7. SZ: Krieg in Nahost: Israel will Kämpfe im Gazastreifen ungemindert fortsetzen
https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-gazastreifen-netajahu-hamas-nahost-1.6337342
Krieg in Nahost: Israel will Kämpfe im Gazastreifen ungemindert fortsetzen
23. Januar 2024, 14:40 Uhr
Die Armee erleidet schwere Verluste, und Ministerpräsident Benjamin
Netanjahu gerät stärker unter Druck. Für Berichte über das Angebot einer
zweimonatigen Waffenruhe an die Hamas gibt es jedoch keine Bestätigung.
Von Bernd Dörries, Kairo
Der Montag sei einer der schwersten Tage seit Ausbruch des Krieges
gewesen, sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Dienstag.
Einen Tag zuvor waren im Gazastreifen bei einem einzigen Angriff der
Hamas 21 israelische Soldaten ums Leben gekommen. Nach Angaben der
israelischen Armee hatten die Reservisten in der Mitte des
Gazastreifens den Auftrag, Gebäude zu sprengen, und deshalb Landminen
in einem Haus platziert, das dann von einer Granate der Hamas
getroffen worden sei.
Netanjahu kündigte an, dass die Armee den Vorfall untersuchen werde.
Und fügte hinzu: "Wir werden nicht aufhören zu kämpfen, bis wir den
vollständigen Sieg errungen haben."
Der Ministerpräsident gerät mit seiner kompromisslosen Haltung aber
zunehmend unter Druck. Innenpolitisch werfen ihm die Kritiker vor, zu
wenig für die Freilassung der immer noch 130 Geiseln der Hamas getan
zu haben. Am Montag stürmten Unterstützer und Angehörige der Geiseln
eine Sitzung des israelischen Parlaments. "Schämt euch!", riefen
einige Demonstranten, andere forderten Neuwahlen.
International wächst die Kritik an Netanjahu, dessen Regierung bisher
kein klares Konzept für die Zukunft des Gazastreifens vorgelegt hat
und der seinem erklärten Kriegsziel, der Zerstörung der Hamas, nicht
wirklich nahe gekommen ist - trotz mittlerweile mehr als 25 000
getöteter Palästinenser in Gaza, die meisten von ihnen Frauen und Kinder.
Jetzt berichtete das US-amerikanische Nachrichtenportal Axios von
einem Angebot zum Waffenstillstand der israelischen Seite: Demnach
sollen für zwei Monate die Kämpfe eingestellt werden, Israels Militär
würde sich lediglich aus den Bevölkerungszentren zurückziehen.
Die Palästinenser, die auf Anweisung des israelischen Militärs in den
Süden des Gazastreifens geflohen sind, könnten wieder in den Norden
zurückkehren. Im Gegenzug müsste die Hamas alle Geiseln freilassen.
Der Sender CNN berichtete von einem ähnlichen Angebot, das den
Vermittlern Katar und Ägypten gemacht worden sei.
Israel lehnt eine Feuerpause ab, solange die Hamas nicht alle Geiseln
aus ihrer Gewalt entlassen hat. Israels Regierungssprecher bekräftigte
die Kriegsziele seines Landes: "Die Zerstörung der
Regierungsfähigkeiten und militärischen Fähigkeiten der Hamas im
Gazastreifen und die Rückkehr aller Geiseln."
Israels Außenminister Israel Katz hatte sich am Montag mit seinen
EU-Kollegen in Brüssel getroffen und dort Irritationen und Ärger ausgelöst.
Die EU-Außenminister wollten sich mit ihm eigentlich über die
Notwendigkeit einer Zweistaatenlösung unterhalten, Katz unterbreitete
ihnen aber eine Videopräsentation, in der es um die Möglichkeit der
Schaffung einer künstlichen Insel im Mittelmeer ging, auf der ein
Hafen und - so ein Mitarbeiter von Katz nach Angaben der New York
Times - auch Wohnraum für Palästinenser geschaffen werden könne.
Zur Zweistaatenlösung sagte Katz offenbar nichts Konstruktives.
Ministerpräsident Netanjahu hatte sie zuletzt wiederholt
ausgeschlossen: "Ich werde keine Kompromisse eingehen, wenn es um die
vollständige israelische Sicherheitskontrolle des gesamten Gebiets
westlich des Jordans geht, und das ist unvereinbar mit einem
palästinensischen Staat.“
Die israelische Armee hat eigenen Angaben zufolge Chan Yunis umstellt,
dort leben Hunderttausende Flüchtlinge
Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für Außen- und
Sicherheitspolitik, äußerte sich nach dem Treffen mit Katz enttäuscht
über Israels Weigerung, über eine Zweistaatenlösung zu verhandeln:
"Welche anderen Lösungen haben sie im Sinn? Alle Palästinenser zu
vertreiben? Sie zu töten?“
Unterdessen gehen die Kämpfe vor allem im Süden des Gazastreifens
weiter, wo die israelische Armee nach eigenen Angaben die Stadt Chan
Yunis umstellt hat. In Zelten und einfachen Behausungen leben dort
Hunderttausende Flüchtlinge, die zuvor von Israel aufgefordert worden
waren, sich hier vor den Kämpfen im Norden in Sicherheit zu bringen.
Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerkes UNRWA sind mehr als eine halbe
Million Menschen von akuter Hungersnot bedroht, da immer noch zu wenig
Hilfe nach Gaza komme. Nach Angaben des Palästinensischen Roten
Halbmonds nehmen israelische Truppen das Al-Amal-Krankenhaus in Chan
Yunis unter Beschuss, weshalb die Krankenwagen das Hospital nicht
erreichen könnten.
Etwa 70 Prozent der Gebäude im Gazastreifen sind mittlerweile zerstört
oder beschädigt. Pläne für einen Wiederaufbau nach dem Krieg
existieren nicht.
Saudi-Arabien machte nun deutlich, dass es sich nur dann mit
finanzieller Unterstützung an der Zukunft für den Gazastreifen
beteiligen werde, wenn es einen "glaubwürdigen" Plan für eine
Zweistaatenlösung gibt, so Außenminister Prinz Faisal bin Farhan
al-Saud gegenüber CNN.
Das Königreich und Israel hatten vor dem Terrorangriff der Hamas am 7.
Oktober kurz vor einer Normalisierung der Beziehungen gestanden. Die
sei erst wieder denkbar, wenn es einen Palästinenser-Staat gebe, sagte
der Außenminister.
———
8. The Guardian: Die völlige Verachtung des Westens für das Leben der Palästinenser wird nicht vergessen werden
( mit angebotener deutscher Übesetzung)
https://www.theguardian.com/commentisfree/2024/jan/21/palestinian-lives-gaza-politics-media?CMP=share_btn_link
Die völlige Verachtung des Westens für das Leben der Palästinenser wird nicht vergessen werden
Owen Jones
(…)
Sicherlich würden 10.000 Kinder, die gewaltsame Todesfälle erleiden,
oder die 10 Kinder, die jeden Tag ein oder beide Beine amputiert
(bekommen) haben, oft ohne Betäubung, starke Emotionen wecken.
Sicherlich würden jeden Monat 5.500 schwangere Frauen gebären – viele
mit Kaiserschnitt ohne Betäubung – oder Neugeborene, die an
Unterkühlung und Durchfall sterben, eine unaufhaltsame Abscheu auslösen.
Sicherlich würden Prognosen, dass innerhalb eines Jahres ein aufgrund
der Zerstörung des Gesundheitssystems durch Israel allein sterben
könnte, zu übermächtigen Forderungen nach etwas, irgendetwas, führen,
um diese Obszönität zu beenden.
Sicherlich würden endlose Geschichten von Helfern, Journalisten oder
Sanitätern, die zusammen mit mehreren Verwandten – oder sogar ihrer
ganzen Familie - wegen einer israelischen Rakete abgeschlachtet
werden, schließlich einen überwältigenden Chor in der westlichen
Gesellschaft auslösen: Das ist verwüstet, ein verabscheuungswürdiger
Wahnsinn, er muss aufhören?
Das ist nicht geschehen, und deshalb werden die Folgen schwerwiegend sein.
Die Abwertung des palästinensischen Lebens ist keine Vermutung, es ist
eine statistische Tatsache. Laut einer neuen Studie über die
Berichterstattung in großen US-Zeitungen werden Israelis für jeden
israelischen Tod achtmal erwähnt - oder mit einer Rate, die 16-mal
mehr pro Tod ist als die der Palästinenser.
Eine Analyse der BBC-Berichterstattung durch die Datenspezialisten
Dana Najjar und Jan Lietava fand eine ähnlich verheerende Diskrepanz,
und dass humanisierende Begriffe wie "Mutter" oder „Ehemann“ viel
seltener verwendet wurden, um Palästinenser zu beschreiben, während
emotionale Begriffe wie „Massaker“ oder "Schlachten" fast immer nur
auf die israelischen Opfer angewendet wurden. All dies wird
tiefgreifende Auswirkungen haben. (…)
(…) wir haben gesehen, wie die Weigerung, Palästinenser als Menschen
zu behandeln, den heutigen Albtraum unvermeidlich gemacht hat. Wir
können sehen, wie die moralischen Behauptungen, die verwendet wurden,
um die westliche globale Dominanz zu rechtfertigen, dauerhaft zerfetzt werden.
Aber es wurde wenig darüber nachgedacht, wie politische und mediale
Eliten in westlichen Nationen ihre moralische Autorität abgefackelt
haben, so dass sie neben Tausenden von nicht identifizierten
palästinensischen Leichen, die unter den Trümmern begraben wurden,
eitern ließ. Ein Wendepunkt, um sicher zu sein, mit Konsequenzen, die
nur verstanden werden, wenn es viel zu spät ist.
