16.08.2024

Nachrichten von Pressenza: Die USA bereiten sich auf einen aussichtslosen Krieg gegen China vor

aus e-mail von  <newsletter@pressenza.com>, 16. August 2024, 7:30 Uhr


Nachrichten von Pressenza - 16.08.2024


Die USA bereiten sich auf einen aussichtslosen Krieg gegen China vor


Im Krieg gibt es keine Gewinner – und in einem Krieg zwischen den USA und China würde die ganze Welt verlieren. Von Megan Russell Dabei geht es nicht nur um den massenhaften Verlust von Menschenleben, sondern auch um die Auswirkungen&hellip;

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unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält

16.08.2024

Springers Einwürfe: Ein neuartiges nukleares Risiko

Derzeit entwickelte Kernreaktoren brauchen mittelstark angereichertes Uran. Damit verschwimmt die Grenze zwischen kommerziellem Nuklearbrennstoff und Bombenmaterial.


© matejmo / Getty Images / iStock (Ausschnitt)

Das steigende Interesse an alternativen Konzepten für Atomkraftwerke entfacht eine neue Debatte um die Risiken des radioaktiven Brennmaterials.


Ist die Energiewende sauber durchgerechnet? Kann die Forschung wirklich die Zukunft voraussagen? Und widerspricht die Quantenphysik sich selbst? In seinen Kommentaren geht der Physiker und Schriftsteller Michael Springer diesen und anderen Fragen am Rande des aktuellen Wissenschaftsgeschehens nach. Seit 2005 erscheint seine Kolumne »Springers Einwürfe«.

In der schönen neuen Welt der Kernenergie sollen viele kompakte Kraftwerke ihre Umgebung mit Strom versorgen, ohne die Atmosphäre mit schädlichem Treibhausgas zu belasten. Die Rede ist von alternativen Reaktorkonzepten (»advanced reactors«), die, so das deutsche Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, gegenüber herkömmlichen Atomkraftwerken eine ganze Reihe von Vorteilen versprechen: Nicht nur billiger, sicherer und abfallärmer sollten sie arbeiten, sie wären obendrein »weniger geeignet zur Erzeugung von Spaltstoffen für Atomwaffen«.


Abgesehen davon, dass derzeit noch keines dieser Kraftwerke tatsächlich Strom ins Netz speist, weckt vor allem der letzte Punkt starke Zweifel. Die neuen Reaktoren operieren mit höher angereichertem Uran als ein herkömmlicher Atommeiler – und geraten damit an und über die Grenze zu waffenfähigem Kernmaterial.

Davor warnen fünf ausgewiesene Experten für nukleare Sicherheit, zu denen die altgedienten US-Regierungsberater Richard Garwin und Frank von Hippel gehören. Sie sehen bei fortgeschrittenen Reaktoren die Gefahr einer unkontrollierten Weitergabe (Proliferation) des brisanten Brennmaterials.


Ein heutiges Kernkraftwerk läuft mit Uran, in dem der natürliche Anteil des spaltbaren Isotops U-235 von 0,7 Prozent auf 3 bis 5 Prozent angereichert wurde; man spricht von low-enriched uranium (LEU). Doch für die meisten neuartigen Reaktoren reicht LEU nicht: Da sie kleiner konzipiert sind und somit mit weniger Brennstoff auskommen sollen, muss der U-235-Anteil höher konzentriert werden – bis auf 19,75 Prozent. Damit nähert sich dieses so genannte high-assay low-enriched uranium (HALEU) haarfein der Schwelle von 20 Prozent U-235, ab der per Definition hoch angereichertes, waffenfähiges Uran (highly enriched uranium, HEU) vorliegt.

Die 20-Prozent-Grenze wurde 1979 von der US Nuclear Regulatory Commission festgelegt. Seither ist die Nukleartechnik nicht stehen geblieben. Mit modernen Ansätzen lassen sich auch aus schwächer angereicherten Kernbrennstoffen Bomben basteln. Eine HALEU-Waffe könnte schon ab zwölf Prozent Anreicherung funktionieren, wenn man einige hundert Kilogramm Kernbrennstoff zu einer Kugel von einem halben Meter Durchmesser formt und mit einem Neutronenreflektor ummantelt. Per Flugzeug, Lastwagen oder Motorboot ließe sich das klobige Gerät ins Ziel bringen, und es würde eine mit der Hiroshima-Bombe vergleichbare Verheerung anrichten.

Das gruselige Szenario löst hoffentlich einen heilsamen Schock aus

Das gruselige Szenario der Experten löst hoffentlich einen heilsamen Schock aus – sofern es nicht schon zu spät ist. Die US-Regierung macht gerade mehrere Milliarden Dollar locker, um von privater Hand bald mehr als 100 Tonnen HALEU jährlich produzieren zu lassen. Die Atommächte Großbritannien und Frankreich wollen nachziehen, während Russland und China ohnedies schon längst auf großen Mengen mittelstark angereicherten Urans sitzen.


All das ereignet sich in einer von Krisen geschüttelten Welt, in der mehr oder weniger offen über den »begrenzten« Einsatz nuklearer Kampfmittel spekuliert wird. Gleichzeitig versagen sukzessive alle im Kalten Krieg etablierten Abkommen zur Rüstungskontrolle. Der Konfliktforscher Matthew Bunn von der Harvard University meint, noch nie seit der Kubakrise von 1962 sei das Risiko eines Nuklearkriegs so groß gewesen wie heute. Er kann nur hoffen, dass die verfeindeten Regierungen fachkundigen Rat einholen, um vertrauensbildende Maßnahmen anzubahnen – wie das im Kalten Krieg geschah.

Michael Springer

Michael Springer

Michael Springer ist Schriftsteller und Wissenschafts­publizist. Seit 2005 betreut er die Kolumne »Springers Einwürfe« in »Spektrum der Wissenschaft«.






Info:


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15.08.2024

Deutsche Industrie fit für Kriegsproduktion machen

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gruenealternative.de, Simon Lissner, 15.8.2024
Das Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie vom Juni 2023, lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Endlich ist der Vorwand da – grünes Licht für ungehemmte Aufrüstung und wahrlich – eine Lizenz zum Gelddrucken für die Rüstungsindustrie.


Sucht man Kritik an den wahnwitzigen Aufrüstungsplänen, sucht man weitgehend vergeblich. Die “Kritik” der deutschen Medien beschränkt sich darauf, den Regierungsentwurf zur Errichtung einer dezidierten Kriegsindustrie vom Standpunkt des Militarismus zu kritisieren. Danach ist von allem was die – meist – Herren des ballernden Gewerbes wünschen, und bekommen sollen, noch zu wenig (z.B. Kreiszeitung, Feb. 2024).

Beachte. Es ist der Entwurf einer SPD-geführten Regierung, im Gefolge die GRÜNEN und natürlich, voll umfänglich zustimmend, auch die FDP.
Weil trotz proppevoller Auftragsbücher die Kriegsproduktion nach Ansicht Habecks (Grüner Wirtschaftsminister) und Pistorius (SPD-Kriegsminister) nicht ausreichend in Schwung kommt, kommt nun der Vorschlag: “Die Bundesregierung um Robert Habeck und Boris Pistorius plant deshalb eine direkte Beteiligung an der Rüstungsindustrie.” (MSN Portal, 8.8.24, Autor: Mark Simon Wolf).

Das allein wäre ja fast beruhigend, betrachtet man, wie unfähig zurzeit deutsche Staatsunternehmen nicht unbeträchtlicher Größe gemanagt werden. Aber: Der Plan ist viel zu gefährlich für irgendwelche Späße.

Der Vorwand für eine Aufrüstungsspirale und den Unfug einer angeblichen “Zeitenwende” (Kanzler Scholz) die unsere Nachfahren noch weit ins 22 Jahrhundert belasten wird, ist der Ukraine-Krieg. Da dürfte der Ukraine Krieg, der für die Rechtfertigung einer Produktion so ziemlich jedes grausamen Mordwerkzeugs dient, so oder anders, beendet sein. Militaristen aller NATO-Länder werden nicht müde an die Dummheit der Menschheit zu appelieren: “Nach dem Krieg ist vor dem Krieg …”. Die Ausrufung einer “Zeitenwende” ist geradezu Kerosin für die massive Aufrüstung zu kommenden Kriegen. Das ist die Weichenstellung für die künftigen Formen der Konfliktlösung. Dabei schreckt diese Bundesregierung nicht davor zurück, zunächst die neuerliche Stationierung atomwaffenfähiger Sprengkörper der USA zu befürworten, wie im Rahmen der Europäischen “Verteidigung” den Bau eigener Atomwaffen zu diskutieren, (zum Beispiel: Deutschlandfunk v. 16.2024).
Nachdem die SPD Politikerin Katarina Barley (SPD) neue europäische Atomwaffen ins Gespräch brachte, kommt aus den Koalitionsparteien lauwarme Kritik. Strack-Zimmermann meint eher, wie übrigens auch Hofreiter Toni von den GRÜNEN, da sei der zweite vor dem ersten Schritt getan. Erst müssen die Rüstungsanstrengungen Europas “koordiniert” werden, was immer das heißen mag, dann ja was eigentlich dann? Dann schau’n mer ma’. Frankreich und die Briten haben bereits Nuklearwaffen. Sicher können die da deutsche Unterstützung gebrauchen. Und Alt-Außenminister Fischer (noch oder ehem. Grüner?) schreckt nicht davor zurück, zum Atomwaffen-Lobbyisten zu mutieren: “Auf die Frage, ob zu der Abschreckung auch gehöre, dass Deutschland sich eigene Atomwaffen anschaffe, sagte er: »Das ist in der Tat die schwierigste Frage. Sollte die Bundesrepublik Atomwaffen besitzen? Nein. Europa? Ja. Die EU braucht eine eigene atomare Abschreckung.«”, (Der Spiegel v. 3.12.23). Natürlich ist auch für ihn “der Russe” schuld.
Diese ganzen Überlegungen liegen zeitlich lange vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine (Februar 2022). Das ist einer der zahlreichen Hinweise, dass dieser Krieg der nun endlich vollumfänglich nutzbare Vorwand ist, kriegsbereitschaft in Europa zu generieren. In einem Beitrag der TAZ vom 5.12.2020 berichtet, der seinerzeitige GRÜNE Abgeordnete Tobias Lindner, Obmann im Verteidigungsausschuss, anlässlich GRÜNER Basisforderungen zum Abzug amerikanischer Atomwaffen (GA-Vorstandsmitglied K.W. Koch war daran vorneweg beteiligt) äußerte sich: “Als er Mitte November auf dem Podium des „Nato Talk“ sitzt, einer Konferenz der Bundesregierung mit Thinktanks und hochrangigen Militärs, lehnt er einen schnellen Abzug ab. Er wolle lieber dafür arbeiten, dass es „2030 oder 2035“ vielleicht ein „window of opportunity“ gebe, in dem man mit Russland über eine Reduzierung der Atomwaffen auf beiden Seiten reden könne. Der grüne Ex-Außenminister Joschka Fischer sagt an gleicher Stelle sogar: Auf die US-Atomwaffen dürfe Deutschland gar nicht verzichten.”. Die TAZ weiter: “Ein „window of opportunity“ im Jahr 2035, man würde jetzt gerne das Gesicht von Karl-Wilhelm Koch sehen.”. (Bestätigung für die Darstellung von U. Reitz, s.u.).

Ehemalige Bekenntnisse im Rahmen Europas, sich als “Friedensmacht” zu positionieren, können vor dem Hintergrund dieses Entwurfes eines Strategiepapiers durchaus als alt-imperiale Drohung gelesen werden: “Unser bewährtes Koordinatensystem basiert auf europäischer Integration, transatlantischer Partnerschaft und einer aktiven Rolle bei der gemeinsamen Gestaltung einer globalen Friedensordnung in den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen.” (S. 2 Mitte). Nämlich: Frieden ist, wenn unsere Ordnung durchgesetzt ist und – bist du nicht willig, brauch ich Gewalt, dafür zeig ich schon mal die “Folterwerkzeuge”. Noch leicht verschämt aber unschwer zu entschlüsseln heisst es unter der Überschrift “Das sicherheits- und verteidigungspolitische Umfeld” als homage an die “alternativlose Lage” und damit notwendige “Realpolitik”: “Fortschritte in der Forschung und der Entwicklung neuer Technologien, wie z.B. in der Digitalisierung, im Bereich der Künstlichen Intelligenz, unbemannter Systeme, der Hyperschalltechnik, der Biotechnologien und der Cyberinstrumente, werden grundlegende Auswirkungen auf die sicherheits- und verteidigungs-relevanten Systeme der Zukunft haben. Damit sind auch Fragen nach dem möglichen Destabilisierungspotenzial und der Völkerrechtskonformität des Einsatzes neuer Technologien in Waffensystemen verbunden. Auch die zivile und militärische Nutzung des Weltraums wird vor dem Hintergrund der sicherheitspolitischen Veränderungen künftig an sicherheits- und verteidigungspolitischer Bedeutung weiter gewinnen.” (ebd. S. 1). Natürlich stellt “man” das nicht nur fest, natürlich will “man” das auch “haben”. Sonst wäre es ja kein Strategiepapier. Also: Offenbar schreckt diese Bundesregierung und ihre “Ratgeber” nicht vor der Entwicklung neuer biologischer Waffen zurück? Die sind jedenfalls dezidiert genannt, wie auch der Größenwahn, in “Weltraum gestützte Waffen” zu investieren. Soviel zum Thema Lippenbekenntnis: Biowaffen und ihre Herstellung sind international geächtet und verboten. Aber: Bekanntlich gilt da wohl, legal, illegal, scheißegal. Auch diese Sozialdemokratisch-Grün-Liberale Bundesregierung ist dem Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten und sie lügt sich und uns nun nachträglich einen Begründungszusammenhang zusammen. Ich bin mit dem “Russen” in “Berlin, der “gelben Gefahr” (Übernahme des Motorradmarktes durch die Japaner” aufgewachsen und musste auch nicht chinesisch lernen (die lernen fleissig Deutsch), deren Okkupation Europas/Deutschlands bereits im vergangenen Jahrhundert voraus gesagt wurde. Aber die Führer;innen der hochgerüstetsten Staaten des Planeten (USA, Deutschland, Frankreich, also die NATO-Staaten) erzählen uns unablässig und nun mit wachsender Begeisterung, dass “wir” wieder “Kriegsfähig werden (?!) müssen”. Dabei führen “wir” seit 1945 unablässig einen Krieg nach dem anderen, und haben nicht einen einzigen mit all den Waffenarsenalen verhindert, geschweige denn, die Welt der so “beglückten” und mit Kriegen überzogenen Menschen, sei besser geworden.


Das Märchen von der “unimperialistischen Weltordnung”

Sich selbst in die Tasche lügen bringt’s in der Regel nicht. Der ganze Auftritt der SPD und Grünen Führung begründet sich damit, dass Deutschland/Europa und der Verbund der NATO angeblich “die Guten” sind. Selbstgewiß wird ein unerschütterliches Selbstvertrauen zur Schau getragen, und mit den ja geradezu altruistisch anmutenden Zielen, letzten Endes jede dieser Ertüchtigungsschritte zu eine Kriegsindustrie gerechtfertigt. Man/frau mag zum Ukraine Krieg stehen, wie man/frau will. Aber um den geht es hinsichtlich der Dimension der angestrebten Ertüchtigung gar nicht. Vielmehr geht es ganz unaltruistisch darum: Wie werden die Re(i)chtümer des Planeten künftig verteilt werden? Am besten so, wie die modernen Imperien Europa, USA, China, Indien, Russland – Afrika mit einer ausgesprochen jungen Bevölkerung wird sich noch zu Wort melden – künftig die Ressourcen verteilen wollen: Und da setzt “man” zusehends auf Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Darauf soll sich Europa nun vorbereiten.

Kriegsursache “das Böse” / “der Teufel Putin”?

Zweifellos ist richtig, dass Putin Aggressor in der Ukraine und an der beschriebenen Entwicklung ursächlich beteiligt ist. Aber “er”, also die Führer Russlands, ist/sind weder die ersten, noch die einzigen die zur Durchsetzung dessen, was sie für Interessen ihres Staates halten, Waffen sprechen liessen und lassen. Zweifellos ist auch richtig, dass kein freiheitlicher Mensch, freiheitlich nicht etwa im Sinne der Freiheit zur hemmungslosen Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, sondern im Sinne von Solidarität, Frieden, Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Glück für alle Menschen auf dem Planeten, unter “putinschen” Verhältnissen leben müssen sollte. Wie dem auch sei, trotz vielfältiger Bemühung einseitiger, um nicht zu sagen “alternativer Geschichtsschreibung”, hat die Sache eine weitere Seite. Der Focus-Korrespondent Ulrich Reitz erzählt am 6.8.24 eine etwas andere Geschichte unter der Überschrift “Baerbock und Scholz fühlen sich mächtig wichtig – die echten Deals machen andere“. Nun ist der Focus eher dem konservativ-bürgerlichen Journalismus verpflichtet. Neben der Bemerkung, dass der “altersschwache US-Präsident” es doch tatsächlich geschafft hat, “Scholz” im “persönlichen Gespräch” davon zu übezeugen, im Zuge eines Gefangenenaustauschs den russischen Agenten und “Tiergartenmörder” frei zulassen und damit den deutschen Rechtsstaat und seine Justiz zu düpieren, geht es in dem Artikel auch noch um das Thema des der beschleunigten Rüstungsspirale dienende Narrativ der “russischen Gefahr”. Da veröffentlicht also dieses konservativ-reaktionäre Blatt: “Was Baerbock – in einem Beitrag in der „Bild“-Zeitung – erzählte, ist allerdings nur die eine Version. Von Seiten der Russen und mit Blick auf die zeitlichen Zusammenhänge sieht es anders aus: “Nachdem die Amerikaner in Polen und Rumänien ein Nato-Raketenabwehrschild aufgebaut hatten, kündigte der damalige russische Präsident Medwedew – heute Putins Lautsprecher – die Stationierung der Iskander-Raketen in Kaliningrad an – das war 2008. Dann verhandelten Russen und Amerikaner – Motto: Verzichtet Washington auf den Abwehrschild in Polen und Rumänien, verzichtet Moskau auf die Iskander-Stationierung. Die Verhandlungen scheiterten, die Russen stationierten die Raketen in Kaliningrad. Das war 2013. Der außenpolitisch schwache demokratische Präsident Obama reagierte nicht. Danach kam Trump, und der kündigte schließlich für die USA 2019 den INF-Vertrag auf. ” (siehe dazu passend oben die Bestätigung dieser Darstellung durch den GRÜNEN Lindner, der “die Russen” im Sinne des “window of opportunity” bis 2035 “zappeln” lassen wollte, statt sich für ein Endes des nukelaren Droh-Irsinns einzusetzen).

Die jung gebliebenen Älteren von uns fühlen sich da durchaus an die Kuba-Krise erinnert, die fast zu einem nuklearen Inferno geführt hätte. Die Jüngeren unter uns mögen da mal “googeln”. Unterschied zu damals: Kennedy und Chruschtschow einigten sich in allerletzter Sekunde. Die Dummheit, imperialer Größenwahn unserer “Helden” heute, so interpretiere ich den Fokus Beitrag, kosten nun hundertausenden Menschen in der Ukraine ihr Leben, Gesundheit Hab und Gut – und sorgt für eine Eskalationsspirale ohne Gleichen in der Menschheitsgeschichte, deren Ende unabsehbar ist und die Welt in den Abgrund eines Dritten Weltkrieges zu stürzen droht. Das ist bittere Realität und da hilft auch nicht die ignorante Verleugnung imperialer Interessen des Westens, wie sie vornehmlich Frau Baerbock und Herr Scholz wie eine Monstranz vor sich hertragen, um mit dem Schuldfinger auf “böse Russen” und “Chinesen” zu weisen.


Info: https://gruenealternative.de/deutscheindustrie


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält

15.08.2024

Pepe Escobar: Wie ein BRICS-Trio Israel in die Enge treibt

seniora.org, 15. August 2024, Von Pepe Escobar 15. August 2024  – übernommen von thecradle.co

Während sich Israel auf der internationalen Bühne zunehmend isoliert, koordinieren die BRICS-Mitglieder Iran, Russland und China im Stillen ein umfassendes Programm zur diplomatischen und militärischen Unterstützung Palästinas.


Trio.pngPhoto Credit: The Cradle)

Die globale Mehrheit ist sich darüber im Klaren, dass die Völkermörder in Tel Aviv mit allen Mitteln versuchen, einen apokalyptischen Krieg zu provozieren   – natürlich mit voller militärischer Unterstützung der USA.


Stellen Sie diese kämpferische Denkweise der 2.500 Jahre alten persischen Diplomatie gegenüber. Der amtierende iranische Außenminister Ali Bagheri Kani hat kürzlich erklärt, dass Teheran alles daran setzt, „den ‚Traum‘ des israelischen Regimes, einen totalen regionalen Krieg auszulösen“, zu verhindern.


Aber man sollte den Feind nie stören, wenn er in völliger Panik ist. Sun Tzu hätte dieser Maxime zugestimmt. Der Iran wird sich sicherlich nicht einmischen, wenn die USA und die G7-Mitglieder alle Register ziehen, um eine Art Waffenstillstandsabkommen zwischen der Hamas und Israel für den Gazastreifen auszuhandeln, um eine ernsthafte militärische Vergeltung durch den Iran und die Achse des Widerstands zu verhindern.


Anfang dieser Woche trug diese Warnung Früchte: Der Hamas-Vertreter im Libanon, Ahmed Abdel Hadi, teilte gestern mit, dass die Hamas bei der vorläufigen Verhandlungsrunde am Donnerstag   – also heute   – nicht auftauchen wird. Der Grund?


„Das klare Klima ist voller Täuschung und Verzögerung seitens Netanjahu, der auf Zeit spielt, während die Achse eine Antwort auf die Ermordung der Märtyrer [Hamas-Politbürochef Ismail] Haniyeh und [Hisbollah-Militärkommandeur Fuad] Shukr vorbereitet... [Hamas] wird sich nicht auf Verhandlungen einlassen, die Netanjahu und seiner extremistischen Regierung Deckung bieten.“


Das Wartespiel, eigentlich eine Meisterleistung strategischer Zweideutigkeit, um Israels Nerven zu strapazieren, wird also weitergehen. Unter all dem billigen Drama des kollektiven Westens, der den Iran anfleht, nicht zu reagieren, gibt es eine Leere. Im Gegenzug wird nichts angeboten.

