11.12.2023

Sachs: "Abertausende Zivilisten sterben durch US-Bomben in Gaza"

    meinungsfreiheit.rtde.life, 11 Dez. 2023 17:17 Uhr

    Im Gespräch mit dem früheren Fox-News-Moderator Andrew Napolitano äußert sich der renommierte US-Ökonom Jeffrey Sachs zu Israels anhaltenden Vergeltungsschlägen im Gazastreifen. Die israelische Regierung führe dort unter Komplizenschaft der USA eine ethnische Säuberung durch.


    Quelle: RT


    "Bei uns in den USA stellen unsere Politiker jeden Tag ihre Unterstützung für Israel zur Schau. Das ist alles. Sie verlieren kein Wort darüber, dass Tausende und Abertausende unschuldiger Menschen durch US-Bomben getötet werden. Aber das ist eine direkte Komplizenschaft der USA. Es ist eine rechtliche Komplizenschaft. Es ist eine moralische Mitschuld. Es ist eine geopolitische Katastrophe für die USA", so Sachs.


    Mehr zum Thema - Seltener Schritt: Guterres ruft wegen Gaza-Konflikt "Globale Sicherheitsbedrohung" aus


    Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Info: https://meinungsfreiheit.rtde.life/kurzclips/video/189574-sachs-abertausende-zivilisten-sterben-durch


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

11.12.2023

Guterres: Zahl der zivilen Opfer im Gazastreifen in so kurzer Zeit beispiellos

meinungsfreiheit.rtde.life, 11 Dez. 2023 15:53 Uhr

Phillipe Lazzarini vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) bezeichnete die Situation im Gazastreifen als "katastrophal", als er auf dem Doha-Forum 2023 sprach. UN-Generalsekretär António Guterres stellte seinerseits fest, dass die Zahl der zivilen Opfer im Gazastreifen in so kurzer Zeit "völlig beispiellos" sei.


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Quelle: RT


Katars Außen- und Premierminister Mohammed bin Abdulrahman bin Jassim Al-Thani erklärte, dass die israelische Militäraktion zur Freilassung der Geiseln "nachweislich gescheitert" sei. Er bekräftigte, dass Katar seine Bemühungen fortsetzen werde, um den Konflikt gemeinsam mit seinen Partnern zu beenden. "Wir werden nicht aufgeben", schloss er seine Rede. Der stellvertretende jordanische Ministerpräsident und Außenminister Ayman Al-Safadi sagte, dass der Konflikt noch mehr Hass in die Region bringen werde.


Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Info: https://meinungsfreiheit.rtde.life/international/video/189562-guterres-zahl-zivilen-opfer-im-gazastreifen-in-so-kurzer-zeit-beispiellos


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

11.12.2023

Baerbocks Feuerwerk an Desinformation

aus e-mail von doris Pumphrey, 11. Dezember 2023, 18:31 Uhr


(...) /"Etliche Male sollte das Sterben an der Front durch

Waffenstillstände gestoppt werden. Deutschland war an diesen

Verhandlungen sieben Jahre lang über den damaligen Minsk-Prozess als

Vermittler beteiligt. Doch statt um Frieden ging es Russland um die

Vorbereitung eines brutalen Angriffskrieges", verdreht Baerbock die

Abläufe. (...) /


RT 11.12. 2023

*Feuerwerk an Desinformation:

Warum Baerbock weiter gegen Frieden in der Ukraine ist

*/Von Gert Ewen Ungar


/In einem Gastbeitrag für die "FAZ" lehnt Außenministerin Annalena

Baerbock ein "Einfrieren" des Ukraine-Konflikts ab und plädiert für eine

Fortsetzung der Kampfhandlungen. Sie begründet ihre harte Haltung mit

einem Feuerwerk aus Desinformation und Fakes. Sie täuscht in voller Absicht.


Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) hat sich in

einem Gastbeitrag

<https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/baerbock-gegen-putins-weltordnung-der-gewalt-19374864.html

in der /FAZ/ zum Ukraine-Konflikt geäußert. Der Beitrag ist ein

Zeitdokument, anhand dessen man die Politik Baerbocks und der

Bundesrepublik nicht nur einordnen, sondern auch über sie richten wird.


Baerbock täuscht die deutsche Öffentlichkeit absichtlich. Der Beitrag

ist mit "Gegen Putins Weltordnung der Gewalt" überschrieben und ein

Feuerwerk aus Desinformation und bewusster Täuschung. Baerbock zeigt

darin, dass sie bereit ist, alle historisch gemachten Fehler

Deutschlands zu wiederholen. Baerbock setzt auf die weitere Verlängerung

des Kriegs. Baerbock schreibt:


/"Russland – ein Land, das durch seinen ständigen Sitz im

UN-Sicherheitsrat einen besonderen Beitrag zum Frieden in der Welt

leisten sollte – kämpft in der Ukraine auch für eine 'neue Weltordnung',

das betont Putin in seinen Reden immer wieder." /Das ist richtig, das

was Baerbock dann anschließt, ist schlicht gelogen. Baerbock behauptet:

/"Eine Weltordnung der imperialen Gewalt. Eine Weltordnung, in der

internationales Recht nichts, die Macht des Stärkeren dagegen alles und

die Bereitschaft zum eklatanten Regelbruch ein strategischer Vorteil ist."/


Wenn sie den ersten Teil der Aussagen von Wladimir Putin zur Kenntnis

genommen hat, dann wird sie den zweiten Teil auch kennen. Nicht nur für

den russischen Präsidenten ist die Demokratisierung der internationalen

Beziehungen auf der Basis der Charta der Vereinten Nationen ein

Anliegen. Russland strebt gemeinsam mit China, Brasilien und zahlreichen

anderen Ländern des Globalen Südens die Wiederherstellung der Geltung

des Völkerrechts an. Das wurde durch die "regelbasierte Ordnung"

ausgehöhlt, auf deren Einhaltung der Westen besteht.


Die regelbasierte Ordnung ist nicht kodifiziert und auch völkerrechtlich

nicht legitimiert. Die regelbasierte Ordnung steht für das Recht des

politisch Mächtigeren und Stärkeren. Der Westen macht die Regeln, an die

er sich selbst nicht hält. Baerbock kehrt die tatsächlichen Verhältnisse

in der Absicht, ihr Publikum zu täuschen. Das ist ebenso durchsichtig

wie unredlich.


Der Konflikt in der Ukraine wäre niemals entstanden, hätte sich der

Westen an den Geist der internationalen Vereinbarungen gehalten, wie er

beispielsweise in der Schlussakte von Helsinki fixiert ist. Der Konflikt

entstand durch die systematische Missachtung der Sicherheitsinteressen

Russlands und des Prinzips der Unteilbarkeit von Sicherheit. Baerbock

besteht noch immer darauf, dass Russlands Sicherheitsinteressen sich den

Macht- und Expansionsinteressen des Westens unterzuordnen haben.


Dass ihr das Völkerrecht und die Menschenrechte gleichgültig sind,

machte Baerbock vielfach deutlich. Sie dienen ihr lediglich zur

rhetorischen Ausschmückung. Als politisch Handelnde fühlt sie sich an

sie nicht gebunden. Die Sanktionen verstoßen gegen das Völkerrecht, der

UN-Menschenrechtsrat sieht durch sie auch die Menschenrechte verletzt.

Darauf im Bundestag angesprochen, antwortete die Außenministerin

sinngemäß, "mir doch egal". Baerbock, nicht Putin, steht für das Recht

des Stärkeren und die Arroganz der Macht. Und ja, es geht darum, dies

durch eine gerechtere Ordnung abzulösen.


Nicht Russland ging es um die Vorbereitung eines brutalen

Angriffskriegs, wie Baerbock dreist behauptet, sondern der Westen

drängte Russland durch die immer weitergehende Missachtung russischer

Sicherheitsinteressen und die Förderung des ukrainischen Nationalismus

und seiner rassistischen Agenda in einen Stellvertreterkrieg.

Deutschland hat dieses Mal vielleicht nicht zuerst geschossen, aber eben

alles dafür getan, dass geschossen wird. Daran wird sich Deutschland

messen lassen müssen.


/"Etliche Male sollte das Sterben an der Front durch Waffenstillstände

gestoppt werden. Deutschland war an diesen Verhandlungen sieben Jahre

lang über den damaligen Minsk-Prozess als Vermittler beteiligt. Doch

statt um Frieden ging es Russland um die Vorbereitung eines brutalen

Angriffskrieges", verdreht Baerbock die Abläufe./


Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in einem Interview

<https://www.zeit.de/2022/51/angela-merkel-russland-fluechtlingskrise-bundeskanzler

mit der Wochenzeitung /Die Zeit/ im Dezember 2022 eingeräumt, beim

Minsker Abkommen sei es darum gegangen, der Ukraine Zeit zu verschaffen,

eine Befriedung des Konflikts in der Ukraine war nicht das Anliegen. Um

eine Umsetzung des Abkommens ging es nie, bestätigten auch der ehemalige

ukrainische Präsident Petro Poroschenko und sein französischer

Amtskollege François Hollande. Seit 2014 bilden

<https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-ausbildung-soldaten-ukraine-103.html> die

USA, Kanada und Großbritannien ukrainischen Soldaten zudem an schweren

Waffen aus. Der Westen bereitete diesen Krieg vor. Als er schließlich

ausbrach, lagen die Sanktionen, mit denen die russische Wirtschaft

vernichtet werden sollte, ausgearbeitet in der Schublade. Sie wurden am

25. Februar 2022, einen Tag nach Beginn der militärischen

Spezialoperation verhängt und sollten "Russland ruinieren", wie Baerbock

die Deutschen wissen ließ. Der Westen plante die Vernichtung Russlands

und Baerbock hält noch immer an diesem Plan fest. Das wird der Maßstab

für die spätere Bewertung und Einordnung der Rolle Deutschlands in

diesem Konflikt sein.


Es ist ein Stellvertreterkrieg, das ist inzwischen klar. Die USA sind in

die Planung und Strategie für die Kampfhandlungen eingebunden. Der

Westen will einen langen Krieg auf Kosten der Ukraine.

Friedensverhandlungen im März wurden ebenso sabotiert wie schon zuvor

das Minsker Abkommen. Es ging dem Westen und Deutschland nie um Frieden,

es ging nie um die Achtung russischer Sicherheitsinteressen, es ging nie

um das Finden von Kompromissen, sondern nur um die Umsetzung der

westlichen, aggressiven und expansiven Agenda, die zum Ziel hatte,

Russland militärisch und wirtschaftlich zu vernichten. Das ist die

Politik, für die Baerbock die Verantwortung trägt und an der sie

festhält, obwohl im Westen inzwischen Ernüchterung eintritt. Man will

einen Kurswechsel. Baerbock nicht. Sie will weiter Krieg, Tod und Leid.

Die Ukrainer sollen weiter für ihre irre Idee sterben, dass dieses Mal

aber ein Sieg über Russland drin sein müsse.


Verlogen wirkt in diesem Kontext dann auch der Hinweis auf die

Schulkinder aus Charkow, die sich laut Baerbock nach Frieden sehnen.


"Damit auch die Schulkinder in Charkiw wieder dauerhaft in Frieden leben

können", braucht es in der Logik der deutschen Außenministerin eine

Verlängerung des Kriegs. Baerbock ist zynisch, denn was sie auf gar

keinen Fall will, ist ein Ende der Kampfhandlungen. Sie will einen Sieg

der Ukraine über Russland. Sie will keine Verhandlungslösung, bei der

Russland auch nur kleinste Zugeständnisse gemacht werden. Das, was

Baerbock einzig und allein will, ist die Verlängerung des Kriegs auf

Kosten und zulasten der Ukraine, das Sterben an der Front soll

weitergehen. Das ist das, was man künftig über die deutsche Außenpolitik

im Jahr 2022 und 2023 in den Geschichtsbüchern lesen wird. Diese

Geschichte unterscheidet sich nicht grundlegend von der Geschichte nach

1918 und 1945.


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

11.12.2023

Putins prunkvoller Empfang in Arabien

aus e-mail von Doris Pumphrey, 11. Dezember 2023, 18:30 Uhr


/Steinmeier muss warten ... und warten …. siehe /HIER

<https://www.youtube.com/watch?v=owBYZEczVvI>


https://www.anti-spiegel.ru/2023/putins-prunkvoller-empfang-in-arabien/

11.12.2023

*Putins prunkvoller Empfang in Arabien

*/Der russische Präsident Putin hat letzte Woche die Vereinigten

Arabischen Emirate und Saudi-Arabien besucht, wo ihm - im Gegensatz zu

westlichen Staatschefs - ein prunkvoller Empfang bereitet wurde.

/Bericht im russischen Fernsehen Übersetzung von Thomas Röper


/_Beginn der Übersetzung:


_/Die Woche von Präsident Putin war voll von wichtigen internationalen

Angelegenheiten. Am Mittwoch besuchte der russische Staatschef die

Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien, wo er auf das

Herzlichste empfangen wurde. *Letzte Woche hingegen verbrachte ein

verloren wirkender deutscher Bundespräsident Steinmeier in Katar eine

halbe Stunde verwaist an der Flugzeugtür und hielt Ausschau nach denen,

die ihn empfangen, oder besser gesagt, die ihn nicht empfangen würden.

Die Rolle des vergessenen Kindes war die arabische Antwort auf das

rüpelhafte Verhalten seiner Außenministerin Annalena Baerbock, die Katar

zuvor zu einem Sponsor des Terrorismus erklärt hatte.

*

Die Saudis hatten auch Biden zuvor eine kalte Dusche verpasst. Als er

letzten Sommer wegen Öl kam, bekam er eine höfliche Absage. Aber über

Putin freut man sich hier wirklich. Und sie zeigen es auch.


Über Putins Blitzbesuch in den beiden einflussreichen Ländern des

Persischen Golfs und des Nahen Ostens haben alle Medien der Welt

berichtet. Die amerikanischen Medien sprachen von einer seltenen

Auslandsreise, mussten aber anerkennen, dass die Politik der Isolierung

Russlands auf der Weltbühne endgültig gescheitert ist.

Bloomberg-Kolumnisten berichten darüber mit einigem Bedauern und

verweisen auf die wirtschaftlichen Erfolge Moskaus. Und in der New York

Times heißt es: „Im Westen machen wir Putin zu einem Paria, aber dieser

Besuch unterstreicht, dass er anderswo willkommen ist.“


Und solche Orte gibt noch viele auf der Erde. Und dort leben mehr

Menschen, die Volkswirtschaften der BRICS überholen zusammengenommen

bereits die Volkswirtschaften der G7. Auf die BRICS-Länder entfallen

nach der Erweiterung 36 Prozent der Landfläche der Welt und 45 Prozent

der Weltbevölkerung. Und der gleiche Anteil an den weltweiten Ölreserven.

Über Putins Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in

Saudi-Arabien berichten unsere Korrespondenten.


„Ich freue mich sehr, dass die Vereinigten Arabischen Emirate beginnen,

im BRICS-System mitzuarbeiten. Wir erwarten Sie auf dem Gipfel in Kasan

im kommenden Oktober. Wir arbeiten auf dem internationalen Parkett

zusammen. Als Mitglied des Sicherheitsrates leisten die Vereinigten

Arabischen Emirate einen großen Beitrag zur Stabilisierung der

Weltlage“, sagte Wladimir Putin.


Putin traf sich mit dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate

Mohammad bin Zayed bin Al Nahyan in sem im schneeweißen Palast im

Zentrum der Hauptstadt. Gold und Marmor, traditioneller orientalischer

Glanz und Prunk.


All dieser Luxus ist neu, denn der Qasr Al Watan, der Palast der Nation,

wurde erst 2017 gebaut. An normalen Tagen ist er für die Öffentlichkeit

geöffnet. Auf die Ankunft des russischen Präsidenten hat man sich

vorbereitet. Die Länder, über die das Flugzeug des Präsidenten flog,

erteilten Sondergenehmigungen, da es auf dem gesamten Weg von

SU-35-Kampfjets der russischen Luftwaffe mit Standardwaffen

verschiedener Klassen eskortiert wurde.


Putins Flugzeug landete auf einer ausgewiesenen Landebahn in Abu Dhabi.

An der Gangway wurde der Präsident von Abdullah bin Zayed Al Nahyan, dem

Außenminister der Emirate, empfangen, aber während das Protokoll am

Flughafen lakonisch war, wurde in der Hauptstadt der Emirate ein

grandioser Empfang organisiert. Artilleriesalven und eine Ehrengarde auf

beiden Seiten der Straße, auf der rechten Seite waren mit Karabinern

bewaffnete Männer mit Kamelen. Auf der linken Seite stand Kavallerie,

die Reiter hielten russische Fahnen. Alles war laut, hell und festlich.

Fast wie während der Siegesparade in Moskau erschienen Kampfjets am

Himmel über Abu Dhabi und malten mit buntem Rauch die russische

Trikolore in den Himmel.


Alle bemerkten, dass der Empfang des russischen Staatschefs dem vor vier

Jahren in nichts nachstand. Damals wurde Putins Autokolonne von

emiratischen Polizeiautos eskortiert, die sorgfältig umlackiert wurden,

um wie russische Verkehrspolizei auszusehen. Aber während es sich damals

um einen Staatsbesuch handelte, gilt dieser Besuch als Arbeitsbesuch.

Dennoch war es den Emiraten wichtig, ihren Respekt zu zeigen, und das

taten sie auch.


„Ich begrüße Sie, mein lieber Freund Wladimir Putin in den Vereinigten

Arabischen Emiraten, und freue mich, Sie wiederzusehen. Ich möchte

zunächst einmal sagen, dass die Beziehungen zwischen unseren Ländern

historisch sind. Ich möchte betonen, dass ich Ihre persönliche Rolle bei

der Stärkung der bilateralen Beziehungen sehr schätze“, begrüßte der

Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate den Gast.


„Dank Ihrer Position haben unsere Beziehungen heute ein beispiellos

hohes Niveau erreicht. Und wir sind in ständigem Kontakt mit Ihnen,

unsere Kollegen arbeiten ständig miteinander. Die Vereinigten Arabischen

Emiraten und Saudi-Arabien sind der wichtigste Handelspartner Russlands

in der arabischen Welt. Im vergangenen Jahr stieg der Handelsumsatz um

67,7 Prozent, und in diesem Jahr wird er wohl noch höher ausfallen. Das

Gleiche gilt für die Investitionen“, antwortete der russische Präsident.


Die Zusammensetzung der russischen Delegation sagt viel über

Investitionen und Wirtschaft aus. Der Außenminister, der

Handelsminister, die Leiter von Rosatom, der Zentralbank, von Roscosmos,

das Oberhaupt der Republik Tschetschenien und der Direktor des

Direktinvestitionsfonds sind mitgereist.


„Der russische Direktinvestitionsfonds hat sich von Anfang an darauf

konzentriert, Investoren aus dem Nahen Osten anzuziehen und enge

Beziehungen zu ihnen aufzubauen“, sagte der Leiter des Fonds Kirill

Dmitrijew.


Der Leiter von Rosatom berichtete über das Projekt der kleinen

Kernkraftwerke. Abu Dhabi investiert traditionell in den russischen

Energiesektor und, nebenbei bemerkt, in die Verkehrsinfrastruktur. Ein

Abschnitt der Zentralen Ringautobahn im Moskauer Gebiet wurde unter

Beteiligung von Investitionen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten

gebaut. Und russische Autos der Luxusmarke Aurus werden jetzt auch in

den Emiraten produziert.


„Dies ist ein sehr wettbewerbsfähiges Produkt, insbesondere für den

lokalen Markt, sowohl in Bezug auf den Innenraum als auch auf den

Komfort“, so der Minister für Industrie und Handel Denis Manturow.


Der Handelsumsatz zwischen Russland und den Vereinigten Arabischen

Emiraten hat einen Rekordwert von neun Milliarden Dollar erreicht und

wächst weiter.


„Eure Hoheit, liebe Freunde, gerade haben die Vereinigten Arabischen

Emirate 52 Jahre seit der Staatsgründung gefeiert. Dazu möchte ich Sie

beglückwünschen. Und ich möchte Sie daran erinnern, dass die UdSSR einer

der ersten Staaten war, der sie als unabhängigen, autonomen und

souveränen Staat anerkannt hat“, erklärte Putin.


Der Tag der Vereinigung der Emirate wird hier immer in großem Rahmen

gefeiert. Es ist heute kaum zu glauben, aber vor einem halben

Jahrhundert gab es weder die Vereinigten Arabischen Emirate noch diese

ausschließlich aus Wolkenkratzern bestehende Stadt. Der Grund für die

rasante wirtschaftliche Entwicklung war natürlich das explosive Wachstum

der Ölindustrie, aber noch wichtiger war die Befreiung von der

britischen Kolonialherrschaft.


Bis 1971 gab es auf dem Gebiet der heutigen Vereinigten Arabischen

Emirate ein britisches Protektorat, das als Oman-Vertrag bezeichnet

wurde. Für die Vereinigten Arabischen Emirate war es nicht einfach,

wirtschaftliche und soziale Entwicklungsprojekte durchzuführen. Im Jahr

1978 verloren die Vereinigten Arabischen Emirate aufgrund der Inflation

im Westen und des Verfalls der amerikanischen Währung rund 400 Millionen

Dollar. Die USA versuchen immer noch, Druck auf die Emirate und andere

Länder der Region auszuüben. Aber das klappt nicht besonders gut.


Von Abu Dhabi aus ist Wladimir Putin nach Riad gereist. Saudi-Arabien

ist nicht mehr das, was es vor fünf Jahren war. Es ist aus dem Schatten

der USA und des Westens insgesamt herausgetreten. Und jetzt hält es

zusammen mit Russland – als einem der größten Ölproduzenten der Welt –

die Preise hoch, um nicht vom Druck anderer Länder abhängig zu sein.


Das Flugzeug des russischen Präsidenten landete auf dem nach König

Khaled benannten Flughafen, der in Riad selbst als weiser Herrscher

verehrt wird, der die Öleinnahmen in die Entwicklung des Landes gelenkt

hat. Wladimir Putin wurde auf dem Rollfeld vom Gouverneur der Hauptstadt

und vom Innenminister empfangen. Wenige Minuten später war er bereits im

Königspalast Al-Yamama.


Kronprinz Mohamed bin Salman Al Saud führt den russischen Staatschef

durch die Säle, deren Decke und Wände mit Schnitzereien verziert sind

und deren Boden mit italienischem Marmor ausgelegt ist. Der Prinz kennt

viele Mitglieder der russischen Delegation bereits, aber es gibt immer

mehr Gesprächsthemen. Neben dem Energiesektor geht es um Investitionen

und die Entwicklung einer gemeinsamen Industrieproduktion. Westliche

Unternehmen, die Russland verlassen haben, werden erfolgreich von

östlichen Unternehmen ersetzt. Riad ist an unserer Nukleartechnologie

und unserem Raumfahrtprogramm interessiert. Wladimir Putin betont, dass

er sich auf das heutige Treffen gefreut hat.


„Eure Hoheit, zunächst möchte ich Ihnen für die Einladung danken. Wir

haben Sie in Moskau erwartet. Ich weiß, dass die Umstände zu Anpassungen

dieser Pläne geführt haben. Aber nichts kann die Entwicklung unserer

freundschaftlichen Beziehungen stören. Da ich mich auf einem geplanten

Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten befand, habe ich Ihre

Einladung genutzt, um mit Ihnen und all unseren Freunden zu sprechen,

mit denen wir unsere Zusammenarbeit in den letzten sieben Jahren aktiv

ausgebaut haben. Aber das nächste Treffen soll in Moskau stattfinden“,

sagte Putin. Dem hat der Kromprinz sofort zugestimmt.


Das Königreich öffnet sich rasch. Gleichzeitig wird hier seine

jahrhundertealte Geschichte wiederbelebt. Die erste Hauptstadt

Saudi-Arabiens, die Stadt Daraya, wird wiederaufgebaut. Und man erzählt

stolz, dass es dieser Palast war, der zu dem Ort wurde, an dem sich die

arabischen Völker um des Friedens und des Wohlstands willen vereinigt haben.


Saudi-Arabien wird das Land der zwei heiligen Stätten genannt. Gemeint

sind Mekka und Medina, die beiden wichtigsten heiligen Städte des Islam.

Die Sowjetunion war eine der ersten, die Saudi-Arabien vor fast einem

Jahrhundert als unabhängigen Staat anerkannte.


„In den letzten sieben Jahren haben die Beziehungen natürlich ein nie

dagewesenes Niveau erreicht. Und das ist das Ergebnis der klugen Politik

Ihres Vaters, des Hüters der beiden Heiligtümer, des Königs von

Saudi-Arabien, unter Ihrer direkten Beteiligung“, fügte Putin hinzu.


„Es gibt viele Themen, gemeinsame Interessen, wir arbeiten zusammen, um

Stabilität und Entwicklung in der ganzen Welt zu erreichen,

einschließlich der Region des Nahen Ostens. Dank der politischen

Kooperation und Zusammenarbeit ist es uns gelungen, eine Reihe von

Dingen im Nahen Osten positiv zu beeinflussen, was die Sicherheit in der

Region erhöht hat“, antwortete bin Salman.


Putins Reise war sowohl für den praktischen Ausbau der bilateralen

Beziehungen als auch wegen politischer Signale an den Westen wichtig.

Dabei haben auch die Gastgeber Signale ausgesandt. Der betont warme und

freundliche Empfang des russischen Präsidenten mit allen diplomatischen

Mitteln ist in vielerlei Hinsicht eine Antwort auf die Arroganz und

Vernachlässigung durch die USA. In solchen Fällen wird normalerweise

auch auf die Körpersprache geachtet. Der feste Händedruck mit Putin und

der betont kühle Händedruck mit Biden sind ein auffälliger Kontrast. Das

ist nicht zu bestreiten. Die westliche und östliche Presse war sich in

ihren Einschätzungen weitgehend einig.


Die deutsche Zeitung „Welt“ schrieb: „Der prunkvolle Empfang unterstrich

die weitreichenden Beziehungen der Vereinigten Arabischen Emirate zu

Russland, die nach der Verschärfung der westlichen Sanktionen gegen

Moskau noch enger geworden sind“


Die arabische Asharq Al-Awsat schrieb: „In den vergangenen 90 Jahren

waren die saudi-russischen Beziehungen von gegenseitigem Verständnis,

übereinstimmenden Ansichten und Interessen geprägt, und diese

strategische Beziehung stärkt das enorme Potenzial beider Länder.“


Die türkische Milliyet schrieb: „Putins Blitztour ist eine

Herausforderung! Es ist eine Reise, die den Krieg überschattet.“


Sowohl mit dem emiratischen Präsidenten als auch mit dem saudischen

Prinzen sprach Putin über die Lösung des palästinensisch-israelischen

Konflikts. Die Länder riefen zu einem sofortigen Waffenstillstand auf.

Der Präsident informierte seine Kollegen auch über die Ukraine-Krise, zu

der Abu Dhabi und Riad von Anfang an eine betont neutrale Haltung

eingenommen haben.


/_Ende der Übersetzung


_/


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

11.12.2023

Ukraine/Russland ... Ausgewähltes...

aus e-mail von Doris Pumphrey, 11. Dezember 2023, 17:50 Uhr


_RT Liveticker Ukraine 11.12.2023

_

*Russlands Verteidigungsministerium: Ukraine bereitet Provokation mit

Senfgas aus Deutschland vor

*Nach Angaben des Generalleutnants Igor Kirillow, Leiter der

ABC-Abwehrtruppen der russischen Streitkräfte, plant

<https://t.me/mod_russia/33437> der Inlandsgeheimdienst der Ukraine

(SBU) eine Provokation mit chemischen Kampfstoffen, die in ihrer Wirkung

dem Zyanid ähneln, in der Zone der vorrückenden Gruppe russischer

Truppen. Dieses Vorhaben sei auf die gescheiterte ukrainische

Gegenoffensive zurückzuführen, heißt es.

Laut Kirillow koordiniere das ukrainische Präsidentenbüro derzeit die

Handlungen der nationalen Sonderdienste, um "eine antirussische

Provokation mit giftigen Substanzen" zu organisieren. So habe der SBU

das ukrainische Unternehmen Realab eingeschaltet, über das das Ressort

im Oktober/November in Deutschland Triethanolamin und stickstoffhaltige

Natriumverbindungen gekauft habe.

Ferner präzisiert Kirillow, dass Triethanolamin in den Chemikalienanhang

des Chemiewaffenübereinkommens aufgenommen worden sei und einer

jährlichen Deklarationspflicht unterliege. Diese Verbindung sei ein

Vorprodukt für die Synthese eines Hautgifts – Stickstoff-Senfgas.

Stickstoffhaltige Natriumverbindungen seien hochgiftig und hätten eine

ähnliche Wirkung wie Zyanid. Kirillow weiter:

/"Nach unserer Einschätzung können diese Chemikalien vom SBU zur

Herstellung eines chemischen Kampfstoffs verwendet werden, um eine

Provokation begrenzten Ausmaßes auf dem kontrollierten Territorium im

Bereich der am aktivsten vorrückenden Gruppe der russischen Streitkräfte

durchzuführen."/



*Lawrow: "Russland ist stärker als vor dem Krieg und wird es auch bleiben"*

Russlands Außenminister, Sergei Lawrow, hat in seiner Online-Rede auf

dem Doha-Forum in Katar erklärt

<https://odysee.com/@RTDE:e/lawrow-russland-ist-st%C3%A4rker-als-vor-dem-krieg-und-wird-es-auch-bleiben:f>,

dass Russland in letzter Konsequenz der von den USA ausgelösten

Militäraktion gegen die Ukraine viel stärker geworden sei.

/"Das Ergebnis des Krieges, den die USA mit Hilfe der Ukraine gegen

Russland entfesselt haben, ist bereits sichtbar. Aber das wichtigste

Ergebnis für uns und für andere (die es später zu spüren bekommen

werden) ist, dass Russland bereits viel stärker geworden ist, als es vor

diesen Ereignissen war. Und das wird auch so bleiben, wenn der Krieg

vorbei ist", so Lawrow./



*Ukrainischer Außenminister:

Kiew ist bereit "zu springen und zu tanzen", um EU beizutreten

*Der ukrainische Außenminister Dmitri Kuleba erklärt, dass Kiew bereit

sei, "zu springen und zu tanzen", wenn dies erforderlich sei, um die von

der EU gestellten Bedingungen für den Beitritt der Ukraine zur Union zu

erfüllen. Der Diplomat wörtlich: /"Alle wichtigen Empfehlungen der

Venedig-Kommission sind in der ukrainischen Gesetzgebung umgesetzt

worden. Wir können springen und tanzen, wenn dies zusätzlich

erforderlich ist."/

Zugleich betonte Kuleba die Notwendigkeit, "fair zu spielen". Wenn der

Ukraine gesagt werde, sie solle etwas tun, und es werde getan, dann

sollte dies auch als Ergebnis registriert werden, so Kuleba.