Owen Jones ist Kolumnist des Guardian
----
siehe auch: Ronen Steinke:
https://www.juedische-allgemeine.de/politik/zivilisten-sind-zivilisten-auch-in-gaza/?utm_source=pocket-newtab-de-de
Eine Erwiderung von Ronen Steinke auf Tobias Huchs Kommentar »Die Zivilisten in Gaza sind nicht unschuldig«
——
9. Deutschland und der Krieg in Nahost
https://qantara.de/artikel/deutschland-und-der-krieg-nahost-arabische-kritik-der-doppelmoral
Deutschland und der Krieg in Nahost
18.01.2024
Arabische Kritik an der deutschen Doppelmoral
https://qantara.de/artikel/deutschland-und-der-krieg-nahost-arabische-kritik-der-doppelmoral
Für die arabische Welt war Deutschland ein Vorbild. Das hat sich
geändert, seit die israelische Armee im Krieg gegen die Hamas Tausende
Zivilisten getötet hat – und von deutschen Politikern kaum Protest zu hören ist.
Essay von Amro Ali
Zwischen Deutschland und der arabischen Welt gab es schon immer einen
seltsamen, unausgesprochenen Pakt. Die Araber empörten sich weniger
über die deutsche Unterstützung für Israel als über jene der USA und
Großbritanniens. Das lag auch an der verbreiteten Ansicht, dass
Deutschland wegen seiner historischen Schuld gar nicht anders könne.
Arabische Regierungen und ihre Öffentlichkeiten waren Deutschland eher
freundlich gesinnt. Deutschland konnte sich darauf berufen, dass es
nie arabische Länder kolonisiert hatte. Deutschlands dunkle
Vergangenheit ging an der arabischen Welt vorbei, mit Ausnahme der
Invasion in Nordafrika im Zweiten Weltkrieg. Und wenn man mit
Westdeutschland unzufrieden war, gab es immer noch die DDR.
Man konnte das Deutschland seiner Wahl mögen.
(…)
Das Szenario einer zweiten »Nakba« ist real
Die Palästinenser sterben zu Tausenden, und das Szenario der
Zerstörung des gesamten Gazastreifens mit einer erzwungenen
Massenvertreibung, einer zweiten »Nakba«, ist sehr real. Namhafte
Experten sind alarmiert, manche sprechen von einem Völkermord.
Währenddessen kümmert sich die deutsche Politik um diskursive
Triggerpunkte, zensiert »Free Palestine« und lässt die Palästinenser
bis heute den Preis für Europas blutige Vergangenheit zahlen, indem
sie Israel mit Verweis auf die eigene historische Schuld alles
durchgehen lässt.
In diesem Monat hat Deutschland die Mittel für ein Programm zur
Bekämpfung des Menschenhandels beim Zentrum für Rechtshilfe für
ägyptische Frauen gestrichen, weil die Leiterin Azza Soliman Israels
Krieg im Gazastreifen ablehnt. Soliman war 2020 mit dem
Deutsch-Französischen Preis für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit
ausgezeichnet worden.
Hossam Bahgat, Leiter der ägyptischen Menschenrechtsorganisation EIPR,
will die Zusammenarbeit bei Projekten mit der deutschen Regierung
beenden, weil »Berlins Position bezüglich des Krieges große Zweifel an
dem Raum gemeinsamer Werte zwischen Deutschland und
Menschenrechtsaktivisten, Feministinnen und unabhängigen Medien in
Ägypten aufkommen lässt«.
In der ganzen arabischen Welt verliert Deutschland gerade Verbündete,
die sich bisher als Teil einer Wertegemeinschaft verstanden, die den
Menschenrechten verpflichtet ist.
Es war schon lange klar, dass die liberale Ordnung und das Völkerrecht
oft mit zweierlei Maß messen. In den ersten Tagen von Putins Einmarsch
in die Ukraine war es ein Leichtes, eine Analogie zum besetzten
Palästina herzustellen. Aber man erntete darauf nur schweigende
Blicke, ein Schweigen, das Bände sprach.
Ein Fall von Doppelstandards
Die Doppelmoral ist unerträglich: In einem Fall befürwortet man die
Entsendung von Waffen für den Widerstand gegen eine illegale
Besatzung, während man im anderen Fall eine Besatzungsmacht, die
fortlaufend illegal palästinensisches Land an sich reißt, militärisch,
wirtschaftlich und moralisch unterstützt. Bestenfalls erinnert man
Israel ab und zu, aber ohne jede Konsequenz, an die Einhaltung des
Völkerrechts.
Wenn es um die israelische Besatzung geht, gilt in Deutschland oft
eine alternative Realität, die einem den Verstand raubt.
Jetzt ist angesichts der westlichen Unterstützung für offenkundige
israelische Kriegsverbrechen im Gazastreifen der letzte Anschein von
Universalität zerbrochen. Die Autokraten haben sich Notizen gemacht
und sind bereit, die aktuellen Ereignisse künftig als Vorwand zu nutzen.
Die westliche Reaktion auf den israelischen Krieg im Gazastreifen ist
ein unverdientes Geschenk für den russischen Machthaber Wladimir
Putin, auch im Globalen Süden wird so bald niemand mehr hinhören, wenn
westliche Politiker auf das Völkerrecht pochen. (…)
»Shar« ist das arabische Wort für das Böse im islamischen Glauben,
aber eigentlich bedeutet es »unzureichend, unvollständig«. Der vollen
Verantwortung eines Menschen nicht gerecht zu werden, bedeutet,
weniger als vollständig zu sein.