Schlimmer noch. Washingtons europäische Vasallen   – das Vereinigte Königreich, Frankreich und Deutschland   – gaben eine Erklärung ab, die direkt aus der Verzweiflungsreihe stammt, in der sie „den Iran und seine Verbündeten auffordern, von Angriffen abzusehen, die die regionalen Spannungen weiter verschärfen und die Möglichkeit gefährden würden, einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln zu vereinbaren. Sie werden die Verantwortung für Handlungen tragen, die diese Chance auf Frieden und Stabilität gefährden. Kein Land und keine Nation profitiert von einer weiteren Eskalation im Nahen Osten.“


Vorhersehbarerweise kein einziges Wort über Israel. In dieser neo-orwellschen Formulierung ist es, als ob die aufgezeichnete Geschichte des Planeten begann, als der Iran ankündigte, Vergeltung für die Ermordung von Haniyeh in Teheran zu üben.


Die iranische Diplomatie antwortete den Vasallen rasch und betonte ihr „anerkanntes Recht“, die nationale Souveränität zu verteidigen und Abschreckung gegen Israel, die eigentliche Quelle des Terrorismus in Westasien, zu schaffen. Und vor allem betonte man, dass man „von niemandem eine Erlaubnis“ für die Ausübung dieses Rechts einhole.


Der Kern der Sache entzieht sich vorhersehbar der westlichen Logik: Hätte Washington im vergangenen Jahr einen Waffenstillstand im Gazastreifen erzwungen, wäre die Gefahr eines apokalyptischen Krieges, der Westasien erschüttert, vermieden worden.


Stattdessen genehmigten die USA am Mittwoch ein weiteres Waffenpaket im Wert von 20 Milliarden Dollar für Tel Aviv, was genau zeigt, wie sehr sich die Amerikaner für einen dauerhaften Waffenstillstand einsetzen.


Palästina trifft die BRICS

Die israelischen Provokationen, insbesondere die Ermordung von Haniyeh, waren ein direkter Affront gegen drei führende BRICS-Mitglieder: Iran, Russland und China.

Die Reaktion auf Israel impliziert also eine konzertierte Aktion des Trios, die sich aus den miteinander verflochtenen umfassenden strategischen Partnerschaften ergibt.

Zuvor hatte der chinesische Außenminister Wang Yi am Montag ein wichtiges Telefongespräch mit dem amtierenden iranischen Außenminister Ali Bagheri Kani geführt, in dem er alle Bemühungen Teherans um Frieden und Stabilität in der Region nachdrücklich unterstützte.

Es signalisiert auch die chinesische Unterstützung für eine iranische Reaktion auf Israel. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Ermordung Haniyehs in Peking als unverzeihlicher Schlag gegen die beträchtlichen diplomatischen Bemühungen des Landes gewertet wurde, nur wenige Tage nachdem der Hamas-Chef zusammen mit anderen palästinensischen politischen Vertretern die Erklärung von Peking unterzeichnet hatte.


Am Dienstag traf der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmoud Abbas, mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin in dessen Nowo-Ogarjowo-Residenz in Moskau zusammen. Was Putin zu Abbas sagte, ist ein Juwel der Untertreibung:


„Es ist allgemein bekannt, dass Russland heute leider seine Interessen und sein Volk mit Waffen in der Hand verteidigen muss, aber was im Nahen Osten [Westasien] geschieht, was in Palästina geschieht, bleibt sicherlich nicht unbemerkt.“


Doch es gibt ein ernstes Problem. Der von den USA und Israel unterstützte Abbas ist wie eine Art zerbrochenes Schilfrohr, das in Palästina kaum noch Glaubwürdigkeit genießt. Jüngste Umfragen zeigen, dass 94 Prozent der Bewohner des Westjordanlandes und 83 Prozent der Bewohner des Gazastreifens seinen Rücktritt fordern. Unterdessen machen weniger als 8 Prozent der Palästinenser die Hamas für ihre derzeitige, schreckliche Lage verantwortlich. Überwältigendes Vertrauen wird in den neuen Hamas-Führer Yahya Sinwar gesetzt.


Moskau befindet sich in einer komplizierten Lage: Es versucht, einen neuen politischen Prozess in Palästina mit seinen staatsmännischen Instrumenten voranzutreiben, und zwar auf viel eindringlichere Weise als die Chinesen. Doch Abbas wehrt sich dagegen.

Es gibt jedoch einige vielversprechende Ansätze. In Moskau sagte Abbas, man habe über BRICS gesprochen: Wir haben uns mündlich darauf geeinigt, dass Palästina im Rahmen des „Outreach“-Formats eingeladen wird“, und äußerte die Hoffnung, dass:


„Es könnte ein besonderes Format eines Treffens organisiert werden, das ausschließlich Palästina gewidmet ist, so dass alle Länder ihre Meinung zu den aktuellen Entwicklungen äußern können ... Es wird alles so relevant wie möglich sein, wenn man bedenkt, dass die Länder dieser Vereinigung [BRICS] alle mit Palästina befreundet sind.“


Das ist an sich schon ein bedeutender diplomatischer Sieg Russlands. Die Tatsache, dass Palästina in den Kreis der BRICS-Staaten aufgenommen wird, um ernsthafte Gespräche zu führen, wird immense Auswirkungen auf alle muslimischen Staaten und die globale Mehrheit haben.


Wie man eine tödliche Antwort kalibriert

Was das Gesamtbild   – die Antwort der Achse des Widerstands auf Israel   – betrifft, so ist Russland ebenfalls stark involviert. Kürzlich landete eine Reihe russischer Flugzeuge im Iran, die Berichten zufolge offensive und defensive militärische Ausrüstung an Bord hatten, darunter das bahnbrechende Murmansk-BN-System, das in der Lage ist, alle Arten von Funksignalen, GPS, Kommunikation, Satelliten und elektronische Systeme in einer Entfernung von bis zu 5.000 Kilometern zu blockieren und zu stören.


Dies ist der ultimative Albtraum für Israel und seine NATO-Helfer. Wenn der Iran das elektronische Kriegsführungssystem Murmansk-BN einsetzt, kann es das gesamte israelische Stromnetz, das nur 2.000 Kilometer entfernt ist, buchstäblich lahm legen, indem es Militärbasen und auch das Stromnetz angreift.


Wenn der Iran mit seinem Gegenschlag wirklich über die Stränge schlagen und dem Besatzungsstaat eine epische, unvergessliche Lektion erteilen will, könnte dies durch eine Kombination aus dem Murmansk-BN und neuen iranischen Hyperschallraketen geschehen.


Und vielleicht ein paar zusätzliche russische Hyperschall-Überraschungen. Schließlich reiste der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Sergej Schoigu, vor kurzem nach Teheran, um sich mit dem iranischen Generalstabschef Generalmajor Bagheri zu treffen, um die Feinheiten ihrer umfassenden strategischen Partnerschaft, auch im militärischen Bereich, abzustimmen.


Generalmajor Bagheri ließ sogar die BRICS-Katze aus dem Sack, als er sagte: „Wir werden die dreiseitige Zusammenarbeit von Iran, Russland und China begrüßen.“ So schließen sich die Zivilisationsstaaten in der Praxis zusammen, um das in die westliche „demokratische“ Plutokratie eingebaute „Forever War“-Ethos zu bekämpfen.


So sehr Russland und China Palästina und den Iran auf verschiedenen Ebenen unterstützen, ist es unvermeidlich, dass sich der Fokus der Forever Wars nun gegen sie alle richtet. Die Eskalation greift um sich   – in der Ukraine, in Israel, in Syrien, im Irak und im Jemen sowie in den Farbrevolutionen von Bangladesch (erfolgreich) bis Südostasien (gescheitert).


Das bringt uns zu dem zentralen Drama in Teheran: Wie kann man eine Reaktion sorgfältig kalibrieren, die Israel bedauern lässt, aber nicht zu blutenden Wunden vom Iran zu Russland und China führt.


Der übergreifende Zusammenprall zwischen Eurasien und NATOstan ist unvermeidlich. Putin selbst hat dies mit deutlichen Worten zum Ausdruck gebracht, als er sagte: „Jegliche Friedensgespräche mit der Ukraine sind unmöglich, solange sie Angriffe auf die Zivilbevölkerung durchführt und Atomkraftwerke bedroht.“


Das Gleiche gilt für Israel in Gaza. „Friedensgespräche“   – oder Waffenstillstandsverhandlungen   – sind unmöglich, solange Gaza und souveräne Staaten wie Syrien, Irak und Jemen nach Belieben beschossen werden.


Es gibt nur einen Weg, damit umzugehen: militärisch, mit intelligenter Gewalt.


Der Iran könnte in Absprache mit seinen strategischen Partnern Russland und China versuchen, einen dritten Weg zu finden. Das Projekt Israel legt seine eigene Wirtschaft praktisch lahm, um den Besatzungsstaat vor einer tödlichen Reaktion des Iran und der Achse des Widerstands zu schützen.


Teheran könnte also Sun Tzu bis zum Äußersten treiben   – das Abwarten, die psychologischen Operationen, die unerträgliche strategische Zweideutigkeit   – und die israelischen Siedler dazu zwingen, in ihren unterirdischen Bunkern zu schmoren, bis die gesamte, übergreifende, koordinierte Strategie steht, um einen tödlichen Schlag zu führen.

 

Pepe Escobar

Quelle: https://thecradle.co/articles/how-a-brics-trio-is-staring-down-israel
Mit freundlicher Genehmigung von thecradle.co
Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus


Info: https://seniora.org/index.php?option=com_acymailing&ctrl=url&subid=3998&urlid=6132&mailid=2303


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält

15.08.2024

Pressemitteilung: Petition für einen gerechten Frieden in Gaza

aus e-mail von Ingrid Rumpf, 15. August 17:48 Uhr


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Heute haben sieben Organisationen eine Petition mit dem Titel „Für einen gerechten Frieden in
Gaza. Waffenexporte stoppen & Hilfsblockade beenden!“ gestartet. Mit der Petition fordern
namhafte NGOs gemeinsam mit lokalen Initiativen die Bundesregierung unter anderem dazu
auf, keine Rüstungsgüter mehr nach Israel zu exportieren, wenn die Gefahr besteht, dass sie
völkerrechtswidrig eingesetzt werden. Die Bundesregierung hat bekräftigt, trotz zahlreich
dokumentierter Völkerrechtsverletzungen weiter Waffen an Israel liefern zu wollen. Die Petition
ist ein zivilgesellschaftlicher Protest gegen diese Absichtserklärung. Sie stellt acht Forderungen
an die Bundesregierung, ihre politische Reaktion auf den Krieg in Gaza grundsätzlich zu
ändern.
Die Petition wurde auf der Plattform openPetition veröffentlicht und kann unter diesem Link
eingesehen und unterschrieben werden: https://openpetition.de/!pxyvh
„Statt Waffen zu liefern und damit Öl ins Feuer zu gießen, sollte die Bundesregierung alles tun,
um die Situation zu deeskalieren. Sie muss sich gegenüber der israelischen Regierung mit allen
Mitteln dafür einsetzen, dass in Gaza ein Waffenstillstand zu Stande kommt. Die Gewalt im
Westjordanland muss gestoppt und die illegale Besatzung beendet werden“, so Gerold König,
Bundesvorsitzender von pax christi.


Tsafrir Cohen, Geschäftsführer der Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico
international, stellt fest: „Die Bundesregierung versucht zu verhindern, dass israelische
Kriegsverbrechen in Den Haag verhandelt und strafrechtlich verfolgt werden.
Damit verliert sie
nicht nur weltweit zunehmend an Glaubwürdigkeit, sondern unterwandert auch die
internationale Gerichtsbarkeit und fördert so eine Kultur der Straflosigkeit.“


Serap Altinisik, Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland e.V.: „Die Menschen in Gaza sind
aufgerieben von Bombardements und Blockade. Mehr als eine halbe Million leidet unter
katastrophalem Nahrungsmittelmangel. Pro Person und Tag gibt es weniger als fünf Liter
Wasser für Trinken und Hygiene – weniger als ein Drittel des in Notsituderlichen
(?)
Minimums. Humanitäre Hilfe kann das Leid zwar etwas mindern, aber keine Politik ersetzen. Die
Bundesregierung darf deshalb nicht länger tatenlos zusehen, wie die israelische Regierung die
Beschneidung der Wasserversorgung als Mittel der Kriegsführung einsetzt.“


Dr. med. Angelika Claußen, Vorsitzende der ärztlichen Friedensorganisation IPPNW, fügt hinzu:
„Das Menschenrecht auf Leben und Gesundheit wird in Gaza täglich verletzt. 40.000 Menschen
kamen bereits direkt durch Angriffe des israelischen Militärs ums Leben. Die Zahl der Toten liegt
jedoch um ein Vielfaches höher, wenn man sie nach internationalen Public Health-Maßstäben
misst und all jene hinzu zählt, die durch zerstörte Gesundheitsinfrastruktur, Hunger,
Wassermangel und fehlende sanitäre Einrichtungen starben. Die Rettung von Menschenleben
muss für die Bundesregierung jetzt oberste Priorität haben!“


Die Petition wurde initiiert von:
CARE Deutschland e.V.
IPPNW Deutschland
medico international
NRC Flüchtlingshilfe Deutschland
Oxfam Deutschland e.V.
pax christi, Deutsche Sektion e.V.
Weltfriedensdienst e.V.
Sie wird von zahlreichen weiteren Organisationen unterstützt.


Pressekontakte:
Frederic Jage-Bowler, IPPNW Deutschland: 030 698074-15, jagebowler@ippnw.de
Anne Jung, medico international: 0151 17165769, jung@medico.de
Zoe-Marie Lodzik, NRC Flüchtlingshilfe Deutschland: 0151 57860663,
zoemarie.lodzik@nrc-hilft.de
Annika Zieske, Oxfam Deutschland e.V.: 030 45 30 69 715, azieske@oxfam.de
Gerold König, pax christi, Deutsche Sektion e.V.: 0178 3431107, g.koenig@paxchristi.de
Stefanie Wurm, Weltfriedensdienst e.V.: 030 253990-18, wurm@wfd.de


Info: https://dpg-netz.de/wp-content/uploads/NewsHome/Pressemitteilung-%E2%80%93-Petition-fuer-einen-gerechten-Frieden-in-Gaza.pdf  (Zum Herunterladen)


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält

15.08.2024

Als ehemaliger IDF-Soldat und Historiker des Völkermords hat mich mein jüngster Besuch bei israelischen Soldaten im Gazastreifen im Januar zutiefst beunruhigt.

By Omer Bartov Tue 13 Aug 2024 00.00 EDT

Genozidforscher Omar Bartov über die mentale Situation in

Israel nach dem 7. Oktober


https://www.theguardian.com/world/article/2024/aug/13/israel-gaza-historian-omer-bartov

Am 19. Juni 2024 sollte ich an der Ben-Gurion University of the Negev (BGU) in Be'er Sheva, Israel, einen Vortrag halten. Mein Vortrag war Teil einer Veranstaltung über die weltweiten Campus-Proteste gegen Israel, und ich hatte vor, den Krieg in Gaza anzusprechen und allgemein die Frage zu stellen, ob es sich bei den Protesten um aufrichtige Empörung oder um Antisemitismus handelt, wie einige behauptet hatten. Aber die Dinge liefen nicht wie geplant ab.

Als ich am Eingang des Hörsaals ankam, sah ich eine Gruppe von Studenten, die sich versammelt hatte. Es stellte sich bald heraus, dass sie nicht wegen der Veranstaltung gekommen waren, sondern um dagegen zu protestieren. Die Studenten waren anscheinend durch eine WhatsApp-Nachricht aufgerufen worden, die am Vortag verschickt worden war und in der auf die Vorlesung hingewiesen und zum Handeln aufgerufen wurde: "Wir werden es nicht zulassen! Wie lange wollen wir noch Verrat an uns selbst begehen?!?!?!?!!"

In der Nachricht wurde weiter behauptet, ich hätte eine Petition unterzeichnet, in der Israel als "Apartheidregime" bezeichnet wurde (tatsächlich bezog sich die Petition auf ein Apartheidregime im Westjordanland). Ich wurde auch "beschuldigt", im November 2023 einen Artikel für die New York Times geschrieben zu haben, in dem ich feststellte, dass, obwohl die Äußerungen der israelischen Führer auf völkermörderische Absichten hindeuteten, immer noch Zeit sei, Israel daran zu hindern, einen Völkermord zu verüben. In diesem Punkt war ich schuldig im Sinne der Anklage. Der Organisator der Veranstaltung, der renommierte Geograph Oren Yiftachel, wurde ebenfalls kritisiert. Zu seinen Vergehen gehörte, dass er Direktor der "antizionistischen" B'Tselem, einer weltweit angesehenen Menschenrechts-NGO, war.

Als die Podiumsteilnehmer und eine Handvoll meist älterer Fakultätsmitglieder den Saal betraten, hinderte das Sicherheitspersonal die protestierenden Studenten am Einlass. Sie hielten sie jedoch nicht davon ab, die Tür des Hörsaals offen zu halten, Parolen in ein Megafon zu rufen und mit aller Kraft gegen die Wände zu hämmern.

Nach über einer Stunde der Störung kamen wir überein, dass es vielleicht am besten wäre, die protestierenden Studenten zu einem Gespräch einzuladen, unter der Bedingung, dass sie die Störung einstellen. Eine ganze Reihe dieser Aktivisten kam schließlich herein, und in den folgenden zwei Stunden setzten wir uns zusammen und unterhielten uns. Wie sich herausstellte, waren die meisten dieser jungen Männer und Frauen erst kürzlich vom Reservistendienst zurückgekehrt, bei dem sie im Gazastreifen eingesetzt worden waren.

Dies war kein freundlicher oder "positiver" Meinungsaustausch, aber er war aufschlussreich. Diese Studenten waren nicht unbedingt repräsentativ für die Studentenschaft in Israel insgesamt. Sie waren Aktivisten in rechtsextremen Organisationen. Aber in vielerlei Hinsicht spiegelte das, was sie sagten, eine viel weiter verbreitete Stimmung im Lande wider.

Ich war seit Juni 2023 nicht mehr in Israel gewesen, und bei diesem jüngsten Besuch fand ich ein anderes Land vor als das, das ich bisher kannte. Obwohl ich viele Jahre im Ausland gearbeitet habe, ist Israel das Land, in dem ich geboren und aufgewachsen bin. Es ist der Ort, an dem meine Eltern lebten und begraben sind; es ist der Ort, an dem mein Sohn seine eigene Familie gegründet hat und die meisten meiner ältesten und besten Freunde leben. Da ich das Land von innen kenne und die Ereignisse seit dem 7. Oktober noch intensiver als sonst verfolgt habe, hat mich das, was mir bei meiner Rückkehr begegnet ist, zwar nicht völlig überrascht, aber doch zutiefst beunruhigt.

Bei meinen Überlegungen zu diesen Fragen kann ich nicht umhin, meinen persönlichen und beruflichen Hintergrund zu berücksichtigen. Ich habe vier Jahre lang in den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) gedient, unter anderem im Jom-Kippur-Krieg von 1973, im Westjordanland, auf dem Nordsinai und im Gazastreifen, wo ich meinen Dienst als Kommandant einer Infanteriekompanie beendete. Während meiner Zeit im Gazastreifen erlebte ich aus erster Hand die Armut und Hoffnungslosigkeit der palästinensischen Flüchtlinge, die in überfüllten, heruntergekommenen Vierteln ihr Leben fristen. Am lebhaftesten erinnere ich mich daran, wie ich in den schattenlosen, stillen Straßen der ägyptischen Stadt ʿArīsh - die damals von Israel besetzt war - patrouillierte, durchbohrt von den Blicken der ängstlichen, verbitterten Bevölkerung, die uns aus ihren verschlossenen Fenstern beobachtete. Zum ersten Mal verstand ich, was es bedeutet, ein anderes Volk zu besetzen.

Der Militärdienst ist für jüdische Israelis mit 18 Jahren obligatorisch - obwohl es einige Ausnahmen gibt -, aber danach kann man immer noch aufgefordert werden, erneut in den IDF zu dienen, für Ausbildung oder operative Aufgaben oder im Falle von Notfällen wie einem Krieg. Als ich 1976 einberufen wurde, war ich Student an der Universität Tel Aviv. Während dieses ersten Einsatzes als Reserveoffizier wurde ich bei einem Trainingsunfall schwer verwundet, ebenso wie eine Reihe meiner Soldaten. Die IDF vertuschten die Umstände dieses Ereignisses, das durch die Nachlässigkeit des Kommandanten der Ausbildungsbasis verursacht wurde. Ich verbrachte die meiste Zeit des ersten Semesters im Krankenhaus von Be'er Sheva, kehrte dann aber zu meinem Studium zurück und schloss es 1979 mit einer Spezialisierung in Geschichte ab.

Diese persönlichen Erfahrungen weckten mein Interesse an einer Frage, die mich schon lange beschäftigte: Was motiviert Soldaten zum Kämpfen? In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg vertraten viele amerikanische Soziologen die Ansicht, dass Soldaten in erster Linie füreinander kämpfen und nicht für ein größeres ideologisches Ziel. Aber das passte nicht ganz zu dem, was ich als Soldat erlebt hatte: Wir glaubten, dass wir für eine größere Sache kämpften, die über unsere eigene Gruppe von Kameraden hinausging. Als ich mein Studium abgeschlossen hatte, begann ich mich auch zu fragen, ob Soldaten im Namen dieser Sache zu Handlungen gezwungen werden können, die sie sonst als verwerflich empfinden würden.

Im Extremfall schrieb ich meine Doktorarbeit in Oxford, die später als Buch veröffentlicht wurde, über die Indoktrination der deutschen Armee durch die Nazis und die Verbrechen, die sie im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront beging. Was ich herausfand, stand im Widerspruch zu dem, was die Deutschen in den 1980er Jahren über ihre Vergangenheit dachten. Sie zogen es vor, zu glauben, dass die Armee einen "anständigen" Krieg geführt hatte, auch wenn die Gestapo und die SS "hinter ihrem Rücken" Völkermord verübten. Die Deutschen brauchten noch viele Jahre, um zu begreifen, wie sehr sich ihre eigenen Väter und Großväter am Holocaust und am Massenmord an vielen anderen Gruppen in Osteuropa und der Sowjetunion beteiligt hatten.

Als Ende 1987 die erste palästinensische Intifada, also der Aufstand, ausbrach, lehrte ich an der Universität Tel Aviv. Ich war entsetzt über die Anweisung von Yitzhak Rabin, dem damaligen Verteidigungsminister, an die IDF, palästinensischen Jugendlichen, die Steine auf schwer bewaffnete Truppen warfen, "Arme und Beine zu brechen". Ich schrieb ihm einen Brief, in dem ich ihn warnte, dass ich aufgrund meiner Nachforschungen über die Indoktrination der Streitkräfte in Nazideutschland befürchtete, dass die IDF unter seiner Führung einen ähnlich schlüpfrigen Weg einschlagen würden.