*Medien: Selenskij kündigt Gespräche zu ukrainischer Friedensformel in

der Schweiz an*


Das Schweizer Radio und Fernsehen machen auf einen Beitrag des

Präsidenten der Ukraine Wladimir Selenskij auf X (ehemals Twitter)

aufmerksam. Der Staatschef schreibt

<https://x.com/zelenskyyua/status/1733850198470709551?s=46&t=XX8KuJDPSl7v53taY4yOaw>,

dass die nächste Gesprächsrunde zu der sogenannten Friedensformel im

Januar 2024 in der Schweiz stattfinden werde. Die Erklärung kommt nach

Selenskijs Treffen mit dem Präsidenten von Paraguay, Santiago Peña, in

Buenos Aires. Der Ukrainer hoffe, dass möglichst viele Staaten

Lateinamerikas an dem geplanten Treffen teilnehmen werden:

/"Wir hoffen, dass möglichst viele lateinamerikanische Länder an den

nächsten Gesprächen zu der Friedensformel im Januar 2024 in der Schweiz

teilnehmen werden."/



*Russischer Auslandsgeheimdienst:

Im Westen wird zunehmend Selenskijs Ersatz diskutiert


*Nach Angaben des russischen Auslandsgeheimdiensts SWR diskutieren

hochrangige Beamte führender westlicher Länder zunehmend untereinander

über die Notwendigkeit, Wladimir Selenskij abzulösen. Wie das

SWR-Pressebüro unter Berufung auf seinen Leiter Sergei Naryschkin

berichtet, habe der Westen mehrere Gründe für einen solchen Schritt.

Dazu gehören die nicht eingelösten Versprechen Selenskijs, Russland auf

dem Schlachtfeld zu besiegen, "die endlose Grobheit des ukrainischen

Präsidenten" in der Kommunikation mit ausländischen Partnern und "die

grenzenlose Vetternwirtschaft und Korruption in der Ukraine, deren

Ausmaß selbst diejenigen schockiert, die mit solchen Angelegenheiten

vertraut sind – westliche Politiker". Der russische Geheimdienst weiter:

/"Aber das Wichtigste ist, dass Selenskij seine Fähigkeit verloren hat,

im Konflikt mit Russland im Interesse Washingtons und seiner Verbündeten

zu manövrieren."/

Das Ressort präzisiert, dass der Westen überzeugt sei, dass der

ukrainische Präsident zu weit gegangen sei, indem er sich selbst als ein

"kompromissloser Befürworter" eines bewaffneten Konflikts mit Russland

bis zum Ende dargestellt habe. Aus diesem Grund werde Selenskij nicht in

der Lage sein, sich an Verhandlungen mit Moskau zu beteiligen, wenn dies

notwendig sei, "um den Konflikt vorübergehend einzufrieren und das

russophobe Kiewer Regime zu retten", so der SWR.


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

11.12.2023

Israel will die Palästinenser aus Gaza vertreiben

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Itamar Ben-Gvir, Minister für die nationale Sicherheit Israels, mit ultranationalistischen männlichen Anhängern: «Die Palästinenser können nach Saudi-Arabien oder an andere Orte wie den Irak oder den Iran auswandern.» © medialine


infosperber.ch, 11. Dezember 2023, Urs P. Gasche

Vieles deutet darauf hin: Das Kriegsziel der Regierung Netanyahu ist ein Israel vom Jordan bis zum Mittelmeer.

Der «totale Sieg» in Gaza, den Netanyahu nach eigenen Worten anstrebt, bedeutet für die Ultrakonservativen in Israel nicht bloss die Entmachtung der Hamas, sondern die Vertreibung der Palästinenser und die Annexion des Gazastreifens.  

Viele Palästinenser befürchten seit Kriegsbeginn, dass Israel sie vertreiben wolle auf die ägyptische Halbinsel Sinai. «Genährt wird diese Furcht durch Äusserungen israelischer Politiker und Kommentatoren, die eine neue Nakba fordern oder androhen.» Das schrieb die «NZZ» am 15. November.


Netanyahus ultranationalistischer Minister für Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, hatte erklärt, dass der Gazastreifen «uns» gehören sollte und dass «die Palästinenser nach Saudi-Arabien oder an andere Orte wie den Irak oder den Iran auswandern können».


Anfang November berichtete der Jerusalem-Korrespondent der «New York Times», Israel habe bei den USA, Grossbritannien und anderen Verbündeten vertraulich um Unterstützung dafür ersucht, eine grosse Zahl von Gaza-Bewohnern nach Ägypten umzusiedeln.


Israelische Politiker und Diplomaten hätten diesen Vorschlag mehreren ausländischen Regierungen unterbreitet und ihn als humanitäre Initiative dargestellt, die es den Zivilisten ermöglichen würde, «vorübergehend» den Gefahren des Gazastreifens zu entfliehen und in Flüchtlingslager in der Wüste Sinai zu ziehen, gleich hinter der Grenze im benachbarten Ägypten. Doch die meisten von Israels Verbündeten hätten den Vorschlag abgelehnt, weil sie befürchteten, dass eine solche Entwicklung Ägypten destabilisieren und eine beträchtliche Zahl von Palästinensern aus ihrer Heimat endgültig vertreiben könnte.


Das betroffene Land Ägypten lehnt eine vorübergehende, geschweige denn eine dauerhafte Umsiedlung ebenfalls ab. Bereits in einer Rede im Oktober hatte sich der ägyptische Präsidenten Abdel Fattah el-Sisi deutlich gegen eine Aufnahme von Gaza-Bewohnern ausgesprochen:

«Ägypten lehnt die Zwangsumsiedlung von Palästinensern und einen Exodus auf ägyptisches Land im Sinai vollständig ab, da dies nichts anderes als eine endgültige Liquidierung der palästinensischen Sache ist.» 

Die ägyptische Regierung will nicht zur De-facto-Verwalterin der Einwohner des Gazastreifens werden. Nach mehr als einem Jahrzehnt interner Unruhen, die durch den Aufstand des Arabischen Frühlings ausgelöst wurden, steckt das Land in einer tiefen Wirtschaftskrise und befürchtet, ein grosser Zustrom von Palästinensern könnte das Land noch mehr destabilisieren.


Zudem könnte die plötzliche Umsiedlung von Palästinensern den nördlichen Sinai in Aufruhr versetzen. Dort hat das ägyptische Militär schon heute Schwierigkeiten, islamistische Aufständische unter Kontrolle zu bringen. Auch könnten einige Palästinenser vom Sinai aus Angriffe auf Israel verüben, was Ägypten in einen Konflikt mit Israel hineinziehen würde.


Bereits Vorschläge zur Verteilung des Landes

Israels Vorschlag für eine temporäre Evakuierung von Gaza-Bewohnern schürte laut NYT unter den Einwohnern von Gaza «ein wachsendes Gefühl der Unsicherheit darüber, was mit ihnen passiert, wenn Israel am Ende seiner Militäroperationen die Kontrolle über Teile oder den gesamten Gazastreifen übernimmt, und sei es nur vorübergehend».


Für Aufregung hatte ein Parlamentarier der rechtsnationalen Likud-Partei gesorgt: Ariel Kallner forderte eine weitere Nakba, welche die ursprüngliche Massenvertreibung von 1948 in den Schatten stellen werde. «Im Moment gibt es nur ein Ziel: Nakba!», erklärte Kallner am 8. Oktober. Mit dieser Forderung ist Kallner nicht allein. Laut NYT fordern einige Mitglieder von Netanjahus Koalition, wie beispielsweise Sicherheitsminister Ben-Gvir, sowie Beamte seiner Regierung ausdrücklich die dauerhafte Vertreibung oder Umsiedlung der Palästinenser aus dem Gazastreifen.

Schliesslich wurde am 13. Oktober in Israel ein Bericht des israelischen Geheimdienstministeriums publik, der «die Evakuierung der Zivilbevölkerung aus dem Gazastreifen in den Sinai» empfiehlt. Das Büro des Premierministers bestätigte die Echtheit des Dokuments, erklärte aber, es handle sich nur um ein «vorläufiges Papier» und eine «hypothetische Übung». Doch die Regierung erklärte bei dieser Gelegenheit nicht, dass eine Umsiedlung nicht in Frage komme.


Im Gegenteil: Amichay Eliyahu, rechtsextremer Minister für Heimaterbe im Kabinett Netanyahu, spekulierte am 1. November darüber, wem das neu gewonnene Land in Gaza zugeteilt werden könnte: Man solle es an ehemalige israelische Soldaten vergeben, die im Gazastreifen kämpften, oder an ehemalige israelische Siedler, die in der Enklave lebten, bevor Israel sich 2005 aus dem Gebiet zurückzog, schlug Eliyahu vor. Das Schweizer Fernsehen interviewte eine dieser jetzt in Israel lebenden ehemaligen Siedlerfamilien. Der Vater zeigte den sorgsam aufbewahrten Schlüssel ihres damaligen Hauses in Gaza. Er sei bereit für eine mögliche Rückkehr.


Zur Zukunft des Gazastreifens stellte die «NZZ» am 10. November fünf Szenarien vor. Eines davon war die «Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung»:

«Israel könnte auch darauf setzen, grosse Teile der palästinensischen Bevölkerung aus dem Gazastreifen zu vertreiben. Rechte Politiker und Kommentatoren fordern seit Wochen ganz offen eine zweite Nakba – also die massenhafte Vertreibung der Palästinenser. Bereits jetzt sind im zerbombten Küstengebiet laut den Vereinten Nationen rund 1,5 der 2,3 Millionen Einwohner intern vertrieben worden. ‹Für sie gibt es keinerlei wirtschaftliche Perspektiven. Da entsteht ein enormer Druck. Irgendwann werden diese Menschen – egal, wie – versuchen zu fliehen›, sagt Nahostexperte und Historiker René Wildangel.»

Israel betreibt eine Politik der vollendeten Tatsachen 

Schon seit vielen Jahren unternehmen israelische Regierungen vieles, um eine Zweistaatenlösung zu verhindern. Im Westjordanland sind die Siedler strategisch an so vielen Orten verteilt, dass dort ein unabhängiger Staat Palästina kaum mehr realisierbar ist. Die USA, welche Israel mit den mordernsten Waffen versorgen und das Land mit Milliarden unterstützen, kritisierten die völkerrechtswidrige Siedlerpolitik jeweils nur mit Worten, tolerierten sie aber.

Israel seinerseits unternahm nichts gegen die terroristische Hamas in Gaza und deren arabischen Geldgeber, weil die Existenz der Hamas eine Garantie dafür war, dass es zu keinen Verhandlungen für eine Zweistaatenlösung kommt (siehe: «Netanyahu hat die Hamas für seine Strategie missbraucht»).


Niemand will den zerbombten Gazastreifen verwalten

Gegenwärtig zerbombt Israel die bereits vorher prekäre Lebensgrundlage der 2,3 Millionen Palästinenser im Gazastreifen. Israel weiss, dass weder die Autonomiebehörde im Westjordanland noch arabische Golfstaaten noch die UNO noch europäische Länder im zerstörten Gazastreifen die Gewaltaufsicht, die Verantwortung für die Zivilbevölkerung und den Wiederaufbau übernehmen wollen. Der Ball bleibt bei Israel.


  • Israel wird im Gazastreifen keine Verbündeten finden, denen es die Macht übergeben kann.
  • Eine längere militärische Besatzung kommt für Israel nach eigenen Angaben aus Sicherheitsgründen auch nicht in Frage. Tausende Soldaten sähen sich einem feindlichen Umfeld gegenüber und müssten einen Guerillakrieg mit Islamisten führen. Als Besatzungsmacht wäre Israel zudem für den Gazastreifen völkerrechtlich verantwortlich und müsste für die Versorgung der notleidenden palästinensischen Zivilbevölkerung sorgen.


Manche Kommentatoren kritisieren, dass Israel für die Zeit nach Kriegsende keine Strategie habe oder bekanntgebe. Falls jedoch das Ziel von Israels Regierung darin besteht, die Palästinenser umzusiedeln und das Land für Israelis freizumachen, dann wird Netanyahu zu diesem Ziel nicht öffentlich stehen. Die Regierung wird vielmehr versuchen, mit vordergründig anderen Motiven Tatsachen zu schaffen, um dieses Ziel zu erreichen.


Die «geschaffenen Tatsachen» sind dann folgende: Hunderttausende Frauen, Kinder und Jugendliche, die verdursten, verhungern und von Seuchen heimgesucht werden; viele Schwerverletzte und Kranke, die keine Hilfe mehr erhalten: Eine seit langem nicht mehr dagewesene humanitäre Katastrophe vor den Augen der Weltöffentlichkeit.


Der Druck wird enorm zunehmen, dass Ägypten und andere arabische Staaten die Gaza-Einwohner bei sich aufnehmen. Eine Milliarden-Entschädigung für Ägypten könnte dazu beitragen, dass Israel dem Ziel der Ultrakonservativen näherkommt: Ein Israel vom Mittelmeer bis zum Jordan.


Aus dem Koalitionsvertrag der israelischen Regierung: Anspruch auf das Westjordanland Im Koalitions­rahmenvertrag heisst es bereits im ersten Satz: «Das jüdische Volk hat ein exklusives und unveräusserliches Recht auf alle Teile des Landes Israel – Galiläa, Negev, den Golan und Judäa und Samaria.» Judäa und Samaria ist die israelische Bezeichnung für das Westjordanland. Im Koalitionsvertrag (§118) mit dem Reli­giösen Zionismus steht, dass der Premier eine Politik für die Übertragung der «Souveränität» (sprich Annexion) des Westjordanlands konzipieren soll.

Darauf hatte die «Stiftung Wissenschaft und Politik» SWP im Januar 2023 hingewiesen und schrieb:


«Likud-Politiker Levin formulierte an welcher Strategie sich die Koalition hier orientieren sollte, wenn nicht offiziell annektiert wird: Die Regierung müsse versuchen, ‹ein Maxi­mum an Territo­rium zu halten und die Souveränität über ein Maximum an Terri­torium auszuüben, während die arabische Bevölkerung in diesem Gebiet auf ein Mini­mum beschränkt wird.› Damit beschrieb Levin einen Prozess, den man als De-facto-Annexion bezeichnen kann, nämlich die rechtliche Integration von Siedlungen und Siedlern in das israelische Rechtssystem, obwohl im Westjordanland Besatzungsrecht herrscht und somit der Oberbefehlshaber der zuständigen Militäreinheit dort auch völkerrechtlich der Souverän ist […]


Der hat Likud bereits angekündigt, dass die neue Regie­rung eine Reform zur ‹staatsbürgerlichen Gleichstellung der Siedler› durchführen werde, ohne aber den legalen Status der Territorien zu verändern.»


Info: https://www.infosperber.ch/politik/welt/israel-will-die-palaestinenser-aus-gaza-vertreiben


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.


Unser weiterer Kommentar: Existenzrechte sichern sich Anrainer immer gegenseitig auf der Grundlage von Vertrauen zu.

11.12.2023

KI-Gesetz: Europe first!?

lostineu.eu, vom 11. Dezember 2023

Die EU bekommt ein Regelwerk für den Einsatz der sog. „Künstlichen Intelligenz“ (KI). Was genau drinsteht, weiß man noch nicht. Doch das scheint nicht so wichtig – Hauptsache, „wir“ sind die Ersten!?

„Historisch! Die EU wird der allererste Kontinent, der klare Regeln für die Nutzung von KI setzt“, jubelte EU-Binnenmarktkommissar Breton nach der vorläufigen politischen Einigung in Brüssel. 

Kommissionspräsidentin von der Leyen begrüßte das Gesetz als „historischen Moment“. Damit würden „die europäischen Werte in eine neue Ära übertragen“, erklärte sie.

Pustekuchen. Wenn es um europäische Werte ginge, würden wir nicht von „Künstlicher Intelligenz“ reden, sondern von Mustererkennung, Maschinellem Lernen oder Generativen Systemen.

Haupttreiber: Das US-Militär

Das ist nämlich die Technik hinter der sog. KI. Mit natürlicher Intelligenz hat sie herzlich wenig zu tun. Mit europäischen Werten auch nicht. Der Haupttreiber ist – seit jeher – das amerikanische Militär.

Die wichtigsten – und gruseligsten – Anwendungen dienen denn auch dem Krieg, aktuell vor allem in Israel. Doch dazu sagt die EU nichts – militärische Anwendungen sind von der Regulierung ausgenommen!

Doch darüber spricht von der Leyen nicht so gern. Stattdessen preist sie eine KI, der die Menschen „vertrauen“ könnten. Außerdem würden „Sicherheit und Grundrechte von Menschen und Unternehmen“ geschützt.

In letzter Minute aufgeweicht

Auch das ist nicht die ganze Wahrheit. Denn Brüssel geht es auch darum, im globalen Wettbewerb um die KI mitzuhalten. Deshalb wurden die Regeln in letzter Minute noch einmal aufgeweicht – auch auf deutschen Druck.

Was genau drinsteht im ersten „AI Act“, ist noch nicht klar. „Bevor die Verhandlungen für abgeschlossen erklärt werden können, sind noch umfangreiche technische Arbeiten erforderlich“, betont der KI Bundesverband.

Da müssen wir wohl noch warten. Derweil tut die EU alles, um die Unternehmen mit Daten zu füttern, die „intelligent“ ausgebeutet – pardon: ausgewertet – werden können. Dafür entstehen riesige Datensammlungen, u.a. zur Gesundheit.

Der Nachzügler will Erster sein

Im Grunde ist es wie mit dem „European Green Deal“: Hinter den hehren Zielen verbirgt sich vor allem der Versuch, einen neuen lukrativen Markt zu schaffen. Und als erstes die Regeln zu setzen. „Europe first“ sozusagen.

Dabei hinkt Europa bei der Anwendung der KI international weit hinterher. Und zwar so sehr, dass man bei der Regulierung um ein Haar sogar Chat-GPT vergessen hätte…

P.S. Von KI verstehe ich ein wenig – ich habe darüber meine Diplomarbeit geschrieben. Sie ist sogar noch heute bei Amazon erhältlich…


Info: https://lostineu.eu/ki-gesetz-hauptsache-die-ersten


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




Weiteres.




Gaza: Sogar die EU rückt von den USA ab (ein wenig)


lostineu.eu, 10. Dezember 2023

Mit ihrem Veto gegen einen humanitären Waffenstillstand in Gaza haben sich die USA international isoliert. Sogar die EU distanziert sich – ein wenig.

Uno-Generalsekretär Guterres hatte den Weltsicherheitsrat angerufen und sich auf den Notfall-Artikel 99 der Uno-Charta berufen, um eine humanitäre Waffenruhe in Gaza zu fordern.

Daraufhin haben die Vereinigten Arabischen Emirate eine Resolution eingebracht – mit der Rückendeckung von über der Hälfte der UN-Mitgliedsstaaten.

Die Zahl der Bombenopfer und das Ausmaß der Zerstörung im Gazastreifen übertreffe die Bombardierung von Dresden 1945, betonte der stellvertretende Botschafter Mohamed Abushahab.

Doch die Resolution scheiterte am Veto der USA. Seither sind die Amerikaner weltweit isoliert. Nur in Israel, das mit US-Hilfe weiterbomben darf, und in UK, das sich enthielt, haben sie noch Rückhalt.

Sogar die EU will nicht mehr bedingungslos folgen. Der EU-Außnbeauftragte Borrell forderte die USA sogar auf, angesichts von „massenhaften Gräueltaten“ von einem Veto abzusehen.

We call on the UN Security Council members to uphold their responsibility to act, and refrain from using the veto power in the face of mass atrocities. 

J. Borrell / EAD

Die spannende Frage ist nun, welche Konsequenzen die EU ziehen wird. Bereits am Montag wollen die Außenminister über den Krieg in Israel und Gaza beraten, Am Donnerstag tagt der EU-Gipfel.

Doch von einer Veurteilung der USA oder Israels ist keine Rede. Nur vier EU-Staaten – Spanien, Irland, Belgien und Malta – machen sich für eine Feuerpause in Gaza stark.

Deutschland ist nicht dabei. Außenministerin Baerbock rief lediglich zu mehr humanitären Hilfslieferungen auf und erklärte, Israel müsse seine Kriegsführung „anpassen“.

Eine „feministische Außenpolitik“ hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt…

6 Comments

  1. Karl
    11. Dezember 2023 @ 09:08

    Die besondere Bombardierung Dresdens ist historisch widerlegt (siehe die realen Daten z. B. in Wikipedia): Zahlreiche Städte Deutschlands waren schlimmer dran! „Dresden als unschuldiges Opfer“ beruht auf Nazi-Propaganda, die seit 1945, leider auch in der DDR und bis heute gepflegt wird: Widerlich!

    Meine Eltern sind tatsächlich als Kellerkinder großgeworden – in Städten, die viel näher an England lagen. Als meine Mutter in den 1990ern Dresden gern kennenlernen wollte, konnte sie die Dresdner Kriegskult-Propaganda, die jeden im Straßenbild ansprang, nicht ertragen und musste abreisen. Nachts träumte sie wieder von den Bombardierungen.

    Wirkliche Kriegsopfer verhalten sich anders als das offizielle Dresden. Wer eine solche Geschichtspropaganda betreibt, hat nie ein Kriegsopfer kennengelernt.

Reply

  • Udo
    10. Dezember 2023 @ 19:33

    Eine „feministische Außenpolitik“ hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt…

    Wieso?
    Der Femischismus feiert fröhliche Urstände und erfreut sich dabei gerade in Deutschland zunehmender Anhängerschaft.
    Dabei stellt Er nicht nur fest und quantifiziert, wer Opfer und Täter ist; der Femischimus wird zu einer fast göttlichen Botschaft.

    Die ultimative Wahrheit einer höheren Entität.

    Die Opfer des Etnozieds in der Ukraine seid 2014, sind Kollateralschaden einer höheren Mission gegen den Antichristen und Chauvinisten Putin und somit irrelevant.

    Die toten Menschen in Israel rechtfertigen dagegen alles.

    Dass es dort aber seit 1947/48 eigentlich Krieg herrscht und es entweder NUR Opfer oder NUR Täter gibt; Nebensache…….

    Wenn die Botschaft wichtiger wird als die Realität, spricht man von Fanatismus

    oder anders: Das Gleiche ist nicht dasselbe und umgekehrt

    Reply

  • KK
    10. Dezember 2023 @ 15:44

    Wo ist denn heute ein Joschka Fischer (oder seine Nachfolgerin im Amt), der (oder die) angesichts dieses Gemetzels „Nie wieder Auschwitz“ fordert?

    Reply

    • Bogie
      10. Dezember 2023 @ 16:42

      Der Josef Martin hat keine Zeit, da er sich um atomare Aufrüstung kümmern muss und die andere findet, dass es hier um Selbstverteidigung geht; alles in Ordnung quasi.

      Reply

  • Bogie
    10. Dezember 2023 @ 14:22

    Kernpunkt feministischer Außenpolitik scheint mir zu sein, dass Frauen und Mädchen nicht strukturell benachteiligt werden und zwar auch nicht beim Sterben und Hungern. Insofern stehen Frau Baerbocks Äußerungen erstmal nicht im Widerspruch zu den Leitlinien dieser Politik.

    Reply

    • Helga Karim
      11. Dezember 2023 @ 08:05

      War auch mein Gedanke. Beim Leiden und Sterben sind jetzt Frauen und Kinder im Gaza an erster Stelle.


  • Info: https://lostineu.eu/gaza-sogar-die-eu-rueckt-von-den-usa-ab-ein-wenig


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    11.12.2023

    Nachrichten von Pressenza: „The Important Stuff“ (Die Wichtigen Sachen) von Kindern und Jugendlichen #COP28

    aus e-mail von  <newsletter@pressenza.com>, 11. Dezember 2023, 7:18 Uhr


    Nachrichten von Pressenza - 11.12.2023


    „The Important Stuff“ (Die Wichtigen Sachen) von Kindern und Jugendlichen #COP28


    Die Treffen der UN-Klimakonferenz werden eine andere Teilnahme haben: Neben den üblichen Vertretern der Länder werden auch 25 Kinder aus 12 Ländern zu Wort kommen. Sie sprechen darüber, wie ihr Leben durch den Klimanotstand beeinflusst wurde, und fordern wirksame Maßnahmen&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/12/the-important-stuff-die-wichtigen-sachen-von-kindern-und-jugendlichen-cop28/


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    Kalifornien: Unglaubliche Erfolgsgeschichte für kommunale Erneuerbare Bürgerenergie


    Vor Kurzem kontaktierte mich Woody Hastings aus Sonoma County, Kalifornien. Er erinnerte mich an seine Einladung für meinen Vortrag anlässlich der Vorstellung meines Buches „Global Cooling“ in Sonoma County und San Francisco im Jahre 2012. Er bedankte sich für meine&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/12/kalifornien-unglaubliche-erfolgsgeschichte-fuer-kommunale-erneuerbare-buergerenergie/


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    kontertext: Lob des Rindviehs


    Für viele gehört das Rindvieh zu den grossen Klimasündern. Doch auf der Weide ist es ein Klimaschützer und dient der Artenvielfalt. Von Johannes Kaiser für die Onlinezeitung InfoSperber Hemmungslos rülpst und pupst das Vieh den ganzen Tag. Aber das liegt&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/12/kontertext-lob-des-rindviehs/


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    COP28 – „Sein oder Nicht sein?“


    Diese Schicksalsfrage lies Shakespeare in seinem Hamlet Drama stellen. Europa war in jener Zeit des Mittelalters voller Kriegslärm. Pest &#8211; und Cholera Epidemien forderten viele Tote. Hunger und Not herrschte in den Landen. Gegenwärtig verbreiten eine weltweite Klimawende, Kriege an&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/12/cop28-sein-oder-nicht-sein/


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    Pressenza - ist eine internationale Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat, mit Vertretungen in Athen, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Florenz, Lima, London, Madrid, Mailand, Manila, Mar del Plata, Montreal, München, New York, Paris, Porto, Quito, Rom, Santiago, Sao Paulo, Turin, Valencia und Wien.


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    11.12.2023

    Teure Sanktionsschlachten   Indiens größter Erdgasversorger fordert vom deutschen Gasversorger SEFE (Ex-Gazprom Germania) 1,8 Milliarden US-Dollar Entschädigung für ausgebliebene Lieferungen. Grund: die Sanktionsschlachten gegen Russland.

    german-foreign-policy.com, 11. Dezember 2023

    NEW DELHI/BERLIN (Eigener Bericht) – Indiens größter Erdgasversorger Gail fordert von einer Tochterfirma des deutschen Gasversorgers SEFE (Ex-Gazprom Germania) eine Entschädigung in Höhe von bis zu 1,8 Milliarden US-Dollar. Ursache ist, dass die SEFE-Tochter GMTS im vergangenen Jahr vertraglich fest zugesagte Flüssiggaslieferungen an Gail nicht realisierte: Geplant war die Lieferung russischen Flüssiggases, das allerdings, bedingt durch die Sanktionsschlachten zwischen der EU und Russland, seit dem späten Frühjahr 2022 nicht mehr bei GMTS ankam. SEFE/GMTS beschafften zwar Flüssiggas aus alternativen Quellen, lieferten es jedoch bevorzugt nach Deutschland. Gail schätzt die Schäden, die durch die Ausfälle entstanden, auf eine Milliarden-Dollar-Summe und hat jetzt ein Verfahren vor dem Internationalen Schiedsgerichtshof in London angestrengt. Indien war im vergangenen Jahr nicht das einzige Land Südasiens, in dem Flüssiggasmangel zu beklagen war, weil Unternehmen aus Europa den Weltmarkt leerkauften und die Preise in die Höhe trieben. Auch in Bangladesch und Pakistan ging der Flüssiggasimport stark zurück; Pakistan erhält in diesem Monat die erste Flüssiggaslieferung vom Spotmarkt seit Mitte 2022.


    Streit um Gazprom Germania

    Hintergrund für die aktuelle Entschädigungsforderung des Energiekonzerns Gail sind die Auseinandersetzungen um Gazprom Germania, eine ehemalige Tochterfirma des Gazprom-Konzerns. Diese war am 4. April 2022 unter die Treuhandschaft der Bundesnetzagentur gestellt worden – einem Bericht zufolge, weil Gazprom sie liquidieren und so die deutsche Energieversorgung in große Probleme treiben wollte.[1] Gazprom Germania wickelte fast die Hälfte der deutschen Gasimporte ab. Moskau reagierte auf die Maßnahme, indem es am 11. Mai 2022 Sanktionen gegen Gazprom Germania und deren Tochterfirmen verhängte; nun durfte kein russisches Gas mehr an das Unternehmen geliefert werden. Gazprom Germania musste entsprechend Erdgas zu erheblich teureren Preisen erwerben, um die Versorgung der Bundesrepublik nicht zu gefährden. Am 14. November 2022 ordnete schließlich das Bundeswirtschaftsministerium die Verstaatlichung des Unternehmens an, das bereits seit dem 20. Juni SEFE (Securing Energy for Europe) hieß.[2] Der eigentlich fälligen Entschädigung an den Mutterkonzern Gazprom entzog sich die Bundesregierung, wie berichtet wird, mit dem Hinweis, Gazprom Germania/SEFE habe allein bis Ende August Verluste in Höhe von mehr als drei Milliarden Euro eingefahren, während das Eigenkapital der Firma nur eine Milliarde Euro betrage.[3] Ein etwaiger Schadensersatz komme daher nicht in Frage.