Mitgefühl und Barmherzigkeit sind solche verantwortungsvollen
Eigenschaften, deren Fehlen das Versagen der Menschen widerspiegeln,
als Menschen zu handeln. Die Formel sollte einfach sein:
Palästinensisches Leben ist genauso heilig wie jüdisches Leben,
jüdisches Leben ist genauso heilig wie palästinensisches Leben.
Daran zu glauben, es auszusprechen und danach zu handeln, sollte nicht
allzu schwer sein.
Der Beitrag ist zuerst am 1. Januar 2024 bei Spiegel Online erschienen.
Amro Ali ist ein ägyptisch-australischer Soziologe und Autor. Er hat
an der University of Sydney seine Doktorarbeit geschrieben.
Seine Spezialgebiete sind unter anderem die arabische Öffentlichkeit,
mediterrane und globale Studien, soziologische Philosophie und
politische Philosophie.
2021 ist sein viertes Buch »The Arab State« erschienen. Er lebt in
Alexandria, Casablanca und Berlin.
—
10. DLF: Historiker Zimmermann „Netanjahu will den Krieg weiterführen“
https://www.deutschlandfunk.de/bald-neuer-geisel-deal-in-nahost-interview-moshe-zimmermann-historiker-dlf-2f2b6db0-100.html
Historiker Zimmermann
„Netanjahu will den Krieg weiterführen“
Netanjahus Feuerpause als Angebot für den Frieden sei nur Verzögerungstaktik,
sagt der israelische Historiker Moshe Zimmermann.
Er wolle weder Geiseln freibekommen noch auf die Hamas-Forderungen eingehen,
weil er den Krieg dann beenden müsse.
Müller, Dirk | 23. Januar 2024, 12:15 Uhr
(…)
—
11. Irlands Außenminister zu Gaza: „Ich sehe das nicht als Selbstverteidigung an“
https://zeitung.faz.net/faz/politik/2024-01-22/97fab8d8629215527757b71af7d891e9/?GEPC=s5
Irlands Außenminister zu Gaza
„Ich sehe das nicht als Selbstverteidigung an“
22. Januar 2024
Irlands Außen- und Verteidigungsminister Micheál Martin kritisiert Israels Vorgehen in Gaza.
Im Gespräch fordert er einen Waffenstillstand.
Herr Minister, Sie haben Außenministerin Annalena Baerbock getroffen,
die gerade wieder im Nahen Osten war, auch um die deutsche
Unterstützung für das Selbstverteidigungsrecht Israels zu bekräftigen.
In Berlin merkt man, dass man immer einsamer wird mit dieser Position
in der Welt. Sehen Sie das auch so?
Ich habe selbst den Nahen Osten besucht, vor den Gräueltaten der Hamas
und nach den Gräueltaten der Hamas. Wir verstehen die historische
Position Deutschlands gegenüber Israel in Bezug auf die Geschichte und
die Schoa.
Aber wir sind uns auch im Klaren, dass wir bei diesem Konflikt
unterschiedliche Ansichten haben. Es ist wichtig, dass wir die
schreckliche Natur der Gräueltaten betonen, und das tun wir auch, ich
habe auch einen betroffenen Kibbuz besucht.
Wir sind jedoch der Meinung, dass wir eine sofortige Einstellung der
Feindseligkeiten und einen humanitären Waffenstillstand brauchen. Man
kann Gaza nicht bombardieren, ohne unschuldige Zivilisten zu töten,
unschuldige Kinder. Es ist ein dicht besiedeltes Gebiet.
Ich akzeptiere Israels Recht, gegen die Hamas vorzugehen. Aber ich bin
nicht der Meinung, dass die Zivilbevölkerung von Gaza kollektiv
bestraft werden sollte.
Das klingt nach: Wir erkennen das Selbstverteidigungsrecht Israels an,
aber kritisieren es, wenn Israel es auch nutzt.
Nein, das ist es nicht. Aber eine offensive, aggressive Bombenkampagne
gegen Gaza sehe ich nicht als Selbstverteidigung an. Ich bin der
Meinung, dass Israel das Recht hat, die Hamas zu verfolgen angesichts
des Angriffs am 7. Oktober und des anhaltenden Raketenbeschusses.
Aber ich denke, wie sie es tun, ist völlig kontraproduktiv. Es ist falsch,
wenn man die Zahl der Zivilisten betrachtet, die dabei getötet wurden. (…)
——
siehe dazu auch:
https://www.ipg-journal.de/regionen/naher-osten/artikel/genozid-in-gaza-7258/?utm_campaign=de_40_20240119&utm_medium=email&utm_source=newsletter
Naher Osten/Nordafrika
19.01.2024
Kai Ambos
Genozid in Gaza?
Südafrika verklagt Israel vor dem Internationalen Gerichtshof.