Wie meine Forschungen gezeigt hatten, hatten die jungen deutschen Männer bereits vor ihrer Einberufung Kernelemente der Nazi-Ideologie verinnerlicht, insbesondere die Ansicht, dass die untermenschlichen slawischen Massen, angeführt von heimtückischen bolschewistischen Juden, Deutschland und den Rest der zivilisierten Welt mit der Vernichtung bedrohten und dass Deutschland daher das Recht und die Pflicht habe, sich im Osten einen "Lebensraum" zu schaffen und die Bevölkerung dieser Region zu dezimieren oder zu versklaven. Dieses Weltbild wurde den Truppen weiter eingeimpft, so dass sie beim Einmarsch in die Sowjetunion ihre Feinde durch dieses Prisma wahrnahmen. Der heftige Widerstand, den die Rote Armee leistete, bestätigte nur die Notwendigkeit, sowjetische Soldaten und Zivilisten gleichermaßen zu vernichten, vor allem aber die Juden, die als Hauptverantwortliche für den Bolschewismus angesehen wurden. Je mehr Zerstörung sie anrichteten, desto mehr Angst bekamen die deutschen Truppen vor der Rache, die sie im Falle eines Sieges ihrer Feinde erwarten konnten. Das Ergebnis war die Tötung von bis zu 30 Millionen sowjetischen Soldaten und Bürgern.

Zu meinem Erstaunen erhielt ich einige Tage, nachdem ich ihm geschrieben hatte, eine einzeilige Antwort von Rabin, in der er mir vorwarf, ich hätte es gewagt, die IDF mit dem deutschen Militär zu vergleichen. Dies gab mir die Gelegenheit, ihm einen ausführlicheren Brief zu schreiben, in dem ich meine Recherchen und meine Besorgnis über den Einsatz der IDF als Instrument der Unterdrückung unbewaffneter besetzter Zivilisten erläuterte. Rabin antwortete erneut mit der gleichen Aussage: "Wie können Sie es wagen, die IDF mit der Wehrmacht zu vergleichen." Aber im Nachhinein glaube ich, dass dieser Austausch etwas über seinen späteren intellektuellen Weg verrät. Denn wie wir aus seinem späteren Engagement wissen, "war ich nicht völlig überrascht von dem, was mir begegnete, aber es war dennoch zutiefst beunruhigend" ... Omer Bartov. Im Osloer Friedensprozess, so fehlerhaft er auch sein mochte, erkannte er schließlich, dass Israel auf Dauer den militärischen, politischen und moralischen Preis der Besatzung nicht tragen konnte.

Seit 1989 lehre ich in den Vereinigten Staaten. Ich habe viel über Krieg, Völkermord, Nazismus, Antisemitismus und den Holocaust geschrieben und versucht, die Zusammenhänge zwischen der industriellen Tötung von Soldaten im Ersten Weltkrieg und der Ausrottung der Zivilbevölkerung durch Hitlers Regime zu verstehen. Neben anderen Projekten habe ich viele Jahre damit verbracht, den Wandel der Heimatstadt meiner Mutter - Buchach in Polen (heute Ukraine) - von einer Gemeinde des interethnischen Zusammenlebens zu einer Gemeinde zu erforschen, in der sich die nichtjüdische Bevölkerung unter der Nazi-Besatzung gegen ihre jüdischen Nachbarn wandte. Die Deutschen kamen zwar mit dem ausdrücklichen Ziel in die Stadt, die Juden zu ermorden, aber die Geschwindigkeit und Effizienz der Tötung wurde durch die Zusammenarbeit mit den Einheimischen erheblich erleichtert. Diese Einheimischen wurden durch bereits bestehende Ressentiments und Hass motiviert, die auf das Aufkommen des Ethnonationalismus in den vorangegangenen Jahrzehnten und die vorherrschende Ansicht, dass die Juden nicht zu den nach dem Ersten Weltkrieg geschaffenen neuen Nationalstaaten gehörten, zurückgeführt werden können.

In den Monaten seit dem 7. Oktober ist das, was ich im Laufe meines Lebens und meiner beruflichen Laufbahn gelernt habe, schmerzhafter als je zuvor geworden. Wie viele andere habe auch ich diese letzten Monate als emotional und intellektuell herausfordernd empfunden. Wie viele andere sind auch Familienmitglieder von mir und meinen Freunden direkt von der Gewalt betroffen.

Der Hamas-Anschlag vom 7. Oktober war ein enormer Schock für die israelische Gesellschaft, von dem sie sich bis heute nicht erholt hat. Es war das erste Mal, dass Israel für längere Zeit die Kontrolle über einen Teil seines Territoriums verlor, wobei die IDF nicht in der Lage waren, das Massaker an mehr als 1.200 Menschen - viele davon auf grausamste Weise getötet - und die Entführung von weit über 200 Geiseln, darunter zahlreiche Kinder, zu verhindern. Das Gefühl, vom Staat im Stich gelassen zu werden, und die anhaltende Unsicherheit - mit Zehntausenden von israelischen Bürgern, die noch immer aus ihren Häusern entlang des Gazastreifens und an der libanesischen Grenze vertrieben wurden - sind tiefgreifend.

Heute herrschen in weiten Teilen der israelischen Öffentlichkeit, einschließlich derjenigen, die gegen die Regierung sind, zwei Gefühle vor.

Das erste ist eine Kombination aus Wut und Angst, der Wunsch, die Sicherheit um jeden Preis wiederherzustellen, und ein völliges Misstrauen gegenüber politischen Lösungen, Verhandlungen und Versöhnung. Der Militärtheoretiker Carl von Clausewitz stellte fest, dass der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, und warnte davor, dass er ohne ein definiertes politisches Ziel zu grenzenloser Zerstörung führen würde. Die Stimmung, die jetzt in Israel vorherrscht, droht ebenfalls, den Krieg zu seinem eigenen Zweck zu machen. In dieser Sichtweise ist die Politik ein Hindernis für die Erreichung von Zielen und nicht ein Mittel zur Begrenzung der Zerstörung. Dies ist eine Sichtweise, die letztlich nur zur Selbstvernichtung führen kann.

Das zweite vorherrschende Gefühl - oder vielmehr das Fehlen eines Gefühls - ist die Kehrseite des ersten. Es ist die völlige Unfähigkeit der heutigen israelischen Gesellschaft, Mitgefühl für die Bevölkerung des Gazastreifens zu empfinden. Die Mehrheit, so scheint es, will nicht einmal wissen, was in Gaza geschieht, und dieser Wunsch spiegelt sich in der Fernsehberichterstattung wider. Die israelischen Fernsehnachrichten beginnen in diesen Tagen in der Regel mit Berichten über die Beerdigung von Soldaten, die bei den Kämpfen in Gaza gefallen sind und stets als Helden bezeichnet werden, gefolgt von Schätzungen, wie viele Hamas-Kämpfer "liquidiert" wurden. Hinweise auf den Tod von palästinensischen Zivilisten sind selten und werden in der Regel als Teil der feindlichen Propaganda oder als Anlass für unerwünschten internationalen Druck dargestellt. Angesichts so vieler Toter wirkt dieses ohrenbetäubende Schweigen nun wie eine eigene Form der Rachsucht.

Natürlich hat sich die israelische Öffentlichkeit längst an die brutale Besatzung gewöhnt, die das Land in 57 der 76 Jahre seines Bestehens geprägt hat. Aber das Ausmaß dessen, was die IDF derzeit in Gaza anrichtet, ist ebenso beispiellos wie die völlige Gleichgültigkeit der meisten Israelis gegenüber dem, was in ihrem Namen geschieht. 1982 protestierten Hunderttausende Israelis gegen das Massaker an der palästinensischen Bevölkerung in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila im Westen Beiruts durch christliche maronitische Milizen, das von der IDF unterstützt wurde. Heute ist eine solche Reaktion unvorstellbar. Die Art und Weise, wie die Augen der Menschen glasig werden, wenn man das Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung und den Tod von Tausenden von Kindern, Frauen und älteren Menschen erwähnt, ist zutiefst beunruhigend.

Wenn ich diesmal meine Freunde in Israel traf, hatte ich oft das Gefühl, dass sie Angst hatten, ich könnte sie in ihrem Kummer stören, und dass ich, da ich nicht im Lande lebe, ihren Schmerz, ihre Angst, ihre Fassungslosigkeit und ihre Hilflosigkeit nicht nachvollziehen könnte. Jede Andeutung, dass das Leben auf dem Lande sie gegenüber dem Schmerz der anderen betäubt hat - dem Schmerz, der schließlich in ihrem Namen zugefügt wurde - führte nur zu einer Mauer des Schweigens, zu einem Rückzug in sich selbst oder zu einem schnellen Themenwechsel. Der Eindruck, den ich gewann, war einheitlich: Wir haben keinen Platz in unseren Herzen, wir haben keinen Platz in unseren Gedanken, wir wollen nicht darüber sprechen oder gezeigt bekommen, was unsere eigenen Soldaten, unsere Kinder oder Enkel, unsere Brüder und Schwestern, gerade jetzt in Gaza tun. Wir müssen uns auf uns selbst konzentrieren, auf unser Trauma, unsere Angst und unsere Wut.

In einem Interview vom 7. März 2024 äußerte sich der Schriftsteller, Landwirt und Wissenschaftler Zeev Smilansky in einer Weise, die ich schockierend fand, gerade weil sie von ihm kam. Ich kenne Smilansky seit mehr als einem halben Jahrhundert. Er ist der Sohn des berühmten israelischen Schriftstellers S. Yizhar, dessen Novelle Khirbet Khizeh aus dem Jahr 1949 der erste Text in der israelischen Literatur war, der sich mit dem Unrecht der Nakba auseinandersetzte, der Vertreibung von 750 000 Palästinensern aus dem späteren Staat Israel im Jahr 1948. Smilansky sprach über seinen eigenen Sohn Offer, der in Brüssel lebt:

Offer sagt, dass für ihn jedes Kind ein Kind ist, egal ob es in Gaza oder hier ist. Ich fühle nicht so wie er. Unsere Kinder hier sind für mich wichtiger. Es gibt dort eine schockierende humanitäre Katastrophe, das verstehe ich, aber mein Herz ist blockiert und mit unseren Kindern und unseren Geiseln gefüllt ... In meinem Herzen ist kein Platz für die Kinder in Gaza, so schockierend und schrecklich es auch ist, und obwohl ich weiß, dass Krieg keine Lösung ist.

Ich höre Maoz Inon zu, der seine beiden Eltern verloren hat [die am 7. Oktober von der Hamas ermordet wurden] ... und der so schön und überzeugend über die Notwendigkeit spricht, nach vorne zu schauen, dass wir Hoffnung bringen und Frieden wollen müssen, weil Kriege nichts bewirken, und ich stimme ihm zu. Ich stimme ihm zu, aber ich kann nicht die Kraft in meinem Herzen finden, mit all meinen linken Neigungen und meiner Liebe für die Menschheit, ich kann es nicht ... Es ist nicht nur die Hamas, es sind alle Gazaner, die zustimmen, dass es in Ordnung ist, jüdische Kinder zu töten, dass dies eine lohnende Sache ist ... Mit Deutschland gab es eine Versöhnung, aber sie haben sich entschuldigt und Reparationen gezahlt, und was [wird] hier passieren? Auch wir haben furchtbare Dinge getan, aber nichts, was mit dem vergleichbar wäre, was hier am 7. Oktober passiert ist. Es wird notwendig sein, sich zu versöhnen, aber wir brauchen etwas Abstand.

Dies war eine weit verbreitete Meinung unter vielen linksgerichteten, liberalen Freunden und Bekannten, mit denen ich in Israel sprach. Es war natürlich etwas ganz anderes als das, was rechte Politiker und Medienvertreter seit dem 7. Oktober sagen. Viele meiner Freunde erkennen die Ungerechtigkeit der Besatzung an und bekennen sich, wie Smilansky sagte, zu einer "Liebe zur Menschlichkeit". Aber in diesem Moment, unter diesen Umständen, ist dies nicht das, worauf sie sich konzentrieren. Stattdessen sind sie der Meinung, dass im Kampf zwischen Gerechtigkeit und Existenz die Existenz den Sieg davontragen muss, und dass im Kampf zwischen einer gerechten Sache und einer anderen - der der Israelis und der der Palästinenser - unsere eigene Sache den Sieg davontragen muss, egal um welchen Preis. Denjenigen, die an dieser eindeutigen Entscheidung zweifeln, wird der Holocaust als Alternative präsentiert, auch wenn er für den gegenwärtigen Moment irrelevant ist. Dieses Gefühl ist nicht plötzlich am 7. Oktober entstanden. Seine Wurzeln liegen viel tiefer.

Am 30. April 1956 hielt Moshe Dayan, der damalige Stabschef der IDF, eine kurze Rede, die zu einer der berühmtesten in der Geschichte Israels werden sollte. Er sprach bei der Beerdigung von Ro'i Rothberg, einem jungen Sicherheitsoffizier des neu gegründeten Kibbuz Nahal Oz, der 1951 von den IDF errichtet und zwei Jahre später in eine zivile Gemeinde umgewandelt wurde, zu den Trauernden. Der Kibbuz befand sich nur wenige hundert Meter von der Grenze zum Gazastreifen entfernt, gegenüber dem palästinensischen Viertel Shuja'iyya.

Rothberg war am Vortag ermordet worden, und seine Leiche wurde über die Grenze geschleppt und verstümmelt, bevor sie mit Hilfe der Vereinten Nationen in israelische Hände zurückgegeben wurde. Dayans Rede ist zu einer Ikone geworden, die bis heute sowohl von der politischen Rechten als auch von der Linken verwendet wird:

Gestern Morgen wurde Ro'i ermordet. Geblendet von der Stille des Morgens, sah er nicht die, die ihm am Rande der Furche auflauerten. Lasst uns die Mörder heute nicht anklagen. Warum sollten wir sie für ihren brennenden Hass auf uns verantwortlich machen? Seit acht Jahren leben sie in den Flüchtlingslagern von Gaza, während wir vor ihren Augen das Land und die Dörfer, in denen sie und ihre Vorfahren gelebt haben, in unser Eigentum verwandelt haben.

Wir sollten das Blut von Roi nicht bei den Arabern in Gaza suchen, sondern bei uns selbst. Wie konnten wir unsere Augen verschließen und uns unserem Schicksal nicht offen stellen, uns der Mission unserer Generation in all ihrer Grausamkeit nicht stellen? Haben wir vergessen, dass diese Gruppe von Jungs, die in Nahal Oz wohnt, auf ihren Schultern die schweren Tore des Gazastreifens trägt, auf deren anderer Seite sich Hunderttausende von Augen und Händen drängen, die auf unseren Moment der Schwäche warten, damit sie uns auseinanderreißen können - haben wir das vergessen?...

Wir sind die Generation der Siedler; ohne Stahlhelm und Kanonenmündung werden wir keinen Baum pflanzen und kein Haus bauen können. Unsere Kinder werden kein Leben haben, wenn wir keine Unterkünfte graben, und ohne Stacheldraht und Maschinengewehre werden wir nicht in der Lage sein, Straßen zu pflastern und Wasserbrunnen zu graben. Millionen von Juden, die ausgerottet wurden, weil sie kein Land hatten, blicken aus der Asche der israelischen Geschichte auf uns und befehlen uns, ein Land für unser Volk zu besiedeln und wiederzuerrichten. Doch jenseits der Grenzfurche erhebt sich ein Ozean des Hasses und der Rachsucht, der auf den Moment wartet, in dem die Ruhe unsere Bereitschaft abstumpft, auf den Tag, an dem wir den Botschaftern der verschwörerischen Heuchelei Gehör schenken, die uns auffordern, die Waffen niederzulegen ...

Lasst uns nicht davor zurückschrecken, den Abscheu zu sehen, der das Leben von Hunderttausenden von Arabern begleitet und erfüllt, die um uns herum wohnen und auf den Moment warten, in dem sie nach unserem Blut greifen können. Wenden wir unsere Augen nicht ab, damit unsere Hände nicht schwach werden. Dies ist das Schicksal unserer Generation. Dies ist die Entscheidung unseres Lebens - bereit und bewaffnet und stark und zäh zu sein. Denn wenn das Schwert aus unserer Faust fällt, wird unser Leben ausgelöscht werden.

Am nächsten Tag nahm Dayan seine Rede für das israelische Radio auf. Doch etwas fehlte. Es fehlte der Hinweis auf die Flüchtlinge, die den Juden dabei zusahen, wie sie das Land bebauten, von dem sie vertrieben worden waren, und die man nicht dafür verantwortlich machen sollte, dass sie ihre Enteigner hassten. Obwohl er diese Zeilen bei der Beerdigung geäußert und anschließend geschrieben hatte, ließ Dayan sie in der aufgezeichneten Fassung weg. Auch er hatte dieses Land vor 1948 gekannt. Er erinnerte sich an die palästinensischen Dörfer und Städte, die zerstört wurden, um Platz für jüdische Siedler zu schaffen. Er hatte Verständnis für die Wut der Flüchtlinge jenseits des Zauns. Aber er glaubte auch fest an das Recht und die dringende Notwendigkeit einer jüdischen Siedlung und Staatlichkeit. Im Kampf zwischen der Beseitigung von Ungerechtigkeit und der Übernahme des Landes entschied er sich für die eine Seite, wohl wissend, dass sein Volk damit dazu verdammt war, sich für immer auf die Waffe zu verlassen. Dayan wusste auch genau, was die israelische Öffentlichkeit akzeptieren konnte. Seine Ambivalenz in Bezug auf die Frage, wo Schuld und Verantwortung für Ungerechtigkeit und Gewalt liegen, und seine deterministische, tragische Sicht der Geschichte führten dazu, dass die beiden Versionen seiner Rede schließlich sehr unterschiedliche politische Richtungen ansprachen.

Jahrzehnte später, nach vielen weiteren Kriegen und Strömen von Blut, betitelte Dayan sein letztes Buch Shall the Sword Devour Forever? Das 1981 veröffentlichte Buch beschreibt seine Rolle beim Abschluss eines Friedensabkommens mit Ägypten zwei Jahre zuvor. Er hatte endlich die Wahrheit über den zweiten Teil des Bibelverses erfahren, aus dem er den Titel des Buches entnommen hatte: "Weißt du nicht, dass es am Ende Bitterkeit sein wird?"

Aber in seiner Rede von 1956, in der er auf das Tragen der schweren Tore von Gaza und auf die Palästinenser anspielte, die auf einen Moment der Schwäche warten, spielte Dayan auf die biblische Geschichte von Samson an. Der Israelit Samson, dessen übermenschliche Kraft von seinem langen Haar herrührte, hatte die Angewohnheit, in Gaza Prostituierte aufzusuchen, wie sich seine Zuhörer erinnern werden. Die Philister, die ihn als ihren Todfeind betrachteten, hofften, ihn vor den verschlossenen Toren der Stadt in einen Hinterhalt locken zu können. Aber Simson hob die Tore einfach auf seine Schultern und lief frei. Erst als seine Geliebte Delila ihn austrickste und ihm die Haare abschnitt, konnten die Philister ihn gefangen nehmen und einkerkern, indem sie ihm die Augen ausstachen (wie es auch die Gazaner getan haben sollen, die Ro'i verstümmelten) und ihn so noch machtloser machten. Doch in einem letzten Akt der Tapferkeit, als er von seinen Entführern verhöhnt wird, ruft Simson die Hilfe Gottes an, ergreift die Säulen des Tempels, zu dem er geführt worden war, stürzt sie auf die ihn umgebende fröhliche Menge und ruft: "Lasst mich mit den Philistern sterben!"

Diese Tore von Gaza sind tief in der zionistischen israelischen Vorstellungswelt verankert, ein Symbol für die Kluft zwischen uns und den "Barbaren". Im Fall von Ro'i, so Dayan, "verstopfte die Sehnsucht nach Frieden seine Ohren, und er hörte die Stimme des Mordes nicht, die im Hinterhalt lag. Die Tore von Gaza lasteten zu schwer auf seinen Schultern und brachten ihn zu Fall".

Am 8. Oktober 2023 wandte sich Staatspräsident Isaac Herzog an die israelische Öffentlichkeit und zitierte die letzte Zeile von Dayans Rede: "Dies ist das Schicksal unserer Generation. Dies ist die Entscheidung unseres Lebens - bereit und bewaffnet und stark und zäh zu sein. Denn wenn das Schwert aus unserer Faust fällt, wird unser Leben ausgelöscht werden."

Am Tag zuvor, 67 Jahre nach Ro'i's Tod, hatten militante Hamas-Kämpfer 15 Bewohner des Kibbuz Nahal Oz ermordet und acht Geiseln genommen. Seit dem israelischen Vergeltungsangriff auf den Gazastreifen wurde das palästinensische Viertel Shuja'iyya gegenüber dem Kibbuz, in dem 100.000 Menschen lebten, von der Bevölkerung geräumt und in einen riesigen Schutthaufen verwandelt.

Einer der seltenen literarischen Versuche, die grausame Logik der israelischen Kriege zu entlarven, ist Anadad Eldans außergewöhnliches Gedicht Samson Tearing His Clothes aus dem Jahr 1971, in dem dieser antike hebräische Held in den Gazastreifen hinein- und wieder herausfährt und dabei nichts als Verwüstung hinterlässt. Samson, der Held, der Prophet, der den ewigen Feind des Volkes bezwingt, verwandelt sich in dessen Todesengel, einen Tod, den er, wie wir uns erinnern, am Ende auch über sich selbst bringt, in einer großen selbstmörderischen Aktion, die bis heute durch die Generationen hallt.

Als ich in Gaza war, begegnete ich Samson, wie er mit zerrissener Kleidung und zerkratztem Gesicht herauskam, Flüsse flossen und die Häuser sich beugten, um ihn vorbeizulassen, seine Schmerzen entwurzelten Bäume und verfingen sich in den verwickelten Wurzeln. In den Wurzeln steckten Strähnen seines Haares. Sein Kopf glänzte wie ein Schädel aus Stein, und seine schwankenden Schritte zerrissen meine Tränen Samson ging und zog eine müde Sonne, zerbrach Fensterscheiben und Ketten im Meer von Gaza wurden ertränkt. Ich hörte, wie die Erde unter seinen Schritten stöhnte, wie er ihr den Bauch aufschlitzte. Samsons Schuhe kreischten, wenn er ging.