    Europa zuerst

    Auf den Energiekonzern Gail, Indiens größten, mehrheitlich in Staatsbesitz befindlichen Erdgasversorger, wirkte sich der Konflikt aus, da Gail im Jahr 2012 einen Vertrag mit einer Laufzeit von 20 Jahren mit der Gazprom-Tochterfirma Gazprom Marketing and Trading Singapore (GMTS) geschlossen hatte und diese später Gazprom Germania übertragen wurde. Der Vertrag sah vor, dass GMTS im Durchschnitt 2,5 Millionen Tonnen Flüssiggas pro Jahr an Gail liefern sollte.[4] Nach der Verhängung der russischen Sanktionen gegen SEFE erhielt GMTS jedoch ebenfalls kein russisches Erdgas mehr. Gail bekam im Juni 2022 eine letzte Schiffsladung; danach wurden die Lieferungen komplett eingestellt. Erst dieses Jahr konnten sie wieder aufgenommen werden, weil Moskau die Sanktionen gegen SEFE und seine Tochterfirmen aufhob. Insgesamt gingen Gail 30 Schiffsladungen Flüssiggas verloren.[4] Der indische Konzern beschwert sich, nach Vertragslage sei GMTS verpflichtet gewesen, für die ausgefallenen russischen Lieferungen Ersatz aus anderen Quellen herbeizuschaffen. GMTS war dazu allerdings nicht bereit: Das Unternehmen erklärte, es müsse zuerst „die Nachfrage in Europa decken“ [5], und bot lediglich die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 20 Prozent des Gaskaufpreises an Gail an.[6]


    Verluste in Indien

    Gail erlitt durch den Lieferausfall erhebliche Einbußen. Laut Angaben des Konzerns machten die GMTS-Lieferungen gut acht bis neun Prozent seiner jährlichen Verkäufe aus; sie mussten nun durch Zukäufe auf dem Spotmarkt ersetzt werden, die viel teurer waren und bis zum Dreifachen des mit GMTS vereinbarten Preises kosteten.[7] Zudem gelang es dem indischen Gasversorger nicht, alle Ausfälle zu kompensieren; er konnte Teile der Nachfrage nicht decken und indische Düngemittelhersteller sowie weitere Industrieunternehmen nicht mehr ausreichend versorgen. Während diese deshalb Schaden nahmen, brach bei Gail der Gewinn vor Steuern im Geschäftsjahr 2022/23 um mehr als 700 Millionen US-Dollar ein. Der Konzern führt dies vorwiegend auf die ausbleibenden GMTS-Lieferungen zurück.[8] Unter Verweis darauf, dass GMTS verpflichtet gewesen sei, ersatzweise Flüssiggas aus nichtrussischen Quellen heranzuschaffen, dies aber unterlassen habe, verlangt Gail von der Firma nun Entschädigung in Höhe von bis zu 1,8 Milliarden US-Dollar und hat ein Verfahren beim Internationalen Schiedsgerichtshof in London angestrengt.[9] Die SEFE-Tochter GMTS sucht sich durch die Behauptung zu schützen, die russischen Sanktionen seien „höhere Gewalt“ und von ihr nicht zu verantworten. Beobachter bezweifeln, dass der Schiedsgerichtshof dies anerkennt.


    „Bis aufs Blut ausgesaugt“

    Gail war im vergangenen Jahr beileibe nicht der einzige Erdgasversorger in Südasien, der schwer darunter litt, dass europäische Konzerne so gut wie alle auch nur irgend verfügbaren Mengen an Flüssiggas für den Konsum in Europa erwarben und damit nicht nur die Preise in die Höhe trieben, sondern auch den Weltmarkt nahezu leerkauften. Allein im Zeitraum von Jahresbeginn bis zum 19. Juni 2022 weiteten die Staaten Europas ihren Flüssiggasimport im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 49 Prozent aus. Im Juli 2022 klagte Pakistans Erdölminister Musadik Malik: „Jedes einzelne Molekül, das in unserer Region erhältlich war, ist von Europa gekauft worden, weil sie ihre Abhängigkeit von Russland verringern wollen“.[10] Ein Experte der auf Energie und Rohstoffe spezialisierten Beratungsfirma Wood Mackenzie wurde mit der Aussage zitiert: „Die europäische Gaskrise saugt die Welt bis aufs Blut aus“. Aus Bangladesch etwa wurde schon Anfang Juli 2022 gemeldet, das Land, das gut drei Viertel seiner Elektrizität aus Flüssiggas erzeuge, müsse inzwischen Strom rationieren, was nicht zuletzt seine schwache, in einem vorsichtigen Aufschwung befindliche Industrie empfindlich treffe. Laut Branchenangaben fiel Bangladeschs Flüssiggasimport im Jahr 2022 von 5,08 Millionen Tonnen auf 4,43 Millionen Tonnen – ein Minus von 13 Prozent.[11]


    Verlierer und Gewinner

    Auch Pakistan gelang es damals wegen der exorbitanten Preise nicht, wenigstens eine einzige große Ladung Flüssiggas auf dem Spotmarkt zu erwerben. Sogar Importe, die eigentlich vertraglich zugesichert waren, kamen nicht an: Flüssiggaslieferanten konnten in Europa so exorbitante Preise verlangen, dass es sich lohnte, das für Pakistan bestimmte Flüssiggas dorthin umzuleiten und die fällige Vertragsstrafe an Islamabad zu zahlen. Anfang Oktober 2023 meldete die staatseigene Pakistan LNG Ltd (PLL), sie habe soeben die erste Lieferung einer Schiffsladung Flüssiggas seit über einem Jahr akquirieren können; mit dem Eintreffen sei im Dezember zu rechnen.[12] Die pakistanische Industrie wurde durch die Ausfälle schwer getroffen. Insgesamt sank der Flüssiggasimport Indiens, Pakistans und Bangladeschs im Jahr 2022 um 18 Prozent.[13] Die Einfuhr der EU-27 und Großbritanniens hingegen stieg um 73 Prozent.

     

    [1] Martin Greive, Mareike Müller, Julian Olk, Klaus Stratmann, Catiana Krapp, Moritz Koch: So entging Deutschland knapp einem Blackout. handelsblatt.com 09.12.2023.

    [2] Treuhandverwaltung SEFE Securing Energy for Europe GmbH. bundesnetzagentur.de.

    [3] Klaus Stratmann: Bund verstaatlicht Ex-Gazprom-Tochter Sefe. handelsblatt.com 14.11.2022.

    [4], [5] Former Gazprom unit cuts LNG supplies to India. businesstoday.in 04.08.2022.

    [6] Gazprom Singapore Pays ‘Meagre‘ Penalty For Defaulted LNG Deliveries To India. outlookindia.com 12.09.2022.

    [7] Former Gazprom unit cuts LNG supplies to India. businesstoday.in 04.08.2022.

    [8] Mathias Peer: Deutsche Staatsfirma soll 1,8 Milliarden Dollar zahlen. handelsblatt.com 07.12.2023.

    [9] GAIL seeks $1.8 bn from former Gazprom unit. economictimes.indiatimes.com 01.12.2023.

    [10] Nasrul: Use gas and electricity judiciously. dhakatribune.com 06.07.2022. S. auch Nach uns die Sintflut.

    [11] Another deal inked with Oman to increase LNG import. tbsnet.news 19.06.2023.

    [12] Daniyal Ahmad: Pakistan buys first LNG spot cargo since 2022. profit.pakistantoday.com.pk 04.10.2023.

    [13] Global liquefied natural gas trade volumes set a new record in 2022. eia.gov 05.07.2023.


    Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9432


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    10.12.2023

    Bundesregierung  Die Lügenrede von Scholz auf dem SPD-Parteitag

    anti-spiegel.ru, 10. Dezember 2023 03:00 Uhr, von Anti-Spiegel

    Bundeskanzler Scholz hat auf dem SPD-Parteitag eine Rede gehalten, die von deutschen Medien insgesamt gut aufgenommen wurde. Dass die Rede eine einzige Sammlung dreister Lügen war, haben sie nicht erwähnt.


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    Wie schon bei seiner Regierungserklärung vor einigen Tagen zum Urteil des Verfassungsgerichtes, dass die Haushaltspolitik der Scholz-Regierung als verfassungswidrig eingestuft und damit die Haushaltskrise ausgelöst hat, hat Scholz auch die Rede beim SPD-Parteitag damit begonnen, dass er und seine Regierung an allen Problemen in Deutschland schuldlos sind. 20 Minuten lang hat er das erzählt, wobei er allerdings fast die gesamten 20 Minuten gelogen hat.

    Das schauen wir uns einmal an.


    Russland ist an allem schuld!

    Als erstes hat Scholz natürlich Russland die Schuld an den deutschen Problemen gegeben und ist wieder auf seine Formulierung der „Zeitenwende“ eingegangen, mit der den 100-Milliarden-Sonderkredit für die Bundeswehr begründet hat. Scholz sagte:

    „Eine Zeitenwende deshalb, weil Russland mit diesem Angriff alle Verständigung der letzten Jahrzehnte über Frieden und Sicherheit in Europa aufgekündigt hat und die wichtigste, erkämpft, von sozialdemokratischen Kanzlern bei der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die gesagt haben, es muss doch diese Klarheit geben: Grenzen werden in Europa nicht mehr mit Gewalt verschoben. Genau das hat Putin in Frage gestellt.“

    Zunächst einmal stimmt das nicht, weil die ersten Grenzen, die nach dem Krieg in Europa mit Gewalt verschoben wurden, die jugoslawischen Grenzen waren. Übrigens war daran für Deutschland ebenfalls eine SPD-Regierung beteiligt.

    Aber auch die Aussage von Scholz über die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die heute OSZE heißt, ist unwahr, denn es war der Westen, der gegen die Regeln und gültigen Verträge der OSZE verstoßen hat. Dort wurde nämlich geregelt, dass kein Staat und kein Block in Europa dominant werden darf und dass kein Staat seine Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten ausbauen darf. Genau das war aber das Angebot der NATO, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, was der Hauptgrund für die Eskalation in der Ukraine im Februar 2022 war.

    Hätte die NATO, also auch ganz konkret Kanzler Scholz, damals auf die von Russland im Dezember 2021 vorgeschlagenen gegenseitigen Sicherheitsgarantien reagiert, anstatt sie ohne Verhandlungen abzulehnen, hätte das die Eskalation vom Februar 2022 verhindert. Was Russland damals vorgeschlagen hat, können Sie hier nachlesen.

    Scholz trifft daher eine ganz persönliche Schuld, denn da die NATO nur mit Zustimmung aller Mitgliedsstaaten erweitert werden kann, hätte Scholz als deutscher Kanzler verkünden können, dass Deutschland eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ablehnt. Sogar das hätte vielleicht schon gereicht, um die Eskalation zu verhindern.

    Und das wäre klug gewesen, denn erstens hätte es hunderttausende Tote und große Zerstörungen und Leid verhindert, und zweitens ist heute klar, dass die Ukraine kein NATO-Mitglied wird. All die Menschen auf ukrainischer Seite sind umsonst gestorben und Scholz ist einer von denen, an deren Händen das Blut all der Toten klebt.

    Welches Land dominiert?

    Eine besonders lustige Aussage von Scholz war danach:

    „Aber es war für uns immer klar, dass wir nicht in einer Welt leben wollen, in der ein großes Land dominiert und bestimmt, was in einem kleineren Land in seiner Nachbarschaft stattfindet, dass sie bis in die Politik des Landes hinein regieren. Wir wollen, dass kleine Länder sich vor ihren großen Nachbarn nicht fürchten müssen.“

    Instinktiv müsste man denken, dass Scholz von den USA gesprochen hat, die im Zuge der Monroe-Doktrin in ihrer Nachbarschaft immer wieder Länder überfallen haben. Oder nehmen wir den Irak, Syrien, Libyen und so weiter, die von den USA überfallen wurden. Oder den von den USA finanzierten und orchestrierten Maidan, mit dem die USA nicht nur „bis in die Politik des Landes hinein regiert“, sondern sogar einen Putsch organisiert haben. Und man kann sich an all die anderen Farbrevolutionen der letzten Jahrzehnte erinnern.

    Aber das hat Scholz natürlich nicht gemeint, er würde die USA nie kritisieren.

    Und überhaupt ist es doch der US-geführte Westen, der allen Ländern vorschreiben will, welche „Werte“ sie zu lieben haben und welche Politik sie machen sollen. Es sind nicht Russland oder China, die von den Ländern in aller Welt eine bestimmte Politik verlangen.

    Zynische Lügen über Ernährungssicherheit

    Besonders zynisch war folgende Aussage von Scholz:

    „Ja, überall sind die Preise gestiegen für Energie, überall sind die Preise gestiegen für Nahrungsmittel. Und während wir hier zu kämpfen haben mit den Konsequenzen gestiegener Preise, müssen manche Länder um die Ernährungssicherheit ihrer eigenen Bevölkerung und um die Frage kämpfen, ob sie sich die Energie, die sie brauchen, überhaupt noch leisten können. Das ist auch eine Konsequenz des russischen Imperialismus die, wir hier beschreiben müssen. Wir haben Ihnen geholfen und wir werden das weiter tun, dass sie diese schwere Zeit durchstehen können. Wir haben dafür gesorgt und gekämpft, dass es Möglichkeiten, gibt Getreideexporte aus Russland und der Ukraine in diese Welt kommen zu lassen.“

    Das exakte Gegenteil ist der Fall, denn es sind die Sanktionen vor allem der EU, die die Exporte von Getreide aus Russland behindern. Dabei geht es um das sogenannte Getreideabkommen, mit dem der Export von ukrainischem und russischem Getreide und russischen Düngemitteln ermöglicht werden sollte.

    Nachdem das Abkommen im Sommer abgeschlossen war, erwies es sich schnell als Farce, denn es gingen nur etwa drei Prozent des ukrainischen Getreides an vom Hunger bedrohte Länder, während der größte Teil in die EU gegangen ist, wie man auf der entsprechenden Seite der UNO erfahren kann. Das Abkommen sollte auch den problemlosen Export von russischem Getreide und Düngemitteln ermöglichen, der durch die westlichen Sanktionen gegen russische Banken, Versicherungen und Logistikunternehmen behindert wird. Die UNO fordert seitdem die Aufhebung der Sanktionen, die den Export von russischem Getreide und Düngemitteln behindern, was der Westen – und auch Scholz ganz persönlich – aber ablehnt.

    Scholz hat also sehr zynische gelogen, wenn er behauptet, seine Regierung habe „dafür gesorgt und gekämpft, dass es Möglichkeiten, gibt Getreideexporte aus Russland und der Ukraine in diese Welt kommen zu lassen“, denn zumindest bei den russischen Exporten, deren Mengen die ukrainische weit übertreffen und die daher für die weltweite Ernährungssicherheit sehr wichtig sind, hat Scholz das Gegenteil getan: Er hat russische Getreideexporte verhindert.

    Und dass Russland aufgrund dieser vom Westen geschaffenen Probleme viele zehntausend Tonnen seines Getreides kostenlos an die bedürftigsten Länder vor allem in Afrika liefert, während die EU aus ihren vollen Getreidesilos keine kostenlosen Lieferungen nach Afrika schickt und sogar russische Düngemittel in ihren Häfen blockiert, die Russland ebenfalls umsonst an notleidende Länder Afrikas abgeben will, hat Scholz nicht erwähnt.

    „Russland hat die Energieversorgung Europas eingestellt“

    Auch beim Thema Energie hat Scholz gelogen, denn er hat gesagt:

    „Russland, ja Russland, hat die Energieversorgung Europas eingestellt. Mancher von der AfD und mancher von den Leuten, die immer alles querdenken, hat es ja immer noch anders in der Erzählung, aber es war der russische Präsident, der die Gaslieferung durch die heile Pipeline gestoppt hat. Die Versorgung Deutschlands ist damit in Frage gestellt worden. 50 Milliarden Kubikmeter Gas, die da durchkommen können, sind nicht mehr verfügbar, Insgesamt sind in Europa 120 Milliarden Kubikmeter Gas nicht mehr da, die vorher aus Russland geliefert worden sind. Das hat Konsequenzen für Preise.“

    Das sind verdammt viele Lügen in sehr wenigen Sätzen. Schauen wir uns das also einmal chronologisch an.


    Erstens: Die Regierung Scholz hat der betriebsbereiten und mit Gas befüllten Pipelines von Nord Stream 2 am 22. Februar 2022, also noch vor Beginn der russischen Militäroperation, die Genehmigung verweigert. Das geschah übrigens die Initiative von Scholz persönlich. Putin hatte damit nichts zu tun.


    Zweitens: Es waren die Sanktionen westlicher Länder, die im Sommer 2022 die vertragsgemäße Wartung der Turbinen von Nord Stream 1 verhindert haben, was zuerst zu einer Reduzierung und dann zu einer Einstellung des Gasflusses durch die Pipelines von Nord Stream 1 führte. Russland hat danach angeboten, stattdessen Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, denn deren Turbinen sind aus russischer Produktion, mit der Pipeline hätte es die Probleme, die es mit der Wartung von Nord Stream 1 gegeben hat, nicht gegeben. Aber wer war dagegen? Richtig: Bundeskanzler Scholz, der Russland vorwirft, es hätte die „Energieversorgung Europas eingestellt“.


    Drittens: Danach wurden die Nord Streams gesprengt. Es gibt zwei Theorien, wer die Täter sind. Die erste basiert auf den Recherchen von Seymour Hersh, der die Täterschaft bei den USA in Zusammenarbeit mit Norwegen sieht. Der zweiten Theorie zufolge, die die westlichen Medien verbreiten, haben sechs ukrainische Aktivisten die Pipelines von einem kleinen Segelboot aus gesprengt. Egal, wie man es dreht und wendet, Russland war es nicht, sondern als Täter kommen nur Länder in Betracht, die Scholz aus irgendwelchen Gründen nicht kritisiert. Der Ukraine hat er sogar schon weit über 20 Milliarden Euro geschenkt. Aber auf seinem Parteitag behauptet Scholz, Russland habe die „Energieversorgung Europas eingestellt“.


    Viertens: Russland hat die Energieversorgung Europas übrigens ganz und gar nicht eingestellt, denn es fließt noch immer russisches Gas durch die ukrainische Pipeline nach Österreich und es fließt russisches Gas durch Turkish Stream nach Südosteuropa bis nach Ungarn. Außerdem wurde die EU zum größten Abnehmer von russischem Flüssiggas, von dem über Belgien übrigens sehr viel in Deutschland ankommt.


    Die Aussage von Scholz, Russland habe die „Energieversorgung Europas eingestellt“, war gleich aus ganz vielen Gründen eine dreiste Lüge. Aber das wissen seine Parteigenossen wahrscheinlich nicht. Ob sie Scholz wohl auch so fröhlich applaudiert hätten, wenn sie gewusst hätten, wie dreist ihr Kanzler ihnen ins Gesicht lügt?


    Kein Geld für die Deutschen und noch mehr Lügen

    Der Rest der Rede von Scholz war nicht besser, als seine Lügen vom Beginn der Rede. Er versprach, keine Sozialleistungen zu senken, obwohl er das schon getan hat, indem er wegen der von ihm verursachten Haushaltskrise die Subventionen für die gestiegenen Energiepreise bereits zum 1. Januar abgeschafft hat. Und das wird nicht der einzige soziale Einschnitt bleiben, denn es ist kein Geld da.


    Nur für eines ist Geld da: Für die Ukraine will Scholz weiterhin zahlen, wie er auch in seiner Rede wieder betont hat. Für die Deutschen ist kein Geld da, für die Ukraine schon. Er war in seiner Rede auch sehr stolz darauf, den vielen ukrainischen Flüchtlingen mit Milliarden geholfen zu haben. Darüber, wie er den Deutschen geholfen hat, hat er in seiner Rede wenig gesagt – und das Wenige, was er gesagt hat, war sogar auch noch gelogen, wie der Focus aufgezeigt hat.


    Danach hat Scholz im zweiten Teil seiner Rede ausführlich über den Klimawandel und die angeblich so toll laufende grüne Energiewende fabuliert, die Deutschland gerade ruiniert.


    Dass Scholz mit Zustimmungswerten von unter 20 Prozent der unbeliebteste Kanzler der deutschen Geschichte ist, hat er ignoriert. Dass fast 80 Prozent der Deutschen ein Ende seiner Regierung fordern, die sie genauso schlecht finden, wie den Kanzler selbst, scheint ihn auch nicht zu stören. Nur 17 Prozent der Deutschen bewerten laut „Politbarometer“ die Arbeit der Regierung positiv, nur noch 14 Prozent wollen die SPD wählen. So schlecht standen ein Kanzler und eine Kanzlerpartei noch nie da. Aber Scholz ist bekannt dafür, die Realitäten zu ignorieren.


    Wie Scholz die Haushaltskrise in den Griff bekommen will, darüber hat er folgerichtig kein Wort verloren, denn er kann offenbar nur zwei Dinge wirklich gut: Lügen und die Realitäten ignorieren.


    Info: https://www.anti-spiegel.ru/2023/die-luegenrede-von-scholz-auf-dem-spd-parteitag


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




    Weiteres:  




    siehe  Teure Sanktionsschlachten   https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9432

    10.12.2023

    Über den wertschöpfenden Charakter der Arbeit Wann wird Arbeit wieder unsere beste Freundin?   (I von II)

    hintergrund.de, vom (Veröffentlicht am) 17.11.2023 in: Zeitfragen, (9 Beiträge von Axel Klopprogge ansehen), Von AXEL KLOPPROGGE

    Sind all jene, die arbeiten müssen, arm dran? Oder ist Arbeit nicht vielmehr etwas, das dem Menschen Würde verleiht und Freude am Leben gibt? „Links“ verbrämtes Mitleid mit denen, die unser Gemeinwesen an dessen Basis funktionieren lassen, ist Teil eines Problems geworden. In seinem Essay beschreibt unser Autor die Situation und zeigt Auswege auf.


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    Wie kommen wir auf die abwegige Idee, dass Arbeit in irgendeinem Gegensatz zum Leben steht

    und damit in irgendeine Balance gebracht werden müsse? Foto: Pexels from Pixabay, Mehr Infos


    „Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen.“

    Genesis 1,19


    „Die Arbeit ist die Quelle alles Reichtums,
    sagen die politischen Ökonomen.

    Aber sie ist noch unendlich mehr als dies.
    Sie ist die erste Grundbedingung alles menschlichen Lebens,
    und zwar in einem solchen Grade,
    dass wir in gewissem Sinne sagen müssen:
    Sie hat den Menschen selbst geschaffen.“

    Friedrich Engels,

    Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen


    „Die Arbeit ist die beste Freundin des Menschen.“

    Berta Klopprogge, Erinnerungen 1890-1971


    Von einer hohen Sockelarbeitslosigkeit in das Gegenteil – einen Fachkräftemangel, der mehr und mehr das Leistungsgeflecht unserer Wirtschaft und Gesellschaft bedroht. „Wo sind die nur alle hin?“ fragte der Spiegel im Juli 2022 und die Lage hat sich seitdem weiter verschärft.


    Schon in der Corona-Zeit wurde unser gewohntes System der Arbeit durcheinandergewirbelt. Angeblich fand alles im Homeoffice statt, aber arbeiteten im Lockdown wirklich alle von zu Hause? Es ist die Rede von neuen virtuellen Arbeitswelten, in denen man zu beliebigen Zeiten und von beliebigen Orten aus arbeiten kann – eine Art Metaversum der Arbeit. Der Generation „New Work“ soll es besonders um die sogenannte „Work-Life-Balance“ und um Sinnstiftung gehen. Pädagogische Konzepte versprechen ein Lernen ohne Anstrengung. Oder wird Künstliche Intelligenz menschliche Arbeit ohnehin zu einem Konzept von gestern machen? Eine aktuelle Studie zeigt, wie die Erwähnung von Begriffen, die mit „Arbeiter“ im weiteren Sinne zu tun haben, sowohl im Bundestag als in verbreiteten Medien von 1949 bis 2019 auf ein Minimum zurückgegangen ist.[1] Für die Stahlindustrie fordert die IG Metall den Einstieg in die Viertage-Woche mit 32 Stunden. Gleichzeitig nehmen wir uns gewaltige Vorhaben wie den ökologischen Umbau der Wirtschaft vor. Und eigentlich verlangt die demographische Entwicklung, dass wir mehr und länger arbeiten. Ist Zukunft wirklich nur eine Frage der Haltung, wie neuerdings der Werbeslogan eines Autoherstellers lautet? Es ist an der Zeit, aus verschiedenen Perspektiven auf die Arbeit und ihre Bedeutung für uns Menschen zu schauen.


    Wirtschaft ohne Menschen: Wer nimmt wessen Arbeit?

    „Wir geben ihnen Arbeit und sie wollen auch noch Geld!“ So ungefähr lautete die Einstellung eines kleinen Unternehmers in meiner Verwandtschaft. Die Begriffe „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“ spiegeln ganz offiziell diese Haltung wider. Nicht etwa der Mitarbeiter gibt seine Arbeit für den Erfolg des Unternehmers, sondern der Unternehmer gibt ihm Arbeit – sozusagen, um ihn von der Straße zu holen.[2] Das alles ist nicht nur vulgäres Geschwätz, sondern wenn man in die Geschichte der Ökonomie schaut, dann ist dort kein angemessener Platz für die wertschöpfende Kraft der Arbeit. In der Lehre der Produktionsfaktoren stehen Boden, Kapital und Arbeit nebeneinander, als hätten sie gleiches Recht. Schon Karl Marx spottete über die Produktionsfaktoren: „Sie verhalten sich gegenseitig etwa wie Notariatsgebühren, rote Rüben und Musik.“[3] Er verwies unter anderem darauf, dass Kapital nichts anderes als kristallisierte Arbeit ist. Schaut man bei Wikipedia nach, dann entsteht der Zinsertrag durch die Knappheit des Kapitals – Menschen, die knapp bei Kasse sind, können diese wunderbare Vermehrung vermutlich nicht bestätigen.


    Schon vor über hundert Jahren warf Joseph Schumpeter der Volkswirtschaftslehre vor, in ihren statischen Modellen habe niemand eine andere Funktion als die der Kombination von Produktionsfaktoren und diese Funktion setzte sich „gleichsam mechanisch, gleichsam von selbst durch, ohne eines persönlichen Momentes zu bedürfen, das von dem der Beaufsichtigung und dergleichen verschieden wäre“.[4] In seinem Gegenmodell dachte Schumpeter gewiss weniger an die angestellten Arbeiter oder Ingenieure, nicht einmal an die angestellten Manager, sondern nur an den Pionierunternehmer. Aber immerhin hielt so ein leibhaftiger gestalterischer Mensch Einzug in die Ökonomie. Allerdings blieb dies trotz der allgegenwärtigen Schumpeter-Zitate ohne Auswirkungen auf das Fach. Dort erscheinen Unternehmer nach wie vor als anonyme Vollstrecker von ökonomischen Gesetzen und Anreizen, von Marktbedürfnissen, Trends oder Kapitalmarkterwartungen.


    In den gängigen Bilanzierungsregeln erscheint menschliche Arbeit nur als Kostenfaktor – seltsam, dass man diesen Kostenfaktor trotzdem immer wieder einstellt. In den gängigen Werkzeugen des Berichtswesens kommen die Arbeit als Wertschöpfungsfaktor und die Menschen, die diese Wertschöpfung vollbringen, nicht in derselben Weise vor wie andere Elemente. Aus jahrelanger Mitarbeit an einer Initiative, die schließlich zu einer weltweit anerkannten Norm führte, weiß ich aus eigener Erfahrung, wie mühsam es war und immer noch ist, nur eine schlichte Liste von mitarbeiterbezogenen Berichtsgrößen mit weltweit anerkannten Definitionen zu verankern.[5] Auch die wohlwollenden Bemühungen, menschliche Arbeit irgendwie in den sogenannten „Intangibles“ unterzubringen, führen in eine absurde Geisterwelt: Maschinen, Gebäude, Produkte und auch ein geistiges Konstrukt wie Kapital gelten als anfassbar, aber nicht die Menschen, die all das mit ihrer Arbeit geschaffen haben. Und die gefeierte Verhaltensökonomie sieht das Subjektive letztlich nur als Störung des Objektiven, während die Tatsache, dass Subjekte durch ihre Arbeit neue Objekte schaffen, unterbelichtet bleibt.


    Obwohl solche Befunde ebenso wenig neu sind wie die Klagen darüber, könnte man alles damit abtun, dass die Ökonomie eben die Wissenschaft des Kapitals ist und die ganzen Berichtsinstrumente eben die Handwerkzeuge ihrer Vollstrecker sind. Eine solche Einschätzung geht zwar meines Erachtens an der Sache vorbei, aber für den Augenblick lassen wir es so stehen.


    Arbeit als Mitleidsthema? Die linke Sicht

    Schauen wir also zu denen, die sich als natürliche Anwälte der Arbeiter fühlen oder fühlen müssten. Kürzlich kritisierte die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot zu Recht die wenig diverse Zusammensetzung des Parlaments und betonte, dass es bei der mangelnden Diversität nicht nur um Frauen oder Transgender gehen dürfe, sondern vor allem um andere soziale Perspektiven. Dann brachte sie als Beispiel nicht vertretener Gruppen in einem Atemzug das untere Fünftel, das nicht studiert hat, den Harz-4-Empfänger und die Lidl-Verkäuferin.[6] Gestolpert bin ich bei dieser Paarung nicht nur über den etwas abgegriffenen Sozialkitsch im Stile der berühmt-berüchtigten „Schlecker-Frauen“, denen man üblicherweise die Pflegekraft und den Streifenpolizisten hinzufügt. Mir fiel vielmehr auf, dass jemand, der Arbeit hat und Steuern und Sozialbeiträge zahlt, in einem Atemzug genannt wird mit einer anderen Gruppe, die nicht arbeitet und von den Steuern und Sozialbeiträgen anderer lebt. Auch in den Verlautbarungen und Forderungen der Linkspartei ist gebetsmühlenartig von „Geringverdienern“ die Rede. Was verbindet die beiden Gruppen? Doch nur, dass sie irgendwie „arm dran“, im „unteren Fünftel“ oder „unterprivilegiert“ sind oder wie auch immer die entsprechenden Wort-Ungetüme lauten.

    In meiner Studentenzeit erzählte mir eine befreundete Lehrerin für Geistigbehinderte, dass, wenn in irgendeiner Kneipe oder Disco die übliche Kontaktfrage „Was machst du?“ kam und sie ihren Beruf nannte, fast stereotyp der halb respektvolle, halb mitleidige Ausruf folgte: „Oh, das ist sicher sehr schwierig.“ Und genauso wie Pflegekräfte, die ständig bemitleidet werden, ärgerte sie sich zunehmend über diese Reaktion. Erstens war die Tätigkeit nicht schwieriger als jede andere ernsthafte Arbeit. Vor allem muss man für Schwierigkeiten nicht bemitleidet werden, sondern genau aus ihnen erwächst der Stolz und – geschwollen ausgedrückt – die vielzitierte Resilienz.