Ist Israels Kampfführung legitim und wie schwer wiegt der Vorwurf des Völkermords?
------
Dass der Nahost-Krieg bereits entgrenzt ist, zeigen u.a. die beiden folgenden Meldungen:
12. SZ: Iran wirft Israel Tötung von Revolutionsgardisten in Syrien vor
https://www.sueddeutsche.de/politik/iran-wirft-israel-toetung-von-revolutionsgardisten-in-syrien-vor-1.6336036
20. Januar 2024, 13:44
Iran wirft Israel Tötung von Revolutionsgardisten in Syrien vor
(…)
Ein mehrstöckiges Gebäude in Damascus sei durch israelische
Raketenangriffe dem Erdboden gleichgemacht worden. Es habe sich um
Militärberater gehandelt, hieß es in einer vom iranischen
Staatsfernsehen am Samstag verbreiteten Mitteilung.
(…)
----
13. SZ: Nahostkonflikt: US-Militär reagiert mit Gegenschlag auf Angriff im Irak
https://www.sueddeutsche.de/politik/irak-gegenschlag-usa-pro-iranische-miliz-kataib-hisbollah-1.6337694?intsrc=taboola&intmdm=feed_below_article
Eine Erwiderung von Ronen Steinke auf Tobias Huchs Kommentar »Die Zivilisten in Gaza sind nicht unschuldig«
von Ronen Steinke <https://www.juedische-allgemeine.de/autor/ronen-steinke/> 21.01.2024 10:14 Uhr
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<mailto:?Subject=Zivilisten%20sind%20Zivilisten%2C%20auch%20in%20Gaza&body=Hallo,%20ich%20habe%20gerade%20diesen%20interessanten%20Beitrag%20auf%20www.juedische-allgemeine.de%20gelesen:%0D%0Dhttps%3A%2F%2Fwww.juedische-allgemeine.de%2F%3Fp%3D2424525%0D%0DBeste%20Gr%C3%BC%C3%9Fe%0D>
Wie die Jüdische Allgemeine dazu kommt, eine derart menschenverachtende Polemik ins Blatt zu heben, wie es in der vergangenen Woche geschehen ist, stellt mich vor ein Rätsel. »Die Zivilisten in Gaza sind nicht unschuldig« <https://www.juedische-allgemeine.de/meinung/zivilisten-in-gaza-sind-nicht-unschuldig/>, stand hier als Überschrift über einem Kommentar des ehemaligen Unternehmers Tobias Huch. Denn: Zivilisten aus Gaza hätten schließlich den Hamas-Terror bejubelt. Zivilisten aus Gaza hätten auch in den Kibbuzim gearbeitet, diese ausspioniert »und ihnen so den Tod gebracht«.
Und weiter: »Wenn es so etwas wie kollektive Verantwortung für Verbrechen gibt, dann trifft dies auf Gazas Bevölkerung zu« – mit der unausgesprochenen Konsequenz, dass diese ganze Bevölkerung von mehr als zwei Millionen Menschen im Krieg ein legitimes Ziel sei.
Das ist grotesk. Erstens: Die Bewohner des Gazastreifens sind heute zur Hälfte Minderjährige. Sie waren noch nicht einmal geboren, als die Hamas hier ihre Wahl gewann. Sie haben sich nicht ausgesucht, an diesem von allen guten Geistern verlassenen Ort geboren zu werden. Jetzt machen sie die Hälfte unter den Getöteten aus, in den von Israels Armee bombardierten Wohngebäuden wie auch etwa in den Krankenhäusern. Welche »Schuld« trifft sie?
Zweitens: Auch die Erwachsenen in Gaza haben seit der Wahl im Jahr 2006 nicht mehr frei entscheiden können, ob sie den höllischen Weg der Hamas, die diktatorisch regiert, weiter mitgehen wollen. Auswandern war, nun ja, keine Option.
Drittens: Wenn der Kommentator schreibt: »Laut einer Umfrage unterstützten rund zwei Drittel der Gaza-Bewohner die Verbrechen am 7. Oktober«, dann ist das nicht nur unseriös, sondern hanebüchen. Unabhängige, wissenschaftlich valide Demoskopie existiert nicht in diesem Flecken der Erde, der beherrscht wird von einer Gangsterbande, die ihre Gegner vor den Augen der Öffentlichkeit ermordet, indem sie sie von hohen Gebäuden hinabwirft. Viel mehr spricht dafür, dass auch unter den Zivilisten in Gaza viele den Tag verfluchen, an dem die Hamas einen weiteren Krieg mit Israel vom Zaun gebrochen hat. Für Jugendliche, die 2024 volljährig werden, ist dies übrigens schon der fünfte.