Der 1924 in Polen als Avraham Bleiberg geborene Eldan kam als Kind nach Palästina, kämpfte im Krieg von 1948 und zog 1960 in den Kibbuz Be'eri, etwa 4 km vom Gazastreifen entfernt. Am 7. Oktober 2023 überlebten der 99-jährige Eldan und seine Frau das Massaker an etwa hundert Bewohnern des Kibbuz, als die Militanten, die in ihr Haus eindrangen, sie aus unerklärlichen Gründen verschonten.

Nach dem 7. Oktober, als dieser obskure Dichter auf wundersame Weise überlebte, wurde ein anderes Werk von ihm in den israelischen Medien verbreitet. Denn es schien, als hätte Eldan, der seit langem über Leid und Schmerz aufgrund von Unterdrückung und Ungerechtigkeit berichtet, die Katastrophe, die sein Haus heimsuchte, vorausgesehen. Im Jahr 2016 hatte er eine Gedichtsammlung mit dem Titel Sechs Stunden der Morgendämmerung veröffentlicht. Das war die Stunde, in der der Hamas-Angriff begann. Das Buch enthält das erschütternde Gedicht An den Mauern von Be'eri, in dem er den Tod seiner Tochter durch Krankheit betrauert (der Name des Kibbuz bedeutet auf Hebräisch auch "mein Brunnen").

Nach dem 7. Oktober scheint das Gedicht auf unheimliche Weise sowohl die Zerstörung vorauszusagen als auch eine bestimmte Sichtweise des Zionismus zu vermitteln, die ihren Ursprung in der Katastrophe und Verzweiflung der Diaspora hat und die Nation in ein verfluchtes Land bringt, in dem Kinder von ihren Eltern begraben werden, und doch die Hoffnung auf einen neuen und hoffnungsvollen Aufbruch in Aussicht stellt:

Auf die Mauern von Be'eri schrieb ich ihre Geschichte aus Ursprüngen und Tiefen, die von der Kälte zerfranst waren, als sie lasen, was im Schmerz geschah, und ihre Lichter stürzten in den Nebel und die Dunkelheit der Nacht, und ein Heulen erzeugte ein Gebet, denn ihre Kinder sind gefallen und eine Tür ist verschlossen, denn die Gnade des Himmels atmet Verwüstung und Trauer, wer wird untröstliche Eltern trösten, denn ein Fluch flüstert, es soll weder Tau noch Regen geben, du darfst weinen, wenn du kannst, es gibt eine Zeit, in der die Dunkelheit brüllt, aber es gibt eine Morgendämmerung und ein Strahlen.

Auf den Mauern von Be'eri für verschiedene Menschen unterschiedliche Dinge. Soll es als Klage über die Zerstörung eines schönen und unschuldigen Kibbuz in der Wüste gelesen werden, oder ist es ein Schrei des Schmerzes über die endlose blutige Vendetta zwischen den beiden Völkern dieses Landes? Der Dichter hat uns nicht gesagt, was er meint, wie es bei Dichtern üblich ist. Schließlich hat er es vor Jahren in Trauer um seine geliebte Tochter geschrieben. Aber in Anbetracht seines langjährigen stillen, präzisen und eindringlichen Werks scheint es nicht abwegig zu sein, zu glauben, dass das Gedicht ein Aufruf zur Versöhnung und Koexistenz war und nicht zu weiteren Zyklen des Blutvergießens und der Rache.

Es ist so, dass ich eine persönliche Verbindung zum Kibbuz Be'eri habe. Dort ist meine Schwiegertochter aufgewachsen, und meine Reise nach Israel im Juni diente in erster Linie dazu, die Zwillinge - meine Enkelkinder - zu besuchen, die sie im Januar 2024 auf die Welt gebracht hat. Der Kibbuz war jedoch verlassen worden. Mein Sohn, meine Schwiegertochter und ihre Kinder waren mit einer Familie von Überlebenden - engen Verwandten, deren Vater immer noch als Geisel festgehalten wird - in eine nahegelegene leerstehende Wohnung gezogen, was eine unvorstellbare Kombination aus neuem Leben und untröstlichem Leid in einem Haus ergab.

Ich war nicht nur nach Israel gekommen, um meine Familie zu besuchen, sondern auch, um Freunde zu treffen. Ich hoffte, mir einen Reim darauf machen zu können, was in dem Land seit Beginn des Krieges geschehen war. Der abgebrochene Vortrag an der BGU stand nicht ganz oben auf meiner Tagesordnung. Doch als ich an jenem Tag Mitte Juni im Hörsaal ankam, wurde mir schnell klar, dass diese brisante Situation auch einige Hinweise auf die Mentalität einer jüngeren Generation von Studenten und Soldaten liefern könnte.

Nachdem wir uns hingesetzt und zu reden begonnen hatten, wurde mir klar, dass die Studenten sich Gehör verschaffen wollten und dass niemand, vielleicht nicht einmal ihre eigenen Professoren und Universitätsverwalter, daran interessiert war, ihnen zuzuhören. Meine Anwesenheit und ihr vages Wissen um meine Kritik am Krieg lösten in ihnen das Bedürfnis aus, mir, aber vielleicht auch sich selbst, zu erklären, woran sie als Soldaten und als Bürger beteiligt gewesen waren.

Eine junge Frau, die erst kürzlich von einem langen Militärdienst im Gazastreifen zurückgekehrt war, sprang auf die Bühne und sprach eindringlich über die Freunde, die sie verloren hatte, über das böse Wesen der Hamas und die Tatsache, dass sie und ihre Kameraden sich opferten, um die zukünftige Sicherheit des Landes zu gewährleisten. Nach der Hälfte ihrer Rede brach sie in Tränen aus und trat von der Bühne zurück. Ein junger Mann, gesammelt und wortgewandt, wies meinen Hinweis zurück, dass Kritik an der israelischen Politik nicht unbedingt antisemitisch motiviert sei. Dann begann er mit einem kurzen Überblick über die Geschichte des Zionismus als Antwort auf den Antisemitismus und als politischer Weg, den kein Nichtjude verleugnen darf. Sie waren zwar über meine Ansichten verärgert und durch ihre eigenen jüngsten Erfahrungen in Gaza aufgewühlt, aber die von den Studenten geäußerten Meinungen waren keineswegs außergewöhnlich. Sie spiegelten einen viel größeren Teil der öffentlichen Meinung in Israel wider.

Da sie wussten, dass ich zuvor vor einem Völkermord gewarnt hatte, waren die Schüler besonders darauf bedacht, mir zu zeigen, dass sie menschlich sind, dass sie keine Mörder sind. Sie bezweifelten nicht, dass die IDF tatsächlich die moralischste Armee der Welt sei. Aber sie waren auch davon überzeugt, dass jeder Schaden, der den Menschen und Gebäuden im Gazastreifen zugefügt wurde, völlig gerechtfertigt war, dass alles die Schuld der Hamas war, die sie als menschliche Schutzschilde benutzte.

Sie zeigten mir Fotos auf ihren Handys, um zu beweisen, dass sie sich Kindern gegenüber bewundernswert verhalten hatten, leugneten, dass es im Gazastreifen Hunger gab, bestanden darauf, dass die systematische Zerstörung von Schulen, Universitäten, Krankenhäusern, öffentlichen Gebäuden, Wohnhäusern und Infrastruktur notwendig und gerechtfertigt war. Sie betrachteten jede Kritik anderer Länder und der Vereinten Nationen an der israelischen Politik schlicht als antisemitisch.

Anders als die Mehrheit der Israelis hatten diese jungen Leute die Zerstörung des Gazastreifens mit eigenen Augen gesehen. Mir schien, dass sie nicht nur eine bestimmte Sichtweise verinnerlicht hatten, die in Israel alltäglich geworden ist - nämlich dass die Zerstörung des Gazastreifens als solche eine legitime Reaktion auf den 7. Oktober war -, sondern auch eine Denkweise entwickelt hatten, die ich vor vielen Jahren beobachtet hatte, als ich das Verhalten, die Weltanschauung und das Selbstverständnis von Bundeswehrsoldaten im Zweiten Weltkrieg untersucht hatte. Soldaten, die bestimmte Feindbilder verinnerlicht haben - die Bolschewiken als Untermenschen, die Hamas als menschliche Tiere - und die breite Bevölkerung als weniger menschlich und rechtlos ansehen, neigen dazu, Gräueltaten, die sie beobachten oder begehen, nicht dem eigenen Militär oder sich selbst, sondern dem Feind zuzuschreiben.

Tausende von Kindern wurden getötet? Das ist die Schuld des Feindes. Unsere eigenen Kinder wurden getötet? Das ist sicherlich die Schuld des Feindes. Wenn die Hamas ein Massaker in einem Kibbuz verübt, sind sie Nazis. Wenn wir 2.000-Pfund-Bomben auf Flüchtlingsunterkünfte abwerfen und Hunderte von Zivilisten töten, dann ist die Hamas schuld, weil sie sich in der Nähe dieser Unterkünfte versteckt. Nach dem, was sie uns angetan haben, haben wir keine andere Wahl, als sie auszurotten. Nach dem, was wir ihnen angetan haben, können wir uns nur vorstellen, was sie uns antun würden, wenn wir sie nicht vernichten. Wir haben einfach keine andere Wahl.

Mitte Juli 1941, nur wenige Wochen nachdem Deutschland den von Hitler ausgerufenen "Vernichtungskrieg" gegen die Sowjetunion begonnen hatte, schrieb ein deutscher Unteroffizier von der Ostfront nach Hause:

Das deutsche Volk ist unserem Führer zu großem Dank verpflichtet, denn wenn diese Bestien, die hier unsere Feinde sind, nach Deutschland gekommen wären, hätten solche Morde stattgefunden, wie sie die Welt noch nie gesehen hat ... Was wir gesehen haben ... grenzt an das Unglaubliche ... Und wenn man Der Stürmer [eine Nazizeitung] liest und die Bilder betrachtet, ist das nur eine schwache Illustration dessen, was wir hier sehen, und der Verbrechen, die hier von den Juden begangen werden.

Ein im Juni 1941 herausgegebenes Propagandablatt der Armee zeichnete ein ähnlich alptraumhaftes Bild der politischen Offiziere der Roten Armee, das viele Soldaten bald als Spiegelbild der Realität empfanden:

Jeder, der einmal in das Gesicht eines roten Kommissars geschaut hat, weiß, wie die Bolschewiken sind. Da braucht es keine theoretischen Ausdrücke. Wir würden die Tiere beleidigen, wenn wir diese meist jüdischen Männer als Bestien bezeichnen würden. Sie sind die Verkörperung des satanischen und wahnsinnigen Hasses gegen die gesamte edle Menschheit ... [Sie] hätten allem sinnvollen Leben ein Ende bereitet, wenn dieser Ausbruch nicht im letzten Moment eingedämmt worden wäre.

Zwei Tage nach dem Hamas-Angriff erklärte Verteidigungsminister Yoav Gallant: "Wir kämpfen gegen menschliche Tiere, und wir müssen entsprechend handeln", und fügte später hinzu, Israel werde "ein Viertel nach dem anderen in Gaza zerstören". Der frühere Premierminister Naftali Bennett bestätigte dies: "Wir kämpfen gegen Nazis." Premierminister Benjamin Netanjahu forderte die Israelis auf, "sich daran zu erinnern, was Amalek euch angetan hat", und spielte damit auf die biblische Aufforderung an, die "Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge" von Amalek auszurotten. In einem Radiointerview sagte er über die Hamas: "Ich bezeichne sie nicht als menschliche Tiere, denn das wäre eine Beleidigung für Tiere". Der stellvertretende Knesset-Sprecher Nissim Vaturi schrieb auf X, dass Israels Ziel die "Auslöschung des Gazastreifens vom Angesicht der Erde" sein sollte. Im israelischen Fernsehen erklärte er: "Es gibt keine unbeteiligten Menschen ... wir müssen dort hineingehen und töten, töten, töten. Wir müssen sie töten, bevor sie uns töten." Finanzminister Bezalel Smotrich betonte in einer Rede: "Das Werk muss vollendet werden ... Totale Zerstörung. Das Gedenken an Amalek muss unter dem Himmel ausgelöscht werden." Avi Dichter, Landwirtschaftsminister und ehemaliger Leiter des Geheimdienstes Shin Bet, sprach von der "Ausrollung der Nakba von Gaza". Ein 95-jähriger israelischer Militärveteran, der in seiner Motivationsrede an die IDF-Soldaten, die sich auf den Einmarsch in den Gazastreifen vorbereiteten, dazu aufforderte, "die Erinnerung an sie, ihre Familien, Mütter und Kinder auszulöschen", wurde vom israelischen Staatspräsidenten Herzog mit einer Ehrenurkunde ausgezeichnet, weil er "Generationen von Soldaten ein wunderbares Beispiel gegeben hat". Kein Wunder, dass es unzählige Social-Media-Posts von IDF-Soldaten gab; in denen dazu aufgerufen wird, "die Araber zu töten", "ihre Mütter zu verbrennen" und Gaza "platt zu machen". Es sind keine disziplinarischen Maßnahmen seitens ihrer Kommandeure bekannt.

Das ist die Logik der endlosen Gewalt, eine Logik, die es erlaubt, ganze Bevölkerungen zu vernichten und sich dabei völlig gerechtfertigt zu fühlen. Es ist eine Logik der Opferrolle - wir müssen sie töten, bevor sie uns töten, so wie sie es zuvor getan haben - und nichts stärkt die Gewalt mehr als ein gerechtfertigtes Gefühl der Opferrolle. Schaut euch an, was uns 1918 passiert ist, sagten deutsche Soldaten 1942 und erinnerten an den propagandistischen "Dolchstoß"-Mythos, der Deutschlands katastrophale Niederlage im Ersten Weltkrieg auf jüdischen und kommunistischen Verrat zurückführte.

Schauen Sie sich an, was uns im Holocaust passiert ist, als wir darauf vertrauten, dass andere zu unserer Rettung kommen würden, sagen die IDF-Soldaten im Jahr 2024 und erteilen sich damit selbst die Lizenz zur wahllosen Zerstörung auf der Grundlage einer falschen Analogie zwischen der Hamas und den Nazis.

Die jungen Männer und Frauen, mit denen ich an diesem Tag sprach, waren voller Wut, nicht so sehr auf mich - sie beruhigten sich ein wenig, als ich meinen eigenen Militärdienst erwähnte -, sondern weil sie sich, so glaube ich, von allen um sie herum verraten fühlten. Verraten von den Medien, die sie als zu kritisch empfanden, von hochrangigen Kommandeuren, die sie für zu nachsichtig gegenüber den Palästinensern hielten, von Politikern, die es nicht geschafft hatten, das Fiasko des 7. Oktober zu verhindern, von der Unfähigkeit der IDF, den "totalen Sieg" zu erringen, von Intellektuellen und Linken, die sie zu Unrecht kritisierten, von der US-Regierung, die nicht schnell genug ausreichend Munition lieferte, und von all den heuchlerischen europäischen Politikern und antisemitischen Studenten, die gegen ihre Aktionen in Gaza protestierten. Sie schienen ängstlich, unsicher und verwirrt zu sein, und einige litten wahrscheinlich auch unter PTBS.

Ich erzählte ihnen die Geschichte, wie 1930 das deutsche Studentenwerk demokratisch von den Nazis übernommen wurde. Die Studenten von damals fühlten sich durch den Verlust des Ersten Weltkriegs, den Verlust von Chancen durch die Wirtschaftskrise und den Verlust von Land und Prestige nach dem demütigenden Friedensvertrag von Versailles verraten. Sie wollten Deutschland wieder groß machen, und Hitler schien dieses Versprechen erfüllen zu können. Deutschlands innere Feinde wurden beseitigt, seine Wirtschaft florierte, andere Nationen fürchteten es wieder, und dann zog es in den Krieg, eroberte Europa und ermordete Millionen von Menschen. Schließlich wurde das Land völlig zerstört. Ich habe mich laut gefragt, ob vielleicht die wenigen deutschen Studenten, die diese 15 Jahre überlebt haben, ihre Entscheidung von 1930, den Nationalsozialismus zu unterstützen, bereut haben. Aber ich glaube nicht, dass die jungen Männer und Frauen an der BGU die Tragweite dessen verstanden, was ich ihnen gesagt hatte.

Die Studenten waren beängstigend und verängstigt zugleich, und ihre Angst machte sie umso aggressiver. Dieses Ausmaß an Bedrohung sowie eine gewisse Überschneidung der Meinungen schienen bei ihren Vorgesetzten, den Professoren und Verwaltungsangestellten, Furcht und Unterwürfigkeit hervorgerufen zu haben, die große Zurückhaltung zeigten, sie in irgendeiner Weise zu disziplinieren. Gleichzeitig jubelten zahlreiche Medien und Politiker diesen Engeln der Zerstörung zu und nannten sie Helden, kurz bevor sie sie unter die Erde brachten und ihren trauernden Familien den Rücken zukehrten. Die gefallenen Soldaten seien für eine gute Sache gestorben, wird den Familien gesagt. Aber niemand nimmt sich die Zeit, zu erklären, was diese Sache eigentlich ist, außer dem bloßen Überleben durch immer mehr Gewalt.

Und so taten mir auch diese Studenten leid, die sich nicht bewusst waren, wie sie manipuliert worden waren.

Als ich Ende Juni in die Vereinigten Staaten zurückkehrte, dachte ich über meine Erfahrungen in diesen zwei chaotischen und beunruhigenden Wochen nach. Ich war mir meiner tiefen Verbundenheit mit dem Land, das ich verlassen hatte, bewusst. Dabei geht es nicht nur um meine Beziehung zu meiner israelischen Familie und meinen Freunden, sondern auch um den besonderen Tenor der israelischen Kultur und Gesellschaft, der sich durch einen Mangel an Distanz oder Respekt auszeichnet. Das kann herzerwärmend und aufschlussreich sein; man findet sich fast augenblicklich in intensiven, ja intimen Gesprächen mit anderen auf der Straße, in einem Café, in einer Bar wieder.

Doch genau dieser Aspekt des israelischen Lebens kann auch unendlich frustrierend sein, da es so wenig Respekt vor gesellschaftlichen Anstandsregeln gibt. Es gibt fast einen Kult der Aufrichtigkeit, eine Verpflichtung, seine Meinung zu sagen, egal, mit wem man spricht oder wie sehr man dadurch beleidigt werden könnte. Diese gemeinsame Erwartung schafft sowohl ein Gefühl der Solidarität als auch eine Grenze, die nicht überschritten werden darf. Wenn Sie zu uns gehören, sind wir alle eine Familie. Wenn du dich gegen uns wendest oder auf der anderen Seite der nationalen Kluft stehst, bist du ausgeschlossen und kannst damit rechnen, dass wir hinter dir her sind.

Dies mag auch der Grund dafür gewesen sein, warum ich dieses Mal zum ersten Mal Bedenken hatte, nach Israel zu gehen, und warum ein Teil von mir froh war, wieder abzureisen. Das Land hatte sich auf sichtbare und subtile Weise verändert, auf eine Weise, die eine Barriere zwischen mir als Beobachter von außen und denen, die ein organischer Teil des Landes geblieben sind, hätte bilden können.

Aber ein anderer Teil meiner Befürchtungen hatte mit der Tatsache zu tun, dass sich mein Blick auf das Geschehen in Gaza verändert hatte. Am 10. November 2023 schrieb ich in der New York Times: "Als Historiker des Völkermords glaube ich, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass in Gaza ein Völkermord stattfindet, obwohl es sehr wahrscheinlich ist, dass Kriegsverbrechen und sogar Verbrechen gegen die Menschlichkeit geschehen. [...] Wir wissen aus der Geschichte, dass es entscheidend ist, vor einem möglichen Völkermord zu warnen, bevor er stattfindet, anstatt ihn nachträglich zu verurteilen, wenn er bereits stattgefunden hat. Ich denke, wir haben noch Zeit."

Ich glaube das nicht mehr. Als ich nach Israel reiste, war ich zu der Überzeugung gelangt, dass spätestens seit dem Angriff der IDF auf Rafah am 6. Mai 2024 nicht mehr geleugnet werden kann, dass Israel systematische Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord begangen hat. Nicht nur, dass dieser Angriff auf die letzte Ansammlung von Gaza-Bewohnern - die meisten von ihnen wurden bereits mehrfach von der IDF vertrieben, die sie nun erneut in eine so genannte sichere Zone drängte - eine völlige Missachtung jeglicher humanitärer Standards zeigte. Es zeigte auch deutlich, dass das ultimative Ziel dieses ganzen Unterfangens von Anfang an darin bestand, den gesamten Gazastreifen unbewohnbar zu machen und seine Bevölkerung so zu schwächen, dass sie entweder ausstirbt oder alle Möglichkeiten nutzt, um aus dem Gebiet zu fliehen. Mit anderen Worten, die Rhetorik der israelischen Führung seit dem 7. Oktober wurde nun in die Realität umgesetzt - nämlich, wie es in der UN-Völkermordkonvention von 1948 heißt, dass Israel "in der Absicht handelt, die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen ganz oder teilweise zu vernichten", "indem es sie tötet, ihr schweren Schaden zufügt oder ihr Lebensbedingungen auferlegt, die ihre Vernichtung herbeiführen sollen".

Dies waren Fragen, die ich nur mit einer kleinen Handvoll Aktivisten, Wissenschaftlern, Völkerrechtsexperten und, was nicht überrascht, palästinensischen Bürgern Israels diskutieren konnte. Außerhalb dieses begrenzten Kreises sind solche Äußerungen über die Unrechtmäßigkeit der israelischen Aktionen in Gaza in Israel ein Gräuel. Selbst die große Mehrheit der Regierungsgegner, die einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln fordern, wird sie nicht akzeptieren.

Seit ich von meinem Besuch zurückgekehrt bin, habe ich versucht, meine Erfahrungen dort in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Die Realität vor Ort ist so verheerend, und die Zukunft erscheint so düster, dass ich mir erlaubt habe, mich in eine kontrafaktische Geschichte zu vertiefen und einige hoffnungsvolle Spekulationen über eine andere Zukunft anzustellen. Ich frage mich, was geschehen wäre, wenn der neu gegründete Staat Israel seine Verpflichtung erfüllt hätte, eine Verfassung auf der Grundlage seiner Unabhängigkeitserklärung zu erlassen. Dieselbe Erklärung, in der es heißt, dass Israel "auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden gegründet sein wird, wie es die Propheten Israels vorausgesehen haben; es wird allen seinen Einwohnern ungeachtet ihrer Religion, ihrer Ethnie oder ihres Geschlechts die völlige Gleichheit der sozialen und politischen Rechte gewährleisten; es wird Religions-, Gewissens-, Sprach-, Bildungs- und Kulturfreiheit garantieren; es wird die heiligen Stätten aller Religionen schützen; und es wird den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen treu sein".