    Ich habe viel in Skandinavien gearbeitet und irgendwann habe ich meinen schwedischen Freund und Geschäftspartner gefragt: „Ihr Schweden seid doch eigentlich überhaupt nicht schmuddelig. Warum sind die Toiletten an Flughäfen oder in Restaurants oft in einem so bedauernswerten Zustand?“ Er verstand sofort, was ich meinte, und antwortete halbironisch: „Wir sind so sozial, dass wir glauben, dass es diese Arbeiten gar nicht geben sollte.“ Es gibt aber diese und viele vergleichbare Tätigkeiten, einfach weil wir saubere Toiletten und viele andere Dinge haben wollen. Warum fällt es uns so schwer, diese Tätigkeiten wertzuschätzen?

    Eine befreundete Landtagsabgeordnete wurde in die Schule einbestellt, nachdem ihr Sohn verkündet hatte, er wolle nach dem Abitur Koch werden. Es lag offenbar jenseits der Vorstellungswelt der Lehrerin, dass jemand nicht studieren will, sondern freiwillig und gerne einen handwerklichen Beruf anstrebt. Ich glaube, dass solche Eindrücke weder Einzelfälle noch Zufälle sind.

    Wenn man bei Arbeit sofort an Geringverdiener, Hartz 4 oder Sozialleistungen denkt, dann hat man den wertschöpfenden Charakter von Arbeit nicht verstanden. Wenn man meint, dass körperliche Arbeit, Anstrengung, Schmutz, Schichtdienst oder auch nur die zwingende Anwesenheit an einem physischen Arbeitsplatz automatisch ein Grund für Mitleid ist, dann nehmen wir den Menschen ihre Würde und ihren Stolz. Wenn wir dann die Fähigkeit verlieren, über die Tätigkeiten so zu reden, wie sie sind, alles in einen freundlichen verbalen Nebel verhüllen und die Leistung zwar nutzen, aber nicht sehen wollen, dann landen wir in einer Heuchelei mit sozialfürsorglichem Anstrich.

    Es ist gewiss zu begrüßen, dass durch die Bildungsreformen vergangener Jahrzehnte der Zugang zu höherer Bildung erleichtert und erweitert wurde. Aber wenn die Studienquote zum wichtigsten Kriterium gelungener Bildungspolitik wird, wenn dafür die Kinder terrorisiert und gleichzeitig die Anforderungen ständig heruntergeschraubt werden, wenn schließlich die Übertrittsempfehlung zur Weichenstellung eines gelungenen oder gescheiterten Lebens wird, dann läuft etwas schief. Das ist nicht nur bildungspolitisch und volkswirtschaftlich fatal, sondern degradiert alle, die nicht in Gymnasium oder Universität landen, zur Restbevölkerung von der Restschule. Und ich frage mich schon seit langem, was an dieser über Jahrzehnte betriebenen Politik eigentlich links und sozial sein soll. Für die USA sieht der amerikanische Philosoph Michael Sandel in dieser „Tyranny of Merit“ einen der Gründe für den Erfolg eines Donald Trump.


    Ist Wirtschaft rechts? Ist eine Arbeitslosenindustrie links?

    Vor zwanzig Jahren betrug die Arbeitslosigkeit in Deutschland 4,4 Millionen oder 11,6 Prozent. Bis 2005 stieg sie noch weiter auf 4,9 Millionen oder 13 Prozent. In den Neuen Bundesländern lag die Arbeitslosenquote über ein ganzes Jahrzehnt bei rund 20 Prozent. Und wohlgemerkt: In diesen Zahlen waren die Hunderttausende, die sich in geförderten Qualifizierungs- oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen befanden, nicht enthalten. Ich hatte damals die Gesamtverantwortung für das Personalmanagement eines DAX-Unternehmens mit rund 80.000 Mitarbeitern und war Mitglied in verschiedenen Arbeitgeber-Gremien. Wie viele Kollegen hatte ich mich weitgehend damit abgefunden, dass ein solcher Sockel der Arbeitslosigkeit bleiben würde und man allenfalls dafür kämpfen könnte, dass er angesichts des globalen Kostenwettbewerbs nicht noch größer würde. Einfache Arbeit hatten wir für Deutschland ohnehin abgeschrieben.

    Und dann kam die Agenda 2010 mit dem Versprechen, die Arbeitslosigkeit zu halbieren. Seit dieser Zeit hadern SPD und Gewerkschaften mit ebendieser Agenda 2010. Natürlich werden die Hartz-Reformen an manchen Stellen Fehler gehabt haben – wie sollte es anders sein. Aber wie kann es angehen, dass in der immerwährenden „linken“ Kritik an der Agenda 2010 nie eine Rolle spielt, dass die Arbeitslosigkeit in den Folgejahren und bis heute tatsächlich halbiert wurde – als wäre das nur ein vernachlässigbares Detail.

    Schnell kommt dann der Hinweis auf die Minijobs oder auf Beschäftigungsverhältnisse am unteren Rand der Entlohnungsskala. Warum wird vergessen, dass es ohne die Reformen diese Arbeiten gar nicht gäbe? Warum ist es „links“, die Analysen zu ignorieren, die zeigen, dass man aus einer geringfügigen Beschäftigung viel leichter in eine qualifizierte Vollzeitbeschäftigung zurückkehrt als direkt aus der Arbeitslosigkeit, erst recht aus einer Langzeitarbeitslosigkeit? Und wer hat sich eigentlich an den Maßnahmen der Hartz-Reformen gestört? Die Menschen, die in Arbeit waren und mit ihren Steuern und Sozialbeiträgen alle Sozialsysteme finanzieren müssen? Die drei Millionen Menschen, die in Arbeit zurückgekehrt sind? Wohl kaum.

    Seinerzeit wurde auch das Konzept der „Aufstocker“ entwickelt. Es war ein Versuch, den Zielkonflikt zu lösen, dass Arbeit einerseits wettbewerbsfähig sein muss (sonst gibt es sie nämlich gar nicht), und dass man andererseits für Arbeiten mehr bekommt als für Nicht-Arbeiten und dass schließlich Menschen in teuren Ballungsgebieten von ihrer Arbeit leben können. Von der Arbeitgeberseite hatten wir übrigens nicht die Sorge, dass es von den Arbeitenden missbraucht werden könnte, sondern eher vor einem wettbewerbsverzerrenden Mitnahmeeffekt seitens der Unternehmen: Wer durch schlechtere Bezahlung einen Wettbewerbsvorteil hat, würde dafür noch vom Staat belohnt. Nun, wie sich herausstellte, hat das Instrument trotz aller Bedenken durchaus funktioniert. Dennoch wird beklagt, dass es so viele Aufstocker gebe. Was wäre denn besser? Dass die Menschen nicht aufstocken müssten, sondern komplett von Arbeitslosengeld oder Hartz 4 lebten, weil sie gar keine Arbeit haben?

    Diese Frage ist weniger rhetorisch und sarkastisch, als sie klingt. In der Zeit höchster Arbeitslosigkeit saß ich im Vorstand des Bildungswerkes der Bayerischen Wirtschaft. Dort waren auch Bildungsmaßnahmen angesiedelt, die zur Umschulung oder bei Beschäftigungsabbau von der Bundesagentur für Arbeit finanziert wurden. Obwohl wir auf diesem Markt im Vergleich zu den gewerkschaftsnahen Bildungsanbietern nur ein kleiner Fisch waren und als Arbeitgeberverband auf die „Arbeitslosenindustrie“ schimpften, wollten wir trotzdem etwas vom Subventionstopf der Arbeitsagentur abhaben. War das eine besonders „linke“ und erstrebenswerte Zeit, weil die Subventionstöpfe wegen der Arbeitslosigkeit so groß waren?

    Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts bin ich durch die Gegenden in Ostdeutschland gewandert, wo die Arbeitslosigkeit oft über 20 Prozent betrug. Ich habe gesehen, was das mit den Menschen macht – nicht zuletzt auch mit den Kindern, die ihre Eltern seit Jahren nicht arbeiten gesehen hatten. Viele der damaligen Sorgen, Bedenken und Diskussionen haben sich durch die Arbeitsmarktentwicklung umgekehrt und erscheinen wie aus einer anderen Zeit. Trotzdem prägen sie bis heute das kollektive Gedächtnis gerade auf der „linken“ Seite. Für mich ist dieses ewige Hadern mit der Agenda 2010 ein weiterer Beleg dafür, dass ausgerechnet das angeblich „linke“ Spektrum den Blick für den wertschöpfenden und persönlichkeitsbildenden Charakter von Arbeit verloren hat.

    Ich fragte neulich einen ehemaligen Wirtschaftsminister eines Bundeslandes, warum das Thema Arbeit eigentlich so selbstverständlich in den Sozialministerien und nicht in den Wirtschaftsministerien angesiedelt ist. Der CDU-Politiker verstand sofort, wovon ich sprach. Er erläuterte mir, dass er mit Erfolg dafür gekämpft habe, dass Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung zu seinem Wirtschaftsministerium gehörten. Kluge Arbeitsmarkt-Politik sei eben Wirtschafts-Politik. Nach dem Regierungswechsel sei aber das Thema Arbeit wieder dem SPD-geführten Sozialministerium zugeschlagen worden. Ist das nicht eine verkehrte Welt? Nach üblichen Vorurteilen würde es nicht überraschen, wenn „die Rechten“ uns weismachen wollten, dass Wirtschaft etwas ist, was die Unternehmer und Banken ohne Zutun der Arbeitenden unter sich ausmachen. Aber was ist passiert, wenn eine Linke, an deren Wiege der Gedanke stand, dass alle Wirtschaft auf dem wertschöpfenden Charakter von Arbeit beruht, Arbeit in einem „Mitleids- und Hilfsministerium“ unterbringen will?


    Warum arbeitet man eigentlich? Kann man Wirtschaft runterfahren?

    Im Goinger Kreis beschäftigten wir uns gleich zu Beginn des Corona-Lockdowns mit den Folgen des Homeoffice – nicht nur für die Herausforderungen, die sich aus der Kombination von Homeoffice und Homeschooling ergaben, sondern vor allem auch, was es mit den sozialen Arbeitsbeziehungen macht. In unserer Studie „Fernverbindung“ kamen wir zu einigen kritischen Fragezeichen, was das Arbeiten über Entfernung und ohne direkten sozialen Kontakt betraf – Fragezeichen, die heute viel diskutiert werden, die aber in der damaligen Euphorie über die virtuelle Zukunft des Arbeitens noch niemand hören wollte.[7]

    Während wir daran im Verbund mit Hochschulinstituten arbeiteten, Interviews führten und Fachliteratur sichteten, kamen uns jedoch mehr und mehr ganz andere Fragezeichen in den Sinn: Ständig war davon die Rede, dass nach Corona nichts mehr so sein werde wie vorher. Das virtuelle Arbeiten sei die Zukunft. 80 Prozent der Tätigkeiten könnten von zu Hause oder jedem anderen beliebigen Ort erledigt werden. Der Rest sei eben eine aussterbende Spezies von Ewiggestrigen. Auch die Homeoffice-Verordnung des Arbeitsministeriums beruhte auf einer solchen Annahme und drehte deshalb die Beweislast um: Unternehmen mussten begründen, warum Mitarbeiter nicht von zu Hause arbeiten durften.

    Und das alles passierte, während dieselben Leute, die so etwas verbreiteten, gleichzeitig in aller Selbstverständlichkeit davon ausgingen, dass Supermärkte offen haben, dass die Regale befüllt werden, jemand an der Kasse sitzt und die Waren ja auch hergestellt werden müssen. Sie sahen Menschen auf Baustellen arbeiten, sahen Busse und Bahnen fahren – und auch hier musste es neben dem Vorgang selbst noch eine Infrastruktur im Hintergrund geben. Sie bestellten Waren im Internet, die am nächsten Tag von einem leibhaftigen Menschen an der Tür abgeliefert wurden – und auch diese Waren wurden vorher gewiss nicht virtuell oder im Homeoffice hergestellt und verpackt. Ich muss zugeben: Je mehr mir diese Diskrepanz bewusst wurde, desto größer wurde mein persönliches Unbehagen über diese Einengung des Blickfeldes. In einem Interview aus dem Frühjahr 2020 brachte der damalige Vorsitzende des Goinger Kreises und Infineon-Personalchef das Unbehagen auf den Punkt: „Selbst die virtuellsten Netzarbeiter essen Kartoffeln, Erdbeeren oder Spargel, sie brauchen Toilettenpapier oder jemanden, der sie im Alter wäscht und füttert. Und auch in zahllosen Fabriken arbeiten Menschen mit ihren Händen, mit Werkzeugen, miteinander. Als Infineon tragen wir zwar zur Digitalisierung und Virtualisierung bei, aber unsere Reinräume zur Chipherstellung sind nicht virtuell, sondern absolut real. Manager, die den ganzen Tag vom heimischen Arbeitszimmer aus Zoom-Meetings abhalten und vollmundig behaupten, jede Arbeit sei durch virtuelle Tools zu ersetzen, kennen ihre eigenen Unternehmen nicht – und zeigen erschreckend wenig Empathie für andere Berufsgruppen.“

    In der Corona-Zeit gab es Forderungen, nicht nur Cafés, Boutiquen oder Bibliotheken zu schließen, sondern die ganze Wirtschaft herunterzufahren. Der Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow, machte einen drastischen Vorschlag. Er wollte die gesamte Wirtschaft in den Lockdown schicken. „Wir müssen jetzt einfach einmal eine komplette Pause machen. Ich sehe keine Alternativen.“ Während sich die Grünen an seine Seite stellten, traf Ramelow bei der CDU und Wirtschaftsvertretern auf Widerstand. In der CDU hieß es, viele Branchen würden einen kompletten Lockdown nicht überstehen.

    In demselben Rahmen der Corona-Epidemie tauchte der Begriff der „systemrelevanten Berufe“ auf – sie sollten für das Funktionieren der Gesellschaft unverzichtbar sein. Die dort Tätigen sollten auch im Lockdown besondere Aufmerksamkeit zum Beispiel hinsichtlich der Kinderbetreuung genießen. Allein schon die ständigen Veränderungen der Definition setzten Fragezeichen hinter die Tauglichkeit des Begriffes der „Systemrelevanz“. Die Zusammenstellung war äußerst heterogen. In manchen Bundesländern waren landwirtschaftliche Berufe enthalten, in anderen nicht – kamen die Menschen in letzteren Regionen ohne Essen und Trinken aus? Der Verkauf von Lebensmitteln galt als systemrelevant, die Produktion dieser Lebensmittel nicht. Gebäude zu reinigen galt als systemrelevant, nicht jedoch diese Gebäude zu bauen und zu warten. Omnibusse und Lkw zu fahren, galt als systemrelevant, nicht jedoch dieselben herzustellen, zu reparieren oder zu betanken.[8]

    Komischerweise haben ausgerechnet viele der Berufe, die als systemrelevant galten, ein geringes Berufsprestige, ja insgesamt haben systemrelevante Berufe ein niedrigeres Prestige als nicht systemrelevante Berufe. Wie kann das sein? Und in wessen Augen ist das so? Haben Fernfahrer, Lokführer, Reinigungskräfte wirklich ein geringeres Berufsprestige in den Augen von Fernfahrern, Lokführern oder Reinigungskräften? Und haben diese Tätigkeiten ein geringeres Berufsprestige in den Augen derjenigen, die auf die entsprechenden Leistungen angewiesen sind? Gibt es nicht eher eine Korrelation zwischen dem niedrigen Prestige bestimmter Berufe und ihrem Verschwinden aus der Wahrnehmung zum Beispiel in der Homeoffice-Diskussion?

    Ich schreibe dies so ausführlich, weil sich das alles nicht auf irgendeiner „rechten“ oder „neoliberalen“ Seite des Meinungsspektrums abspielt. Nein, es sind Menschen, die sich für empathisch halten, die ein soziales Gewissen haben und sich wahrscheinlich eher links einordnen. Es sind sozialdemokratisch geführte Ministerien für Arbeit und Soziales. Eher linke Medien und Parteien. Und es sind keine Menschen, die irgendetwas Böses wollen. Aber umso mehr erschreckt es mich. Niemand würde sich wundern, wenn irgendein Cuponschneider, der mit Goldkettchen, Zigarre und Champagner auf seiner dicken Yacht sitzt, nicht mit der Frage behelligt werden möchte, woher sein Geld kommt. Aber was bedeutet es, wenn eine ganze Schicht, die keineswegs alle Millionäre sind, den großen Teil der Bevölkerung, der sich jeden Tag zu einer bestimmten Zeit an einen bestimmten Ort begibt, um dort nützliche Arbeit zu verrichten, für ein Phänomen der Vergangenheit hält? Was bedeutet es, wenn diese Menschen nicht mehr wahrgenommen werden, obwohl man sie täglich um sich herum sieht? Was bedeutet es, wenn man körperliche Arbeit nur noch als Gegenstand von Mitleid beschreiben kann?

    Und schließlich: Wenn man Wirtschaft „einfach mal runterfahren“ kann, warum betreibt man sie eigentlich? Für den Profit von Unternehmen, wie die Linken meinen? Um Branchen zu schützen oder zu erhalten, wie CDU und Wirtschaftsverbände anführten? War da nicht noch was? Werden in „der Wirtschaft“ – egal ob kapitalistisch oder sozialistisch – nicht Güter produziert und Dienstleistungen erbracht, die wir zum Überleben und für einen bestimmten Lebensstandard benötigen? Was bedeutet es, wenn wir in einer Gesellschaft das Verständnis für den wertschöpfenden Charakter von Arbeit verloren haben – und zwar egal, ob in Politik oder in der ökonomischen Wissenschaft, egal ob im sogenannten rechten oder linken Meinungsspektrum? Was bedeutet es, wenn selbst in der CDU der eigene Wirtschaftsflügel automatisch als rechts gilt? Ist Wirtschaft rechts? Vielleicht sollten diejenigen, die bewusst oder unbewusst so denken, mal wieder einen Blick in die grundlegenden Schriften von Karl Marx werfen.


    Gibt es Arbeiten mit mehr oder weniger Purpose?

    Erhärtet wird dieser Befund durch den modischen Begriff des „Purpose“. Anders als früher, so heißt es, erwarten junge Menschen, dass das Unternehmen, in dem sie arbeiten, sinnstiftend ist. Purpose wird zum Beispiel so beschrieben: „Aus Sicht von Good Jobs sind Purpose-Unternehmen solche, die einen Mehrwert für die Gesellschaft oder die Umwelt bieten.“ Davon abgesehen, dass es in einer Marktwirtschaft eigentlich gar keine Unternehmen gibt, die nicht in irgendeiner Form einen Wert für die Gesellschaft liefern, verengt sich die Perspektive des Begriffes rasch: „Diese Unternehmen sind im Bereich Bildung, Nachhaltigkeit, Tierwohl, Klimaschutz etc. tätig oder setzen sich dafür ein, dass zum Beispiel menschliches Leid gelindert wird. Kurzum, sie streben danach, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“[9]

    Was ist die Aufgabe eines Unternehmens, was sein Sinn? Wir sollten nicht aus den Augen verlieren, dass die gesellschaftliche Aufgabe eines Schraubenherstellers zunächst einmal darin besteht, Schrauben herzustellen. Und wenn man es verfeinern will: je nach Marktsegment besonders haltbare oder besonders kostengünstige Schrauben. Wenn eine Gesellschaft keine Schrauben benötigt, wird auch der Schraubenhersteller verschwinden, so wie Köhler oder Hufschmiede verschwunden sind.

    Wenn ein Unternehmen über das spricht, was es tut und was es bewegt, sollte es vor allem anderen über seine Kernaufgabe sprechen: Schrauben herstellen, Schweinehälften zu Wurst verarbeiten, Zahnräder gießen oder schleifen, Segmente von Windrädern schweißen, Menschen im Alter pflegen, Brot backen. Mit allem Weitergehenden übernimmt sich ein Unternehmen; und im Zweifel ist der Anspruch auch nicht ehrlich. Die Purpose-Etikettierung trägt auch nicht zur Markt-Differenzierung bei, denn wenn alle Unternehmen erzählen, dass sie die Welt zu einem besseren Ort machen wollen, dann ist das nichtssagend und austauschbar, solange nicht jemand behauptet, er wolle die Welt zu einem schlechteren Ort machen.

    Hat eine Arbeit in einem Unternehmen für Umwelt- oder Medizintechnik mehr Purpose als ein Steinbruch? Ein Krankenhaus mehr als eine Autowerkstatt? Eine Gleichstellungsbeauftragte mehr als ein Lagerarbeiter? Nehmen wir eine Arbeit, die nach den gängigen Beschreibungen besonders mit Purpose ausgestattet sein müsste, etwa ein Ingenieur im Bereich erneuerbarer Energien. Lebt dieser Mensch (und sein Unternehmen) von seinem Purpose? Braucht man nicht in jeder Umwelttechnik auch Schrauben? Wird dieser Ingenieur in seiner Pause nicht auch ein Wurst- oder Käsebrot essen? Hat ein Windrad keine Zahnräder? Werden die Windräder nicht vielleicht mit Lkws zu ihrem Einsatzort gebracht und müssen diese Fahrzeuge nicht bisweilen repariert werden – von einem Kfz-Mechaniker, der selbst wieder Schrauben benötigt und in der Pause Wurstbrote isst? Umweltingenieur und Kfz-Mechaniker werden übrigens zum Friseur gehen und saubere Toiletten bevorzugen. Und so weiter und so fort. Im Handumdrehen hat man die gesamte Volkswirtschaft ausgerollt und Begriffe wie „Purpose-Unternehmen“ oder „systemrelevante Berufe“ enthüllen ihre Inhaltslosigkeit. Am Ende bleiben nur zwei Dinge: Zum einen die triviale Erkenntnis, dass in einer arbeitsteiligen Gesellschaft alles mit allem zusammenhängt. Und zum anderen das schale Gefühl, dass einige Glieder dieses Netzwerkes partout etwas Besseres als andere sein wollen.


    Arbeiten wir künftig in Liegestühlen und Wohlfühl-Oasen?

    „Flexibel von zu Hause oder der ganzen Welt als virtuelle Assistenz arbeiten.“ Solche Angebote bezeichnen unter der Überschrift „New Work“ Arbeitsformen, bei denen sich die Menschen gar nicht mehr begegnen, sondern auf unterschiedliche virtuelle Weisen zusammenarbeiten – von zu Hause oder jedem beliebigen Ort, möglichst auch zeitlich flexibel. Als Aufmacher in Anzeigen oder Zeitungsartikeln zu New Work und zum virtuellen Arbeiten sieht man häufig Menschen, die mit ihren Laptops in Parks, an Seen oder gar im Liegestuhl am Strand sitzen. Die bisherigen Büroformen einschließlich der gerade noch gefeierten „Coworking Spaces“ wurden plötzlich zu Relikten einer altmodischen „Präsenzkultur“. Deutsche Manager werden aufgefordert, endlich aufzuwachen und solche Arbeitsplätze großflächig anzubieten. Und auch dort, wo es noch physische Arbeitsplätze gibt, sollen diese zu Wohlfühl-Oasen umgewandelt werden: „Nun gehört es zu den wegweisenden Phänomenen der Gegenwart, dass immer größere Teile der Arbeitswelt tatsächlich zu Orten werden, die Träume erfüllen. (…) Dabei geht es nicht um einen Trend, es geht um die revolutionierte Arbeitsdefinition der für den Markt relevantesten Generation.“[10]

    Offenbar scheint keine Rolle mehr zu spielen, dass es bei Arbeit um reale Wirkung in der Welt geht und dass man das nicht nur um das eigene momentane Wohlbefinden herum bauen kann. Offenbar fehlt das geringste Bewusstsein dafür, dass es dem Erz in tausend Meter Tiefe, der brennenden Scheune oder dem defekten Rechenzentrum ziemlich gleichgültig ist, ob wir gerade in passender Stimmung sind. Und zum anderen funktioniert das Lebens- und Wohlfühlmodell der angeblichen „Generation New Work“ nur, wenn die große Mehrheit der Menschen nicht so arbeitet. Oder werden die Bäckereien, Autowerkstätten, Schreinereien, Computerhersteller oder Feuerwehren ihren Mitarbeitern jetzt nur noch Wohlfühl-Oasen bieten statt Backstuben, Hebebühnen, Kreissägen, Montageplätzen und Drehleitern? Oder wie funktionierte das Arbeiten mit Laptop am Strand, wenn auch die Hersteller von Liegestühlen und Laptops am Strand säßen – oder gar die Mitarbeiter der Strandbar? Wie weit muss man sich von der Realität menschlichen Wirkens abgekoppelt haben, um eine so winzige, fast parasitäre Zuckerguss-Welt für ein allgemeines Arbeitsmodell der Zukunft zu halten?

    Ich unterstelle solchen Sichtweisen keine böse Absicht, aber gerade die Gedankenlosigkeit macht es noch schlimmer. Spiegeln die skizzierten Arbeitswelten nicht einfach nur den begrenzten Lebenshorizont bestimmter Schichten wider, die das Bewusstsein für die Leistungszusammenhänge einer arbeitsteiligen Gesellschaft verloren haben? Spiegeln sie nicht einfach nur Milieus wider, in welchen die Menschen, die diese Leistungen erbringen, gar nicht mehr wahrgenommen werden? Und wenn sie diese wahrnehmen, dann nur als Tätigkeiten mit weniger Prestige und Purpose. Ist es da noch verwunderlich, dass die so abgewerteten Berufe auch ein niedrigeres Lohnniveau besitzen? Das Mitleid, das gleichzeitig vielen der abgewerteten Tätigkeiten entgegengebracht wird, treibt den Mangel an Respekt auf die Spitze.

    Vor diesem Hintergrund beschäftigten wir uns 2022 im Goinger Kreis in einem weiteren Projekt mit den Vor-Ort-Arbeitenden und veröffentlichten die Ergebnisse in der Studie „Ortsbesichtigung“.[11] Dabei wurde anhand der Zahlen schnell klar, dass das ganze Getöse um New Work und Virtualisierung eher ein Sturm im Wasserglas ist. Die meisten Menschen sind aus guten Gründen mit dem größten Teil ihrer Arbeitszeit an bestimmte Zeiten und Orte gebunden. Das gilt nicht nur für Fabrikarbeiter, sondern für die unterschiedlichsten Tätigkeiten, zum Beispiel auch für Chirurgen oder Nobelpreisträger im Labor. Und gerade in der Corona-Zeit haben wir schmerzhaft gelernt, welche Folgen es hat, wenn Lehrer ihre Arbeit nicht gemeinsam mit den Schülern vor Ort ausüben.

    Auch wir selbst im Goinger Kreis hatten unsere Lernkurve. Schließlich sind auch wir Schreibtischarbeiter, die in der Coronazeit von zu Hause arbeiten mussten und vielfach auch die Flexibilität genossen haben. Als wir in unserem Projekt Vor-Ort-Arbeitende befragten, hatten nicht nur Professoren und Studenten, sondern auch wir selbst zunächst zu stark den Motivationsaspekt im Blick. So wollte man ernsthaft die Handwerker, die Lkw-Fahrer, die Hafenarbeiter fragen, ob sie motivierter wären, wenn sie ihre Arbeit von zu Hause aus machen könnten. Natürlich haben die Befragten uns erstaunt angeschaut. Andere Studien starteten mit der Vermutung, dass körperliche Arbeit in der Fabrik prinzipiell zu Unzufriedenheit und damit zum Abwandern nach rechts führe. Die Realität war jedoch eine andere: Die befragten Vor-Ort-Arbeitenden sind überhaupt nicht unzufrieden mit ihrer Arbeit. Sie wissen, dass ihre Arbeit sinnvoll ist. Sie wissen abends ganz genau, was sie getan haben. Sie beziehen ihre Zufriedenheit gerade aus der Bindung an bestimmte Orte und daraus, bestimmte Probleme zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort bewältigt zu haben. Sie wollen sehen, riechen, anfassen, hochheben, was sie tun, und es macht ihnen nichts, wenn ihre Hände dabei schmutzig werden. Und zwar nicht, weil sie für Schreibtischarbeit zu dumm wären, sondern weil sie die Wirkung ihrer Arbeit spüren.

    Wenn im Zusammenhang mit der Digitalisierung oft genug der Eindruck erweckt wird, eine Warenbestellung im Internet sei ein digitaler oder virtueller Vorgang, sozusagen etwas, das zwischen dem Kunden zu Hause am Bildschirm, dem Webdesigner und vielleicht noch dem digitalen Bezahldienstleister ausgemacht werde, dann verschwinden all die Tausenden und Millionen Mitarbeiter in der Fertigung und Logistik vom Hafen- und Lagerarbeiter über die Packer und Sortierer bis zu den Auslieferungsfahrern in der Unsichtbarkeit – ganz zu schweigen von denen, die wiederum diesen Menschen in der Kantine das Mittagessen zubereiten oder sie mit Bus und Straßenbahn zur Arbeit bringen. Dies ist zum einen respektlos gegenüber diesen Tätigkeiten. Aber es raubt auch den dort tätigen Menschen die Möglichkeit, stolz und konkret über ihre Arbeit zu sprechen. Die heillose Überbewertung des Homeoffice in der Corona-Zeit zeigt, wie weit dieser verhängnisvolle Prozess der Realitätsverdrängung schon fortgeschritten ist.

    Slogans wie „Für eine Welt, in der Innovationen reibungslos verlaufen“ oder „Future is an attitude“ übersehen, dass gestalterische Arbeit notwendigerweise mit Widerstand und Mühen verbunden ist. Wie Forscher herausgefunden haben, benötigt man ungefähr zehntausend Stunden, um in einem beliebigen Feld Exzellenz zu erlangen. Zehntausend Stunden – das sind zehn Jahre jeden Tag drei Stunden lernen, üben, probieren. Was man wie eine Handbewegung in der Luft ohne Mühen bewerkstelligen kann, hinterlässt keine bleibenden Spuren. Was leicht kommt, ist auch schnell wieder weg.

    Manche sprechen im Zusammenhang mit virtuellen Welten von „Realität plus“. Natürlich ist auch ein Gedanke eine Realität – das ist trivial. Aber der Gedanke steht nicht für die Tat. Es ist bestimmt unendlich nützlich, wenn man den Bau eines Tunnels vorher simulieren kann. Aber die Simulation eines Tunnels ist kein Tunnel. So wirklichkeitsnah ein Computer einen Vorgang simulieren kann und so sehr er uns damit zu täuschen vermag: Der Computer kann nicht auch noch seine eigene Stromversorgung simulieren.