Sind das einfach alles pauschal Terror-Komplizen? Absurd. Die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten ist im Krieg elementar. Kombattanten haben sich ausgesucht, dass sie am Krieg teilnehmen wollen. Zivilisten haben das nicht. Für die Unterscheidung kommt es auf das individuelle Verhalten an. Wer sich individuell dafür entscheidet, an einem kriegerischen Überfall auf Kibbuzim teilzunehmen, der trägt die Konsequenzen – er ist dann nach allen geltenden völkerrechtlichen Regeln kein Zivilist mehr, und er darf sich nicht wundern, wenn er vom gegnerischen Militär als Kombattant behandelt wird. Aber für die große Masse der Unbeteiligten gilt das nicht – und ihr Tod ist, selbst wenn er in einzelnen Fällen unvermeidbar sein mag, zu beklagen.
Das ist kein tumbes »Schwarz-Weiß-Denken«, wie in dem Kommentar von Tobias Huch zu lesen war. Sondern das ist Zivilisation. Wie viel Lust an Provokation und wie wenig Neigung zu ernsthaftem Nachdenken muss man haben, um diesen Unterschied einfach wegzuwischen.
Der Autor ist rechtspolitischer Korrespondent bei der »Süddeutschen Zeitung«.
Nahostkonflikt:
US-Militär reagiert mit Gegenschlag auf Angriff im Irak
24. Januar 2024, 7:09 Uhr
Das US-Militär hat im Irak mit einem Gegenschlag auf einen Angriff
proiranischer Milizen reagiert. Es seien drei Einrichtungen aus der
Luft angegriffen worden, die von der Miliz Kataib Hisbollah und
anderen mit Iran verbundenen Gruppen im Irak genutzt würden, teilte
das zuständige Regionalkommando des US-Militärs auf der Plattform X
mit.
Kämpfer hatten vor wenigen Tagen mehrere Raketen auf den Stützpunkt
Ain al-Assad im Westen des Landes abgefeuert.
Ziel des Gegenschlags seien ein Hauptquartier der Miliz sowie Lager-
und Ausbildungsstätten für Raketen, Flugkörper und Angriffsdrohnen
gewesen, hieß es weiter.
Wegen des Gaza-Kriegs, der mit dem Überfall der islamistischen Hamas
auf Israel am 7. Oktober begonnen hatte, ist die Sicherheitslage in
der gesamten Region angespannt. (…)
——
14. IPPNW: Diplomatischer Einsatz für sofortigen Waffenstillstand und Geiselfreilassung statt Waffenlieferungen an Israel
https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/diplomatischer-einsatz-fuer-sofortige.html
18.01.2024
Diplomatischer Einsatz für sofortigen Waffenstillstand und
Geiselfreilassung statt Waffenlieferungen an Israel
Bundesregierung will Panzermunition an Israel liefern
Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW fordert die Bundesregierung
auf, keine weiteren Waffen an Israel zu liefern und sich stattdessen
für einen sofortigen Waffenstillstand auf beiden Seiten und eine
Freilassung der Geiseln einzusetzen. Laut einem Bericht des „Spiegel“
haben sich die beteiligten Ressorts geeinigt, Panzermunition an Israel
zu liefern – trotz der horrenden Opferzahl auf palästinensischer Seite.
Die Ärzt*innenorganisation begrüßt, dass der Internationale
Gerichtshof die Völkermordklage Südafrikas untersucht, und hofft, dass
seine anstehende Entscheidung zur Beendigung des katastrophalen
Krieges im Nahen Osten beiträgt.
Als Vertragspartei des Arms Trade Treaty (ATT) ist Deutschland
verpflichtet, keine Transfers konventioneller Waffen zu genehmigen,
wenn die Möglichkeit besteht, dass Waffen z.B. zur Begehung von
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Angriffe auf zivile Objekte oder
Zivilpersonen oder andere Kriegsverbrechen verwendet werden könnten.
Die IPPNW ist erschüttert, dass die Bundesregierung ausgerechnet zum
120. Jahrestag des deutschen Völkermordes an den Herero und Nama im
heutigen Namibia die Klage Südafrikas vor dem IGH als unbegründet
bezeichnete und angekündigt hat, sich in dem Verfahren als Drittpartei
an die Seite Israels zu stellen, ohne die vorgebrachten Argumente
ernsthaft zu prüfen.
Erst 2021 erkannte die Bundesregierung den
Völkermord an den Herero und Nama (1904-1908) an, wenngleich das
vereinbarte Aussöhnungsabkommen bis heute nicht zustande gekommen ist.
Namibias Präsident Hage Geingob warf Deutschland in einer Stellungnahme
vor, keine Lehren aus seiner eigenen Geschichte gezogen zu haben.
Ein Ergebnis des Gerichtsverfahrens vor dem IGH könnte die Anordnung
eines sofortigen Stopps des israelischen Angriffs sein, bis die Klage
geprüft ist - und damit möglicherweise ein Ende des unerträglichen
Leids und der humanitären Katastrophe im Gazastreifen.
Die Bundesregierung hat die Gesamtheit der Völkerrechtsverbrechen in
ihre Rechtsprechung aufgenommen und ebenso das Römische Statut des
Internationalen Strafgerichtshof anerkannt. Als Vertragsstaat hat sie
sich verpflichtet, Völkermord und auch andere Kriegsverbrechen zu
verhindern. Nun werfen UN-Menschenrechtsexpert*innen Israel vor,
Hunger als Kriegswaffe gegenüber der palästinensischen Bevölkerung
einzusetzen.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza wurden seit dem 7.