Welche Auswirkungen hätte eine solche Verfassung auf das Wesen des Staates gehabt? Wie hätte sie den Wandel des Zionismus von einer Ideologie, die die Juden von der Erniedrigung des Exils und der Diskriminierung befreien und sie mit den anderen Nationen der Welt gleichstellen wollte, zu einer Staatsideologie des Ethnonationalismus, der Unterdrückung anderer, des Expansionismus und der Apartheid gemildert? In den wenigen hoffnungsvollen Jahren des Osloer Friedensprozesses sprach man in Israel davon, es zu einem "Staat für alle seine Bürger" zu machen, für Juden und Palästinenser gleichermaßen. Die Ermordung von Premierminister Rabin im Jahr 1995 setzte diesem Traum ein Ende. Wird es Israel jemals gelingen, die gewalttätigen, ausgrenzenden, militanten und zunehmend rassistischen Aspekte seiner Vision, wie sie heute von so vielen seiner jüdischen Bürger vertreten wird, abzulegen? Wird es jemals in der Lage sein, sich selbst wieder so zu sehen, wie es sich seine Gründer so wortgewandt vorgestellt hatten - als eine Nation, die auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden basiert?

Im Moment ist es schwierig, sich solchen Fantasien hinzugeben. Aber vielleicht bete ich gerade wegen des Tiefpunkts, an dem sich die Israelis und noch viel mehr die Palästinenser jetzt befinden, und wegen des Weges der regionalen Zerstörung, auf den ihre Führer sie gebracht haben, dass endlich andere Stimmen laut werden. Denn, um es mit den Worten des Dichters Eldan zu sagen: "Es gibt eine Zeit, in der die Dunkelheit brüllt, aber es gibt auch eine Zeit der Morgendämmerung und des Glanzes".

unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält

15.08.2024

Die lange Lektüre
Als ehemaliger IDF-Soldat und Genozidhistoriker war ich zutiefst beunruhigt über meinen kürzlichen Besuch in Israel

theguardian.com, vom 13 Aug 2024 06.00 CEST

In diesem Sommer wurde einer meiner Vorlesungen von rechtsextremen Studenten protestiert. Ihre Rhetorik erinnerte an einige der dunkelsten Momente der Geschichte des 20. Jahrhunderts – und überschnitten sich in einem schockierenden Ausmaß mit den israelischen Mainstream-Ansichten

Von Omer Bartov

Letzte Änderung am Do 15 Aug 2024 10.28 CEST

O19. Juni 2024 sollte ich einen Vortrag an der Ben-Gurion-Universität des Negev (BGU) in Be’er Sheva halten,Israel. Mein Vortrag war Teil einer Veranstaltung über die weltweiten Campus-Proteste gegen Israel, und ich plante, den Krieg in Gaza anzusprechen und im weiteren Sinne die Frage, ob die Proteste aufrichtige Empörungsbekundungen oder durch Antisemitismus motiviert waren, wie einige behauptet hatten. Aber die Dinge klappten nicht wie geplant.

Als ich am Eingang des Hörsaals ankam, sah ich eine Gruppe von Studenten, die sich versammelten. Es stellte sich bald heraus, dass sie nicht dort waren, um an der Veranstaltung teilzunehmen, sondern um dagegen zu protestieren. Die Studenten waren, wie es erschien, durch eine WhatsApp-Nachricht vorgeladen worden, die am Vortag erschien, die den Vortrag markierte und zum Handeln aufrief: "Wir werden es nicht zulassen! Wie lange werden wir Verrat gegen uns begehen?!?!????!!!

Die Nachricht behauptete weiter, dass ich eine Petition unterzeichnet habe, die Israel als ein „Regime der Apartheid“ beschrieb (tatsächlich bezog sich die Petition auf ein Apartheid-Regime im Westjordanland). Ich war auch „angeklagte“, im November 2023 einen Artikel für die New York Times geschrieben zu haben, in dem ich erklärte, dass, obwohl die Aussagen der israelischen Führer auf völkermörderische Absicht hindeuteten, es immer noch Zeit sei, Israel vom Völkermord abzuhalten. In dieser Hinsicht war ich schuldig, wie angeklagt. Ähnlich kritisiert wurde der Veranstalter der Veranstaltung, der angesehene Geograph Oren Yiftachel. Zu seinen Vergehen gehörte es, als Direktor des „antizionistischen“ B’Tselem, einer weltweit angesehenen Menschenrechts-NGO, gedient zu haben.

Als die Podiumsteilnehmer und eine Handvoll meist älterer Fakultätsmitglieder in die Halle eintraten, hinderten die Sicherheitsleute an der Einreise. Aber sie hielten sie nicht davon ab, die Hörsaaltür offen zu halten, riefen Slogans auf einem Bullhorn und schlugen mit all ihrer Wachsamkeit an die Wände.

Nach mehr als einer Stunde Unterbrechung waren wir uns einig, dass der vielleicht beste Schritt nach vorn wäre, die Studentenprotestler zu bitten, sich uns zu einem Gespräch zu beteiligen, unter der Bedingung, dass sie die Störung stoppen. Eine ganze Reihe dieser Aktivisten kam schließlich herein und für die nächsten zwei Stunden setzten wir uns hin und unterhielten uns. Wie sich herausstellte, waren die meisten dieser jungen Männer und Frauen vor kurzem aus dem Reservedienst zurückgekehrt, während derer sie im Gazastreifen im Gazastreifen eingesetzt worden waren.

Dies war kein freundlicher oder „positiver“ Meinungsaustausch, aber es war aufschlussreich. Diese Studenten waren nicht unbedingt repräsentativ für die Studentenschaft in Israel als Ganzes. Sie waren Aktivisten in rechtsextremen Organisationen. Aber in vielerlei Hinsicht spiegelte das, was sie sagten, eine viel weiter verbreitete Stimmung im Land wider.

Ich war seit Juni 2023 nicht mehr in Israel, und bei diesem letzten Besuch fand ich ein anderes Land als das, das ich gekannt hatte. Obwohl ich viele Jahre im Ausland arbeite, ist Israel der Ort, an dem ich geboren und aufgewachsen bin. Es ist der Ort, an dem meine Eltern gelebt haben und begraben sind; es ist der Ort, an dem mein Sohn seine eigene Familie gegründet hat und die meisten meiner ältesten und besten Freunde leben. Da ich das Land von innen aus kenne und die Ereignisse seit dem 7. Oktober noch genauer verfolgt als sonst, war ich nicht ganz überrascht von dem, was ich bei meiner Rückkehr erlebt habe, aber es war immer noch zutiefst beunruhigend.


ichWenn ich diese Probleme beriet, kann ich nicht umhin, meinen persönlichen und beruflichen Hintergrund zu nutzen. Ich diente vier Jahre lang in den israelischen Verteidigungskräften (IDF), ein Begriff, der den Jom-Kippur-Krieg von 1973 und die Entsende im Westjordanland, im nördlichen Sinai und Gaza umfasste, was meinen Dienst als Infanteriekompanie-Kommandeur beendete. Während meiner Zeit in Gaza sah ich aus erster Hand die Armut und Hoffnungslosigkeit palästinensischer Flüchtlinge, die in verstopften, altersschwachen Vierteln ihren Lebensunterhalt beschlichen. Am lebhaftesten erinnere ich mich, wie ich die schattlosen, stillen Straßen der ägyptischen Stadt "Arsch", die damals von Israel besetzt war, durchtrat, durchbohrt von den Blicken der ängstlichen, verärgerten Bevölkerung, die uns von ihren Fenstern aus beobachtete. Zum ersten Mal habe ich verstanden, was es bedeutet, ein anderes Volk zu besetzen.

Der Militärdienst ist für jüdische Israelis obligatorisch, wenn sie 18 Jahre alt werden - obwohl es einige Ausnahmen gibt -, aber danach können Sie immer noch aufgefordert werden, in der IDF wieder für Ausbildung oder operative Aufgaben oder im Notfall wie einem Krieg zu dienen. Als ich 1976 einberufen wurde, war ich ein Bachelor-Studium an der Universität Tel Aviv. Während dieses ersten Einsatzes als Reserveoffizier wurde ich bei einem Trainingsunfall schwer verletzt, zusammen mit einer Partitur meiner Soldaten. Die IDF vertuschte die Umstände dieses Ereignisses, das durch die Nachlässigkeit des Kommandanten der Ausbildungsbasis verursacht wurde. Ich verbrachte den größten Teil des ersten Semesters im Krankenhaus von Be’er Sheva, kehrte aber zu meinem Studium zurück und schloss 1979 mit einer Fachrichtung in der Geschichte ab.

Diese persönlichen Erfahrungen machten mich umso mehr für eine Frage interessiert, die mich lange beschäftigte: Was motiviert Soldaten zu kämpfen? In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg argumentierten viele amerikanische Soziologen, dass Soldaten in erster Linie füreinander kämpfen, anstatt für ein größeres ideologisches Ziel. Aber das passte nicht ganz zu dem, was ich als Soldat erlebt hatte: Wir glaubten, dass wir für eine größere Sache dabei waren, die unsere eigene Gruppe von Kumpels übertraf. Als ich meinen Bachelor-Abschluss abgeschlossen hatte, hatte ich auch begonnen zu fragen, ob Soldaten im Namen dieser Sache dazu gebracht werden könnten, auf eine Weise zu handeln, die sie sonst verwerflich finden würden.

In der Lage, den extremen Fall, schrieb ich meine Doktorarbeit in Oxford, die später als Buch veröffentlicht wurde, über die Nazi-Indoktrination der deutschen Armee und die Verbrechen, die sie an der Ostfront im Zweiten Weltkrieg begangen hat. Was ich fand, widerlief, was den Deutschen in den 1980er Jahren zuwiderlief. Sie zogen es vor zu denken, dass die Armee einen „ständigen“ Krieg geführt habe, auch wenn die Gestapo und die SS Völkermord „hinter ihrem Rücken“ verübten. Die Deutschen brauchten noch viele Jahre, um zu erkennen, wie mitschuldig ihre eigenen Väter und Großväter im Holocaust und der Massenmord an vielen anderen Gruppen in Osteuropa und der Sowjetunion waren.

Als die erste palästinensische Intifada oder der Aufstand Ende 1987 ausbrach, lehrte ich an der Universität Tel Aviv. Ich war entsetzt über die Anweisung von Yitzhak Rabin, dem damaligen Verteidigungsminister, der IDF, „die Arme und Beine“ palästinensischen Jugendlichen zu brechen, die Steine auf schwer bewaffnete Truppen warfen. Ich schrieb ihm einen Brief, in dem ich warnte, dass ich aufgrund meiner Forschungen über die Indoktrination der Streitkräfte Nazi-Deutschlands befürchte, dass die IDF unter seiner Führung einen ähnlich rutschigen Weg einschlagen würde.


‘I was not entirely surprised by what I encountered, but it was still profoundly disturbing’ … Omer Bartov.

Ich war nicht ganz überrascht von dem, was mir begegnete, aber es war immer noch zutiefst beunruhigend" ... Omer Bartov.Foto: David Degner/The Guardian



Wie meine Forschung gezeigt hatte, hatten junge deutsche Männer schon vor ihrer Wehrpflicht Kernelemente der Nazi-Ideologie verinnerlicht, insbesondere die Ansicht, dass die untermenschlichen slawischen Massen, angeführt von heimtückischen bolschewistischen Juden, Deutschland und dem Rest der zivilisierten Welt mit Zerstörung bedrohten, und dass damit Deutschland das Recht und die Pflicht habe, sich selbst zu schaffen, um sich selbst zu entlarven.. Diese Weltanschauung wurde dann weiter in die Truppen eingeprägt, so dass sie, als sie in die Sowjetunion einmarschierten, ihre Feinde durch dieses Prisma wahrnahm. Der erbitterte Widerstand der Roten Armee bestätigte nur die Notwendigkeit, sowjetische Soldaten und Zivilisten gleichermaßen völlig zu zerstören, und vor allem die Juden, die als Hauptanstifter des Bolschewismus angesehen wurden. Je mehr Zerstörung sie anführten, desto angst die deutschen Truppen zu einer Rache, die sie erwarten konnten, wenn ihre Feinde sie durchsetzten. Das Ergebnis war die Tötung von bis zu 30 Millionen sowjetischen Soldaten und Bürgern.

Zu meinem Erstaunen erhielt ich einige Tage, nachdem ich ihm geschrieben hatte, eine einzeilige Antwort von Rabin, in der ich mich dafür kaute, die IDF mit dem deutschen Militär zu vergleichen. Dies gab mir die Möglichkeit, ihm einen ausführlicheren Brief zu schreiben, in dem ich meine Forschung und meine Angst darüber erklärte, die IDF als Werkzeug der Unterdrückung gegen unbewaffnete, besetzte Zivilisten zu benutzen. Rabin antwortete erneut mit derselben Aussage: „Wie kann man es wagen, die IDF mit der Wehrmacht zu vergleichen.“ Aber im Nachhinein glaube ich, dass dieser Austausch etwas über seine spätere intellektuelle Reise offenbart hat. Denn wie wir aus seinem späteren Engagement im Osloer Friedensprozess wissen, wie fehlerhaft auch immer, erkannte er schließlich, dass Israel auf lange Sicht den militärischen, politischen und moralischen Preis der Besatzung nicht aufrechterhalten konnte.

Seit 1989 unterrichte ich in den Vereinigten Staaten. Ich habe ausgiebig über Krieg, Völkermord, Nazismus, Antisemitismus und den Holocaust geschrieben, um die Verbindungen zwischen der industriellen Tötung von Soldaten im Ersten Weltkrieg und der Ausrottung der Zivilbevölkerung durch Hitlers Regime zu verstehen. Unter anderem habe ich viele Jahre damit verbracht, die Transformation der Heimatstadt meiner Mutter – Buchach in Polen (heute Ukraine) – von einer Gemeinschaft des interethnischen Zusammenlebens in eine zu erforschen, in der sich unter der Nazi-Besatzung die Gentilbevölkerung gegen ihre jüdischen Nachbarn wandte. Während die Deutschen mit dem ausdrücklichen Ziel, ihre Juden zu ermorden, in die Stadt kamen, wurde die Geschwindigkeit und Effizienz des Mordes durch lokale Zusammenarbeit erheblich erleichtert. Diese Einheimischen waren motiviert durch bereits bestehende Ressentiments und Hass, die auf den Aufstieg des Ethnonationalismus in den vorangegangenen Jahrzehnten zurückgehen können, und der vorherrschenden Ansicht, dass die Juden nicht zu den neuen Nationalstaaten gehörten, die nach dem ersten Weltkrieg geschaffen wurden.

In den Monaten seit dem 7. Oktober ist das, was ich im Laufe meines Lebens und meiner Karriere gelernt habe, schmerzhafter als je zuvor geworden. Wie viele andere habe ich diese letzten Monate emotional und intellektuell herausfordernd gefunden. Wie viele andere waren auch Mitglieder meiner eigenen und der Familien meiner Freunde direkt von der Gewalt betroffen. Es gibt keinen Mangel an Trauer, wo immer Sie sich hinwenden.


TDer Hamas-Angriff am 7. Oktober war ein enormer Schock für die israelische Gesellschaft, von der sie nicht begonnen hat, sich zu erholen. Es war das erste Mal, dass Israel die Kontrolle über einen Teil seines Territoriums über einen längeren Zeitraum verlor, da die IDF nicht in der Lage war, das Massaker an mehr als 1.200 Menschen zu verhindern - viele auf die erdenkliche Weise getötet - und die Einnahme von weit über 200 Geiseln, einschließlich Dutzenden von Kindern. Das Gefühl der Aufgabe durch den Staat und die anhaltende Unsicherheit – mit Zehntausenden israelischer Bürger, die immer noch aus ihren Häusern entlang des Gazastreifens und an der libanesischen Grenze vertrieben werden, ist tiefgreifend.

Heute herrschen zwei Gefühle in weiten Teilen der israelischen Öffentlichkeit, einschließlich derjenigen, die sich der Regierung widersetzen, zwei Gefühle.

Die erste ist eine Kombination aus Wut und Angst, dem Wunsch, die Sicherheit um jeden Preis wiederherzustellen, und ein völliges Misstrauen gegenüber politischen Lösungen, Verhandlungen und Versöhnung. Der Militärorist Carl von Clausewitz stellte fest, dass der Krieg die Ausweitung der Politik mit anderen Mitteln sei, und warnte, dass er ohne ein definiertes politisches Ziel zu grenzenloser Zerstörung führen würde. Die Stimmung, die jetzt in Israel herrscht, droht ebenfalls einen Krieg zu seinem eigenen Ende zu machen. Aus dieser Sicht ist die Politik eher ein Hindernis, Ziele zu erreichen, als ein Mittel zur Begrenzung der Zerstörung. Das ist eine Ansicht, die letztlich nur zur Selbstvernichtung führen kann.

Das zweitherrliche Gefühl – oder eher mangelndes Gefühl – ist die Kehrseite des ersten. Es ist die völlige Unfähigkeit der israelischen Gesellschaft, heute Empathie für die Bevölkerung von Gaza zu empfinden. Die Mehrheit, so scheint es, will nicht einmal wissen, was in Gaza passiert, und dieser Wunsch spiegelt sich in der TV-Berichterstattung wider. Die israelischen Fernsehnachrichten beginnen heutzutage normalerweise mit Berichten über die Beerdigungen von Soldaten, die ausnahmslos als Helden beschrieben werden, die bei den Kämpfen in Gaza gefallen sind, gefolgt von Schätzungen, wie viele Hamas-Kämpfer "liquidiert" wurden. Verweise auf palästinensische zivile Todesfälle sind selten und werden normalerweise als Teil der feindlichen Propaganda oder als Grund für unwillkommenen internationalen Druck dargestellt. Angesichts so viel Tod wirkt dieses ohrenbetäubende Schweigen nun wie seine eigene Form der Rache.

Natürlich hat sich die israelische Öffentlichkeit vor langer Zeit zu der brutalen Besetzung geärert, die das Land 57 der 76 Jahre seines Bestehens geprägt hat. Aber das Ausmaß dessen, was derzeit in Gaza von der IDF verübt wird, ist ebenso beispiellos wie die völlige Gleichgültigkeit der meisten Israelis gegenüber dem, was in ihrem Namen getan wird. 1982 protestierten Hunderttausende Israelis gegen das Massaker an der palästinensischen Bevölkerung in den Flüchtlingslagern Sabra und Shatila im Westen Beiruts durch maronisische christliche Milizen, die von der IDF unterstützt wurden. Heute ist diese Art von Antwort undenkbar. Die Art und Weise, wie die Augen der Menschen glasieren, wenn man das Leiden palästinensischer Zivilisten erwähnt, und der Tod von Tausenden von Kindern und Frauen und älteren Menschen, ist zutiefst beunruhigend.

Als ich diesmal meine Freunde in Israel traf, fühlte ich oft, dass sie Angst hatten, dass ich ihre Trauer stören könnte, und dass ich, wenn ich aus dem Land lebe, ihren Schmerz, ihre Angst, ihre Verwirrung und ihre Hilflosigkeit nicht begreifen konnte. Jede Andeutung, dass das Leben im Land sie dem Schmerz anderer betäuben ließ – der Schmerz, der schließlich in ihrem Namen zugefügt wurde – erzeugte nur eine Mauer des Schweigens, einen Rückzug in sich selbst oder einen schnellen Wechsel des Themas. Der Eindruck, den ich bekam, war konsequent: Wir haben keinen Platz in unseren Herzen, wir haben keinen Platz in unseren Gedanken, wir wollen nicht darüber sprechen oder gezeigt werden, was unsere eigenen Soldaten, unsere Kinder oder Enkel, unsere Brüder und Schwestern gerade jetzt in Gaza tun. Wir müssen uns auf uns selbst konzentrieren, auf unser Trauma, unsere Angst und unsere Wut.

In einem Interview am 7. März 2024 äußerte der Schriftsteller, Bauer und Wissenschaftler Zeev Smilansky genau dieses Gefühl in einer Weise, die ich schockierend fand, gerade weil es von ihm kam. Ich kenne Smilansky seit mehr als einem halben Jahrhundert, und er ist der Sohn des gefeierten israelischen Autors S. Yizhar, dessen 1949 erschienener Roman Khirbet Khizeh der erste Text in der israelischen Literatur war, der sich der Ungerechtigkeit der Nakba stellte, der Vertreibung von 750.000 Palästinensern aus dem, was 1948 zum Staat Israel wurde. Über seinen eigenen Sohn, Offer, der in Brüssel lebt, kommentierte Smilansky:

Angebot sagt, dass für ihn jedes Kind ein Kind ist, egal ob es in Gaza oder hier ist. Ich fühle mich nicht wie er. Unsere Kinder hier sind mir wichtiger. Es gibt dort eine schockierende humanitäre Katastrophe, ich verstehe das, aber mein Herz ist blockiert und mit unseren Kindern und unseren Geiseln gefüllt ... Es gibt keinen Platz in meinem Herzen für die Kinder in Gaza, wie schockierend und erschreckend es auch ist und obwohl ich weiß, dass Krieg nicht die Lösung ist.

Ich höre Maoz Inon, der sowohl seine Eltern [am 7. Oktober von der Hamas ermordeten] verloren hat ... als auch der, der so schön und überzeugend über die Notwendigkeit spricht, nach vorne zu schauen, dass wir Hoffnung bringen und Frieden wollen, weil Kriege nichts erreichen werden, und ich stimme ihm zu. Ich stimme ihm zu, aber ich kann nicht die Kraft in meinem Herzen finden, mit all meinen linken Neigungen und Liebe zur Menschheit, ich kann es nicht ... Es ist nicht nur die Hamas, es sind alle Bewohner des Gazastreifens, die zustimmen, dass es in Ordnung ist, jüdische Kinder zu töten, dass dies eine würdige Sache ist ... Mit Deutschland gab es Versöhnung, aber sie entschuldigten sich und bezahlten Reparationen. Auch wir haben schreckliche Dinge getan, aber nichts, was dem nahe kommt, was hier am 7. Oktober passiert ist. Es wird notwendig sein, sich zu versöhnen, aber wir brauchen etwas Abstand.