    Wenn Sinn und Inhalt von Arbeit darin bestehen, in der Welt eine Wirkung zu erzielen, dann könnte man die Beweislast umdrehen: Eine Arbeit, die vollständig unabhängig von Raum und Zeit durchgeführt werden könnte, wäre eine Arbeit, die keinen direkten Bezug zur materiellen Welt besäße. Es wäre eine Arbeit, die niemals auf den Widerstand der Materie träfe, die niemals spürte, dass bestimmte Dinge wie Aussaat und Ernte, wie die Bearbeitung eines glühenden Eisens, wie der Transport und Einsatz von Beton oder wie die Erzeugung von Energie nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt, nicht mit beliebiger Dauer oder beliebigen Unterbrechungen durchgeführt werden können. Es wäre eine Arbeit, die niemals in die direkte Interaktion mit anderen Menschen ginge – denn dazu müsste man sich selbst beim virtuellen „Zoomen“ auf einen gemeinsamen Zeitpunkt einigen. Es wäre eine Arbeit, die niemals gelernt hätte, in unvorhergesehenen Situationen eine erfahrungsbasierte Bauchentscheidung zu treffen. Es wäre eine Arbeit, die niemals erlebt, gefühlt, gerochen oder angefasst hätte, was sie bewirkt hat. Es wäre eine Arbeit, die keine Geheimnisse beinhaltet. Besäße eine solche Arbeit überhaupt eine Anbindung an die Welt? Wäre sie in der Lage, Wirkung zu erzeugen? Wäre sie also überhaupt Arbeit im Sinne der obigen Definition? Wäre sie nicht ein bevorzugter Kandidat, durch Automatisierung oder Künstliche Intelligenz ersetzt zu werden? Oder andersherum gefragt: Wäre es überhaupt wünschenswert, dass Menschen, die diese Verbindung zur Welt nicht mehr besitzen, durch irgendeinen Mechanismus bevollmächtigt wären, Wirkung in der Welt zu erzeugen?


    Wie reden wir über Arbeit?

    Jeder bevorzugt saubere Toiletten, zum Beispiel an seinem Arbeitsplatz oder im öffentlichen Raum. Toiletten zu reinigen ist also eine Aufgabe mit hoher Nützlichkeit und Sinnhaftigkeit. Warum kommt in den ganzen Aufzählungen von Purpose-Unternehmen und Good Jobs nichts vor, was auch nur im entferntesten Sinne solche oder vergleichbare Aufgaben umfasste? Hat man schon einmal Anzeigen gelesen, in denen die „besten Toilettenreiniger Deutschlands“ gesucht werden? Und wenn man Anzeigen zu vielen solch höchst nützlicher Berufe findet, warum ist dann so wenig die Rede von dem, um das es doch geht: bei der Putzkraft um das Toilettenreinigen, beim Kfz-Mechaniker ums Autoreparieren, beim Friseur ums Haareschneiden, bei der Küchenhilfe ums Kartoffelschälen? Warum so wenig von den Anstrengungen, die damit verbunden sind: Körperkräfte, Belastungen, Gerüche, Ekel überwinden, Ausdauer, Geschicklichkeit, Wochenendarbeit? Worum ist so viel von abstrakten Anforderungen wie Teamgeist oder Selbständigkeit und von Aufstiegsperspektiven und Diensthandy, aber so wenig von der eigentlichen Arbeit die Rede?

    Natürlich ist es eine gute Sache, wenn es für engagierte Mitarbeiter die Möglichkeit gibt, sich weiterzuentwickeln, sich zu qualifizieren, zu verbreitern und schließlich auch mehr zu verdienen. Aber die Sache bekommt einen schlechten Beigeschmack, wenn dieses Entwicklungs- und Aufstiegsversprechen den Eindruck erweckt, die zu besetzende Stelle und die damit verbundene Arbeit seien gar nicht das Eigentliche, sondern nur eine Art notwendiger Durchgangsstation zu etwas Besserem, ein notwendiges Übel, über das man am besten gar keine Worte verliert. Nun gibt es in einer Organisation normalerweise mehr Indianer als Häuptlinge. Was ist also mit der Mehrheit, die im „notwendigen Übel“ steckenbleibt?

    Ein Reinigungsunternehmen sucht zunächst mal einen Toilettenreiniger, eine Gärtnerei einen Gärtner, eine Großküche eine Küchenhilfe. Und somit sind die damit verbundenen Tätigkeiten zunächst einmal das Eigentliche. Das Eigentliche ist nicht etwas, was erst danach kommt. Das ist auch nicht schlimm, denn jede Arbeit, wenn sie gut gemacht wird, hat ihre Würde in sich selbst. Und nicht in etwas, was außerhalb liegt oder erst danach kommt. Warum tun wir uns so schwer, geradeheraus und ohne weitere Schnörkel die Würde der Arbeit eines Straßenkehrers, Postboten, Toilettenreinigers anzuerkennen? Es kann kaum daran liegen, dass wir die Arbeit für überflüssig halten. Wir sprechen viel über Respekt für einfache und überhaupt für handwerkliche und körperliche Arbeit. Aber ist es ein Zeichen von Respekt, wenn wir – natürlich in bester Absicht und Purpose-beseelt – es nicht mehr schaffen, die eigentlichen Tätigkeiten auszusprechen, sondern sie in einen verbalen Nebel verhüllen?

    Aber es geht nicht nur um den Respekt, sondern auch um die Vorstellung, was eigentlich Arbeit und was ein Beruf ist. Bei vielen Managementaufgaben ist es schwierig, Branchenfremden oder den eigenen Kindern zu erklären, was man eigentlich tut. Ja, oft genug weiß man es abends selbst nicht. Viele handwerkliche oder sogenannte einfache Berufe haben dieses latente Nutzendefizit und Erklärungsproblem nicht: Ein Altenpfleger wäscht alte Menschen, ein Kfz-Mechaniker wechselt die defekte Lichtmaschine, eine Putzkraft reinigt pro Schicht siebzehn Toiletten, ein Busfahrer steuert Busse und bringt uns zum Ziel, ein Friseur wäscht und schneidet unsere Haare. Diese Berufe brauchen keine geschwollene Purpose-Verbalakrobatik, sondern sie tragen den Sinn offen in sich. Menschen, die diese Aufgaben bewältigen, können ohne komplizierte Begründungen, Erklärungen oder gar Entschuldigungen stolz auf ihre Arbeit sein.

    Hinzu kommt, dass man bei vielen dieser Tätigkeiten ganz leicht erkennen kann, ob die Arbeit sinnvoll und erfolgreich war. Die Arbeit eines Kfz-Mechanikers ist gut und sinnvoll, wenn das Auto nachher problemlos fährt. Die Arbeit der Reinigungskraft ist erfolgreich, wenn die Toilette sauber ist und gut riecht. Die Arbeit des Metzgers, wenn die Wurst gut schmeckt. Und in vielen Dienstleistungsbereichen – etwa bei Pflegekräften – wird die Leistung nicht unsichtbar hinter Fabrikmauern erbracht, sondern ohne Netz und doppelten Boden vor den Augen des Kunden. Warum fällt es uns trotzdem so schwer, einfach und in klaren Worten darüber zu reden? Schon vor Jahren habe ich Unternehmen vorgeschlagen, damit zu werben, dass etwas schwierig ist und man deshalb nur ganze Kerle oder besonders tüchtige Frauen gebrauchen könne.

    Jede Tätigkeit hat unangenehme oder schwierige Bestandteile. Ein Astronaut oder ein Pilot eines Überschalljets muss beim Start oder bei Flugmanövern Kräfte an der Grenze zur menschlichen Belastbarkeit aushalten – dabei trägt er übrigens Kleidung gegen Inkontinenz. Sportler trainieren ständig und mit Dreißig sind sie oft genug ein körperliches Wrack. Aufgrund der Belastungen im Operationssaal ist ein Chirurgenkongress ein Panoptikum von Haltungsschäden. Jeden Abend können wir Kriminalfilme sehen, in denen geradezu zelebriert wird, wie schwer sich die Arbeit bei der Mordkommission mit einem geregelten Familienleben verträgt. Hier reden wir ohne Weiteres über die schwierigen Seiten der jeweiligen Tätigkeiten, gerade deshalb machen wir die Akteure zu Helden. Warum fällt uns dasselbe so schwer bei den unangenehmen, anstrengenden, schmutzigen Aspekten der Tätigkeiten im einfachen oder handwerklichen Bereich, bei den alltäglichen Arbeiten um uns herum?

    Und wem fällt es eigentlich schwer, diese Tätigkeiten als das zu beschreiben, was sie sind und sie ausmacht? Sind es die Arbeiter selbst, die nicht wissen, was sie tun? Wohl kaum. Sind es nicht vielmehr andere, die zwar wollen, dass alles in der Gesellschaft bestens funktioniert, aber nicht die Arbeiten sehen wollen, die dies ermöglichen? Wenn das stimmt, dann sind wir wieder sehr nah an den sogenannten unreinen Berufen der Antike und des Mittelalters. Allerdings geht es offenbar nicht wie im Mittelalter nur um kleine Gruppen „unreiner“ Dienstleistungen, die mit Schmutz, Strafe und Tod zu tun hatten wie Gassenkehrer, Büttel, Köhler, Abdecker, Totengräber oder Scharfrichter, sondern um die Hälfte der Gesellschaft. Oder wir sind wieder nahe bei den Adeligen, die zwar all die Lakaien um sich herum nutzten, aber sie nicht als relevante Personen wahrnahmen. Noch schlimmer wäre es, wenn wir damit nicht nur uns selbst, sondern auch den Betroffenen die Fähigkeit raubten, ganz konkret und selbstbewusst über das zu sprechen, was sie tun.[12]


    Arbeit kann die Welt verändern – im Großen wie im Kleinen

    Elon Musk ist vielfach umstritten und in meiner Fantasie gehört er nicht unbedingt zu den Menschen, mit denen ich einen dreiwöchigen Urlaub verbringen möchte. Aber ich möchte seine Person benutzen, um die Arbeit von Pionieren zu verdeutlichen.

    Die Automobilindustrie hatte sich seit Jahrzehnten mit alternativen Antrieben beschäftigt. Schon in den 80er Jahren erprobte Daimler-Benz in einem Flottenversuch im damaligen Westberlin die verschiedenen Arten der Speicherung von Wasserstoff. Dasselbe Unternehmen engagierte sich für die Brennstoffzelle und verkleinerte die Technik, die 1994 zunächst den Platz eines ganzen Transporters benötigte, auf ein Format, das in den Unterboden einer Mercedes A-Klasse passte, der übrigens von vornherein dafür vorgesehen war. Man legte eine Kleinserie auf – und stellte 2021 alles ein. Alle namhaften Unternehmen haben immer wieder Prototypen von Elektrofahrzeugen entwickelt und erprobt – teilweise sogar in Kleinserien angeboten wie den Volkswagen Golf 1976 und dann wieder 2011.[13] Aber niemand hatte sich getraut, mutig und mit einem ganzheitlichen Konzept den Weg in den Markt zu gehen. Übrigens auch nicht die Hersteller von Elektrokarren, Flurförderzeugen oder Gabelstaplern, die seit Jahrzehnten Erfahrungen mit batteriegestütztem Elektroantrieb besaßen. Niemand wurde zum Pionier der Elektromobilität.

    Ja, und dann kam Elon Musk und Tesla. 2003 wurde Tesla gegründet. 2004 stieg Elon Musk ein und übernahm die Führung. 2008 erschien der erste Tesla Roadster auf Lotus-Basis, der in kleiner Serie produziert wurde. Schon 2012 erschien das Modell S, das die Welt für Elektrofahrzeuge revolutionierte und bis heute produziert wird. Es war ein überzeugendes Auto auf eigener Plattform mit sagenhaften Fahrleistungen, einer praxisgerechten Reichweite von über 500 km und kurzen Ladezeiten. In den angepeilten Märkten sorgte Tesla für eine Schnelllade-Infrastruktur, die inzwischen auch von anderen genutzt wird. Es war kein Auto für Spinner, sondern in seiner Klasse preislich konkurrenzfähig – was auch für die Modelle gilt, die inzwischen in darunterliegenden Klassen angeboten werden. Das Unternehmen hat seit seiner Gründung rund fünf Millionen vollelektrische Fahrzeuge gebaut. Bei Tesla arbeiten weltweit rund 130.000 Mitarbeiter. Der Börsenwert beträgt rund 800 Mrd. US-Dollar – zehnmal so viel wie der von Daimler.

    Heute, zehn Jahre später sind weltweit viele Anbieter unterwegs, deren Modelle sich mit Tesla messen können oder sie übertreffen. Aber ohne den unternehmerischen Wagemut von Elon Musk und Tesla könnten wir heute überhaupt nicht über Elektromobilität diskutieren. Wir würden uns immer noch damit rausreden, dass Elektroautos eines fernen Tages gewiss eine großartige Sache sein werden, aber im Augenblick noch nicht im Alltag funktionieren. Elon Musk und Tesla haben praktisch im Alleingang gezeigt, dass es funktionieren kann. Und nur deshalb können wir heute über die Verkehrswende diskutieren und das Verbrenner-Aus ab 2035 beschließen.

    Es gibt ein Bonmot des Harvard Business School Professors Theodore Levitt, mit dem man in jedem Management-Vortrag die Lacher auf seiner Seite hat: „Die Leute wollen keinen Viertelzoll-Bohrer kaufen, sie wollen ein Viertelzoll-Loch.“ Wie Tesla und viele andere Beispiele der Innovationsgeschichte zeigen, ist dieser Ausspruch nicht nur innovationsfeindlich, sondern auch falsch. Tatsächlich können wir uns, um im Bilde zu bleiben, ein Viertelzoll-Loch gar nicht vorstellen und auch nicht wünschen, bevor es von einem Viertzoll-Bohrer möglich gemacht wurde. Das Bedürfnis nach einer Sache kann der Idee einer Sache nicht vorausgehen. Etwas war unmöglich, bis jemand gezeigt hat, dass es möglich ist.

    Gibt es in der Ökonomie einen Platz für diese Pionierrolle des Unternehmertums? In der kapitalistischen Ökonomie außerhalb von Joseph Schumpeter bis heute nicht. Natürlich gibt es allerhand Modelle von Bedarfen, Potenzialen und Notwendigkeiten. Aber diese Theorien können aus vielen Gründen nicht stimmen. Ganz platt auf unseren Fall bezogen: Wenn der Bedarf oder das Potenzial für Elektroautos da war, warum haben andere dieses Bedürfnis und angebliche Marktpotenzial nicht genutzt? Wie man immer wieder sehen kann, sind Begriffe wie „Marktpotenzial“ oder „Bedürfnis“ Konstrukte, die im Nachhinein so tun, als hätten sie es vorher schon gewusst.

    Erst recht gibt es in der linken Ökonomie keinen Platz für den Pionierunternehmer. Leicht unterstellt man, dass es nur ums Geld gehe. Erst einmal ist das eine billige Unterstellung, weil niemand die Motive anderer Menschen kennt und man überhaupt bezweifeln kann, dass es hinter dem Wollen noch ein Wollen des Wollens gibt. Vor allem jedoch erklärt es gar nichts. Das wäre ja wunderbar, wenn aus dem Wunsch, reich zu werden, automatisch eine solche Erfolgsgeschichte folgte! Und wollten die anderen Hersteller, die eigentlich einen großen Vorsprung hatten, aber den unternehmerischen Mut nicht aufbrachten, kein Geld verdienen und nicht reich werden?

    Nun könnte man Elon Musk als Extrembeispiel abtun. Aber ich habe viele Gründer und Unternehmer kennengelernt, die auf einem kleineren Feld und gewiss weniger prominent eine ähnliche Innovations-, Pionier- und Gründergeschichte hingelegt haben wie Elon Musk. Vor allem jedoch will ich ein Beispiel anführen, das aus dem anderen Ende der Wirtschafts- und Arbeitswelt stammt: In meiner Studentenzeit habe ich jedes Jahr mehrere Monate als Briefträger gearbeitet. War bei einem Brief die Anschrift fehlerhaft oder fehlte der Name am Briefkasten, dann gab es zwei Möglichkeiten: Man konnte den Brief ohne weiteres als „unbekannt“ oder „unzustellbar“ stempeln und an den Absender zurückschicken. Oder man konnte einen Nachbarn fragen und das Problem in einer Minute lösen. Keine „einfache“ Arbeit ist so „einfach“, dass sie nicht solche Spielräume böte, sich zu kümmern, die Extrameile zu gehen oder sich verantwortlich zu fühlen.


    Arbeit macht den Menschen zum Menschen

    Hat wenigstens die Extrameile des Briefträgers einen Platz in der Ökonomie? In der Philosophie des „Wissenschaftlichen Managements“ ist sie per Definition ausgeschlossen – genau darin besteht ja das „wissenschaftliche“ Selbstverständnis des Taylorismus. Und diese Haltung findet ihre Fortsetzung in den starren Prozessen etwa der Qualitätssysteme oder in anderen digitalen Geschäftsprozessen. Seltsam: Frühere Arbeitskämpfe haben gezeigt, wie man mit „Dienst nach Vorschrift“ ganze Volkswirtschaften lahmlegen kann. Und genau das soll jetzt die Arbeit der Zukunft sein?

    Und auch die linke Ökonomie hat keinen Platz für den verantwortlich handelnden Briefträger. Schon bei Marx ist nicht nur kein Platz für den Unternehmer, sondern auch die Arbeiter sind eine anonyme Masse, die durch ihren Klassencharakter erschöpfend beschrieben ist. Und heute empfindet man es schon als bedrohliches Prozessrisiko, dass der Briefträger überhaupt entscheiden kann, ob er es so oder so macht. Und erst recht hält man die Ungleichheit, die sich daraus ergibt, dass der eine die Extrameile geht und der andere nicht, für eine potenzielle Ungerechtigkeit. Warum eigentlich?

    Auf der kapitalistischen Seite ist die Unbeholfenheit der Ökonomie im Umgang mit dem Menschen als handelndem Wesen ein Geburtsfehler, der bis heute auf dem Traum beruht, eine Naturwissenschaft sein zu wollen. Mit den Ursachen und absurden Folgen habe ich mich ausführlich in meinem Buch „Die Methode Mensch“ auseinandergesetzt. Und möglicherweise mag es ideologisch gelegen kommen, wenn Kapital und Profit nicht aus Arbeit entstehen. Aber warum tut sich die linke Ökonomie so schwer damit? Warum hält man bürokratische Strukturen, in denen für eigenständiges menschliches Handeln möglichst kein Platz mehr ist, für die Verwirklichung des sozialistischen Traums, für die Befreiung der Arbeiterklasse, für den Weg zu einer gerechteren Welt? Auf Marx und Engels kann man sich dabei jedenfalls nicht berufen.

    Arbeit hat nach Friedrich Engels den Affen zum Menschen werden lassen, ihn sozusagen sich vom Affen unterscheiden lassen. Der marxistische Archäologe Gordon Childe versah sein 1936 erschienenes Werk mit dem Titel: „Man makes himself“. Der Anthropologe Arnold Gehlen sagte „Der Mensch ist das handelnde Wesen“. Diese menschliche Fähigkeit, sich von dem zu lösen, was da ist, und gegebene Grenzen zu überschreiten, nannte Jean-Paul Sartre „Transzendenz“. Für Simone de Beauvoir war Transzendenz der Schlüssel zur Selbstbestimmung und Gleichberechtigung der Frau.

    Diese Fähigkeit zur Transzendenz führt aber nicht nur zur kollektiv-einheitlichen Unterscheidung des Menschen vom Affen, sondern logischerweise auch zur Unterscheidung zwischen Menschen. Hannah Arendt konstatierte: „In jedem Handeln kommt die Person in einer Weise zum Ausdruck wie in keiner anderen Tätigkeit.“ Wie viel Raum gewährt die Gesellschaft dem, was den Menschen zum Menschen macht? Das Marktprinzip baut alles darauf auf. Aber schaut man in Unternehmen, dann sieht es schon anders aus: Im wissenschaftlichen Management des Taylorismus kommt es nicht vor. In den starren Normen des Qualitätsmanagements ist es eine Todsünde. Und in digitalen Prozessen ist es schlichtweg nicht mehr möglich.

    Und wie wird es in einem Milieu gesehen, das sich als links empfindet? Seitens der Gewerkschaften und Betriebsräte habe ich über viele Jahre eine panische Angst vor Ungleichheit erlebt. Wo es Leistungsbeurteilungen gab, sollten sie möglichst zu einem für alle gleichen Ergebnis am oberen Rand führen. Dabei galt in der sozialistischen Bewegung einst der Slogan „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung“. Den Maßstab der Chancengleichheit mit dem Maßstab der Ergebnisgleichheit gleichzusetzen, beinhaltet die Auffassung, dass alle Menschen gleich dächten und handelten, wenn man sie nur ließe. Damit nähme man dem Menschen das, was ihn auszeichnet – er dürfte sich nicht mehr vom Vorgegebenen ablösen und damit letztlich keine eigene Person mehr sein.

    In Unternehmen, ja wahrscheinlich in allen Organisationen und gar in Familien trifft man auf eine Hierarchie jenseits dessen, was in den Organigrammen steht: Arbeit fließt immer dorthin, wo sie erledigt wird. Und zu wem die Arbeit fließt, der hat Macht, ob er will oder nicht. Er braucht nämlich nicht unbedingt die, die oben in den Kästchen stehen, aber die oben in den Kästchen brauchen die, die Arbeit tatsächlich erledigen. Hat eine „linke“ Ökonomie, die panische Angst vor Ergebnisungleichheit hat, einen gerechten Platz für die, die tatsächlich die Arbeit erledigen?

    Wen diese Überlegungen nicht überzeugen, dem hilft die geschichtliche Empirie auf die Sprünge: Wir leben nicht mehr in der revolutionären Hoffnung und Unschuld von 1917, sondern wir wissen, dass alle derart bürokratisierten Ökonomien schon an der Versorgung mit Klopapier scheiterten – übrigens nicht anders als kapitalistische Unternehmen, die bürokratisch erstarren oder die glauben, man könne komplexe Systeme von einem zentralen Punkt aus planen und steuern. Was muss noch passieren, dass die linke Ökonomie den Wertschöpfungscharakter der Arbeit wiederentdeckt? Wann schafft es die linke Ökonomie, Unternehmer nicht mit Couponschneidern gleichzusetzen. Wann schafft sie es, für den wertschöpfenden Charakter des Unternehmertums einen Platz zu finden. Wann erkennt sie, dass es längst eine Seelenverwandtschaft zwischen beiden Arten wertschöpfender Arbeit gibt? Mir geht es nicht um ein kitschiges Gemälde paradiesischer gesellschaftlicher Harmonie, sondern darum, jenseits aller strukturellen Interessenkonflikte den Wertschöpfungscharakter der Arbeit zu würdigen.

    10.12.2023

    Über den wertschöpfenden Charakter der Arbeit Wann wird Arbeit wieder unsere beste Freundin?   (II von II)

    Gesellschaftspyramide 2.0 – Opfer statt Täter?

    Es gibt eine alte Darstellung der Arbeiterbewegung, die die Pyramide der kapitalistischen Ausbeutung zeigen soll. Alles ruht auf den Arbeitern, deren Arbeit alle ernährt. Dann kommen von unten nach oben die Bourgeoisie („Wir fressen für Euch“), das Militär („Wir schießen auf Euch“), die Oberpriester („Wir beten für Euch“ oder in der englischen Urversion: „We fool you“), die Staatmänner („Wir regieren Euch“) und schließlich das Kapital („Wir herrschen über Euch“). Man muss diese Strukturierung nicht mögen und bezeichnend ist, dass ganz oben gar kein Mensch mehr herrscht, sondern das abstrakte Kapital, verkörpert durch einen Sack Geld. Aber für unseren Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass alle Ebenen der Pyramide auf dem Fundament wertschöpfender Arbeit ruhen.

    Mir scheint, dass diese Rolle im Bewusstsein der neuen Linken verwässert wurde.[14] Plötzlich finden wir an der Stelle der Arbeiter den erwähnten Hartz 4-Empfänger, alle Arbeitslosen oder Unterprivilegierten. Nun mag das Schicksal von Arbeitslosen hart sein, aber die Gesellschaft ruht nicht auf ihren Schultern – im Gegenteil, sie werden von der wertschöpfenden Arbeit der Erwerbstätigen aufgefangen. Dass man „unterprivilegiert“ ist, befördert auch andere nicht in die Basis der Pyramide. Frauen gibt es in allen Ebenen der Pyramide. Schwule und Transpersonen mögen unter Diskriminierung leiden oder gelitten haben, aber es gibt sie ebenfalls in allen Gesellschaftsschichten und die Gesellschaft ruht nicht auf den Schultern ihrer Homosexualität. In abgewandelter Form gilt es etwa für Schwarze: Selbst wenn in der untersten Kategorie überproportional Schwarze vertreten sein sollten, dann ruht die Gesellschaft nicht auf ihrem Schwarzsein, sondern auf ihrer wertschöpfenden Arbeit. Oder Flüchtlinge: Auch wenn man noch so sehr davon überzeugt ist, dass Flüchtlinge aufgenommen werden sollten, steht die Gesellschaft nicht auf den Schultern von Flüchtlingen, sondern ein Flüchtling steht per Definition zuerst einmal auf den Schultern der Gesellschaft, die ihm Schutz gewährt.

    Wohlgemerkt, mir geht es nicht darum, die Emanzipation von Frauen, Schwarzen oder Schwulen oder irgendeine Flüchtlingspolitik zu hinterfragen – aber es ist einfach eine ganz andere Kategorie. Die in der Pyramide abgebildete Rolle der Arbeiter, die mit ihrer wertschöpfenden Arbeit alle ernähren, ist nicht beliebig durch Opfergruppen ersetzbar. Das Schicksal dieser Opfergruppen mag nach Lösungen schreien, aber deshalb ruht die Gesellschaft noch lange nicht auf den Schultern von Opfern. Eigentlich ist die Botschaft der Pyramide genau umgekehrt: Das alte Bild sagt, dass Arbeiter keine Opfer, sondern Täter sind. Was ist passiert, dass die sogenannten „Linken“ den wertschöpfenden Charakter der Arbeit vergessen haben, ihn gar nicht mehr sehen wollen? Für mich ist das einer der Gründe, warum ich die neuere Linke für alles Mögliche halte, aber nicht für links.

    In Unternehmen gibt es traditionellerweise die Unterscheidung zwischen „direkten“ und „indirekten“ Mitarbeitern oder Bereichen. Während die direkten Bereiche die eigentliche Produktion unmittelbar betreffen, handelt es sich bei den indirekten Bereichen um unterstützende Funktionsabläufe, wie zum Beispiel die Personalabteilung oder das Controlling. In Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen spricht man von produktiven und unproduktiven Stunden. Ich habe diese Unterscheidungen nie besonders gemocht, weil sie in allzu platter Weise die Mechanismen eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens missachten.

    Dennoch kann man vielleicht etwas aus dieser Unterscheidung lernen: Die Gestaltungsspielräume einer Gesellschaft entstehen aus dem Mehrprodukt, das heißt aus dem Ertrag, der das überschreitet, was für den Erhalt der Arbeitskraft erforderlich ist. Am Anfang der Menschheitsgeschichte war das Mehrprodukt minimal. Heute ist es gewaltig. Aber es ist niemals unendlich. Eine Gesellschaft, egal ob kapitalistisch oder kommunistisch, kann auf der „indirekten“ Seite nur das ausgeben, was sie auf der „direkten“ erwirtschaftet hat. An dieser Stelle interessiert mich dabei nicht die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, sondern der Blick auf die Menschen und ihr Selbstverständnis. Bei aller Wechselwirkung einer gesellschaftlichen Arbeitsteilung sollten wir nicht ganz vergessen, dass Bäcker und Klempner ohne Gleichstellungsbeauftragte auskommen können, aber Gleichstellungsbeauftragte nicht ohne Bäcker und Klempner – ganz zu schweigen davon, dass uns erst eine wettbewerbsfähige Automobilindustrie mit einem Volumen von 500 Mrd. Euro erlaubt, Schokokrümel auf dem Sahnehäubchen zu finanzieren.

    Es ist das, was ich an der Purpose- und New-Work-Ideologie nicht nur als hohles Gerede empfinde (das ist es auch), sondern auch als unanständig: Wenn Menschen, die sehr auf der „indirekten“ Seite angesiedelt sind, plötzlich propagieren und selbst glauben, dass ihre Tätigkeit einen höheren Sinn und damit einen höheren Wert hat als die der „Direkten“, die ja „nur“ Schrauben herstellen, dann läuft etwas sehr falsch. Erst recht, wenn zu diesem Bild gehört, dass die leider nach wie vor unverzichtbaren „Direkten“ in einer mit Mitleid dekorierten Unsichtbarkeit versinken sollen. Ich weigere mich, das in irgendeiner Weise für links, sozial oder fortschrittlich zu halten.

    „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ Als Urheber dieses Satzes hatte ich Lenin in Erinnerung. Das war nicht ganz falsch, denn das Motto wurde in Zusammenhang mit der Arbeitspflicht in der frühen Sowjetunion verwendet. Tatsächlich jedoch ist der Spruch fast zweitausend Jahre älter und stammt vom Apostel Paulus (2. Brief an die Thessalonicher, ca. 50 nach Chr.). Wörtlich verstanden und aus dem Zusammenhang gerissen ist die Forderung natürlich grausam und unsinnig – man denke nur an Kinder, Alte, Kranke. Umso interessanter ist der Kontext, in welchem ihn Paulus gebraucht: Nicht nur votiert er gegen das griechisch-römische Verständnis, dass ein freier Bürger nicht arbeitet. Vielmehr versteht der Apostel Paulus seine eigene Missionstätigkeit nicht als Arbeit, sondern er legt Wert darauf, dass er sich seinen Lebensunterhalt selbst verdient und seinen Gemeinden nicht zur Last fällt. Dasselbe fordert er auch von den Gemeindemitgliedern. Untätig und frömmelnd das nahe Weltende abzuwarten in der Gewissheit, dann auf der richtigen Seite zu stehen, lehnt Paulus entschieden ab. Von den Gestalten der Bibel wissen wir im historischen Sinne fast gar nichts, aber sehr häufig den Beruf. Und dieser Beruf ist nicht „Heiliger“, sondern Hirte, Bauer, Fischer, Zimmermann, Fischer, Zeltmacher, Soldat, König. Fünfhundert Jahre später finden wir dieselbe Denke in der Ordensregel des Benedikt von Nursia. „Müßiggang ist der Seele Feind.“ (48.1) Benedikt wettert scharf gegen die Bettelmönche und Säulenheiligen, die auf Kosten anderer leben und deren Frömmigkeit nur funktioniert, weil andere nicht so fromm sind, sondern arbeiten. In der Benediktiner-Regel heißt es über die Brüder: „Sie sind dann wirklich Mönche, wenn sie wie unsere Väter und die Apostel von ihrer Hände Arbeit leben.“ (48.8) Anachronistisch ausgedrückt: Zeichen setzen und Haltung zeigen, gilt nicht als Beruf.

