ihren Niederlagen in Charkow und Cherson schlecht war. Die
US-Aufklärung schätzte, dass die führenden russischen Offiziere von
trüben Aussichten ausgingen."
Man kann sich natürlich fragen, wie viel dieser Aufklärung von
US-amerikanischer, und wie viel davon von ukrainischer Seite stammte.
Aber an diesen Vorurteilen wird eisern festgehalten. Man hat sie
schließlich nicht umsonst seit 1946 gehegt und gepflegt.
Es ist dieses erbitterte Festhalten am Feindbild, das in der /Washington
Post/ Sätze wie jenen von Mark Milley auftauchen lässt, den er in
Grafenwöhr zu ukrainischen Diversanten gesagt haben soll:
/"Es sollte keinen Russen geben, der sich schlafen legt, ohne sich zu
fragen, ob ihn mitten in der Nacht nicht die Kehle durchgeschnitten wird."/
Dahinter ist die unausgesprochene Erwartung, dass besagte ukrainische
Diversanten auf die bereitwillige Unterstützung der Bevölkerung hoffen
können. Eine Erwartung, die vielleicht in Galizien eine Grundlage hat,
aber nicht in jenen Gebieten, in denen die Kämpfe bisher stattfanden.
Dass aber eine ordentliche, gesetzte Zeitung wie die /WaPo/ (auch wenn
sie enge Beziehungen zur CIA hegt) einen solchen Satz zitiert, als sagte
man so etwas bei einem gepflegten Abendessen, zeigt schon, wie tief
dieses verzerrte Bild der Russen sitzt.
Wäre dem nicht so, wäre der Artikel zu einem wesentlich klareren Fazit
gekommen. So sind es Unglaube und Unverständnis, die eine nüchterne
Betrachtung des Scheiterns in der Ukraine verhindern. Was betrüblich
ist, weil das wiederum wenig dazu beiträgt, die westlichen Regierungen
zu einem auf Tatsachen und nicht Fantasien und Wünschen beruhenden
Handeln zu bewegen.
Dabei gibt es in diesem Artikel einen Satz, der sämtliche
NATO-Kriegsplaner bis in ihre Träume verfolgen sollte. Denn eigentlich
war die Niederlage wesentlich schneller absehbar, der Zeitpunkt, an dem
sich die Planungen als untauglich erwiesen, trat sehr früh ein. "Am
vierten Tag hatte General Saluschny, der oberste Kommandeur der Ukraine,
genug gesehen. Verbrannte westliche Rüstungsgüter – amerikanische
Bradleys, deutsche Leopard-Panzer, Minenräumfahrzeuge – übersäten das
Schlachtfeld. Die Zahl der Toten und Verwundeten untergrub die Moral.
[…] Monate der Planung mit den Vereinigten Staaten wurden an diesem
vierten Tag in den Müll geworfen."
Vier Tage, und ein Angriff, an dessen Vorbereitung die gesamte NATO mit
Informationen, Planung und Material beteiligt war, ist gescheitert. Wie
viele wären noch am Leben, wäre dieser Moment als das wahrgenommen
worden, was er war. Wie viele könnten noch am Leben bleiben, wäre der
Westen imstande, seine Vorurteile beiseite zu legen und auf die
Tatsachen zu reagieren. Aber die Annäherung an diese Wahrheit ist zu
schmerzhaft.
unser weiterer Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.