Dies war eine allgegenwärtige Stimmung unter vielen linken, liberalen Freunden und Bekannten, mit denen ich in Israel sprach. Es war natürlich ganz anders als das, was rechte Politiker und Medienvertreter seit dem 7. Oktober sagen. Viele meiner Freunde erkennen die Ungerechtigkeit der Besatzung an und bekennen sich, wie Smilansky sagte, zu einer „Liebe zur Menschheit“. Aber in diesem Moment, unter diesen Umständen, ist dies nicht das, worauf sie sich konzentrieren. Stattdessen haben sie das Gefühl, dass im Kampf zwischen Gerechtigkeit und Existenz die Existenz siegen muss, und im Kampf zwischen einer gerechten Sache und einer anderen – dem der Israelis und der der Palästinenser – ist es unsere eigene Sache, die triumphierend sein muss, unabhängig vom Preis. Für diejenigen, die an dieser krassen Wahl zweifeln, wird der Holocaust als Alternative dargestellt, so irrelevant er auch für den gegenwärtigen Moment ist.

Dieses Gefühl erschien am 7. Oktober nicht plötzlich. Seine Wurzeln sind viel tiefer.


OAm 30. April 1956 hielt Moshe Dayan, damals IDF-Stabschef, eine kurze Rede, die zu einer der berühmtesten in der Geschichte Israels werden sollte. Er wandte sich an die Trauernden bei der Beerdigung von Ro’i Rothberg, einem jungen Sicherheitsbeamten des neu gegründeten Nahal Oz-Kibbuz, der 1951 von der IDF gegründet wurde und zwei Jahre später zu einer zivilen Gemeinschaft wurde. Der Kibbuz lag nur wenige hundert Meter von der Grenze zum Gazastreifen mit Blick auf das palästinensische Viertel Shuja’iyya.

Rothberg war am Vortag getötet worden, sein Leichnam wurde über die Grenze gezerrt und verstümmelt, bevor er mit Hilfe der Vereinten Nationen in israelische Hände zurückgebracht wurde. Dayans Rede ist zu einem ikonischen Statement geworden, das sowohl von der politischen als auch von der Linken bis heute verwendet wird:

Gestern Morgen wurde Ro’i ermordet. Von der Ruhe des Morgens geblendet, sah er die nicht, die im Hinterhalt auf ihn warteten, am Rand der Furche. Lassen Sie uns den Mördern heute keine Anschuldigungen vorwerfen. Warum sollten wir sie für ihren brennenden Hass auf uns verantwortlich machen? Seit acht Jahren wohnen sie in Gazas Flüchtlingslagern, wie vor ihren Augen haben wir das Land und die Dörfer, in denen sie und ihre Vorfahren in unser eigenes Grundstück verweilt waren, verwandelt.

Wir sollten Rois Blut nicht von den Arabern in Gaza, sondern von uns selbst suchen. Wie haben wir unsere Augen verschlossen und uns nicht offen unserem Schicksal gestellt, nicht der Mission unserer Generation in all ihrer Grausamkeit gegenüber? Haben wir vergessen, dass diese Gruppe von Jungs, die in Nahal Oz wohnen, die schweren Tore von Gaza auf ihren Schultern trägt, auf deren andere Seite Hunderttausende von Augen und Händen sich für unseren Moment der Schwäche beten, so dass sie uns zerreißen können - haben wir das vergessen?...

Wir sind die Siedlungsgeneration; ohne einen Stahlhelm und die Schnauze der Kanone werden wir nicht in der Lage sein, einen Baum zu pflanzen und ein Haus zu bauen. Unsere Kinder werden kein Leben haben, wenn wir keine Unterstände graben, und ohne Stacheldraht und Maschinengewehre werden wir nicht in der Lage sein, Straßen zu ebnen und Wasserbrunnen zu graben. Millionen von Juden, die ausgerottet wurden, weil sie kein Land hatten, schauen uns aus der Asche der israelischen Geschichte an und befohlen uns, ein Land für unser Volk zu besiedeln und wiederzubeleben. Aber jenseits der randirschende Welle steigt ein Ozean des Hasses und des Drangs nach Rache auf und wartet auf den Moment, in dem die Ruhe unsere Bereitschaft stumpfen wird, für den Tag, an dem wir die Botschafter der verschwörerischen Heuchelei begnügen, die uns auffordern, unsere Waffen niederzulegen ...

Lassen Sie uns nicht davor zurückschrecken, die Abscheu zu sehen, die das Leben von Hunderttausenden von Arabern begleitet und erfüllt, die um uns herum wohnen und auf den Moment warten, in dem sie nach unserem Blut greifen können. Lassen Sie uns unsere Augen nicht abwenden, damit unsere Hände nicht schwach werden. Das ist das Schicksal unserer Generation. Das ist die Wahl unseres Lebens – bereit und bewaffnet und stark und hart. Denn wenn das Schwert von unserer Faust fällt, wird unser Leben abgesengt.

Am nächsten Tag nahm Dayan seine Rede für das israelische Radio auf. Aber etwas fehlte. Vorbei war der Hinweis auf die Flüchtlinge, die die Juden dabei beobachteten, wie sie das Land kultivierten, aus dem sie vertrieben worden waren, die nicht dafür verantwortlich gemacht werden sollten, ihre Enteignungen zu hassen. Obwohl er diese Zeilen bei der Beerdigung ausgesprochen und später geschrieben hatte, entschied sich Dayan, sie aus der aufgenommenen Version zu streichen. Auch er hatte dieses Land vor 1948 gekannt. Er erinnerte an die palästinensischen Dörfer und Städte, die zerstört wurden, um Platz für jüdische Siedler zu schaffen. Er verstand die Wut der Flüchtlinge über den Zaun. Aber er glaubte auch fest an die Rechte und die dringende Notwendigkeit jüdischer Siedlung und Staatlichkeit. Im Kampf zwischen der Bekämpfung von Ungerechtigkeit und der Übernahme des Landes wählte er seine Seite, wohl wissend, dass es sein Volk dazu verdammt, sich für immer auf die Waffe zu verlassen. Dayan wusste auch gut, was die israelische Öffentlichkeit akzeptieren konnte. Es war wegen seiner Ambivalenz darüber, wo Schuld und Verantwortung für Ungerechtigkeit und Gewalt lagen, und seiner entschlossenen, tragischen Sicht der Geschichte, dass die beiden Versionen seiner Rede an sehr unterschiedliche politische Orientierungen appellierten.


Moshe Dayan, then Israel’s minister of defence, with Henry Kissinger, US national security advisor, in 1974.

Moshe Dayan, damals Israels Verteidigungsminister, 1974 mit Henry Kissinger, dem nationalen Sicherheitsberater der USA.Foto: FotoQuest/Getty Images


Jahrzehnte später, nach vielen weiteren Kriegen und Blutflüssen, betitelte Dayan sein letztes Buch Shall the Sword Devour Forever? Das 1981 veröffentlichte Buch beschrieb seine Rolle bei der Erreichung eines Friedensabkommens mit Ägypten zwei Jahre zuvor. Er hatte endlich die Wahrheit über den zweiten Teil des biblischen Verses erfahren, aus dem er den Titel des Buches nahm: „Wissen Sie nicht, dass es in letzterem Ende Bitterkeit sein wird?“

Aber in seiner Rede von 1956, mit seinen Hinweisen auf das Tragen der schweren Tore von Gaza und den Palästinensern, die auf einen Moment der Schwäche warteten, spielte Dayan auf die biblische Geschichte von Samson an. Wie sich seine Zuhörer erinnert hätten, war Samson der Israelite, dessen übermenschliche Kraft aus seinen langen Haaren stammte, in der Angewohnheit, Prostituierte in Gaza zu besuchen. Die Philister, die ihn als ihren Todfeind ansahen, hofften, ihn an die verschlossenen Tore der Stadt zu überfallen. Aber Samson hob einfach die Tore auf seinen Schultern und ging frei. Erst als seine Geliebte Delilah ihn austrickste und ihm die Haare abschnitt, konnten ihn die Philister gefangen nehmen und einsperren, was ihn umso machtloser machte, indem sie seine Augen ausstochen (wie die Bewohner des Gazastreifens, die Ro’i verstümmelten, angeblich auch getan haben). Aber in einer letzten Leistung der Tapferkeit, wie er von seinen Entführern verspottet wird, ruft Samson um Gottes Hilfe, ergreift die Säulen des Tempels, zu dem er geführt wurde, und bricht es auf die fröhliche Menge um ihn herum zusammen und ruft: „Lass mich mit den Philistern sterben!“

Diese Tore von Gaza sind tief in der zionistischen israelischen Vorstellungskraft untergebracht, ein Symbol für die Kluft zwischen uns und den „Barbarianern“. Im Fall von Ro’i, behauptete Dayan, „die Sehnsucht nach Frieden versperrte seine Ohren, und er hörte nicht, wie die Stimme des Mordes im Hinterhalt wartete. Die Tore von Gaza belasteten sich zu schwer auf seinen Schultern und brachten ihn zu Fall.“

Am 8. Oktober 2023 wandte sich Präsident Isaac Herzog an die israelische Öffentlichkeit und zitierte die letzte Zeile von Dayans Rede: „Dies ist das Schicksal unserer Generation. Das ist die Wahl unseres Lebens – bereit und bewaffnet und stark und hart. Denn wenn das Schwert von unserer Faust fällt, wird unser Leben abgeholzt.“ Am Vortag, 67 Jahre nach Ro’is Tod, hatten Hamas-Aktivisten 15 Bewohner des Kibbuz Nahal Oz ermordet und acht Geiseln genommen. Seit Israels Vergeltungsüberfall in Gaza wurde das palästinensische Viertel Shuja’iyya gegenüber dem Kibbuz, in dem 100.000 Menschen gelebt hatten, von seiner Bevölkerung geleert und in einen riesigen Schutthaufen verwandelt.


One of the seltener literarischer Versuche, die düstere Logik der israelischen Kriege aufzudecken, ist Anadad Eldans außergewöhnliches Gedicht Samson Tearing His Clothes von 1971, in dem dieser alte hebräische Held seinen Weg ins und aus Gaza krachen und nur Verderbnis in seinen Spuren hinterlassen. Ich erfuhr zuerst von diesem Gedicht aus Arie Dubnovs herausragendem hebräischsprachigen Essay „Die Tore von Gaza, "veröffentlicht im Januar 2024. Samson, der Held, der Prophet, der Dums des ewigen Feindes der Nation, verwandelt sich in seinen Todesengel, ein Tod, der, wie wir uns erinnern, auch in einer großen selbstmörderischen Aktion auf sich bringt, die bis heute durch die Generationen widerhallt.

Als ich ging
nach Gaza traf ich
Samson kommt heraus und zerriss seine Kleidung
auf seinen zerkratzten Gesichtsflüssen floss
und die Häuser sen, um ihn zu lassen
pass
seine Schmerzen entwurzelten Bäume und wurden in der
verheddert
Wurzeln. In den Wurzeln waren seine
Haar.
Sein Kopf glänzte wie ein Schädel aus Stein
und seine schwankenden Schritte zerrten meine Tränen
Samson ging mit einer müden Sonne
zerschmetterte Fensterscheiben und Ketten im Gaza-Kinedsee
wurde ertränkt. Ich hörte, wie
die Erde stöhnte unter seinen Stufen,
wie er ihren Bauch aufschlitzte. Samson
Schuhe kreischen, als er ging.

Der 1924 als Avraham Bleiberg in Polen geborene Eldan kam als Kind nach Palästina, kämpfte 1948 im Krieg und zog 1960 in den Kibbuz Be’eri, etwa 4 km vom Gazastreifen entfernt. Am 7. Oktober 2023 überlebten der 99-jährige Eldan und seine Frau das Massaker an etwa hundert Bewohnern des Kibbuz, als die Militanten, die in ihr Haus gingen, sie unerklärlicherweise verschonlich verschonlich verschonierten.

Nach dem 7. Oktober, nach dem wundersamen Überleben dieses obskuren Dichters, wurde ein anderes Werk von ihm in israelischen Medien weit verbreitet. Denn es schien, als hätte Eldan, ein langjähriger Chronist der Trauer und des Schmerzes, die durch Unterdrückung und Ungerechtigkeit ausgelöst wurden, die Katastrophe vorhergesagt, die sein Zuhause erschütterte. 2016 hatte er unter dem Titel Six the Hour of Dawn eine Gedichtsammlung veröffentlicht. Das war die Stunde, in der der Hamas-Angriff begann. Das Buch enthält das erschütternde Gedicht On the Walls of Be’eri, das den Tod seiner Tochter vor Krankheit trauert (auf Hebräisch bedeutet der Name des Kibbuz auch „mein gut“).

Im Gefolge des 7. Oktober scheint das Gedicht sowohl die Zerstörung vorherzierungsvorhersagen als auch eine bestimmte Sicht des Zionismus zu vermitteln, die ihren Ursprung in der diasporischen Katastrophe und Verzweiflung hat und die Nation in ein verfluchtes Land bringt, in dem Kinder von ihren Eltern begraben werden, aber dennoch die Hoffnung auf eine neue und hoffnungsvolle Morgendämmerung ausdringen:

An den Wänden von Be’eri schrieb ich ihre Geschichte
aus Herkunft und Tiefe, die durch Kälte ausgefranst sind
wenn sie lasen, was vor Schmerzen und ihren Lichtern geschah
stürzte in denist und die Dunkelheit der Nacht und ein heulen hervorgebracht
Gebet, denn ihre Kinder sind gefallen und eine Tür ist verschlossen
für die Gnade des Himmels atmen sie Trostlosigkeit und Trauer
wer tröstet untröstliche Eltern, für einen Fluch
lässt Flüstern weder Tau noch Regen, man kann weinen, wenn man kann
es gibt eine Zeit, in der Dunkelheit brüllt, aber es gibt Morgendämmerung und Ausstrahlung

Wie Dayans Lobrede für Ro’i bedeutet On the Walls of Be’eri für verschiedene Menschen verschiedene Dinge. Sollte es als Klagelied über die Zerstörung eines schönen und unschuldigen Kibbuz in der Wüste gelesen werden, oder ist es ein Schrei des Schmerzes über den endlosen blutigen Rachefeldzug zwischen den beiden Völkern dieses Landes? Der Dichter hat uns nicht seine Bedeutung gesagt, wie es die Art der Dichter ist. Immerhin hat er das vor Jahren in Trauer um seine geliebte Tochter geschrieben. Aber angesichts seiner vielen Jahre ruhigen, präzisen und sengenden Werkes scheint es nicht phantasievoll zu glauben, dass das Gedicht eher ein Aufruf zur Versöhnung und Koexistenz war, als für mehr Zyklen von Blutvergießen und Rache.


As es passiert, ich habe eine persönliche Verbindung zum Be’eri Kibbuz. Dort wuchs meine Schwiegertochter auf, und meine Reise nach Israel im Juni war in erster Linie, um die Zwillinge zu besuchen - meine Enkelkinder -, die sie im Januar 2024 auf die Welt gebracht hatte. Der Kibbuz war jedoch aufgegeben worden. Mein Sohn, meine Schwiegertochter und ihre Kinder waren mit einer Familie von Überlebenden in eine nahe gelegene leerstehende Wohnung gezogen - nahe Verwandte, deren Vater immer noch als Geisel gehalten wird - und eine unvorstellbare Kombination aus neuem Leben und untröstlicher Trauer in einem Haus.

Ich war nicht nur die Familie, sondern auch nach Israel gekommen, um Freunde zu treffen. Ich hoffte, das, was seit Kriegsbeginn im Land passiert war, zu verstehen. Der abgebrochene Vortrag in der BGU stand nicht ganz oben auf meiner Agenda. Aber als ich an diesem Mitte Juni im Hörsaal ankam, verstand ich schnell, dass diese explosive Situation auch einige Hinweise auf das Verständnis der Mentalität einer jüngeren Generation von Studenten und Soldaten geben könnte.

Nachdem wir uns hingesetzt hatten und zu reden begannen, wurde mir klar, dass die Studenten gehört werden wollten und dass niemand, vielleicht sogar ihre eigenen Professoren und Universitätsverwalter, daran interessiert war, zuzuhören. Meine Anwesenheit und ihr vager Wissen über meine Kritik am Krieg lösten in ihnen das Bedürfnis aus, mir zu erklären, aber vielleicht auch sich selbst, was sie als Soldaten und als Bürger engagiert hatten.

Eine junge Frau, die vor kurzem vom langen Militärdienst in Gaza zurückgekehrt war, sprang auf die Bühne und sprach mit Nachdruck über die Freunde, die sie verloren hatte, die bösartige Natur der Hamas und die Tatsache, dass sie und ihre Kameraden sich selbst opferten, um die zukünftige Sicherheit des Landes zu gewährleisten. Tief verstört begann sie auf halbem Weg durch ihre Rede zu weinen und trat zurück. Ein junger Mann, der gesammelt und artikuliert wurde, wies meinen Vorschlag zurück, dass Kritik an der israelischen Politik nicht unbedingt durch Antisemitismus motiviert sei. Er startete dann einen kurzen Überblick über die Geschichte des Zionismus als Antwort auf den Antisemitismus und als einen politischen Weg, den keine Heiden ein Recht zu leugnen hätten. Während sie durch meine Ansichten verärgert waren und durch ihre eigenen jüngsten Erfahrungen in Gaza aufgeregt waren, waren die von den Studenten geäußerten Meinungen in keiner Weise außergewöhnlich. Sie spiegelten viel größere Teile der öffentlichen Meinung in Israel wider.

Da ich wusste, dass ich zuvor vor Völkermord gewarnt hatte, wollten die Studenten mir besonders zeigen, dass sie menschlich waren, dass sie keine Mörder waren. Sie hatten keinen Zweifel daran, dass die IDF tatsächlich die moralischste Armee der Welt war. Aber sie waren auch davon überzeugt, dass jeder Schaden, der den Menschen und Gebäuden in Gaza zugefügt wurde, völlig gerechtfertigt war, dass es die ganze Schuld der Hamas war, sie als menschliche Schutzschilde zu benutzen.

Sie zeigten mir Fotos auf ihren Telefonen, um zu beweisen, dass sie sich bewundernswert gegenüber Kindern verhalten hatten, bestritten, dass es Hunger in Gaza gab, bestand darauf, dass die systematische Zerstörung von Schulen, Universitäten, Krankenhäusern, öffentlichen Gebäuden, Wohnungen und Infrastruktur notwendig und gerechtfertigt sei. Sie betrachteten jede Kritik an der israelischen Politik anderer Länder und der Vereinten Nationen als einfach antisemitisch.

Im Gegensatz zur Mehrheit der Israelis hatten diese jungen Menschen die Zerstörung von Gaza mit eigenen Augen gesehen. Es schien mir, dass sie nicht nur eine bestimmte Ansicht verinnerlicht hatten, die in Israel alltäglich geworden ist - nämlich, dass die Zerstörung von Gaza als solches eine legitime Antwort auf den 7. Oktober war - sondern auch eine Art zu denken entwickelt hatten, die ich vor vielen Jahren beim Studium des Verhaltens, der Weltanschauung und der Selbstwahrnehmung der deutschen Armeesoldaten beobachtet hatte. Nachdem sie bestimmte Ansichten des Feindes – die Bolschewiki als Untermenschen ; Hamas als Menschentiere - und der breiteren Bevölkerung als weniger als menschlich verinnerlicht und unwürdige Rechte verinnerlicht haben, neigen Soldaten, die Gräueltaten beobachten oder verüben, dazu, sie nicht ihrem eigenen Militär oder sich selbst, sondern dem Feind zuzuschreiben.

Tausende Kinder wurden getötet? Es ist die Schuld des Feindes. Unsere eigenen Kinder wurden getötet? Das ist sicherlich die Schuld des Feindes. Wenn die Hamas ein Massaker in einem Kibbuz verübt, sind sie Nazis. Wenn wir 2.000-Pfund-Bomben auf Flüchtlingsunterkünfte abwerfen und Hunderte von Zivilisten töten, ist es die Schuld der Hamas, sich in der Nähe dieser Unterkünfte versteckt zu haben. Nach dem, was sie uns angegangen sind, haben wir keine andere Wahl, als sie auszurotten. Nach dem, was wir ihnen angegangen sind, können wir uns nur vorstellen, was sie uns angehen würden, wenn wir sie nicht zerstören. Wir haben einfach keine Wahl.

Mitte Juli 1941, nur wenige Wochen nachdem Deutschland das, was Hitler als „Krieg der Vernichtung“ gegen die Sowjetunion bezeichnet hatte, startete, schrieb ein deutscher Unteroffizier von der Ostfront aus zu Hause:

Das deutsche Volk schuldet unserem Führer eine große Schuld, denn wenn diese Bestien, die hier unsere Feinde sind, nach Deutschland gekommen wären, solche Morde hätten stattgefunden, die die Welt noch nie gesehen hat ... Was wir gesehen haben ... grenzt an das Unglaubliche ... Und wenn man den Der Stürme [eine Nazi-Zeitung] liest und hier ein Bild von dem, was wir hier sehen, ist das, was wir hier sehen,von den Juden.

Ein Propagandablatt der Armee, das im Juni 1941 herausgegeben wurde, zeichnet ein ähnlich alptraumhaftes Bild politischer Offiziere der Roten Armee, das viele Soldaten bald als Spiegel der Realität empkundierten:

Wer jemals das Gesicht eines Roten Kommissars betrachtet hat, weiß, wie die Bolschewiki sind. Hier gibt es keinen Bedarf an theoretischen Ausdrücken. Wir würden die Tiere beleidigen, wenn wir diese meist jüdischen Männer als Tiere beschreiben würden. Sie sind die Verkörperung des satanischen und wahnsinnigen Hasses gegen die ganze edle Menschheit ... [Sie] hätten allen Sinnvollen Leben ein Ende gesetzt, wenn diese Eruption im letzten Moment nicht aufgestaut worden wäre.

Israel’s prime minister, Benjamin Netanyahu, visits Rafah in the Gaza Strip on 18 July 2024.