    Die Würde und Schönheit der Arbeit

    Vor einiger Zeit las ich die Überschrift „Es ist menschenunwürdig, Geschirr abzuwaschen.“ Leicht könnte man diesen Satz auf andere anstrengende, schmutzige oder unter schwierigen Umständen stattfindende Tätigkeiten übertragen. Aber was ist unwürdiger daran, Teller abzuwaschen als Teller schmutzig zu machen? Als Paul Bocuse, der Grandseigneur der Gourmet-Küche 2018 starb, wurde er in einem Nachruf mit dem Satz zitiert: Gute Köche gibt es wie Sand am Meer, aber gute Spüler sind selten. Ich wiederhole mich: Jede Arbeit, wenn sie gut gemacht wird, trägt ihre Würde und Schönheit in sich.

    Bevor ich das ein bisschen illustriere, möchte ich meine These an einigen kleinen persönlich erlebten Gegenbeispielen deutlich machen. Bei der Bundeswehr war das Essen grausam. Ich hatte mich jedoch mit einem der Köche angefreundet. Da er in meiner Heimatstadt wohnte, lud er mich zum Essen bei sich zu Hause ein. Ich freute mich sehr darauf, erstmalig in meinem Leben privat von einem gelernten Koch kulinarisch verwöhnt zu werden. Aber was gab es? Tiefkühlpizza und grünen Salat! Über die momentane Enttäuschung hinaus war es für mich ein Schlüsselbeispiel dafür, dass Menschen keine Freude und keinen Stolz in dem Beruf empfinden, den sie gewählt und erlernt haben. Hat eine solche Arbeit Würde?

    Das zweite Schlüsselbeispiel stammt aus der Frühzeit meiner Berufstätigkeit in einem großen Konzern. Um für eine Broschüre einen Fotografen zu engagieren, hatten wir ein Angebot mit einem üblichen Tagessatz eingeholt und über die Einkaufsabteilung den Auftrag lanciert. Der Einkaufschef verweigerte jedoch die Auftragserteilung. Der Tagessatz sei zu hoch und überhaupt rechne man nur stundenweise ab. Wie lösten wir das Problem? Wir akzeptierten pro forma die niedrigeren Konditionen, aber dann rechnete der Fotograf ohne Protest des Einkäufers pro Tag mehr Stunden ab, als ein Tag überhaupt Stunden hat – so dass wir de facto wieder beim ursprünglichen Angebot waren. Ein solches Verständnis von Arbeit, ein solches Aufplustern in Scheinwelten, wie es im Verhalten des Einkaufschefs zum Ausdruck kommt, hat für mich keine Würde. Und – der kleine Seitenhieb sei mir gestattet – ich frage mich aktuell oft, ob eine Arbeit Würde hat und Stolz vermittelt, deren Berechtigung und Ziel allein darin besteht, anderen Menschen irgendein angebliches Fehlverhalten nachzuweisen.

    Ich möchte mit diesen kleinen negativen Schlüsselerlebnissen deutlich machen, dass es durchaus so etwas gibt wie würdelose Arbeit, dass jedoch die Würdelosigkeit aus anderen Dingen entsteht als aus Schmutz oder Anstrengung.[15] Aber verlassen wir die Negativbeispiele und blicken auf die Schönheit der Arbeit.

    In einem Beratungsprojekt interviewte ich Mitarbeiter aller Funktionen und Ebenen. Ich erinnere mich sehr gut an eine Frau aus Bosnien, so um die fünfzig Jahre alt. Sie sah gedrungen und muskulös aus, eben wie jemand, der hart gearbeitet hat. Sie erzählte zunächst von ihrem Lebensweg, wie sie als gelernte Ingenieurin nach dem Bosnienkrieg mit ihrem Kind ihre Heimat verlassen hatte, um in Deutschland in mehreren Hilfsjobs gleichzeitig Geld zu verdienen und davon immer einen Teil in die Heimat zu schicken. Die Ehe ging in die Brüche, sie war plötzlich alleinerziehend und Alleinverdiener – das ganze Programm. Und dann schließlich erzählte sie von ihrer gegenwärtigen Tätigkeit als Pflegehelferin – von der Arbeit und den Gesprächen mit den alten Menschen und von den Rückmeldungen, die sie dabei bekommt. Und plötzlich wurden die Gesichtszüge weich, sie begann zu strahlen und wurde schön.

    Vor einigen Jahren ließ ich ein paar Holzteile herrichten. Der Schreiner war ein älterer Mann mit einer Werkstatt in einem Gartenhaus – ich fühlte mich wie bei Meister Eder. Er führte mir die restaurierten Holzteile vor, die alle in Seidenpapier eingepackt waren – für mich war es wie Weihnachten. Natürlich wird es bei der Arbeit gestaubt haben und natürlich wird irgendetwas nicht so geklappt haben wie gedacht. Aber wer wollte diesem Verhältnis zur Arbeit Schönheit und Würde absprechen?

    Ein Onkel arbeitete bei den Stadtwerken und leitete einen Bautrupp, der ausrücken musste, wenn es Rohrbrüche oder ähnliche Probleme gab. Gemäß Murphy’s Gesetz passierten Rohrbrüche vorzugsweise nachts, an Wochenenden oder wenn es regnet. Natürlich wird mein Onkel mehr als einmal geflucht haben, erst recht, wenn das Problem vor Ort nicht so leicht zu beheben war. Aber gleichzeitig bezog er seinen Stolz genau daraus, dass seine Tätigkeit so unverzichtbar war und auch keinen zeitlichen Verzug duldete.

    Freunde führen ein gutes Restaurant in Südtirol. Bei einem Kochkurs konnten wir erleben, mit welcher Sorgfalt und welchem Respekt vor den Zutaten in der Küche vorgegangen wird. Der Chefkoch hatte in der Jugend noch auf der Alm als Almbub gearbeitet. Er schilderte mir, mit welchem Respekt man die Tiere schlachtet, mit denen man mehrere Monate zusammengelebt hat. Da wird kein Teil des Tieres verachtet oder weggeschmissen, sondern möglichst alles verwendet. Oft sieht man die Reste des Vortages am nächsten Tag in veränderter Form wieder auf dem Teller. Übrigens gehört für diese Menschen auch dazu, vor dem Essen ein Gebet zu sprechen, weil nach ihrer Überzeugung trotz aller eigenen Arbeit und Anstrengung der Erfolg immer auch von Faktoren abhänge, die man nicht selbst beeinflussen könne – eine Haltung, die ich ganz unreligiös bei vielen gestalterischen Menschen erlebt habe.

    Ich mag Weinbauern. Das ist nicht nur dem Snobismus eines Weintrinkers geschuldet. Vielmehr gefällt mir die Kombination zwischen Bauer und Künstler – und natürlich auch überhaupt Unternehmer und Verkäufer. Sie sind weltoffen und kreativ, stehen aber gleichzeitig mit beiden Beinen auf dem Boden. Ein renommierter Winzer in Franken lieferte den Wein beim Papstbesuch, er kann ganze Säle unterhalten, aber wenn man in den Weinort kommt, dann kann man leicht erleben, wie er mit dem Traktor im Weinberg unterwegs ist.

    Die Verkäuferin in der Bäckerei oder Metzgerei: Sie macht ihre Arbeit mit Freude, schäkert mit Kunden, empfiehlt die heutige Kalbslende, gibt Hinweise zum Rezept und die Menschen verlassen den Laden mit einem Lächeln. Auch solche Arbeit hat Schönheit und Würde.

    Ich könnte diese Liste mit Beispielen aus verschiedensten Berufen endlos fortsetzen. Mir geht es um keinen Arbeiter- und Bauernkitsch. Mir geht es nicht um irgendeine schale Bergmanns- oder Ruhrgebiets-Herzkammer-Romantik. Mit geht es um die Würde der Arbeit. Jenseits aller ökonomischen Modelle: Eine Arbeit, die gut gemacht wird, hat ihre Ästhetik. Sie ist einfach schön. Und sie macht nicht nur etwas mit der Welt. Sie macht auch etwas mit den Menschen, die arbeiten. Arbeit führt nicht einfach in einen plumpen Machbarkeitswahn. Immer wieder hat mich gerade bei Könnern ihres Fachs, egal ob Wissenschaftler, Musiker, Unternehmer oder Handwerker, diese Mischung aus Fleiß, Hartnäckigkeit, ruhigem Selbstbewusstsein und Bescheidenheit beeindruckt.

    Meine Großmutter Berta Klopprogge stammte aus ärmsten Verhältnissen. Sie hat zwei Weltkriege, Inflation, Vertreibung, Vergewaltigung und deutsche Teilung erlebt. Sie hat von Kind an und ihr Leben lang als Landarbeiterin gearbeitet hat. In ihren Erinnerungen resümiert sie gerade in den schwersten Stunden: „Arbeit ist die beste Freundin des Menschen.“ Warum fällt es uns so schwer, das zu verstehen? Natürlich ist es schön, dass die meisten in unserem Land heute nur noch acht Stunden an fünf Tagen arbeiten müssen. Aber warum ist es automatisch besser, wenn es weniger wird? Wie kommen wir auf die abwegige Idee, dass Arbeit in irgendeinem Gegensatz zum Leben steht und damit in irgendeine Balance gebracht werden müsse? Oder wer Friedrich Engels mehr vertraut als meiner Großmutter: Warum sollten wir mehr Leben haben, wenn wir auf das verzichten, was uns aus Affen zu Menschen gemacht hat?

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    Der Autor

    Dr. Axel Klopprogge studierte Geschichte und Germanistik. Er war als Manager in großen Industrieunternehmen tätig und baute eine Unternehmensberatung in den Feldern Innovation und Personalmanagement auf. Axel Klopprogge hat Lehraufträge an Universitäten im In- und Ausland und forscht und publiziert zu Themen der Arbeitswelt, zu Innovation und zu gesellschaftlichen Fragen. Er ist Mitbegründer des renommierten Goinger Kreises. Gerade erschien sein Buch „Methode Mensch oder die Rückkehr des Handelns“.

    Quellen

    [1]       Beck, Linda / Westheuser, Linus, Verletzte Ansprüche. Zur Grammatik des politischen Bewusstseins von ArbeiterInnen, Berliner Journal für Soziologie 32 (2022) S.285f.

    [2]       Das war tatsächlich ein Argument der Arbeitgeberseite gegen die ersten Bemühungen zur Begrenzung der Arbeitszeit oder der Kinderarbeit. Siehe z.B. die Petition der Fabrikinhaber der Firma Leyen & Cie. In Krefeld an die preußischen Kammern 1854. Quellen zur deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte im 19. Jahrhundert bis zur Reichsgründung, hrsg. Von Walter Seitz, Bd. 36, Darmstadt 1980 S.316ff.

    [3]       Marx, Karl, Das Kapital. Kritik der politischen Oekonomie Bd III, MEW Bd. 25, Berlin 1983 (posthum 1894) S.822

    [4]       Schumpeter, Joseph, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Nachdruck der 1. Auflage von 1912, herausgegeben und ergänzt um eine Einführung von Jochen Röpke und Olaf Stiller, Berlin 2006 (1912)  S.68

    [5]       Ausführlich dazu Standortbestimmung, in: Goinger Kreis e.V. (Hrsg.), Grenzüberschreitungen zwischen Unternehmen und Gesellschaft. Herausforderungen im System Arbeit gemeinsam bewältigen, Hohenwarsleben 2019 S.308ff.

    [6]       Hintergrund 7-8/2023 S.28

    [7]       Klopprogge, Axel / Burmeister, Anne / Eichinger, Franz, Fernverbindung. Was man aus der Corona-Krise über virtuelle Führung und Zusammenarbeit lernen kann – und was nicht. Eine Studie des Goinger Kreises. Erster Zwischenbericht April 2020

    [8]       Annekatrin Schrenker / Claire Samtleben / Markus Schrenker, Applaus ist nicht genug. Gesellschaftliche Anerkennung systemrelevanter Berufe, Aus Politik und Zeitgeschichte APUZ 13-15 (2021), Bundeszentrale für politische Bildung https://www.bpb.de/apuz/im-dienst-der-gesellschaft-2021/329316/gesellschaftliche-anerkennung-systemrelevanter-berufe Schrenker et al., Applaus 2021 S.2ff.

    [9]       https://www.hallokarriere.com/purpose-unternehmen/

    [10]      Constanze Ehrhardt, Mein Office, meine Oase https://cmk.faz.net/cms/microsite/14438/mein-office-meine-oase

    [11]      Ortsbesichtigung. Warum manche Arbeiten an Orte gebunden sind und wie sich das durch  die Virtualisierung verändern könnte. Eine Studie des Goinger Kreises. Dezember 2022, von Axel Klopprogge, Anne Burmeister, Christina Erdmann, Eberhardt Jakobi, Heiko Mauterer, Nadja Sauerwein

    [12]      Vgl. hierzu die Studie Beck /Westhäuser, Verletzte Ansprüche 2022 S.299ff.

    [13]      https://www.welt.de/motor/article123516288/Wie-der-erste-Elektro-Golf-grandios-floppte.html

    [14]      Siehe dazu etwa Douglas Murray, The Madness of Crowds. Gender, Race and Identity, London 2019 S.51ff.

    [15]      Vgl. viele Beispiele bei David Graeber, Bullshit Jobs. Vom wahren Sinn der Arbeit, Stuttgart 2019


    Info: https://www.hintergrund.de/feuilleton/zeitfragen/wann-wird-arbeit-wieder-unsere-beste-freundin


    Unser Kommentar: Wenn die Ökonomie eben die Wissenschaft des Kapitals sei und die ganzen Berichtsinstrumente eben die Handwerkzeuge ihrer Vollstrecker sind, einschließlich der menschlichen Arbeitskraft, dann bekommt man zu fassen, dass der Systemfehler in den Köpfen passiert.

    Auf eine simple Frage reduziert: Wozu bzw. wem soll das Kapital dienen bzw. nutzen, wenn nicht dem Gemeinwohl. Klar, kein Ideal ist je vollends erreichbar doch als Grundlage des Handelns sollte es immer oberste Maxime sein.

    10.12.2023

    NATO-AKTE - Interview mit Grimme-Preisträger Frieder Wagner

    seniora.org, 10. Dezember 2023, Das Gespräch wurde Anfang November 2023 in Köln aufgezeichnet.

    "16 Studien zu Uranmunition im Geheimarchiv der WHO"

    Mit zwei Dokumentarfilmen (u.a. Deadly Dust) und dem Buch „Todesstaub made in USA - Uranmunition verseucht die Welt“ stellt der Regisseur und Grimme-Preisträger Frieder Wagner umfassendes Material aus umfangreichen Recherchen und wissenschaftlichen Untersuchungen der Öffentlichkeit zur Verfügung, um sich ein Bild über die Gefährlichkeit von Uran ummantelten Geschossen (Depleted Uranium = DU) und deren Langzeitwirkung zu machen.


    Nach dem Irak-Krieg 2003, in dem 2.000 Tonnen Uran-Geschosse zum Einsatz kamen, prognostizierten Wissenschaftler innerhalb von 10 Jahren bis zu 7 Millionen Todesopfer. Und ein Ende von aggressiven Krebserkrankungen und fötalen Missbildungen ist über Generationen nicht in Sicht.

    Die Frage des heute 81jährigen Frieder Wagner, vor allem in Bezug auf die aktuelle Situation, von Großbritannien und USA gelieferte Waffen aktuell in der Ukraine zum Einsatz zu bringen, ist ernst und nachvollziehbar: „...sind wir in einem verbrecherischen Laden gelandet?“.

    Nach dem Angriff auf ein riesiges Munitionsdepot am 13. Mai 2023 bei Khmelnytski gab es eine heftige Explosion mit einer schwarzen pilzförmigen Wolke. Am Explosionsort war offenbar Munition aus abgereichertem Uran gelagert, das von Großbritannien für Verwendung mit seinen Challenger Panzern geliefert worden war.

    So sind auch die von der Politik instrumentalisierten Medien Thema des Gesprächs mit der Fotografin und Redakteurin der Kölner Neuen Rheinischen Zeitung, Anneliese Fikentscher. Das Gespräch wurde Anfang November 2023 in Köln aufgezeichnet.


    Wagner.jpgFrieder Wagner wurde in Nordböhmen geboren und wuchs bis zum Abitur in Hof (Saale) auf. Von 1966 bis 1969 war er Kameraassistent bei Lucas Maria Böhmer, Gérard Vandenberg und Jan de Bont und machte sich 1970 selbständig als freier Licht setzender Kameramann bei Werbung und Spiel. Seit 1982 stellt Wagner eigene Filme und Dokumentationen in Personalunion als Autor, Kameramann und Regisseur her. In Zusammenarbeit mit Elvira Ochoa gründete er die Ochoa-Wagner Filmproduktion. Seit 1986 arbeitete er auch mit dem ZDF zusammen und entwickelte unter anderem die 18-teilige Kulturreihe "Wie Denken, die Welt bestimmt".


    Ab 1992 drehte er größere, auch investigative Dokumentationen für ARD, ZDF und WDR, wie "Die Schattenseiten der Macht - Machiavelli und die Moral in der Politik", "Der Fall Elisabeth Käsemann   – dass Du schweigst unter der Folter", "Gesucht wird … ein verschwundenes Millionenerbe", "Der General und die Opfer   – Deutsche klagen gegen Pinochet" und mit ARTE "Verschwörung des Schweigens" und viele weitere. Als verantwortlicher Kameramann für viele Dokumentationen erhielt die von Wagner fotografierte Dokumentation "Ausländer raus?" den Adolf-Grimme-Preis 1983 in Gold.


    Bereits vorher hatte er für eine Langzeitdokumentation den Grimme-Preis in Silber erhalten. Wagner ist auch Träger des Europäischen Fernsehpreises für Regie und Produktion. Seine Kameraführung für die WDR-Reihe "Geschichten von der Ruhr" erhielt den Journalistenpreis NRW.

    Das Buch mit Film-DVD von Frieder Wagner: "Todesstaub made in USA - Uranmunition verseucht die Welt" ist erhältlich im Wiener Promedia Verlag.


    Bitte unterstützen Sie unsere wichtige Arbeit.

    Redaktionell verantwortlich ist: Sabiene Jahn Koblenz: Im Dialog ist eine Veranstaltungsreihe mit Experten-Vorträgen, Interviews, Dokumentationen und persönlichem Austausch. Der Bürgerdialog möchte den freien Meinungsaustausch unter Menschen fördern, die sich wohltuend und respektvoll begegnen. Kontakt: koblenzimdialog@gmail.com

    Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=vdX4WGvFlQw


    Info: https://seniora.org/index.php?option=com_acymailing&ctrl=url&subid=3998&urlid=4822&mailid=2039


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    10.12.2023

    Israelische Siedlerin: «Kein Platz für Palästinenser» © arte «Palästinenser haben kein Recht, im Westjordanland zu leben»

    infosperber.ch, Red. / 10.12.2023  Israel nützt den Krieg aus, um die Annexionen im Westjordanland «unbemerkt» voranzutreiben. Die Zweistaaten-Befürworter schauen zu. upg. Eine 20-jährige Siedlerin in Westjordanland erklärte einem Reporter-Team von ARTE:

    «Ich glaube, dass es auf diesem begrenzten Territorium nur sie oder uns geben kann. Ein Frieden zwischen Juden und Nicht-Juden kann nie funktionieren […] Die Palästinenser haben kein Recht, hier zu sein. Wir können sie rauswerfen.»

    Dies tun die Siedler im Schatten des Kriegs im Gazastreifen in beschleunigtem Ausmass. Dabei geniessen sie Unterstützung der rechtsextremen Minister in der israelischen Regierung. Das zeigt eine aktuelle, am 4. Dezember ausgestrahlte Reportage von ARTE.

    ARTE bilanziert:

    «Während die Welt auf den Krieg Israels gegen die Hamas in Gaza schaut, wurden seit dem 7. Oktober über 1000 Palästinenser aus ihren Dörfern im Westjordanland vertrieben.
    Verborgen vor der Weltöffentlichkeit, die vor allem auf die Folgen des Krieges von Israel gegen die Hamas in Gaza schaut, vertrieben radikale Siedler im Westjordanland in den letzten Wochen immer mehr Palästinenser aus ihren Dörfern. Angesichts von Drohungen und Gewalt verliessen die Bewohner des Beduinendorfes Wadi Al Siq im Jordantal ihre Hügel. Südlich von Hebron, in Wadi Al Tiran, halten einige Familien noch aus. Die Bewohner des nahe gelegenen Dorfes Zanuta haben den Ort schon verlassen.
    Die Siedler Israels werden ermutigt durch die messianische Rhetorik der rechtsextremen Minister in der Regierung. Zu ihnen gehört der Minister für nationale Sicherheit, der die Verteilung von Tausenden von Waffen an Freiwillige ankündigte, die für die Sicherheit in ‹Judäa Samaria› zuständig sind – das ist der Name, den die Israelis dem Westjordanland geben, das gemäss UNO noch immer besetztes palästinensisches Gebiet ist.
    Fast 500’000 Israelis leben heute in Siedlungen im Westjordanland, dicht an einer weiteren Front des Konflikts.»


    Die ARTE-Reporter besuchten sowohl israelische Siedler als auch Palästinenser, die von den Siedlern schikaniert, bedroht und vertrieben wurden:


    Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsKeine
    _____________________
    Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.


    Info: https://www.infosperber.ch/politik/welt/palaestinenser-haben-kein-recht-im-westjordanland-zu-leben


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    10.12.2023

    Europa erzittert

    seniora.org, 10. Dezember 2023, Von Mark Wauck 9. Dezember 2023 - übernommen von meaninginhistory.substack.com

    Dieser Artikel ist ein Feature für die Leser am Sonntagmorgen im Vereinigten Königreich. Wie wir bereits festgestellt haben, sieht Vlad entspannt, selbstbewusst und fröhlich aus. Und warum sollte er auch nicht? Sie würden an seiner Stelle auch lächeln.



    Putin.png

    Als Beispiel dafür, wie das Vereinigte Königreich versucht, die Situation zu bewältigen, ist der Artikel höchst amüsant   – ebenso wie seine Ansichten über die US-Politik. Besonders gut gefallen hat mir dieser Absatz, der beide Aspekte enthält   – Bewältigungsversuch und karikaturistische Ansichten über Amerika. Der Autor gibt offen zu, dass er fest damit gerechnet hatte, dass die Ukro-Nazis Russland von der Krim vertreiben würden, so dass man sich seine Bestürzung und Ablehnung vorstellen kann. Was die US-Politik angeht, so spiegelt der Autor im Grunde die angst (sic!) der Neocons vor einer Trump-Wiederkehr wider   – und Amerika ist für die Neocons weitgehend ein fremdes Land, ein Land, das sie nur zum Zwecke der Machtprojektion in anderen Teilen der Welt beachten:

    Putin braucht nur noch 12 Monate durchzuhalten. Selbst wenn Donald Trump nicht gewählt wird   – der ehemalige Präsident macht keinen Hehl aus seiner Bewunderung für den russischen Tyrannen und ging einmal so weit zu erklären, dass er Putin mehr vertraue als den US-Sicherheitsdiensten   – haben sich republikanische Kongressabgeordnete gegen den Krieg gewandt. Letzte Woche blockierten sie Präsident Bidens 88 Milliarden Pfund schweres Hilfspaket für die Ukraine.

    Ja, nun, Trump ist ein realistischer Realist.

    Die Erkenntnis, dass das Ende naht, veranlasst die europäischen Hauptstädte zur Gewissensprüfung. In diesem Zusammenhang bin ich auch auf einen interessanten Artikel in einer polnischen Zeitschrift gestoßen, der eine differenziertere Sichtweise vertritt als der Telegraph. In dem Artikel Gotowi na pokój na Ukrainie? (Bereit für Frieden in der Ukraine?) wird über die Zukunft Europas, insbesondere Polens, nachgedacht, und zwar angesichts der klaren Signale aus den USA, dass das Ende der Unterstützung für die Ukraine   – bei allem Bewältigungsversuch, dem Weinen und der Rationalisierung der Niederlage   – nicht mehr weit entfernt ist.

    Was diesen Artikel so interessant macht, ist die   – aus moderner polnischer Sicht   – untypische Perspektive des Autors. Der Autor ist Jan Engelgard, ein Historiker und ein in Polen recht bekannter politischer Denker. Der Schlüssel zum Verständnis seiner Sichtweise liegt meines Erachtens darin, dass er derzeit Direktor eines politischen Instituts ist, das nach Roman Dmowski benannt ist. Dmowski ist heute vor allem dafür bekannt, dass er die Vision für Polen vertrat, die in den Zwischenkriegsjahren am stärksten mit der von Józef Piłsudski kontrastierte. Ich habe häufig über Piłsudskis Vision eines wiederauferstandenen, multiethnischen, von Polen geführten "Intermariums" geschrieben, das sich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer erstreckt. Dies war eine romantische Nachbildung eines idealisierten polnischen Commonwealth, das in der Vergangenheit nie wirklich existierte. Dmowski hingegen vertrat die Vision eines Polens, das auf dem modernen nationalistischen Modell der Nationalstaaten in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg basierte.

    Es gibt zwei Gründe, warum die gegensätzlichen Ansichten von Dmowski und Piłsudski wichtig bleiben. Natürlich bleiben ihre Ansichten für die Politik in Polen wichtig. Allerdings ist Piłsudskis Ansicht, die auch als Prometheismus bekannt ist, ein direkter Vorläufer der neokonservativen Ideen zur Schwächung Russlands. Im Gegensatz dazu sah Dmowski in Deutschland eine weitaus größere Bedrohung für die polnische nationale Identität als in Russland. Sollten sich polnische Politiker in dieser nationalen Krise an Dmowskis Ideen orientieren, könnte dies tiefgreifende Auswirkungen auf die europäische Sicherheitsarchitektur haben:

    Roman Stanisław Dmowski (9. August 1864   – 2. Januar 1939) war ein polnischer Politiker, Staatsmann sowie Mitbegründer und Chefideologe der politischen Bewegung der Nationalen Demokratie (abgekürzt "ND": polnisch "Endecja"). Er sah in der Germanisierung der vom Deutschen Reich kontrollierten polnischen Gebiete die größte Bedrohung für die polnische Kultur und befürwortete daher ein gewisses Entgegenkommen gegenüber einer anderen Macht, die Polen geteilt hatte, dem Russischen Reich. ... Als er während des Ersten Weltkriegs in Paris weilte, war er durch sein Polnisches Nationalkomitee ein prominenter Sprecher der polnischen Bestrebungen gegenüber den Alliierten. Er war eine entscheidende Figur bei der Wiederherstellung der Unabhängigkeit Polens nach dem Krieg. Die meiste Zeit seines Lebens war er der wichtigste ideologische Gegner des polnischen militärischen und politischen Führers Józef Piłsudski und von dessen Vision von Polen als multinationaler Föderation gegen den deutschen und russischen Imperialismus.

    Mit Ausnahme einer kurzen Amtszeit als Außenminister im Jahr 1923 übte Dmowski nie nennenswerte politische Macht aus. Dennoch war er einer der einflussreichsten polnischen Ideologen und Politiker seiner Zeit. Die meiste Zeit seines Lebens war Dmowski eine umstrittene Persönlichkeit. Er strebte eine homogene, polnischsprachige und römisch-katholische Nation an, im Gegensatz zu Piłsudskis Vision des Prometheismus, die ein multiethnisches Polen anstrebte, das an das polnisch-litauische Commonwealth erinnerte. Infolgedessen marginalisierte sein Denken andere in Polen lebende ethnische Gruppen, insbesondere die in den Kresy (zu denen Juden, Litauer und Ukrainer gehörten), und er wurde als antisemitisch angesehen. Er bleibt eine Schlüsselfigur des polnischen Nationalismus und wird häufig als "Vater des polnischen Nationalismus" bezeichnet.

    In typisch polnischer Manier gelang es Dmowski, die meisten Verbündeten in Versailles zu verprellen   – obwohl man fairerweise sagen muss, dass Dmowski mit einem Westen konfrontiert war, der sowohl in polnischen Angelegenheiten unwissend war als auch ein tiefes Desinteresse an Polen und den Polen zeigte, abgesehen von der Notwendigkeit, Europa aus eigenen Gründen und Interessen aufzuteilen. Wilson betrachtete die Polen im Grunde als ein Ärgernis, aber ein britischer Diplomat war in der Lage, die andere Seite zu sehen:

    Der amerikanische Präsident Woodrow Wilson berichtete: "Ich sah Herrn Dmowski und Herrn Paderewski in Washington und bat sie, mir Polen zu definieren, wie sie es verstanden, und sie legten mir eine Karte vor, auf der sie einen großen Teil der Erde beanspruchten."

    Wilsons Einwände rührten zum Teil von seiner Abneigung gegenüber Dmowski persönlich her. Ein britischer Diplomat erklärte: "Er war ein kluger Mann, und klugen Männern misstraut man; er war logisch in seinen politischen Theorien, und wir hassen Logik; und er war hartnäckig mit einer Hartnäckigkeit, die jeden in den Wahnsinn treiben konnte."

    Es sollte klar sein, dass die antirussische Strömung des Piłsudski-Denkens in Polen auch heute noch vorherrschend ist   – in praktisch allen polnischen politischen Parteien, wenn auch am lautesten in der Partei Recht und Gerechtigkeit. Das ist die Schwierigkeit, mit der Engelgard zu kämpfen hat, obwohl er sie nie beim Namen nennt. Wie Sie jedoch sehen werden, spiegeln sein Eintreten für ein Ende des Krieges gegen Russland und seine Offenheit, russische Sicherheitsbedenken anzuerkennen, Dmowskis Denken wider   – wenn auch in einem modernen Kontext. An einer Stelle fragt er, warum "keine politische Kraft in unserem Land es wagt, eine solche Forderung zu formulieren"   – nämlich die nach einem Ende des Krieges gegen Russland. Er weiß sicher, dass der Vorwurf der Anbiederung an Russland in Polen politischer Selbstmord bleibt.