Oktober 2023 knapp 23.000 Palästinenser*innen getötet und weitere mehr
als 58.000 verletzt - davon schätzungsweise 70 % Frauen und Kinder.
Die Gesamtzahl der Todesopfer in Israel beläuft sich auf etwa 1.200 -
darunter 36 Kinder.
Noch immer sind 136 israelische Geiseln in Haft. Sie sollen jetzt nach
der von Katar verhandelten Übereinkunft zwischen Israel und der Hamas
wenigstens Medikamente erhalten. Im Gegenzug erhält die
Zivilbevölkerung in Gaza weitere Hilfslieferungen.
„Wir appellieren an die Bundesregierung keine weiteren Waffen an
Israel zu liefern und ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen
nachzukommen.
Sie muss nun alles in ihrer Macht Stehende tun, um auf
beide Konfliktseiten einzuwirken, damit Verstöße gegen das humanitäre
Völkerrecht unterbleiben, die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen
gestoppt, die israelischen Geiseln befreit werden und der
Verhandlungsprozess für eine politische Lösung des Konflikts mit allen
beteiligten Konfliktparteien eingeleitet werden kann“, sagt die
IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen.
—
15. Medico International: Gaza-Krieg - Nie wieder, für alle!
https://www.medico.de/nie-wieder-fuer-alle-19348
Gaza-Krieg
Nie wieder, für alle!
Für die Bundesregierung gilt das Völkerrecht offenbar nur noch dann,
wenn es eigenen Interessen dienlich ist.
Mehr als 100 Tage nach den Angriffen der Hamas und dem Beginn der
israelischen Bombardierung von Gaza hat sich die deutsche
Öffentlichkeit offenbar an den nächsten Krieg, an das nächste Grauen
gewöhnt. Doch die Macht der Gewohnheit ändert nichts an Tatsachen, die
kaum noch bestritten werden können:
Die deutsche Bundesregierung, wie der Westen insgesamt, beteiligen
sich durch politische Rückendeckung, Waffenlieferungen und die
Blockade völkerrechtlicher Mechanismen an schwerwiegenden Völker- und
Menschenrechtsverbrechen der israelischen Armee in Gaza.
Sie machen sich seit über drei Monaten in mehrfacher Hinsicht
mitschuldig. Die Rückseite der öffentlich eingeübten militärischen
Solidarität mit Israels Regierung ist das Totalversagen deutscher
Außenpolitik.
(…)
Dennoch: Ein Hoffnungsschimmer
Der Auftritt Südafrikas vor dem internationalen Gerichtshof hat jedoch
auch ohne Unterstützung Deutschlands gezeigt, dass es eine Alternative
gibt. Das ist und bleibt die Kraft des Völker- und Menschenrechts.
Dafür wurden nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und des
Holocausts Institutionen wie der Internationale Gerichtshof und später
der Internationale Strafgerichtshof geschaffen.
Sie können mit dem Weltrecht im Rücken ein Ende des Grauens verlangen
und Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen. Und zwar für alle, denen
das Grauen angetan wird und wurde, auf beiden Seiten der Grenze. Die
Region wird nur eine Zukunft haben, wenn die Straflosigkeit beendet
und Gerechtigkeit hergestellt wird.
Das zur deutschen Staatsräson erklärte Bekenntnis der politischen
Elite zum herrschenden israelischen Sicherheitsverständnis hingegen,
das seit jeher auf das Recht des Stärkeren setzt, enthüllt sich als
das, was es ist: eine Politik des Zwangs, die keine andere politische,
juristische, philosophische oder historische Position zulässt.
Von Demokratie ist in dieser Hinsicht nur noch schwer zu reden. Erst
recht nicht von Politik, wenn man sie im unbedingten Sinne Hannah
Arendts als Entscheidung des kollektiven freien Willens begreift.
Die Gleichgültigkeit der deutschen Politik gegenüber dem Geschehen in
Gaza, in dessen Windschatten zusätzlich das Projekt zur weiteren
israelischen Besiedlung radikal vorangetrieben wird, macht die
Bundesregierung zu einem unglaubwürdigen Akteur in der Region.
Niemals wirkte der appellhafte Rückgriff auf die Zwei-Staaten-Lösung
so leer wie jetzt. Hinter all den Floskeln bleibt die Absicht kaum
verborgen, das ohnmächtige Publikum an Verbrechen zu gewöhnen, die zum
Bestandsschutz Deutschlands und des Westens nötig scheinen.
medico international am 18. Januar 2024
———
16. RND: Friedenspläne für Gaza und Israel: Was EU und arabische Länder planen
https://www.rnd.de/politik/friedensplaene-fuer-gaza-und-israel-was-eu-und-arabische-laender-planen-I36ZWV4FGJBLZMLXYCRDXQFKAI.html
EU-Außenministertreffen in Brüssel
Friedenspläne für Gaza und Israel: Was EU und arabische Länder planen
Die Außenminister Europas treiben einen Zwölfpunkteplan für Frieden in
Gaza und Israel voran. Doch Kritiker monieren, dass entscheidende
Punkte fehlen: Wie sollen etwa die angekündigten Sicherheitsgarantien
für Israel aussehen, wenn schon der Iron Dome nicht ausreicht?