Israels Premierminister Benjamin Netanyahu besucht Rafah am 18. Juli 2024.Foto: Avi Ohayon/Israel Gpo/Zuma Press Wire/Rex/Shutterstock


Zwei Tage nach dem Hamas-Angriff erklärte Verteidigungsminister Yoav Gallant: „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere, und wir müssen entsprechend handeln“, und fügte später hinzu, dass Israel „ein Viertel nach dem anderen in Gaza auseinanderbrechen“ würde. Der ehemalige Premierminister Naftali Bennett bestätigte: „Wir kämpfen gegen Nazis.“ Premierminister Benjamin Netanyahu ermahnte die Israelis, „sich daran zu erinnern, was Amalek Ihnen angetan hat“, in Anspielung auf den biblischen Aufruf, Amaleks „Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge“ auszurotten. In einem Radiointerview sagte er über die Hamas: „Ich nenne sie nicht menschliche Tiere, weil das Tiere beleidigen würde.“ Der stellvertretende Knesset-Sprecher Nissim Vaturi schrieb auf X, dass Israels Ziel darin bestehen sollte, "den Gazastreifen vom Antone der Erde zu zermürben". Im israelischen Fernsehen erklärte er: „Es gibt keine unbeteiligten Menschen ... wir müssen dort hingehen und töten, töten, töten. Wir müssen sie töten, bevor sie uns töten.“ Finanzminister Bezalel Smotrich betonte in einer Rede: „Die Arbeit muss abgeschlossen sein ... Totale Zerstörung. „Die Erinnerung an Amalek unter dem Himmel aus.“ Avi Dichter, Landwirtschaftsminister und ehemaliger Chef des Geheimdienstes Shin Bet, sprach über die „Ausbreitung der Gaza Nakba“. Ein israelischer 95-jähriger Militärveteran, dessen Motivationsrede vor IDF-Truppen, die sich auf die Invasion von Gaza vorbereiteten, sie aufforderte, „ihres Andenken, ihre Familien, Mütter und Kinder auszulöschen“, erhielt vom israelischen Präsidenten Herzog eine Ehrenurkunde dafür, dass er Generationen von Soldaten „ein wunderbares Beispiel gegeben hatte“. Kein Wunder, dass es unzählige Social-Media-Posts von IDF-Truppen in Gaza gab, die dazu aufriefen, „die Araber zu töten“, „ihre Mütter zu verbrennen“ und Gaza „abzuflachen“. Es gab keine bekannten Disziplinarmaßnahmen ihrer Kommandeure.

Dies ist die Logik der endlosen Gewalt, eine Logik, die es einem erlaubt, ganze Bevölkerungen zu zerstören und sich dabei völlig gerechtfertigt zu fühlen. Es ist eine Logik der Opferrolle – wir müssen sie töten, bevor sie uns töten, wie sie es vorher getan haben – und nichts stärkt Gewalt mehr als ein aufrichtiges Opfergefühl. Schauen Sie sich an, was uns 1918 passierte, sagten deutsche Soldaten 1942 und erinnerten sich an den propagandistischen „Stich-in-the-Back“-Mythos, der Deutschlands katastrophale Niederlage im ersten Weltkrieg auf jüdischen und kommunistischen Verrat zurückführte. Schauen Sie sich an, was uns im Holocaust passiert ist, als wir darauf vertrauten, dass andere uns zu Hilfe kommen würden, sagen IDF-Truppen im Jahr 2024 und geben sich damit die Lizenz für wahllose Zerstörung aufgrund einer falschen Analogie zwischen der Hamas und den Nazis.

Die jungen Männer und Frauen, mit denen ich an diesem Tag sprach, waren voller Wut, nicht so sehr gegen mich - sie beruhigten sich ein wenig, als ich meinen eigenen Militärdienst erwähnte - sondern weil sie sich, glaube ich, von allen um sie herum verraten fühlten. Verraten von den Medien, die sie als zu kritisch empfanden, von hochrangigen Kommandeuren, die sie für zu milde gegenüber den Palästinensern hielten, von Politikern, die es versäumt hatten, das Fiasko vom 7. Oktober zu verhindern, indem die IDF nicht in der Lage war, „totalen Sieges zu erreichen“, indem Intellektuelle und Linke sie unfair kritisierten, durch die US-Regierung, die nicht genügend Antibiotika herstellten.Antisemitische Studenten protestieren gegen ihre Aktionen in Gaza. Sie schienen ängstlich und unsicher und verwirrt, und einige litten wahrscheinlich auch an PTBS.

Ich erzählte ihnen die Geschichte, wie das deutsche Studentenwerk 1930 demokratisch von den Nazis übernommen wurde. Die Studenten dieser Zeit fühlten sich durch den Verlust des Ersten Weltkriegs, den Verlust der Chancen wegen der Wirtschaftskrise und den Verlust von Land und Prestige im Zuge des demütigenden Friedensvertrags von Versailles verraten. Sie wollten Deutschland wieder groß machen, und Hitler schien in der Lage zu sein, dieses Versprechen zu erfüllen. Deutschlands inneren Feinde wurden weggesteckt, seine Wirtschaft florierte, andere Nationen fürchteten es wieder, und dann ging es in den Krieg, eroberte Europa und ermordete Millionen von Menschen. Schließlich wurde das Land völlig zerstört. Ich fragte mich laut, ob vielleicht die wenigen deutschen Studenten, die diese 15 Jahre überlebten, ihre Entscheidung 1930 bedauerten, den Nazismus zu unterstützen. Aber ich glaube nicht, dass die jungen Männer und Frauen an der BGU die Auswirkungen dessen verstanden haben, was ich ihnen gesagt hatte.

Die Studenten waren gleichzeitig beängstigend und verängstigt, und ihre Angst machte sie umso aggressiver. Dieses Ausmaß an Bedrohung sowie ein gewisses Maß an Meinungsverschiedenheiten schienen Angst und Unterwürfigkeit in ihren Vorgesetzten, Professoren und Administratoren hervorgerufen zu haben, die große Abneigung zeigten, sie in irgendeiner Weise zu disziplinieren. Zur gleichen Zeit haben eine Vielzahl von Medienexperten und Politikern diese Verdrängungsgelern bejubelt, sie nur einen Moment als Helden bezeichnet, bevor sie sie in den Boden gesteckt und ihren trauernden Familien den Rücken gekehrt haben. Die gefallenen Soldaten starben aus einem guten Zweck, wird den Familien gesagt. Aber niemand nimmt sich die Zeit, um zu artikulieren, was diese Ursache tatsächlich über das schiere Überleben hinausgeht, durch immer mehr Gewalt.

Und so taten mir auch diese Studenten, die so nicht wussten, wie sie manipuliert worden waren. Aber ich verließ dieses Treffen voller Beklommenheit und Vorahnung.


As Ich ging Ende Juni zurück in die Vereinigten Staaten, ich dachte über meine Erfahrungen über diese beiden chaotischen und beunruhigenden Wochen nach. Ich war mir meiner tiefen Verbindung zu dem Land bewusst, das ich verlassen hatte. Es geht nicht nur um meine Beziehung zu meiner israelischen Familie und meinen Freunden, sondern auch um den besonderen Tenor der israelischen Kultur und Gesellschaft, der durch ihren Mangel an Distanz oder Ehrerbietung gekennzeichnet ist. Das kann herzerwärmend und aufschlussreich sein; man kann sich fast augenblicklich in intensiven, sogar intimen Gesprächen mit anderen auf der Straße, in einem Café, in einer Bar befinden.

Doch derselbe Aspekt des israelischen Lebens kann auch endlos frustrierend sein, da es so wenig Respekt vor sozialen Nettigkeiten gibt. Es gibt fast einen Kult der Aufrichtigkeit, eine Verpflichtung, Ihre Meinung zu sagen, egal mit wem Sie sprechen oder wie viel Beleidigung es verursachen kann. Diese gemeinsame Erwartung schafft sowohl ein Gefühl der Solidarität als auch von Linien, die nicht überschritten werden können. Wenn Sie bei uns sind, sind wir alle Familie. Wenn Sie sich gegen uns wenden oder auf der anderen Seite der nationalen Kluft sind, sind Sie ausgeschlossen und können erwarten, dass wir nach Ihnen kommen.

Das mag auch der Grund gewesen sein, warum ich dieses Mal zum ersten Mal besorgt war, nach Israel zu gehen, und warum ein Teil von mir froh war, zu gehen. Das Land hatte sich in sichtbarer und subtiler Weise verändert, wie es eine Barriere zwischen mir, als Beobachter von außen und denen, die ein organischer Teil davon geblieben sind, eine Barriere hätte erhöhen können.

Aber ein anderer Teil meiner Befürchtungen hatte damit zu tun, dass sich meine Sicht der Geschehnisse in Gaza verschoben hatte. Am 10. November 2023 schrieb ich in der New York Times: "Als Historiker des Völkermords glaube ich, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass Völkermord jetzt in Gaza stattfindet, obwohl es sehr wahrscheinlich ist, dass Kriegsverbrechen und sogar Verbrechen gegen die Menschlichkeit stattfinden. [...] Wir wissen aus der Geschichte, dass es entscheidend ist, vor dem Potenzial für Völkermord zu warnen, bevor es auftritt, anstatt es verspätet zu verurteilen, nachdem es stattgefunden hat. Ich glaube, wir haben noch Zeit.“

Das glaube ich nicht mehr. Als ich nach Israel reiste, war ich davon überzeugt, dass es zumindest seit dem Angriff der IDF auf Rafah am 6. Mai 2024 nicht mehr möglich war, zu leugnen, dass Israel systematische Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord verübt wurde. Es war nicht nur so, dass dieser Angriff auf die letzte Konzentration der Bewohner des Gazastreifens – die meisten von ihnen bereits mehrmals von der IDF vertrieben wurden, die sie nun erneut in eine so genannte Sicherheitszone drängte – eine völlige Missachtung aller humanitären Standards zeigte. Es zeigte sich auch deutlich, dass das Endziel dieses gesamten Unternehmens von Anfang an darin bestand, den gesamten Gazastreifen unbewohnbar zu machen und seine Bevölkerung so zu schwächen, dass sie entweder aussterben oder alle möglichen Optionen suchen würde, um das Gebiet zu verlassen. Mit anderen Worten, die Rhetorik, die von den israelischen Führern seit dem 7. Oktober verbreitet wurde, wurde nun in die Realität umgesetzt – nämlich, wie es die UN-Gruhekonvention von 1948 ausdrückte, dass Israel „mit der Absicht handelte, die palästinensische Bevölkerung in Gaza ganz oder teilweise zu zerstören, "als so, indem es tötet, schwere Schäden verursacht oder die Zerstörung von Menschen verursacht".

Dies waren Themen, die ich nur mit einer sehr kleinen Handvoll Aktivisten, Gelehrten, Völkerrechtsexperten und, nicht überraschend, palästinensischen Bürgern Israels diskutieren konnte. Über diesen begrenzten Kreis hinaus sind solche Aussagen über die Illegalität israelischer Aktionen in Gaza in Israel ein Gräuel. Selbst die überwiegende Mehrheit der Demonstranten gegen die Regierung, diejenigen, die einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln fordern, wird sie nicht würdigen.

Seit ich von meinem Besuch zurückgekehrt bin, versuche ich, meine Erfahrungen dort in einen größeren Kontext zu stellen. Die Realität vor Ort ist so verheerend, und die Zukunft erscheint so düster, dass ich mir erlaubt habe, mich einer konterkischen Geschichte hinzugeben und einige hoffnungsvolle Spekulationen über eine andere Zukunft zu führen. Ich frage mich, was passiert wäre, wenn der neu geschaffene Staat Israel sein Engagement erfüllt hätte, eine Verfassung auf der Grundlage seiner Unabhängigkeitserklärung zu erlassen? Dieselbe Erklärung, in der es hieß, dass Israel „auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden basieren wird, wie es von den Propheten Israels vorgesehen ist; sie wird die vollständige Gleichheit der sozialen und politischen Rechte gegenüber allen ihren Bewohnern unabhängig von Religion, Rasse oder Geschlecht gewährleisten; sie wird die Freiheit der Religion, des Gewissens, der Sprache, der Erziehung und der Kultur gewährleisten; sie wird die Heiligen Stätten aller Religionen schützen, und sie wird die Prinzipien der Vereinten Nationen schützen.


Welche Auswirkungen hätte eine solche Verfassung auf die Natur des Staates gehabt? Wie hätte es die Transformation des Zionismus von einer Ideologie gemildert, die die Juden von der Erniedrigung des Exils und der Diskriminierung befreien und sie auf das gleiche Stehen mit den anderen Nationen der Welt zu bringen, zu einer staatlichen Ideologie des Ethnonationalismus, Unterdrückung anderer, Expansionismus und Apartheid? Während der wenigen hoffnungsvollen Jahre des Osloer Friedensprozesses begannen die Menschen in Israel davon zu sprechen, es zu einem „Staat aller seiner Bürger“, Juden und Palästinenser gleichermaßen, zu machen. Die Ermordung von Premierminister Rabin im Jahr 1995 beendete diesen Traum. Wird es Israel jemals möglich sein, die gewalttätigen, ausschließenden, militanten und zunehmend rassistischen Aspekte seiner Vision zu verwerfen, da es jetzt von so vielen seiner jüdischen Bürger dort angenommen wird? Wird sie sich jemals neu vorstellen können, wie es sich seine Gründer so eloquent vorgestellt hatten - als eine Nation, die auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden basiert?

Es ist derzeit schwierig, sich solchen Fantasien hinzugeben. Aber vielleicht gerade wegen des Tiefpunkts, in dem sich die Israelis und noch viel mehr Palästinenser jetzt befinden, und der Flugbahn der regionalen Zerstörung, auf die ihre Führer sie gesetzt haben, bete ich, dass endlich alternative Stimmen erhoben werden. Denn, in den Worten des Dichters Eldan, "gibt es eine Zeit, in der die Dunkelheit brüllt, aber es Morgendämmerung und Glanz gibt".

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Wir alle wurden von den jüngsten Ereignissen in Israel und Gaza zutiefst erschüttert. Dieser jüngste Konflikt markiert den Beginn eines Kapitels, das wahrscheinlich Millionen von Leben betreffen wird, sowohl im Nahen Osten als auch darüber hinaus, auf Jahre hinaus. Mit Reportern vor Ort und anderen, die Live-Blogs, Videos, Podcasts und Foto-Essays produzieren, während sich die Geschichte entfaltet, ist der Guardian darauf ausgelegt, Ihnen rund um die Uhr unabhängigen, faktengeprüften Journalismus zu bringen.


Info: https://www.theguardian.com/world/article/2024/aug/13/israel-gaza-historian-omer-bartov


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält

15.08.2024

Ukraine: Hunderttausende Männer wegen Kriegsdienst untergetaucht

multipolar-magazin.de, 13. August 2024 , Kiew. (multipolar)

Ausschussvorsitzender: Rund 800.000 Wehrpflichtige leben „im Untergrund“ / Anzahl der Deserteure erreicht neuen Höchststand / Widerstand in Bevölkerung und Unternehmen


Rund 800.000 Männer sind laut Dmytro Natalukha, dem Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses des ukrainischen Parlaments, innerhalb der Ukraine untergetaucht, um sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Dies berichtet die US-Zeitung „Financial Times“ (4. August) und bezeichnet den Zustand als Leben „im Untergrund“. Die wehrpflichtigen Männer wechselten demnach ihren Wohnort und arbeiten nur inoffiziell gegen Barzahlung. Die ukrainischen Behörden hätten keinen Zugriff auf diese Männer.

Auch zeichnet sich verstärkter Widerstand gegen neue Rekrutierungen ab: In der nordwestukrainischen Stadt Kowel kam es Anfang August zu spontanen Protesten der Bevölkerung, nachdem mehrere junge Männer von der Polizei verhaftet und zur örtlichen Registrierungsstelle für den Militärdienst gebracht wurden. Die Behörden ließen die Eingezogenen daraufhin wieder frei. Zudem erreichte die Zahl der Deserteure im ersten Halbjahr 2024 mit 29.000 eingeleiteten Verfahren ein Rekordhoch. Zahlreiche Männer versuchen auch weiterhin, das Land zu verlassen. Regelmäßig kommt es zu Berichten über an der Grenze festgenommene, tödlich verunglückte oder erschossene Ukrainer.

Diese Entwicklungen stehen im Zusammenhang mit zwei neuen Mobilisierungsgesetzen, die im April von Präsident Wolodymyr Selenskyj unterzeichnet wurden und im Mai in Kraft traten. Ende 2023 hatte Selenskyj bereits verkündet, dass die Ukraine 500.000 neue Soldaten brauche, um der russischen Armee standzuhalten. Laut amtlichen ukrainischen Zahlen ist bereits jeder achte wehrfähige Mann im Land Invalide.

Das erste Gesetz senkt das Mindestalter für den Einzug von Wehrpflichtigen von 27 auf 25 Jahre ab. Laut Angaben der New York Times betrug die Anzahl der 25- und 26-jährigen männlichen Ukrainer im Jahr 2022 jedoch lediglich 467.000, einschließlich derjenigen, die in den von Russland kontrollierten Gebieten oder im Ausland leben. Das zweite Gesetz verpflichtet alle ukrainischen Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren, sich bei den militärischen Registrierungsstellen zu melden und die entsprechenden Dokumente stets bei sich zu führen. Verstöße gegen das Gesetz werden mit Geldstrafen und dem Verlust des Führerscheins geahndet.

Auch ukrainische Männer im Ausland in dieser Altersspanne müssen sich bei den Registrierungsstellen melden, was nur in ihrem Heimatland möglich ist. Kommen sie dem nicht nach, stehen ihnen keine konsularischen Dienstleistungen wie die Verlängerung ihres Passes mehr zur Verfügung. Dies kann rechtliche Folgen haben, beispielsweise bei der Eröffnung eines Bankkontos im Ausland. Laut dem Statistischen Amt der Europäischen Union waren Ende 2023 mindestens 650.000 ukrainische Männer zwischen 18 und 64 Jahren in der EU, Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein als Flüchtlinge registriert, davon 247.000 im Alter zwischen 18 und 60 Jahren allein in Deutschland.

Eine anfangs diskutierte Begrenzung des Wehrdienstes in der Ukraine auf maximal 36 Monate hat das ukrainische Parlament hingegen nicht beschlossen – offenbar auf Druck des neuen Oberbefehlshabers der Streitkräfte Oleksandr Syrskyj. Laut der Deutschen Welle sind jedoch der Wunsch der Soldaten nach Erholung, ein schlechter psychologischer Zustand sowie Erschöpfung die Hauptgründe für die hohe Anzahl an Deserteuren. Die offizielle Wehrdienstzeit beträgt 18 Monate. Gegen das neue Mobilisierungsgesetz hatten ukrainische Fernfahrer bereits im Mai mit einer Blockade der Autobahn Kiew-Odessa protestiert.

Durch die neue Mobilisierungskampagne gerät auch die ukrainische Wirtschaft weiter unter Druck. Laut Informationen der Financial Times fordern die größten Unternehmen des Landes umfassende Ausnahmen für ihre Mitarbeiter vom Militärdienst, um das wirtschaftliche Überleben der Ukraine zu sichern. Die Firmen hatten vorgeschlagen, eine Schutzgebühr von 20.000 Griwna (440 Euro) für jeden Arbeiter an den Staat zu zahlen oder eine Gehaltsgrenze einzuführen, ab der man nicht mehr mobilisiert werden darf. Auch wegen der stark verbreiteten Korruption in der Ukraine, die es wohlhabenden Bürgern ermöglicht, sich vom Kriegsdienst freizukaufen, hat sich in dem Land eine Debatte über ein gerechtes Wehrpflichtsystem entzündet.


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15.08.2024

Nord Stream 2: Biden/Scholz PK Febr. 22 / Bauernopfer gefunden?

aus e-mail von Doris Pumphrey, 15. August 2024, 16:42 Uhr


Bundesregierung.de Mitschrift Pressekonferenz 7.2.2022

<https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/pressekonferenz-von-bundeskanzler-scholz-und-dem-praesidenten-der-vereinigten-staaten-von-amerika-biden-am-7-februar-2022-in-washington-2003648>

*Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und dem Präsidenten der

Vereinigten Staaten von Amerika Biden

am 7. Februar 2022 in Washington


*/Auszüge zu den Fragen an Präsident Biden und Bundeskanzler Scholz über

Nord Stream 2:


/*Frage*: Herr Präsident, ich will Sie schon seit Langem fragen: Sie

sind gegen Nord Stream 2. Sie haben das nicht erwähnt. Haben Sie

Zusicherungen von Bundeskanzler Scholz bekommen, dass Deutschland dieses

Projekt stoppen wird, wenn Russland in die Ukraine einmarschiert? (…)


*P Biden:* Ich beantworte zunächst die erste Frage. Wenn Russland zum

Beispiel mit Panzern und Truppen die Grenze zur Ukraine überquert, wird

es Nord Stream 2 nicht mehr geben.


*Zusatzfrage:* Aber wie genau machen Sie das? Das Projekt ist unter der

Kontrolle Deutschlands.


*P Biden:* Ich verspreche Ihnen: Das werden wir schaffen.


*BK Scholz:* Schönen Dank für Ihre Frage. (…)

(auf Englisch) Vielleicht ist das auch eine gute Gelegenheit, dass wir

uns an unsere amerikanischen Freunde wenden. Wir stehen vereint. Wir

unternehmen alle notwendigen Schritte, und alle von uns tun das gemeinsam.


*Zusatzfrage:* Werden Sie heute diese Verpflichtungen eingehen, Nord

Stream 2 zu beenden?


*BK Scholz* (auf Englisch): Wie ich bereits gesagt habe: Wir stehen da

zusammen. Wir sind hier absolut einer Meinung. Wir unternehmen die

gleichen Schritte. Wir werden eine harte Reaktion gegenüber Russland fahren.


*Frage:* Herr Präsident, (…) Zu Nord Stream 2 würde ich von Ihnen gern

wissen, ob Sie angesichts der russischen Bedrohung nicht finden, dass

Deutschland jetzt schon seine Position zu Nord Stream 2 überdenken sollte.

(…)  Herr Bundeskanzler, an Sie auch eine Nachfrage zu Nord Stream 2:

Sie sagen, alle Optionen lägen auf dem Tisch. Sie nennen Nord Stream 2

nicht beim Namen. Glauben Sie nicht, dass Sie, wenn Sie es beim Namen

nennen würden, Vertrauen bei östlichen Bündnispartnern und auch hier in

den USA zurückgewinnen könnten?


*P Biden:* Es gibt keinen Grund, Vertrauen zurückzugewinnen. Er hat das

Vertrauen der Vereinigten Staaten. Deutschland ist einer unserer

wichtigsten Alliierten und Verbündeten auf der ganzen Welt. (…)

Deutschland ist ein komplett verlässlicher Partner. Daran habe ich keine

Zweifel.


*BK Scholz*: Wir sind eng mit den Vereinigten Staaten verbunden. Die

transatlantische Partnerschaft zwischen Deutschland und den USA zählt zu

den ganz, ganz wichtigen Konstanten der deutschen Politik, die auch für

die Zukunft von allergrößter Bedeutung ist. Sie können sich darauf

verlassen, dass das auch in der Zukunft immer ganz, ganz vorn bei den

Prioritäten ist.