    Schauen wir uns also Engelgards Artikel an, mit dem er versucht, die Polen dazu zu bewegen, sich zu überlegen, wo ihre Interessen liegen   – im Westen oder bei Russland. Dies ist im Grunde eine automatische Übersetzung, aber ich habe sie an einigen Stellen geändert:

    Bereit für Frieden in der Ukraine?

    Sind Polen und sein Establishment bereit für einen Frieden in der Ukraine, aber ohne einen Sieg der maximalistischen Art, wie er 2022 als Dogma für den endgültigen Sieg der Ukraine und ihre Rückeroberung nicht nur des Donbas, sondern auch der Krim und vielleicht auch der Eroberung Russlands angenommen wurde?

    Dafür gibt es keine Anzeichen. Während im Westen immer mehr Stimmen laut werden, dass der Krieg beendet werden muss und die Ukraine sich mit ihren territorialen Verlusten abfinden muss, wagt es in Polen niemand, dieses Thema auch nur anzusprechen.

    Wir sehen hier, dass Engelgard möchte, dass sich die Polen mit der Lähmung in ihrer Politik auseinandersetzen. In einer so grundlegenden Frage für Polens Zukunft   – aber, wie wir in dem obigen Telegraph-Artikel sehen können, ist dies auch ein Problem für Europa im Allgemeinen. Die amerikanischen Neocons Haass und Kupchan ringen mit diesem Problem   – dem Problem, einen drohenden und "verheerenden" russischen Sieg irgendwie zu verarbeiten. Für die Amerikaner ist dies nach wie vor eher ein PR-Problem, ein Problem der Tarnung, auch wenn sich das ändern könnte. Für die Polen ist dies eine existenzielle Angelegenheit   – die Polen können es sich nicht leisten zu schweigen.

    Inzwischen mehren sich die "Friedenssignale", von der "Bild"-Zeitung bis hin zu seriösen Publikationen wie der "Washington Post" oder "Foreign Affairs". In letzterer schlugen Richard Haass (langjähriger Präsident der renommierten Denkfabrik Council on Foreign Relations) und Charles Kupchan (Professor für Politikwissenschaft an der Georgetown University) vor, den von Präsident Biden formulierten Grundsatz beizubehalten, dass die Hilfe für die Ukraine "so lange wie nötig" andauern wird, doch sollte diese Regel zeitlich präzisiert werden. Sie sollte nämlich bis zum Ende dieses Jahres gültig sein. Dann wird der Zeitpunkt kommen, an dem die Vereinigten Staaten und Europa 'guten Grund' haben werden, die Politik aufzugeben, die durch die Formulierung 'so lange wie nötig' symbolisiert wird. Was bedeutet das? "Die Aufrechterhaltung der Existenz der Ukraine als souveräne und sichere Demokratie ist eine Priorität, aber dieses Ziel erfordert nicht, dass das Land die vollständige Kontrolle über die Krim und den Donbas wiedererlangt. Um es ganz klar zu sagen: Wir müssen den Frieden (Waffenstillstand) schließen und dabei die russischen Errungenschaften anerkennen.

    Im vorangegangenen Absatz versucht Engelgard, seine Leser davon zu überzeugen, dass Polen es sich nicht leisten kann, zurückzubleiben und einfach zu akzeptieren, welche Zukunft die Neocons Polen nach dem Abzug der USA zugestehen. Polen muss seine Zukunft selbst in die Hand nehmen, und das bedeutet, zu erkennen, dass das Zhou-Regime [Anm. des Übersetzers: diese Bezeichnung verwendet der Autor regelmässig für die Biden-Administration] versucht, die Polen zu täuschen.

    Was sagt Warschau dazu? Was sagen andere Länder in der Region dazu? Einer der estnischen Militäroffiziere formulierte die folgende These: "Es gibt nur zwei Lösungen: Entweder die Ukraine gewinnt, oder es gibt einen Dritten Weltkrieg." Diese verrückte Position wird wahrscheinlich von einem großen Teil der Anhänger der Ukraine in unserem Land geteilt, auch wenn solche Äußerungen offiziell nicht gemacht werden. Der so genannte offizielle Optimismus ist nach wie vor vorherrschend, ebenso wie [das Bemühen], die öffentliche Meinung davon zu überzeugen, dass eine Niederlage der Ukraine bedeutet, dass wir auf jeden Fall von Russland angegriffen werden, was ein raffinierter Propagandaschachzug Kiews ist, um die westliche Politik der bedingungslosen militärischen und finanziellen Unterstützung aufrechtzuerhalten. Solche demagogischen Äußerungen werden von ukrainischen Politikern auf verschiedenen Ebenen oft als Erpressung eingesetzt (z.B. beim Protest polnischer Fluggesellschaften). Dieser Trick wird auch von der gescheiterten Regierung von Joe Biden angewandt, die die Länder an der Ostflanke der NATO mit der Androhung eines russischen Angriffs in Angst und Schrecken versetzt.

    Kein Land in Europa sollte mehr an einer Beendigung des Krieges interessiert sein als Polen, das als erstes die Konsequenzen zu spüren bekommen wird, wenn die militärische Situation eskaliert. Polen sollte eines der ersten Länder sein, das ein Ende des Krieges fordert, so wie es die Ungarn tun. Doch keine politische Kraft in unserem Land wird es wagen, eine solche Forderung zu formulieren, obwohl sie im Interesse Polens liegt. Warum? Weil das Dogma des "Kämpfens bis zum Ende" immer noch gilt   – die Tatsache, dass es "bis zum letzten Ukrainer" bedeutet, kümmert in Polen niemanden. Schlimmer noch: Wenn die 'letzten Ukrainer' sterben, dann, so argumentiert Jacek Siewiera, der Leiter des Nationalen Sicherheitsbüros, in einem Interview für 'Nasz Dziennik', wird Polen innerhalb von drei Jahren einen Krieg mit Russland haben. Wenn wir einen Krieg vermeiden wollen, sollten die NATO-Länder an der Ostflanke einen kürzeren Zeithorizont von drei Jahren wählen, um sich auf eine Konfrontation vorzubereiten. In dieser Zeit muss an der Ostflanke ein Potenzial geschaffen werden, das ein deutliches Signal zur Abschreckung von Aggressionen darstellt. Übrigens sagt General Leon Komornicki, der unter den pensionierten Generälen als Realist gilt, dasselbe.

    Um es also ganz offen zu sagen: Niemand in Polen spricht von einer grundlegenden Änderung der westlichen Politik gegenüber Russland hin zu einem Dialog und der Schaffung eines Sicherheitssystems, in dem sich alle Parteien (Russland und der Westen) sicher fühlen. Um dies zu erreichen, müssen wir zuallererst den Marsch der NATO nach Osten beenden, klar erklären, dass die Ukraine ein neutrales Land sein wird, die Politik der endlosen Sanktionen beenden und alle Institutionen wiederbeleben, die eine Plattform für den Dialog zwischen Russland und Europa sein könnten (z.B. die OSZE). Jemand wird sagen: Aber das ist doch unmöglich? Dann wird er zugeben, dass der bereits zitierte estnische Offizier Recht hat   – die Alternative ist der Dritte Weltkrieg.

    Die eigentliche Frage, die sich den Polen stellt, bleibt unausgesprochen. Wenn der Westen, auf den sich Polen törichterweise verlassen hat, einen Abzug in Erwägung zieht, bei dem Polen, ungeachtet der schönen Rhetorik, auf dem Trockenen sitzen bleibt, sollte Polen dann nicht eine Art separaten Frieden mit Russland in Betracht ziehen? Je länger Polen wartet, desto wahrscheinlicher wird es, dass seine Zukunft von anderen entschieden wird. Das ist keine glückliche Situation, denn niemand   – und schon gar nicht die Neocons   – kümmert sich um Polen. Ungarn und die Slowakei haben den Weg gewiesen. Wird Polen zur Vernunft kommen? Welchen Weg Polen einschlägt, bleibt entscheidend, denn es ist immer noch der Dreh- und Angelpunkt der NATO-Politik gegenüber Russland   – vielleicht sogar für den Fortbestand der NATO in ihrer jetzigen Form.

     
    Mark Wauck

    @MEANINGINHISTORY

    FBI-Agent im Ruhestand, Ehemann, Vater, unverbesserlicher Amateur.

    Quelle: https://meaninginhistory.substack.com/p/europe-trembles?utm_source=post-email-title&publication_id=473679&post_id=139650937&utm_campaign=email-post-title&isFreemail=true&r=1y536l&utm_medium=email

    Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus


    Info: https://seniora.org/politik-wirtschaft/europa-erzittert


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    10.12.2023

    „Der Konsequenteste aller Kriegshasser“


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    Vasily Vereshchagin (1842-1904): Apotheose des Krieges, 1871. Bild: public domain


    overton-magazin.de, 1. Juli 2023 42 Kommentare

    Der Russe Leo N. Tolstoi (1828-1910) warnte vor einem Zug in den Abgrund – und teilte nicht die Illusionen der bürgerlichen Friedensbewegung.

     

    Mit Blick auf den Anbruch des 20. Jahrhunderts vermerkt Viktor Schklowski über Leo N. Tolstoi (1828-1910): „In vielem … begriff Tolstoi mehr als andere Leute. Er schrieb, es würde zu Kriegen von derartiger Gewalt kommen, dass sie den Untergang von 99 Prozent der Erdbevölkerung bewirken könnten, selbst das aber könne den Wahn der Reichen nicht eindämmen. … Das neue Jahrhundert setzte mit Kriegen ein. Man kämpfte auf den Philippinen und im Transvaal. Es waren Kriege von neuartiger Abscheulichkeit. Tolstoi sagte: ‚Kriege der Amerikaner und Engländer innerhalb einer Welt, in der schon Gymnasiasten den Krieg verurteilen, sind entsetzlich‘.“

    Bei einem Besuch von Maxim Gorki (Alexej Maximowitsch Peschkow) am 13. Januar 1900 meinte Tolstoi „sich selbst ironisierend, er freue sich unwillkürlich über die Siege der Buren, wenn er auch wisse, dass es Sünde sei: sowohl die Buren als auch die Engländer begingen jenen Massenmord, den sie als Krieg bezeichneten.“ (Schklowski: Leo Tolstoi. Berlin 1984.)


    Tolstoi nennt in einem Brief zu den Kämpfen im Transvaal vom Dezember 1899 drei Hauptursachen für Kriege: „Erstens: die ungleiche Verteilung des Besitzes, das heißt: die Beraubung eines Menschen durch die anderen. Zweitens: die Existenz eines Soldatenstandes, das heißt: solcher Menschen, die für den Mord erzogen und bestimmt werden. Drittens: die falsche und meist bewusst betrügerische religiöse Lehre, in der die Jugend zwangsweise erzogen wird. … Es wird solange Kriege geben, wie wir die Entstellung des Christentums predigen oder ohne sittliche Empörung und Widerwillen dulden werden.“

    Ein Tagebucheintrag vom 27. Dezember 1905 zeigt, wie dringlich Tolstoi ein Jahrzehnt vor den Massenschlachten des Ersten Weltkrieges seine Warnungen verstanden wissen wollte: „Ich bin wie jener Mann auf dem Tender eines in den Abgrund rasenden Zuges, der entsetzt erkennt, er vermag den Zug nicht zum Stehen zu bringen. Die Fahrgäste hingegen entsetzten sich erst, als die Katastrophe geschehen war.“

     

    Die Differenz zur bürgerlichen Friedensbewegung


    Der Kampf gegen Todesstrafe und Krieg gehört zu den zentralen Schauplätzen des letzten Lebensjahrzehnts. „Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ist Tolstoj ein geistiges Kraftzentrum mit kolossalem Ansehen. Es war fast unmöglich, über Lebensprobleme zu diskutieren, ohne zu seiner Ansicht Stellung zu nehmen. … Aus der ganzen Welt – nicht zuletzt aus Asien und Amerika – trafen bei dem Propheten in Jasnaja Poljana Grüße begeisterter Anhänger ein.“ (Geir Kjetsaa: Lew Tolstoj. Gernsbach 2001). Ihn erreichten Zuschriften aus vielen Ländern des Erdkreises in 26 Sprachen.

    Zwei Briefe Tolstois an Bertha von Suttner vom Oktober 1891 und vom August 1901 lassen – trotz des warmherzigen Tones – unschwer eine Differenz zum bürgerlichen Pazifismus erkennen. Tolstoi setzt wenig Vertrauen in Friedensgesellschaften, Konferenzen und Neuerungen des Internationalen Rechts. Er erhoffte sich ein Ende der Kriegsapparatur nicht durch staatstragende Aktivitäten, sondern aufgrund der Verweigerung des Tötens von unten.

    Selbst da, wo es um den unbestrittenen literarischen Ruhm ging, wollte das Bürgertum dem russischen Kritiker der Staatsdoktrin kein öffentliches Forum verschaffen: „Dass Tolstoi 1902 den Nobelpreis für Literatur nicht erhalten hat, erscheint heute mehr als verwunderlich. … Nirgends steht geschrieben, der Preis könne nur nach Einwilligung des Kandidaten verliehen werden. Ausschlaggebend war dagegen, dass die schwedische Akademie Tolstoi … als zu anarchistisch … betrachtete und dass er deshalb den Preis nicht verdiene. Der Einfluss … auf die gesellschaftliche Entwicklung war in den Augen der Akademie eher negativ als positiv. Weshalb sollte man die gute Gesellschaft provozieren, indem man einen so umstrittenen Schriftsteller bedachte?“ (Geir Kjetsaa)

    Tolstoi bezeichnete die Regierung, mit welcher die Friedensgesellschaften gleichsam Hand in Hand gehen wollten, in einem Tagebucheintrag vom 22. Januar 1904 sogar als eine „Bande von Räubern“. Diesen Gedanken wird er auch in seiner Schrift „Eines ist not“ (Edinoe na potrebu, 1905) ausführen: „Man könnte die Unterordnung eines ganzen Volkes unter wenige Leute noch rechtfertigen, wenn die Regierenden die besten Menschen wären; aber das ist nicht der Fall, war niemals der Fall und kann es nie sein.“

    Für solche Kompromisslosigkeit konnte Bertha von Suttner nach Jahren voller Enttäuschung in der Friedensarbeit vielleicht doch ein wenig Verständnis aufbringen. Sie meinte 1909 in einem Brief an ihren engsten Mitstreiter: „Tolstoi ist eigentlich der Konsequenteste von allen Kriegshassern.“

     

    Russisch-japanischer Krieg 1904-1905


    Zu Beginn des Jahres 1904 zeugt ein anderer Tagebucheintrag von drängender Sorge um den Frieden: „27. Januar, Jasjana Poljana. … Der Krieg und Hunderte von Überlegungen, warum es ihn gibt, was er zu bedeuten hat, welches seine Folgen sind und dergleichen mehr. Alle reden darüber, vom Zaren bis zum letzten Trainsoldaten. Und alle müssten sich, abgesehen von den Überlegungen, was der Krieg für die ganze Welt bringt, noch Gedanken darüber machen, wie ich, ich, ich mich dem Krieg gegenüber zu verhalten habe. Doch diese Überlegung stellt niemand an. Jeder glaubt vielmehr, das brauche man nicht, es sei nicht wichtig. Man packe ihn aber einmal bei der Gurgel und drücke ihm die Luft ab, dann fühlt er, am allerwichtigsten ist für ihn sein Leben, dieses Leben seines Ich. Und wenn dieses Leben seines Ich das Allerwichtigste darstellt, dann ist er eben nicht nur Journalist, Zar, Offizier oder Soldat, sondern auch ein Mensch, der zu kurzem Verweilen in die Welt kam und sie nach dem Willen dessen, der ihn gesandt hat, wieder zu verlassen hat. Was also kann wichtiger für ihn sein als das, was er in dieser Welt zu tun hat, wichtiger ohne Zweifel als alle Überlegungen, ob der Krieg notwendig ist und wohin er führt? Und was den Krieg anlangt, so hat er offensichtlich folgendes zu tun: nicht Krieg zu führen und anderen nicht zu helfen, es zu tun, wenn er sie schon nicht zurückhalten kann.“

    Im Februar 1904 begann der russisch-japanische Krieg. Er war – aus marxistischer Sicht – „das Ergebnis der rücksichtslosen Außenpolitik des Zarismus, die von einer Gruppe von Bürokraten geleitet wurde, die daran interessiert waren, den Fernen Osten zu plündern. Die zaristische Regierung provozierte einen Krieg mit Japan, ohne Zeit zu haben, ihn militärisch oder materiell vorzubereiten. Der Krieg sollte, nach dem Plan seiner Organisatoren, auch die soziale Atmosphäre in Russland entschärfen. Die blinden zaristischen Bürokraten erwarteten einen kontinuierlichen Triumph im Kampf gegen die ‚Asiaten‘. Alle Berechnungen der Selbstherrschaft erwiesen sich als falsch. Von den ersten Tagen des Krieges an fingen die russische Armee und Marine an, Niederlagen zu erleiden. Innerhalb Russlands führte der Krieg zu einer beispiellosen Verschärfung des Klassenkampfes und verursachte defätistische Gefühle nicht nur unter den Sozialdemokraten, sondern auch in manchen liberalen Kreisen. – Die Niederlage des zaristischen Russlands hat seine internationale Position stark untergraben. …“

    Anlässlich des russisch-japanischen Krieges verfasste Leo N. Tolstoi seinen am 8. Mai 1904 abgeschlossenen Artikel „Besinnet Euch!“ (Odumajtesʼ!, 1904). „Der Krieg“, so referiert V. Schklowski den Inhalt, „entbrannte immer stärker, die Menschen gingen in die Schlachten wie Wanderheuschrecken, die Wasserläufe über die Leichen ihrer Ertrunkenen überqueren. Der Krieg wurde um fremdes Land geführt, um ‚Pachtland‘, um eine Konzession. Im Artikel sind Briefe eingestreut, die erzählen, wie Reservisten, zum Morden einberufen, verabschiedet werden.“

    Geir Kjetsaa schreibt über die Haltung des Dichters: „Aufsehen erregend war … sein Protest angesichts des Kriegsausbruchs zwischen Russland und Japan. Wieder einmal Krieg, wieder einmal Leiden, wieder einmal diese verdummende Hurrastimmung! Keine staatliche Institution hasste er so sehr wie das Militär. Dass sein Sohn Andrej sich freiwillig gemeldet hatte, machte die Sache nicht besser. Der Schriftsteller brachte es nicht über sich, die kriegstreibenden Zeitungsberichte zu lesen. War es nicht Christus, der uns befohlen hatte, unsere Feinde zu lieben? ‚Besinnt Euch!‘ lautete sein Aufruf an alle, die sich auf den Schlachtfeldern jetzt gegenseitig umbrachten. – Einziger Trost war ihm der wachsende Widerstand des Volkes gegen diesen wahnsinnigen Krieg: ‚Der Zweifel, ob es der Wille Gottes sei, dass die Behörden uns zwingen zu töten, ist der Funke des Feuers, das Christus auf die Erde gebracht hat. Das zu wissen und zu fühlen ist eine große Freude.‘ Auf die Aufforderung einer amerikanischen Zeitung präzisierte er seine Sichtweise der Kriegshandlungen: ‚Ich bin weder für Russland noch für Japan, sondern für die Arbeiter beider Länder, die jetzt von ihren Regierungen hinters Licht geführt und gezwungen werden, gegen ihr Wohlergehen, ihr Gewissen und ihre Religion zu kämpfen.‘ … Patriotismus sei nur Egoismus, eine Zufluchtsstätte für Ganoven!“

    Ernst Keuchel (Leo Tolstoi und unsere Zeit, 1926) zählt „Odumajtesʼ!“ zu jenen Texten, in den denen Leo N. Tolstois Ahnungen von einem kommenden Weltkrieg zum Ausdruck kommen: „Tolstoi hat … – unter anderem in seinen Schriften ‚Vom unvermeidlichen Umsturz‘ und ‚Besinnet euch!‘ – die europäische Katastrophe bestimmt und ziemlich genau vorausgesagt: ‚Der Abgrund‘, heißt es z.B. in der letzteren im Jahre 1904, ‚dem wir uns nähern, wird schon sichtbar und die einfachen, ungelehrten und unphilosophischen Leute sehen es, dass wir, indem wir uns immer mehr bewaffnen und im Kriege gegenseitig zu vernichten streben, wie die Spinnen in einem Glase nichts weiter tun können, als uns gegenseitig umzubringen.‘ Kurz vor seinem Tod (1910) hatte Tolstoi einen Wahrtraum, in dem er Beginn und Verlauf des Weltkrieges mit erstaunlicher Sicherheit vorausschaute! Sein Entsetzen vor dem Kriege, das ihn mitten in der tiefsten Friedenszeit (1894-1904) stets von neuem mit elementarer Gewalt packte …, zeugt davon, dass er, als wahrer geistiger Führer, sich verantwortlich für Alle fühlte und sie vor der nahenden, für ihn bereits fühlbaren, Katastrophe zu warnen für seine heilige Pflicht hielt.“

    Leo N. Tolstoi hatte noch 1855 an eigenen staatstragenden Beiträgen zu einer Militärreform gearbeitet. Im nächtlichen Traumleben konnte ihm jetzt sein soldatischer Schatten vor Augen geführt werden: „Man erkennt im Traum, dass man Schwächen hat, von denen man sich sonst frei glaubt … Ich sehe mich häufig als Soldaten“ (Tagebuch, 7. März 1904).

    Mit Blick auf die Ambivalenzen Tolstois 1904-1905, die nicht verschwiegen werden dürfen, führt Geir Kjetsaa aus: „Aber auch ihm sind nationalistische Stimmungen nicht fremd. Besonders ärgert ihn die schändliche Niederlage der Russen bei Port Arthur: ‚Ich war selbst Soldat, zu meiner Zeit wäre das nie passiert. Wir hätten alle unser Leben geopfert, wir hätten uns nie ergeben.‘ Man stelle sich vor, eine Stellung aufzugeben, wenn man doch noch ausreichend Munition und ein Herr von vierzigtausend Mann hat! – Er hatte gehofft, die Russen würden gewinnen, gestand er schuldbewusst beim Friedensschluss.“

     

    „Entfachung des Patriotismus“ am „höchsten Kulminationspunkt“

     

    Schon in seiner Schrift „Patriotismus und Regierung“ (Patriotizm i pravitelʼstvo, 1900) fragt Tolstoi, warum der „Patriotismus“ – trotz seiner Antiquiertheit in geistesgeschichtlicher Hinsicht – nicht nur nicht verschwindet, sondern „im Gegenteil … immer stärker und mächtiger“ wird. Seine Antwort:

    „Es rührt dies davon her, dass die herrschenden Klassen (nicht allein die Regierungen und ihre Beamten, sondern die privilegierten Klassen überhaupt: die Kapitalisten, Journalisten, die meisten Künstler und Gelehrten) ihre privilegierte Ausnahmestellung nur dank der Staatseinrichtung, welche durch den Patriotismus erhalten wird, beibehalten können. Indem sie nun die mächtigsten Mittel in ihren Händen haben, um das Volk zu beeinflussen, pflegen sie bei sich und bei den anderen die patriotischen Gefühle unablässig, umso mehr da diese Gefühle von der Staatsgewalt am besten belohnt werden. … Hauptsächlich aber wird der Patriotismus hervorgerufen, indem man durch allerlei Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten gegen fremde Völker bei denselben Hass gegen das eigene Volk hervorruft und diesen Hass alsdann zur Erweckung von Feindseligkeiten beim eigenen Volke ausnutzt. – Die Entfachung dieses furchtbaren Gefühls des Patriotismus … erlangt gegenwärtig ihren höchsten Kulminationspunkt.“

    Das Problem liege – in Russland wie in anderen Ländern – bei den Herrschenden: „Waren früher die Regierungen dazu nötig, die eigenen Völker vor Überfällen der anderen zu verteidigen, so stören jetzt die Regierungen künstlich den Frieden, der unter ihnen herrscht, und rufen zwischen den Völkern Feindseligkeiten hervor.“ Eine andere, erfreulichere Perspektive würde nur ein „Nichtvorhandensein der Regierungen“ eröffnen: „Die Befreiung vom Patriotismus und die Aufhebung des auf demselben ruhenden Regierungsdespotismus kann den Menschen nur nützen.“

    Im Jahr 1908 annektierte Österreich – nach einem zuvor beim russischen Außenminister eingeholten ‚Einverständnis‘ – Gebiete von Bosnien und Herzegowina, worauf heftige Proteste des Osmanischen Reiches und Serbiens folgten. Die ‚Bosnische Annexionskrise‘ gilt als ein nicht unbedeutendes Kapitel in der Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges. Leo N. Tolstoi verfasste eine eigene, ursprünglich als ‚Brief an eine Serbin‘ konzipierte Schrift „Die Annexion Bosniens und der Herzegowina“ (O prisojedinenii Bosnii I Gerzogowiny k Awstrii, 1908): „Die österreichische Regierung hat beschlossen, die Völker Bosniens und der Herzegowina … als ihre Untertanen zu erklären, mit anderen Worten, sie nahm sich das Recht, ohne die Einwilligung dieser Völker, über die Erzeugnisse und über das Leben von einigen hunderttausend Menschen zu verfügen.“ Den Österreichischen Staat führt Tolstoi als großes Räubernest vor und ruft der Gegenseite zu, ihrerseits nun nicht mit einem „Abfall vom Bewusstsein der Einheit der ganzen Menschheit“ zu antworten: „Serben! Ihr solltet nicht zum Kriege rüsten“!



    Die nicht gehaltene „Rede gegen den Krieg“ 1909

     

    Im Sommer 1909 wird Leo N. Tolstoi vom Organisationskomitee des 18. Friedenskongresses, der in Stockholm stattfinden soll, zu einem Vortrag eingeladen. Er antwortet mit einem Brief vom 12. Juli 1909 von Jasnaja Poljana aus: „Herr Vorsitzender, die Frage, die der Kongress zu behandeln hat, ist außerordentlich wichtig und interessiert mich schon seit vielen Jahren. Ich werde versuchen, die ehrenvolle Gelegenheit, die Sie mir durch meine Wahl geboten haben, zu nutzen, um dazulegen, was ich vor einer so auserlesenen Zuhörerschaft wie der, welche auf dem Kongress versammelt sein wird, zu dieser Frage zu sagen habe. Wenn meine Gesundheit es erlaubt, werde ich alles in meinen Kräften Stehende tun, um mich zum angegebenen Zeitpunkt in Stockholm einzufinden.“

    Geir Kjetsaa scheibt zur Einladung nach Stockholm: „Seit vielen Jahren stand“ Tolstoi „mit westlichen Friedenskämpfern in Verbindung, unter anderem mit Bertha von Suttner, und jetzt wurde er sogar zu den Ehrenteilnehmern des Kongresses gewählt. Aufgrund seines großen Interesses für Frieden und Brüderlichkeit versprach der Schriftsteller zu kommen … Aufgrund des schwedischen Generalstreiks im August wurde indessen der Kongress abgesagt. Die Organisatoren haben sicher erleichtert aufgeatmet. Vielleicht hätte dieser merkwürdige Graf die Teilnehmer mit einem weiteren anarchistischen Vorstoß erschreckt? – Sein geplanter Beitrag zeigt einen kampflustigen Verfasser, der alle Pazifisten auffordert, ihre Regierungen moralisch unter Druck zu setzen. Genau wie die Kirchenväter behauptet er, der Rüstungswettstreit sei mit dem christlichen Gedankengut unvereinbar: ‚Menschen, die miteinander in Frieden leben wollen, brauchen keine Kriegsflotte. Das brauchen nur die, die plündern und töten wollen, denn Raub endet immer damit, dass Menschen sich gegenseitig das Leben nehmen‘.“

    Gustav Landauer hat in deutschen Landen Tolstois Text für den geplanten Vortrag in Stockholm, der ursprünglich auch in Berlin in einer Großveranstaltung verlesen werden sollte, schon früh veröffentlicht. Die Botschaft wurde vor dem Ersten Weltkrieg und dann bis in die Spätzeit der Weimarer Republik hinein im deutschen Sprachraum vor allem von anarcho-sozialistischen Anhängern des Ideals der Gewaltfreiheit verbreitet – und zwar sehr eifrig.

    Inhaltlich bietet sich an ein Vergleich der nicht gehaltenen „Rede“ mit Tolstois ein Jahrzehnt zuvor verfasster „Antwort auf den Brief einer schwedischen Gesellschaft über die Haager Konferenz“ vom Januar 1899. Dieser Brief zeugt wieder von größter Skepsis gegenüber Konzepten der bürgerlichen Friedensbewegung (Abrüstung, Verbot besonders grausamer bzw. verheerender Waffen, Schiedsgerichtsbarkeit), zumal unter der Voraussetzung, dass die kriegsführenden Staaten selbst als maßgebliche Akteure betrachtet werden.

    Wie im Jahr vor seinem Tod konzentrierte sich Tolstoi schon 1899 ganz auf den Weg der Kriegsdienstverweigerung, welcher freilich ihm zufolge nicht Gegenstand einer ‚staatstragenden Veranstaltung‘ sein konnte: „Die Konferenz wird den Zweck haben, nicht den Frieden auszurichten, sondern vor den Menschen das einzige Mittel ihrer Befreiung von dem Elend des Krieges zu verbergen: das Mittel, das darin besteht, dass die einzelnen Personen ihre Teilnahme an dem militärischen Mord verweigern, und deshalb kann die Konferenz auf keine Weise diese Frage in Erwägung ziehen.“ Adressat von Friedensaufrufen sollten demzufolge nicht die Regierungen sein, sondern die Menschen, von denen die Mächtigen bei ihren Mordplänen Gehorsam einfordern.