Sven Christian Schulz
23.01.2024, 17:36 Uhr
Brüssel. Nach den Beratungen der EU-Außenministerinnen und
-Außenminister am Montag in Brüssel über die Lage im Nahen Osten ist
in den europäischen Hauptstädten eine Debatte über den vorgelegten
Zwölfpunkteplan für Frieden in Gaza und Israel entbrannt.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte in dem Papier eine
„vorbereitende“ Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung
vorgeschlagen, die den Grundstein für endgültige Verhandlungen über
eine Zwei-Staaten-Lösung legen soll.
Ziel sei es, dass beide Parteien „in Frieden und Sicherheit Seite an
Seite leben“ könnten. Israel verspricht der Friedensplan „robuste
Sicherheitsgarantien“, den Palästinensern einen „eigenständigen“
Staat. Innerhalb eines Jahres sollen die Schritte zu einem
Friedensabkommen abgeschlossen sein.
Unmöglich, mit Israelis und Palästinensern an einem Tisch zu verhandeln
An der Friedenskonferenz sollen neben der EU auch die USA, Ägypten,
Jordanien, Saudi-Arabien, die Arabische Liga und die Vereinten
Nationen teilnehmen. Sie sollen den Druck auf Israel und die
Palästinenser erhöhen, um sie zu Verhandlungen zu bewegen.
Gleichzeitig räumt der Zwölfpunkteplan ein, dass es unmöglich sei, mit
Israelis und Palästinensern an einem Tisch zu verhandeln. Daher
sollten die Treffen getrennt, aber zeitgleich stattfinden.
Die Teilnahme Israels an einer solchen Friedenskonferenz war zuletzt
immer unwahrscheinlicher geworden, nachdem Regierungschef Benjamin
Netanjahu am Wochenende der Zwei-Staaten-Lösung und damit einem
Kernelement des Plans eine klare Absage erteilt hatte.
Laut Borrell würde die Friedenskonferenz aber auch dann stattfinden,
wenn Israelis oder Palästinenser ihre Teilnahme verweigerten.
Beide Seiten würden dann in jeder Phase der Gespräche konsultiert,
müssten sich aber am Ende auf eine abschließende Friedenserklärung einigen.
Arabische Staaten arbeiten an einem eigenen Plan
Der spanische Außenminister José Manuel Albares sagte am Dienstag,
dass mittlerweile 88 Staaten die Idee einer Friedenskonferenz
unterstützten. Die Chancen, dass die Europäische Union eine solche
Konferenz ausrichtet, stehen nicht schlecht.
Einige EU-Staaten haben mehr Sympathien für Israel, andere mehr für
die Palästinenser – die EU könnte also glaubwürdig vermitteln. Das
Papier sieht auch wirtschaftliche Hilfen für den völlig zerstörten
Gazastreifen vor, um den Friedensprozess zu stabilisieren und die
Zusammenarbeit zu vertiefen.
Bislang handelt es sich nur um einen ersten Entwurf, der jedoch in
Europa große Beachtung findet. Kritikerinnen und Kritiker verweisen
auf entscheidende Details, die das Papier auslässt.
Wie sollen zum Beispiel die Sicherheitsgarantien für Israel aussehen,
wenn schon der Iron Dome – das israelische Abwehrsystem gegen
Raketenbeschuss aus Gaza – am 7. Oktober nicht ausreichte? Auch eine
Friedenskonferenz über die Köpfe Israels und Palästinas hinweg ist für
viele EU-Staaten nicht vorstellbar.
Außerdem braucht der Plan die Unterstützung der arabischen Staaten und
der USA. Sie können den größten Druck auf Israel ausüben, sollte die
israelische Regierung der ausgehandelten Lösung am Ende nicht zustimmen.
Ob sich die arabischen Staaten tatsächlich dem europäischen
Friedensplan anschließen und ihn gemeinsam auf einer Konferenz in
Europa vorantreiben, ist offen. Denn sie arbeiten bereits an einem
eigenen Plan, der aber wesentliche Elemente wie die
Zwei-Staaten-Lösung beinhalten soll.
Die arabischen Staaten verlieren zusehends die Geduld und wollen ein
schnelles Ende der Kämpfe, sagen Diplomaten. Der von Katar, Ägypten
und Saudi-Arabien ausgearbeitete Plan sieht vier Phasen über einen
Zeitraum von drei Monaten vor. Nach und nach sollen Geiseln, gefangene
Soldaten und inhaftierte Palästinenser freigelassen werden, bevor im
letzten Schritt eine Normalisierung der Beziehungen angestrebt wird.
Die USA unterstützen den arabischen Friedensplan. Er soll in den
nächsten Wochen vorgelegt werden.
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