     

    Kein Friedensnobelpreis für Tolstoi

     

    Gegen Ende seines Lebens, so meint Geir Kjetsaa, waren es „nur zwei Dinge, die Tolstoi … fürchtete: seine Frau und den Nobelpreis. Es gelang ihm schließlich, beiden zu entwischen. Aber nicht ohne Schwierigkeiten. – Immer mehr waren jetzt der Ansicht, dieser Erzpazifist habe den Friedensnobelpreis verdient. Nachforschungen im Nobelinstitut in Oslo haben ergeben, dass er für diese Auszeichnung dreimal vorgeschlagen wurde. … Das Resultat war allerdings negativ: Dieser Schriftsteller sei ein Gegner von Friedenskonferenzen gewesen und habe sich damit als schlechter Vorkämpfer für den Frieden erwiesen! Genau wie im Komitee für den Literaturpreis befürchtete man im Komitee für den Friedensnobelpreis zu provozieren, indem man einem ‚Anarchisten‘ wie Tolstoj den Preis zuerkannte.“

    Der Kampf wurde ab 1908 außerhalb des Komitees geführt, vor allem von dem aus Russland gebürtigen Journalisten Menartz Lewin. Aus Norwegen ließ man Lewin wissen, es habe bislang eben noch niemand Tolstois Kandidatur gefördert. Es verfassten aber schließlich vier norwegische Parlamentsmitglieder am 1.2.1909 ein entsprechendes Vorschlags-Schreiben an das Nobelkomitee: „Dieser gewaltige Kämpfer, dessen Leben und Wirken von Freunden und Gegnern in der ganzen zivilisierten Welt mit Ehrfurcht verfolgt wird, hat in Wort und Tat mehr für die Sache des Friedens getan als irgendjemand anders …“

    Das Nobelkomitee reagierte auf diesen Vorstoß norwegischer Parlamentarier, indem es ein „ordentliches Gutachten“ bei Karl Vilhelm Hammer, dem erster Archivar im Außenministerium (!) einholte. Der Gutachter meinte, Tolstois „künstlerisches Genie“ nütze wenig, denn seine philosophischen Studien zeugten von einem begrenzten Horizont. Im Nobelpreiskomitee war man der Ansicht, der Dichter „hasse ganz Europa, und mit seiner Kultivierung der einfachen, östlichen Gesellschaft mangle ihm jegliches Verständnis für das Ziel des Preises“.

    Menartz Lewin gegenüber zeigte sich Tolstoi bei dessen Besuch in Jasnaja Poljana im Februar 1910 „nicht im mindesten darüber verwundert oder verärgert, dass man ihn nicht des Friedenspreises für würdig gehalten hatte“. Mit Blick auf weitere Bemühungen der Anhänger um den Friedensnobelpreis erklärte der Dichter im Herbst 1910 – wiederum gegenüber Lewin: „Ich würde ihn nicht annehmen, weil ich von dem absoluten Schaden durch das Geld überzeugt bin.“

     

    Vorahnungen des Weltkrieges?


    Ob Leo Nikolajewitsch Tolstoi wirklich, wie Ernst Keuchel schreibt, einen „Wahrtraum“ mit Vorausschau zu „Beginn und Verlauf des Weltkrieges“ 1914-1918 gehabt hat, bleibt zu überprüfen. Zahlreich sind in seinem Schrifttum auf jeden Fall die Verweise auf unvorstellbare Schrecken des modernen Krieges. „Man lese“, so Tolstoi, nur „die Geschichte der christlichen europäischen Völker seit der Reformation … Sie bildet eine ununterbrochene Reihe der schrecklichsten, sinnlos grausamen Verbrechen, die von Regierenden gegen ihre eignen und fremde Völker und gegeneinander verübt worden sind: Unaufhörliche Kriege, Räubereien, Vernichtung oder Bedrückung von Nationalitäten, Ausrottung ganzer Völker …“ (Eines ist not, 1905).

    Im Werk „Das Reich Gottes ist in euch“ (geschrieben 1890-1893) wird aus einer Abhandlung von Graf Komarowskij zitiert: „Die Völker können nicht lange die gesteigerten Rüstungen ertragen, und früher oder später ziehen sie den Krieg allen Lasten der augenblicklichen Lage und der beständigen Bedrohung vor, so dass die winzigste Ursache genügen wird, um in Europa die Flamme eines Weltkrieges zu entzünden.“

    In Tolstois Schrift „Patriotismus oder Frieden?“ (Patriotizm ili mir?, 1896) heißt es: „In diesen Tagen gab es einen Zusammenstoß zwischen den Nord-Amerikanischen Staaten und England wegen der Grenzen Venezuelas … Edison erklärte, er würde Geschütze erfinden, mit denen man in einer Stunde mehr Menschen töten könnte, als Attila in allʼ seinen Kriegen getötet hat, – und beide Völker begannen sich energisch zum Kampfe zu rüsten.“

    Aussagekräftig sind auch viele Beispiele aus Tolstois „Lesezyklus für alle Tage“ (Krug čtenija, 1904-1906). In den Lesetexten für den „6. Juli“ werden z. B. folgende Warnungen des Schweizers Edouard Rod (1857-1919) angeführt: „Es ist entsetzlich, auch nur daran zu denken, welche Katastrophe unserer unvermeidlich am Ende unseres Jahrhunderts harrt, und wir müssen auf sie vorbereitet sein. Im Laufe von zwanzig Jahren (nun sind es bereits mehr denn vierzig) gehen alle Anstrengungen des Wissens darauf hin, neue Zerstörungswerkzeuge zu erfinden, und in kurzer Zeit werden einige Kanonenschüsse genügen, um eine ganze Armee zu vernichten. Jetzt stehen unter Waffen, nicht wie ehemals, einige tausend feiler armer Schlucker, – sondern Völker, ganze Nationen stehen bereit, einander zu morden.“

    Wenige Monate vor seinem Tod schrieb Leo N. Tolstoi 1910 den Teilnehmern des slavischen Kongresses in Sofia: „Ja, in der Einigkeit – beruht der Sinn, das Ziel, und das Heil des menschlichen Lebens, aber auch Ziel und Heil werden nur dann erreicht, wenn es sich um eine Einigkeit der ganzen Menschheit handelt, im Namen der Grundlage, die der ganzen Menschheit eigen ist, nicht aber um eine Vereinigung kleinerer oder größerer Teile der Menschheit im Namen beschränkter Teilziele. Mag diese Gemeinschaft eine Familie sein, eine Räuberbande, eine Landgemeinde, ein Staat, einzelne Völker oder der heilige Bund der Staaten – solche Vereinigungen fördern nicht nur keineswegs den wahren Fortschritt der Menschheit, sie hemmen ihn vielmehr mehr wie alles andere; will man daher mit Bewusstsein dem wahren Fortschritt dienen, so darf man … keine derartige teilweise Vereinigung fördern, man muss ihr vielmehr stets entgegenhandeln.

    Die Eintracht ist der Schlüssel, welcher die Menschen vom Übel befreit. Damit aber dieser Schlüssel seine Aufgabe erfüllen kann, muss er ganz ins Schlüsselloch gesteckt sein, bis zu der Stelle, wo er das Schloss öffnet, nicht aber zerbricht und auch nicht das Schloss verdirbt. So steht es auch mit der Vereinigung von Menschen – soll sie die ihr eigenen wohltätigen Folgen zeitigen, so muss sie die Vereinigung aller Menschen zum Ziele haben im Namen der allen Menschen eignenden und von ihnen allen in gleicher Weise anerkannten Grundlage. Eine solche Vereinigung kann aber nur auf jener religiösen Grundlage des Lebens erfolgen, die einzig und allein die Menschen eint, und leider Gottes von der Mehrzahl der Leute, die heute die Völker führen, für unnötig und überlebt angesehen wird.“

     

    Der Verfasser ist verantwortlich für Konzeption und Koordinierung des pazifistischen Editionsprojektes „Tolstoi-Friedensbibliothek“. Die auf der Projektseite eingestellten Publikationen der in digitaler und gedruckter Form edierten Bibliotheksreihen werden ergänzt durch einen Offenen Lesesaal.


    Buchhinweis zum Beitrag
    Leo N. Tolstoi: Wider den Krieg.
    Ausgewählte pazifistische Betrachtungen und Aufrufe 1899 – 1909
    (Tolstoi-Friedensbibliothek, Reihe B 4). Norderstedt: BoD 2023.
    (ISBN: 978-3-7534-7962-0; 212 Seiten; Preis 9,90 Euro)
    Inhaltsverzeichnis und Leseprobe auf der Verlagsseite.


    Info: https://overton-magazin.de/top-story/der-konsequenteste-aller-kriegshasser


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




    Weiteres:



    object war campaign


    aus e-mail von  Joachim Schramm, 10. Dezember 2023, 11:12 Uhr


    Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

     

    auch in NRW gab es mehrere Veranstaltungern im Rahmen der Aktionswoche für

    Schutz und Asyl für alle aus Russland, Belarus und der Ukraine, die den

    Kriegsdienst verweigern, so z.B in Herford, Münster und Bonn. Der

    Landesverband organisierte eine Mahnwache am 7.12. in Düsseldorf. Dort

    sprach der Autor und Theologe Peter Bürger asu Düsseldorf. Er betonte, die

    einzigen Helden dieses Krieges seien die, die sich der Teilnahme an ihm

    verweigerten:

     <https://youtu.be/O5KmJM-JdZE?si=Smt4tORxyVBjxole>

     

    Viele Grüße,

     

    Joachim Schramm

    DFG-VK NRW


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    10.12.2023

    Ein Jahr Katargate, EU-China-Gipfel – und doch kein „Heizungshammer“

    lostineu.eu, vom 9. Dezember 2023

    Die Watchlist EUropa vom 09. Dezember 2023 – heute mit der Wochenchronik

    Es war der bisher größte Korruptionsskandal der EU. Mehrere Millionen Euro sollen aus Katar als Bestechungsgelder an mehrere Europaabgeordnete geflossen sein. Doch ein Jahr nach nach den spektakulären Ermittlungen und Hausdurchsuchungen vom Dezember 2022 wird das „Katargate“ immer mysteriöser. Die belgische Justiz scheint überfordert, die Verdächtigen sind auf freiem Fuß.

    Eva Kaili, die einst als Hauptverantwortliche betrachtet und schleunigst von ihrem Posten als stellvertretende Parlamentspräsidentin entfernt wurde, geht längst wieder in Brüssel und Straßburg ein und aus, als wenn nichts gewesen wäre. Sie sei Opfer eines Komplotts geworden, behauptet die 45-jährige prominente Griechin.

    Auch die sozialistische Europaabgeordnete Marie Arena, die als wichtige Mitwisserin gilt, wurde nicht belangt. Man werde keine Aufhebung der Immunität verlangen und auch keine Verhaftung vornehmen, teilte die belgische Staatsanwaltschaft mit. Das bedeute zwar nicht, dass die Ermittlungen eingestellt wurden, heißt es in Brüssel.

    Doch bisher sind sie weitgehend im Sande verlaufen. Mittlerweile ist nicht einmal mehr klar, warum es genau geht. „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Korruption“ – so lauteten die Vorwürfe gegen Kaili vor einem Jahr. Die Ermittler fanden in ihrer Brüsseler Wohnung 150.000 Euro in bar.

    Doch woher kam das Geld? Steckt wirklich Katar hinter der Affäre, wollte der Wüstenstaat für ein günstiges Meinungsklima und Visafreiheit in der EU sorgen? Oder geht es eigentlich um Marokko, wie das auf EU-Themen spezialisierte Portal „Politico“ vermutet, das genüsslich aus den Ermittlungsakten zitiert?

    Ganz Brüssel war auf Schmusekurs

    Je mehr ans Tageslicht kommt, desto mysteriöser wird der Skandal, der offenbar durch Geheimdienst-Erkenntnisse ausgelöst wurde. Auch neue Enthüllungen helfen nicht weiter. Der belgische „Soir“ berichtet von Unterlagen, die Kailis Verstrickung belegen sollen.

    Doch sie zeigen auch, dass ganz Brüssel auf Schmusekurs mit Katar waren. Vor allem EU-Kommissionsvize Schinas war dem „Charme“ der Scheichs erlegen. Der Stellvertreter von Kommissionschefin von der Leyen lobte sogar „beachtliche Fortschritte“ beim Arbeitsrecht – dabei sind in Katar viele Arbeiter beim Bau der Fußballstadien für die WM ums Leben gekommen.

    Doch Schinas wurde nie gerügt oder gar belangt, gegen Kaili hat es keinen Prozeß gegeben. So bleibt vom „Katargate“ nur eins: Eine große Verunsicherung – und das Warten auf Justiz. Ähnlich wie die Pfizer-Affäre um von der Leyen könnte auch dieser Skandal bis zur Europawahl unaufgeklärt bleiben…

    Was war noch? Die EU und China haben endlich wieder einen „echten“ Gipfel abgehalten, in persona. Doch statt die Chance zu nutzen, um sich wieder anzunähern, haben EU-Chefin von der Leyen und Ratspräsident Michel ihren Gastgebern in Peking eigentlich nur Vorhaltungen gemacht.

    „Die europäischen Staats- und Regierungschefs werden ein Ungleichgewicht in den Handelsbeziehungen nicht auf Dauer tolerieren“, sagte von der Leyen. So ähnlich hatte früher auch Trump argumentiert. Und Michel warnte China davor, die Sanktionen gegen Russland zu unterlaufen...

    Außerdem hat sich die EU auf eine Reform der Gebäuderichtlinie geeinigt. Der befürchtete „Heizungshammer“ ist ausgeblieben – ausgerechnet Deutschland hat den Entwurf verwässert! – Mehr dazu in meinem Bericht für die taz

    Die meistgelesenen Beiträge der Woche:


    Die Wirtschaft fällt zurück, die Bürger verlieren 5. Dezember 2023

    Die EU steckt wieder in der Krise. Doch diesmal ist alles anders. Die 27 sind vom Kurs abgekommen – sie wissen nicht mehr, wo sie stehen und wohin sie gehen.Heute: Die Wirtschaft fällt zurück, die Bürger verlieren.

    Mehr


    Ukraine vor Bankrott – müssen Deutschland und die EU zahlen? 5. Dezember 2023

    Ohne neue Finanzspritzen droht der Ukraine im Frühjahr 2024 der Staatsbankrott. Doch die US-Hilfe ist blockiert – müssen Deutschland und die EU einspringen?

    Mehr


    Krieg in der Ukraine: Drei verpasste Chancen und eine große Gefahr 2. Dezember 2023

    Präsident Selenskyj hat erstmals eingeräumt, dass die ukrainische Gegenoffensive gescheitert ist. Der Krieg sei nun in einer „neuen Phase“, sagte er. Sie könnte gefährlich werden – Ex-Außenminister Fischer fordert sogar Atomwaffen für EUropa.English version here

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    1 Comment

    1. KK
      9. Dezember 2023 @ 15:26

      „Ähnlich wie die Pfizer-Affäre um von der Leyen könnte auch dieser Skandal bis zur Europawahl unaufgeklärt bleiben…“
      Im Fall Pfizer hat man es ja noch gar nicht mal wirklich versucht – der Rechtsstaat hätte probate Mittel und Wege, zu ermitteln und dabei Aussagen oder die Herausgabe von Dokumenten oder SMS zu erzwingen. Aber das ist offenbar gar nicht gewollt.

    1. Reply



    Info: https://lostineu.eu/ein-jahr-katargate-eu-china-gipfel-und-doch-kein-heizungshammer/#google_vignette


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    Rückkehr zur Austerität? – Auch die EU plant eine Schuldenbremse


    lostineu.eu, vom 8. Dezember 2023

    Nicht nur Deutschland ringt um die Rückkehr zur Schuldenbremse. Auch die EU will zurück zu den alten, wenn auch reformierten, Schuldenregeln. Finanzminister Lindner fordert mehr Austerität.

    Lindner sagte nach einem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel., man habe intensiv miteinander beraten. Jetzt stünden technische Arbeiten und rechtliche Prüfungen an.

    „Auf deren Basis werden wir dann in absehbarer Zeit wieder miteinander sprechen und werden die nächsten Schritte zu einer Einigung gehen.“

    Grundlage der Verhandlungen der EU-Staaten ist ein Vorschlag der EU-Kommission, der statt einheitlicher Vorgaben beim Schuldenabbau individuelle Wege für jedes Land vorsieht.

    In den Hauptstädten sind die Vorschläge umstritten. Deutschland fordert striktere Sparvorhaben, Frankreich will Raum für Investitionen in den Klimaschutz und in die Rüstung (für die Ukraine).

    Bei dem Treffen nun sei man sich näher gekommen, hieß es von beiden Seiten. Wenn es insgesamt vor dem Treffen 90 Prozent Übereinstimmung gegeben habe, sei man nun bei 92 Prozent, sagte Lindner.

    Sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire sagte, man sei sich nun zu 95 Prozent einig. Das klingt fast so wie die „Wasserstände“ aus der Berliner Ampel-Koalition.

    Wenn man sich wie geplant bis Ende Dezember einig wird, werden die EU-Staaten ab Januar kräftig sparen müssen. Deutschland droht sogar ein besonders harter Austeritätskurs – wegen der Schuldenbremse.

    Es sei denn, man verordnet sich den „Notstand“ – wegen der Ukraine. Kanzler Scholz hat diese Option ausdrücklich offen gehalten

    7 Comments

    1. Arthur Dent
      9. Dezember 2023 @ 23:02

      @Thomas Damrau
      „— die Erhitzung der Erdatmosphäre in Grenzen halten
      — den Niedergang der Ökosphäre verlangsamen“ –
      „Für ihre Studie nahmen Mauritsen und Pincus an, dass alle Emissionen im Jahr 2017 schlagartig aufhören. In diesem Fall, so das Ergebnis, würde sich das Erdklima langfristig – also nach einigen Jahrtausenden – bei einer Temperatur einpendeln, die 1,5 Grad Celsius über dem Niveau des Jahres 1850 liegt.
      Die Wirkung der Luftschadstoffe ist aber unterschiedlich: Aerosole reflektieren das Sonnenlicht ins Weltall und üben dadurch einen kühlenden Effekt auf das Klima aus. „Diese Partikel kaschieren einen Teil der durch das Treibhausgas CO2 verursachten Erwärmung“, so Mauritsen. Würden sämtliche fossilen Emissionen gestoppt, wäre aufgrund des Wegfalls der kühlenden Aerosole zunächst ein kurzer Erwärmungsschub zu erwarten.“ – sagen zumindest Ozeanogaphen des Max-Planck-Institutes in Hamburg.
      Wie man sieht gibt es keine kurzfristigen Lösungen. Alle heute lebenden Menschen sind in der Situation des Moses – man kann vielleicht noch einen Blick ins gelobte Land werfen, wir werden es nie erreichen. Aber es sind alles statistische Berechnungen, die auf Computermodellen beruhen. Diese bilden nicht die Wirklichkeit ab, nur Ausschnitte. und komplexe Systeme reagieren niemals linear – alle Vorhersagen sind mit großen Unsicherheiten behaftet.

    Reply

  • european
    9. Dezember 2023 @ 11:46

    Inzwischen im deutschen Finanzministerium:

    https://www.focus.de/finanzen/news/vor-allem-lindner-und-buschmann-trotz-haushaltskrise-ampel-minister-befoerdern-72-beamte-in-teure-top-positionen_id_259469893.html

    „Die Liste, die dem Kabinett vorliegt, umfasst 72 Namen, die von A15 auf A16 (Referatsleiter) angehoben werden sollen. Das Besondere daran: Während das Bau-, Umwelt- und Familienministerium nur jeweils eine Beförderung angemeldet haben und das Wirtschaftsministerium fünf Mitarbeiter anheben will, sind in Bundesjustiz- und Bundesfinanzministerium (beide FDP) 59 Namen gelistet.“

    Da ist es wieder, das generöse WIR. WIR sparen! ????

    Reply

  • Helmut Höft
    9. Dezember 2023 @ 11:21

    Es ist nicht zu fassen, die Politik traut sich selbst nicht über den Weg und beschließt daher sich selbst Fesseln anzulegen (aka Selbstmord aus Angst vor dem Tod). Politik ist out, …bremse ist in! Alles Willkürlichkeiten, die sich mi nichts rechtfertigen lassen … außer mit Ahnungslosigkeit. Albert Camus: „Die Grausamkeit empört, doch die Dummheit entmutigt!“
    Zur …bremse siehe auch hier: https://www.hhoeft.de/mythos/index.php/2023/11/28/vorlaeufige-zusammenfassung-bremse-teil-4716/ und ff

    Reply

  • Thomas Damrau
    9. Dezember 2023 @ 08:49

    Wie so oft, wenn Menschen vor lauter konkurrierenden Zielen nicht ein noch aus wissen, wird Zuflucht in Dogmen gesucht.

    Es gibt aktuell keinen sinnvollen Plan, wie man gleichzeitig
    — Russland ruinieren
    — die eigene Wirtschaft am Leben halten
    — die Erhitzung der Erdatmosphäre in Grenzen halten
    — den Vormarsch rechter Populisten stoppen
    — die soziale Scheere am weiteren Aufgehen hindern
    — sich für den finalen Kampf gegen China rüsten
    — den Niedergang der Ökosphäre verlangsamen
    — …
    kann.

    Um das alles unter einen Hut zu bringen (und sich von den unsinnigen Punkten in der Liste zu verabschieden) bräuchte es Kreativität und intensiver Diskussionen. Kreativität haben wir nicht – Diskussionen wollen wir nicht …

    Deshalb ist es natürlich sehr tröstlich, dass wir wenigsten wissen, das mögliche Lösungen nix kosten dürfen.

    Reply

  • Arthur Dent
    9. Dezember 2023 @ 00:11

    Warum hat Macron die Erhöhung des Renteneintrittsalters „durchgeknüppelt“? Weil es die Finanzmärkte „verlangt“ haben. Entweder länger arbeiten oder höhere Zinsen zahlen. Für die Schulden muss der Bürger, der sich dem jeweiligen Steuerrecht nicht entziehen kann, immer sofort zahlen. Will Scholz mit den (per Notstand) neu aufgenommenen Krediten die Bahn fit zu machen? Mehr in die Bildung investieren? Tausend der maroder Brücken im Land zu sanieren? Nein, nein, nein – wir brauchen die Kredite, um den Krieg in der Ukraine zu finanzieren. Oder für die Klima-Außenpolitikstrategie – wenn die „klimaverwundbare“ Atommacht Pakistan etwas zu viel in Atombomben und etwas zu wenig in den Katastrophenschutz investiert hat, dann wird Deutschland „helfen“. Auch Indien, das in den kommenden Jahren seinen CO2-Ausstoß vervielfachen will, erhält jährlich eine Milliarde Euro von Deutschland. (Als die Schuldenbremse 2009 eingeführt wurde, galt es als selbstverständlich, dass Deutschland nur für seine Schulden haftet). Deutschland hat seit 2014 für die Unterbringung und Versorgung Geflüchteter rund 500 Mrd. Euro ausgegeben – Tendenz steigend. Deutschland hat im letzten Jahr 58,5 Mrd. Euro an Entwicklungshilfen für Nicht-EU-Länder gezahlt. Kanzler Scholz hat mal eben 220 Mio. Euro in Nigeria ausgegeben – für null Ergebnis. Ach ja, das Außenministerium hat sich noch eine vierte Immobilie in Brüssel geleistet – eine parkähnliche Residenz mit Tennisplatz und Innenschwimmbad. Bestimmt als Ausgleich für die Mühe, uns regieren zu müssen.

    Reply

  • Art Vanderley
    8. Dezember 2023 @ 20:35

    Im neuesten Deutschlandtrend der ARD fällt die FDP erstmals seit Corona wieder unter fünf Prozent, wie bereits vor Corona.
    Es springt einem mit Anlauf ins Gesicht was die Gründe sind, die FDP wurde nur und ausschließlich für ihre gute Coronapolitik belohnt mit einem starken Wahlergebnis.
    Dennoch glaubt man in der FDP sklerotisch daran, für die neoliberale Politik von gestern gewählt zusein, Schuldenbremse, das Geschwätz von der nächsten Generation die alles zu zahlen habe und andere heilige Dogmen des neoliberalen Fundamentalismus.
    Das hat was von Suchtverhalten, wenns nicht mehr den alten Kick gibt, wird das Heil nur in der Steigerung der Dosis vermutet- wohin das bei Süchten führt ist bekannt, und diesen Weg gehen auch wir als Gesellschaft wenn dieser infantile Unfug nicht gestoppt wird.

    Reply

    • KK
      9. Dezember 2023 @ 14:44

      „…das Geschwätz von der nächsten Generation die alles zu zahlen habe…“

      Wenn weiter auch im Bildungswesen derart der Rotstift regiert, dann wird die nächste Generation schlicht nicht qualifiziert sein, um das alles zahlen zu können. Dann muss nämlich all die kaputtgesparte marode Infrastruktur erneuert werden, und das wird erst richtig teuer (hat zB mal jemand ausgerechnet, was die durch marode Brücken erzwungenen jahrelangen Umwege allein des Güterverkehrs die Volkswirtschaft kosten?)


  • Info:https://lostineu.eu/rueckkehr-zur-austeritaet-auch-die-eu-kriegt-eine-schuldenbremse


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    10.12.2023

    Nachrichten von Pressenza: Regeneration ist Leben – Ein agrarökologisches Paradigma zur Bewältigung der Klimakrise

    aus e-mail von  <newsletter@pressenza.com>, 10. Dezember 2023, 7:18 Uhr


    Nachrichten von Pressenza - 10.12.2023


    Regeneration ist Leben – Ein agrarökologisches Paradigma zur Bewältigung der Klimakrise


    Anlässlich der Weltklimakonferenz COP28 präsentiert Navdanya International &#8222;Regeneration ist Leben – Ein agrarökologisches Paradigma zur Bewältigung der Klimakrise&#8220;. Es gibt zwei Hauptparadigmen, wie wir uns in der Welt und in unserer Beziehung zur Erde sehen. Wir sehen uns entweder als&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/12/regeneration-ist-leben-ein-agraroekologisches-paradigma-zur-bewaeltigung-der-klimakrise/


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    Im Rausch des Guten – eine Regnose


    Was, um Himmels Willen, ist eine Regnose? Wir alle kennen eine Prognose oder eine Diagnose. Doch eine Regnose…? Ich will es euch verraten. Dies ist ein Begriff aus der Werkstatt des Zukunftsinstituts, das Matthias Horx in Frankfurt a.M. gründete und&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/12/im-rausch-des-guten-eine-regnose/


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    Bürgerinitiative fordert Ehrenbürgerschaft für Julian Assange nach dem Vorbild der Stadt Rom auch in deutschen Städten und Gemeinden


    Julian Assange ist der vermutlich wichtigste Journalist der Welt. Er hat die Whistleblower-Plattform Wikileaks gegründet und mit dieser zahlreiche Verbrechen von Regierungen und Behörden aufgedeckt, die sonst unentdeckt geblieben wären. Er ist ein Leuchtturm für freien Journalismus und Transparenz. Das&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/12/buergerinitiative-fordert-ehrenbuergerschaft-fuer-julian-assange-nach-dem-vorbild-der-stadt-rom-auch-in-deutschen-staedten-und-gemeinden/


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    Die letzte Sitzung des Workshops für gewaltfreien Journalismus in Cerrillos, Santiago de Chile


    An diesem Samstag haben wir die Abschlusssitzung des Workshops für Gewaltfreien Journalismus (PNV) in der Zentralbibliothek der Gemeinde Cerrillos (Santiago de Chile) durchgeführt. Dieser Workshop war eine verkürzte Version des internationalen Online-Workshops, der am 25. November endete. Beide Workshops sind&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/12/die-letzte-sitzung-des-workshops-fuer-gewaltfreien-journalismus-in-cerrillos-santiago-de-chile/


     -----------------------


    Pressenza - ist eine internationale Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat, mit Vertretungen in Athen, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Florenz, Lima, London, Madrid, Mailand, Manila, Mar del Plata, Montreal, München, New York, Paris, Porto, Quito, Rom, Santiago, Sao Paulo, Turin, Valencia und Wien.


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    09.12.2023

    Ukraine

    aus e-mail von Rainer Butenschön, 9. Dezember 2023,14:04 Uhr


    Liebe Friedensaktive,


    in ihren aktuellen Videohinweisen(siehe link unten) machen die Nachdenkseiten auf ein Gespräch mit dem norddeutschen Journalisten Patrik Baab zur Ukraine aufmerksam, das ich mir gerade angeschaut habe: sehr empfehlenswert - und mit Zukunftausblicken, die beängstigend , aber leider nicht aus der Luft gegriffen sind.Unbedingt zuhören – bis zum Schluss!

    Beste Grüße

    Rainer


    Nachdenkseiten:


    „Deutschland und Ukraine sind die Verlierer“ – Punkt.PRERADOVIC mit Patrik Baab

    Wer als Journalist auf eigene Faust im Ukraine-Krieg recherchiert, sogar auf beide Seiten der Front reist, der wird in Deutschland gecancelt, diffamiert und gekündigt. Der ehemalige NDR-Journalist Patrik Baab erfährt gerade, was es in Deutschland heute bedeutet, ein echter Journalist zu sein. Auf der Lesereise für sein Buch „Auf beiden Seiten der Front“ wurde er bereits ausgeladen. Journalisten und sogenannte Wissenschaftler fordern, ihn zu canceln. Baab hat Elend, Tod und Korruption gesehen. Er spricht unbequeme Wahrheiten aus. Und ist überzeugt: die Ukraine, die EU und vor allem Deutschland werden die großen Verlierer dieses Krieges sein…

    Quelle: Punkt.PRERADOVIC, 07.12.2023 <https://www.youtube.com/watch?v=p1i8jn0xwUU>


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    09.12.2023

    Rede des UN-Generalsekretärs vor Sicherheitsrat- USA blockiert Waffenstillstand

    aus e-mail von Irene Eckert, 9. Dezember 2023, 17:08 Uhr


    Äußerst bedeutsame Rede von Antonio Guterres, der zuvor Art. 99 der

    UN-Charta berief  und sich direkt an den UNSC wandte, mit Blick auf die

    katastrophale und den Weltfrieden bedrohende, unhaltbare Situation in

    GAZA. Einzig die USA blockierten den einmütigen  Ruf des Sicherheitsrates

    nach einem Waffenstillstand. Die Abstimmung war 30-1-1 (GB enthielt sich).

    Noch geht das Morden weiter, aber die USA steht nackt und isoliert vor den

    Völkern, ebenso Israel. Der  Einfluss des Hegemons auf seine Vasallen

    schwindet. Der Druck muss weiter aufgebaut und Guterres bedankt werden. Mit

    solidarischen Grüßen Irene Eckert


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