(…)


*Zusatzfrage:* Herr Präsident, (…) Zu Nord Stream 2 auch noch einmal die

Frage: Halten Sie die aktuelle Positionierung in der jetzigen Situation

angesichts der russischen Bedrohung für in Ordnung?


*P Biden:* Sehen Sie, es gibt für die Vereinigten Staaten keinen Zweifel

daran, dass Deutschland unglaublich zuverlässig als Partner ist und eine

der größten Kräfte in der Nato.

Zur Frage, ob Nord Stream 2 bei einer Invasion seitens Russlands

voranschreiten würde: Das passiert einfach nicht.

-------------------------------------------------------------------_


RT DE 15.8.2024

_*Bauernopfer gefunden? Ukrainischer General Saluschny soll Anschlag auf

Nord Stream koordiniert haben


*Wer war für den Anschlag auf Nord Stream verantwortlich? Ein US-Medium

legt eine neue Fährte: Selenskij habe von den Plänen gewusst, wollte sie

aber auf Bitten des CIA stoppen. Ex-Generalstabschef Saluschny habe den

Plan eigenmächtig umgesetzt. Der weist die Vorwürfe als Provokation zurück.


In der Frage, wer für den Anschlag auf Nord Stream verantwortlich ist,

legt das /Wall Street Journal /(WSJ) eine neue Fährte

<https://www.wsj.com/world/europe/nord-stream-pipeline-explosion-real-story-da24839c?mod=hp_lead_pos7>.

Im Mai 2022 habe sich eine kleine Gruppe ukrainischer Militärs mit

Geschäftsleuten getroffen und in heiterer Runde den Anschlag auf Nord

Stream verabredet, schreibt das /WSJ/. Als Quelle gibt die Zeitung vier

mit der Sache vertraute Personen an, die allerdings anonym bleiben.

Präsident Selenskij sei informiert worden und habe den Plan zunächst

unterstützt. An der Planung beteiligt war auch der damalige

Generalstabschef der ukrainischen Streitkräfte, Waleri Saluschny.

Saluschny ist inzwischen ukrainischer Botschafter in Großbritannien.


Westliche Geheimdienste, so erzählt das /WSJ/ die Geschichte weiter,

hätten allerdings von den Plänen Wind bekommen. Der US-Geheimdienst CIA

hätte schließlich Selenskij gebeten, von den Anschlagplänen Abstand zu

nehmen. Selenskij sei dem auch nachgekommen und habe die Notbremse

gezogen. Das konnte den schon in Bewegung gesetzten Zug jedoch nicht

mehr vollständig stoppen. Generalstabschef Saluschny hat sich

selbstständig gemacht und den Plan eigenmächtig weiter verfolgt. Die

Segeljacht Andromeda wurde gechartert, hunderte Kilogramm Sprengstoff an

Bord gebracht. Ausrüstung fürs Tiefseetauchen besorgt und los ging es

einmal quer durch die Ostsee. Die Kosten für die Sprengung der Pipeline

gibt das /WSJ/ mit 300.000 US-Dollar an.


Auf seine Beteiligung am Anschlag befragt, antwortete Saluschny, die

ukrainischen Streitkräfte hätten gar nicht die Berechtigung gehabt,

Operationen außerhalb des eigenen Territoriums durchzuführen. Es handele

sich bei den Anschuldigungen um reine Provokation. Bei der jetzt

veröffentlichten Geschichte würde Saluschny das Bauernopfer abgeben.

Selenskij wäre dagegen reingewaschen und die Spur in die USA müsste von

den Medien des Mainstreams weiterhin nicht erwähnt werden. Bequem ist

obendrein, dass es keinerlei schriftliche Aufzeichnungen geben soll.


Erst gestern meldete Generalbundesanwalt Rommel einen Ermittlungserfolg.

Die Bundesanwaltschaft hat einen ersten Haftbefehl gegen einen Ukrainer

erlassen, der sich in Polen aufhalten soll. Der Gesuchte konnte sich

seiner Verhaftung allerdings entziehen. Die Spur droht kalt zu werden,

was vielen ganz recht sein dürfte. Trotz der vehementen Anschuldigungen

gegenüber der Ukraine will die Bundesregierung an der Unterstützung des

Landes festhalten. Ob ein tatsächlicher Aufklärungswille besteht, ist

weiterhin unklar. Aber der Wille zum Geschichtenerzählen ist ungebrochen.


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält

15.08.2024

"Die Deutschen haben keine Angst vor Krieg" Wie in Russland über die Stationierung von US-Langstreckenraketen berichtet wird

anti-spiegel.ru, 15. August 2024 10:00 Uhr, von Anti-Spiegel

Die Entscheidung der USA, in Deutschland wieder bodengestützte Langstreckenraketen zu stationieren, hat in Russland hohe Wellen geschlagen und viele Russen fragen sich, warum die Deutschen diese Provokation mitmachen.


In Russland sind die Menschen wesentlich geschichtsbewusster als in Deutschland, weshalb man sich in Russland noch an die 1980er Jahren erinnert, als die Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraketen in Deutschland die Gefahr eines Atomkrieges aus Versehen erhöhte, weil die kurze Vorwarnzeit dieser Raketen der Gegenseite keine Zeit lässt, ein Radarsignal genau zu analysieren. Das bedeutet, dass man ein Signal irrtümlich für eine gegnerische Rakete halten und dann selbst auf den Knopf drücken kann.

Genau diese Gefahr bestand in den 1980er Jahren, als in der DDR die russischen SS-20 und der Bundesrepublik die US-amerikanischen Pershing-Raketen stationiert waren. Der INF-Vertrag war vor allem für Europa eine unglaubliche Erhöhung der eigenen Sicherheit. Eine Übersicht über die nuklearen Rüstungskontrollverträge, die es im und nach dem Kalten Krieg zwischen den USA und Russland gegeben hat und die die USA alle gekündigt und/oder gebrochen haben, finden Sie hier.

Den INF-Vertrag hat Präsident Trump 2019 gekündigt und es war bekannt, dass die USA bereits im Vorwege gegen ihn verstoßen hatten. Der Vertrag verbat ausdrücklich bodengestützte Kurz- und Mittelstreckenraketen, aber da die USA in ihrer sogenannten Raketenabwehr, die sie damals in Polen und Rumänien aufgebaut haben, Startrampen vom Typ Mk-41 eingebaut haben, die normalerweise Tomahawk-Marschflugkörper von Schiffen aus abfeuern können, war klar, dass die USA den Vertrag brechen würden, denn landgestützte Tomahawk-Marschflugkörper waren nach dem INF-Vertrag verboten, wurden durch den Einbau der Mk-41 in die Raketensilos in Polen und Rumänien aber möglich.

Und so kam es auch, denn kaum zwei Wochen nachdem die Kündigung des INF-Vertrages wirksam geworden war, haben die USA bereits zum ersten Mal einen solchen Raketenstart vom Land aus getestet.

Im Juli haben die USA verkündet, sie würden wieder solche Raketen in Deutschland stationieren, was die Bundesregierung ganz begeistert aufgenommen hat. In Russland ist man regelrecht fassungslos darüber, dass die deutsche Regierung dieses riskante Spiel mitspielt und dass es in Deutschland keine Proteste dagegen gibt, wie es sie in den 80er Jahren gegeben hat.

Hier übersetze ich einen Artikel der russischen Nachrichtenagentur TASS über das Thema, der zeigt, wie in Russland über das Thema gedacht wird.


Beginn der Übersetzung:

Die Hälfte der Deutschen ist dagegen: Deutschland bereitet sich auf die Stationierung von Langstreckenwaffen aus den USA vor

Die USA beabsichtigen, in einigen Jahren bodengestützte Kurz- und Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren und damit gegen die Bedingungen des freiwilligen Moratorium Russlands für die Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraketen zu verstoßen. Die deutsche Regierung hält die Pläne der USA für eine „sehr gute Entscheidung“, obwohl etwa die Hälfte der Deutschen dagegen ist. Wie die USA und Deutschland diese entscheidende Idee erklären und ob sie auf den Widerstand der deutschen Bürger stoßen wird, hat die TASS zusammengestellt.

Das Gebiet amerikanischer Waffen

Ab 2026 wird Deutschland neue Waffen aus den USA erhalten, deren Reichweite größer ist als die der heute in Europa stationierten Waffen. So will Washington das Engagement der USA in der NATO und den Beitrag Deutschlands zur „integrierten europäischen Abschreckungsfähigkeit“ demonstrieren.

Laut einer gemeinsamen schriftlichen Erklärung der USA und Deutschlands werden die Waffen SM-6-Mehrzweckraketen, Tomahawk-Marschflugkörper und experimentelle Hyperschallwaffen umfassen. Die SM-6 hat eine maximale Reichweite von etwa 450 Kilometern. Die Tomahawk hat eine maximale Reichweite von über 1.600 Kilometern, das sind also Mittelstreckenraketen. Die USA haben seit den 1980er Jahren keine solchen bodengestützten Systeme mehr in Europa stationiert.

Bundeskanzler Olaf Scholz nannte die Entscheidung „sehr gut“. Sie passe in die Sicherheitsstrategie der Bundesregierung, denn Deutschland brauche „eine eigene Verteidigung und Abschreckung“ und dafür brauche es Präzisionswaffen. „Diese Entscheidung wurde lange vorbereitet und ist keine wirkliche Überraschung für alle, die sich mit Sicherheits- und Friedenspolitik beschäftigen“, sagte er.

Die Frage der Stationierung von US-Waffen auf dem deutschem Gebiet gab es schon vor Jahren mal. Im Rahmen des sogenannten „NATO-Doppelbeschlusses“, der am 12. Dezember 1979 von den Staatsoberhäuptern Großbritanniens, der USA, Frankreichs und Deutschlands verabschiedet wurde. Die NATO-Mitglieder vereinbarten, dass die Amerikaner schrittweise bis zu 600 mobile Mittelstreckenraketen (ballistische Pershing-2 und Marschflugkörper BGM-109G, die bodengestützte Version der Tomahawk) auf in Westeuropa, einschließlich der Bundesrepublik Deutschland, stationieren würden. Die Stationierung der Pershing-2 begann in Westdeutschland am 30. November 1983 und endete Ende 1985. Der Prozess wurde von Massenprotesten begleitet, aber die Regierung hielt an ihrer Entscheidung fest.

Allerdings änderte sich die Politik schließlich mit der Unterzeichnung eines der wichtigsten Dokumente in der Geschichte der Rüstungskontrolle.

Kein Moratorium

1987 schlossen die UdSSR und die USA den Vertrag über die Vernichtung von Kurz- und Mittelstreckenraketen (INF-Vertrag). Die Vertragsparteien einigten sich auf ein Verbot der Erprobung von landgestützten Raketen mit mittlerer (1.000-5.500 km) und kurzer (500-1.000 km) Reichweite sowie von Trägersystemen für diese Raketen.

Dieses Dokument war jahrzehntelang eines der wichtigsten Rüstungskontrollinstrumente, obwohl es immer wieder Gegenstand von Streitigkeiten zwischen den USA und Russland war. Doch das Ende seiner Existenz wurde 2018 eingeläutet, als die Regierung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump die Kündigung des Vertrags verkündete.

Der formale Grund waren Anschuldigungen Washingtons gegen Moskau: Die USA behaupteten, dass Russlands neuer Marschflugkörper 9M729 angeblich eine größere Reichweite habe als im INF-Vertrag festgelegt. Moskau wies diese Anschuldigungen zurück und wies darauf hin, dass die USA im Gegenteil gegen die Bestimmungen des Vertrags verstießen, unter anderem durch die Stationierung der Mk41-Startvorrichtungen der US-Raketenabwehr in Polen und Rumänien, die auch zum Abschuss des Tomahawks benutzt werden können.

Daraufhin kündigte Washington am 2. Februar 2019 seinen Rückzug aus dem Abkommen an, und sechs Monate später, am 2. August, lief der Vertrag offiziell aus.

Russland hat seitdem versucht, mit den USA und den NATO-Ländern zu verhandeln, um einige der im INF-Vertrag vorgesehenen Garantien beizubehalten. Insbesondere bot Moskau an, ein freiwilliges Moratorium für die Stationierung bodengestützter Kurz- und Mittelstreckenraketen auf seinem Gebiet einzuführen. Es versprach, solche Raketen erst dann zu stationieren, wenn Washington mit der Stationierung solcher Systeme in Europa oder anderen Regionen beginnt. Die NATO hat diese Vorschläge jedoch nicht unterstützt.

Der russische Präsident Wladimir Putin wies später darauf hin, dass die USA diese Raketen nicht nur herstellen, sondern sie auch bereits nach Europa und auf die Philippinen gebracht haben.

„Wenn irgendwo US-amerikanische Kurz- und Mittelstreckenraketen auftauchen, behalten wir uns das Recht vor, spiegelbildlich zu handeln“, sagte der russische Präsident nach dem Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) Anfang Juli in Astana.

Er sagte auch, dass Russland im Zusammenhang mit den Aktionen der USA bereit sei, mit der Produktion von Kurz- und Mittelstreckenraketen zu beginnen. Ihm zufolge sind die Entwicklungsarbeiten in dieser Richtung bereits im Gange.

Die Pläne der USA, ihre Waffen in Deutschland zu stationieren, verschärfen die ohnehin schon schwierige Situation noch weiter. Wie Putin warnte, wird Russland sein einseitiges Moratorium für die Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraketen nicht mehr einhalten, wenn US-Langstreckenraketen in Deutschland auftauchen.

Der Präsident wies darauf hin, dass im Falle der Umsetzung von Washingtons Plan „wichtige staatliche und militärische Regierungseinrichtungen, Verwaltungs- und Industriezentren sowie Verteidigungsinfrastrukturen Russlands“ in Reichweite der Waffen sein werden. „Und die Flugzeit solcher Raketen, die in Zukunft mit Nuklearsprengköpfen bestückt werden können, zu Zielen auf unserem Territorium wird etwa 10 Minuten betragen“, erklärte Putin.

Nach Ansicht des russischen Botschafters in Washington, Anatolij Antonow, birgt das Vorgehen Washingtons die Möglichkeit eines Raketenwettrüstens in sich und könnte zu einer unkontrollierten Eskalation führen, während die Entscheidung selbst „Russlands Verpflichtung zu einem Moratorium für die Stationierung von bodengestützten Kurz- und Mittelstreckenraketen zerschlägt“.

Dabei scheint Deutschland nicht im Geringsten besorgt über die Konsequenzen, die dieserSchritt nach sich ziehen könnte. Scholz begründet das damit, dass in Russland eine „unglaubliche Aufrüstung“ stattgefunden habe, insbesondere im Bereich der Systeme, die Europa bedrohen. Er erwartet, dass die Stationierung von US-Raketen unter anderem zur Abschreckung Russlands beitragen wird. Ähnlich argumentierte der deutsche Finanzminister Christian Lindner.

Doch diese Versuche seitens der Bundesrepublik, sich zu „schützen“, verschlimmern die Situation offenbar nur. Der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow hat bereits vor der Absicht Russlands gewarnt, eine militärische Antwort auf die Bedrohung durch die Pläne des Pentagons zu entwickeln. „Die Situation [nach dem Kalten Krieg] hat sich dramatisch verändert und diese Aktionen zielen in erster Linie darauf ab, der Sicherheit unseres Landes zu schaden, ohne Rücksicht darauf, ob dadurch die Chancen für irgendeine Art von Verhandlungen in der Zukunft steigen oder ob es sie überhaupt nicht geben wird“, sagte Rjabkow.

Die Deutschen sind dagegen

Es wäre unfair zu sagen, dass alle Deutschen die Stationierung von US-Waffen in ihrem Land unterstützen. Laut einer Umfrage von Forsa im Auftrag des Fernsehsenders RTL lehnen 49 Prozent der Bundesbürger die Pläne ab. Gleichzeitig äußerten 45 Prozent der Befragten die gegenteilige Meinung.

Am ablehnendsten ist die Haltung zu dieser Idee in Ostdeutschland: 74 Prozent der Ostdeutschen waren dagegen. In Westdeutschland hingegen stößt sie auf große Begeisterung: 49 Prozent sind dafür und 45 Prozent dagegen.

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD sprach sich vor diesem Hintergrund für eine öffentliche Debatte über diese Frage aus.

„Wir brauchen diese öffentliche Debatte, um die Ernsthaftigkeit der Lage zu verdeutlichen: Auf der einen Seite stellt das aggressive Verhalten Russlands eine neue Bedrohung für Europa dar, auf der anderen Seite haben wir eine Fähigkeitslücke, die wir kurzfristig nur mit Hilfe unserer amerikanischen Verbündeten schließen können, bis wir diese Waffen selbst entwickeln“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Die Debatte dürfte jedoch kaum etwas bewirken. Die derzeitige Bundesregierung habe wiederholt deutlich gemacht, dass sie in den meisten außen- und sicherheitspolitischen Fragen nicht bereit sei, sich von der Meinung ihrer Bürger leiten zu lassen und diese zu berücksichtigen, sagte Artjom Sokolow, Forscher am Zentrum für Europäische Studien der Moskauer Institut für Internationale Beziehungen, gegenüber der TASS.

„Die Raketenentscheidung ist ein solches Beispiel. Selbst in der deutschen Expertenwelt weisen viele darauf hin, dass eine derartige Entscheidung, falls sie ohne Diskussion im Bundestag oder mit der Öffentlichkeit getroffen wird, sich auf die Haltung der Deutschen gegenüber ihrer Regierung auswirken wird. Sie haben allen Grund zu der Annahme, dass diese Regierung ohne Rücksicht auf die Interessen der Bürger handelt“, so der Experte.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Regierung von Olaf Scholz oder die nächste Regierung, die ihn ersetzen wird, diese Entscheidung radikal überdenken wird. Artjom Sokolow weist darauf hin, dass die deutsche Außenpolitik entscheidend von den Interessen der transatlantischen Einheit und damit von den außenpolitischen Interessen der USA abhängig ist.

„Während Berlin in anderen Jahren in die eine oder andere Richtung manövrieren und sich auf die eine oder andere Weise dem entziehen konnte, was die USA ihm aufzuzwingen versuchten, ist die Regierung von Olaf Scholz nicht in der Lage, eine solche Politik zu verfolgen, und ist gezwungen, sich in wichtigen außenpolitischen Fragen ganz auf die Position Washingtons zu verlassen. Mehr noch, diese Regierung betrachtet diese Situation als ein unbedingtes Gut für Deutschland“, erklärte der Experte.

Die Ideale haben sich geändert

Trotz der Polarisierung der Gesellschaft bei der Stationierung von US-Waffen ist die aktuelle Situation, wie Pistorius feststellte, nicht mit den Ereignissen der 1980er Jahre vergleichbar, als die USA Pershing-2-Atomraketen in Westdeutschland stationiert haben. Damals löste das Massenproteste und eine blühende Friedensbewegung aus. Heute gibt es trotz der Unzufriedenheit einiger Bürger mit den Maßnahmen der Regierung keine Friedensbewegung in Deutschland, sagte Alexander Rahr, deutscher Politikwissenschaftler und Vorsitzender der Eurasischen Gesellschaft in Berlin.

„Die Gesellschaft hat ganz andere Leitlinien. Das, was wir in den letzten 50 Jahren erlebt haben – Empörung über die Raketen der Amerikaner und Friedensbewegungen -, das gibt es heute nicht mehr. Das liegt an vielen Faktoren. Erstens ist die Erinnerung an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs verschwunden. Zweitens: Das Schuldgefühl ist verschwunden. Das Feindbild hat sich ganz auf Russland verlagert. Das ist einfach ein Generationsproblem“, sagte der Experte gegenüber der TASS.

Ihm zufolge wollen sich viele Deutsche heute nicht mehr daran orientieren, obwohl sie die Handlungen des Landes im Zweiten Weltkrieg nicht rechtfertigen, da „das alles lange her ist“.

„Wir leben im 21. Jahrhundert und der Zweite Weltkrieg ist für uns so weit weg wie die Napoleonischen Kriege, das höre ich immer wieder. Auch in den Medien heißt es, dass es nichts gibt, was an die alten Zeiten erinnert, und dass wir uns nach vorne bewegen sollten. Man sagt, dass wir für den Holocaust Buße tun sollen, aber die Tatsache, dass 20 Millionen Sowjetbürger im Krieg gestorben sind, wird in den Schulen nicht mehr gelehrt. Die alten Ideale verschwinden aus der deutschen Gesellschaft, die Menschen haben keine Angst vor dem Krieg“, so Alexander Rahr abschließend.

Ende der Übersetzung


Info: https://anti-spiegel.ru/2024/wie-in-russland-ueber-die-stationierung-von-us-langstreckenraketen-berichtet-wird


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält

15.08.2024

Verfassungsrechtler Boehme-Neßler zu Corona und Justiz: „Wir haben es ja damals nicht besser gewusst, ist eine faule Ausrede“

nachdenkseiten.de, 15. August 2024 um 9:00 Ein Artikel von Marcus Klöckner

„Die Justiz hat ihre rechtsstaatliche Rolle als unabhängige Kontrollinstanz gegenüber den Behörden, der Regierung und dem Parlament nicht erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat unzählige Grundrechtsverletzungen einfach hingenommen“ – das sagt der Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler im Interview mit den NachDenkSeiten. Scharf kritisiert der Professor für Verfassungsrecht die Richter in Karlsruhe, aber auch die untergeordneten Gerichte. Laut Boehme-Neßler haben Richter „das gemacht, was viele in Politik und Gesellschaft gemacht haben. Sie haben die Kritiker stigmatisiert, in eine Ecke gestellt, nicht ernstgenommen und ihre Argumente ignoriert. Das war ein schwerer Fehler.“ Ein Interview über Justizabgründe in Sachen Corona, die RKI-Protokolle und die Corona-Impfpflicht der Bundeswehr, die „nie hätte eingeführt werden dürfen“. Und: Boehme-Neßler fordert eine Amnestie für Verstöße im Zusammenhang mit den Coronamaßnahmen.

Herr Boehme-Neßler, wir haben auf den NachDenkSeiten im Mai dieses Jahres ein Interview zur Rechtsprechung und dem Verhalten der Justiz im Hinblick auf die Coronamaßnahmen mit Ihnen geführt. Sie sagten, dass Sie die Corona-Impfpflicht bei der Bundeswehr für „verfassungswidrig“ halten und diese „sofort abgeschafft werden“ müsste. Mittlerweile besteht die Impfpflicht nicht mehr. Mittlerweile wurden auch die Protokolle des Robert Koch-Instituts (RKI) ungeschwärzt veröffentlicht. Sehen Sie sich in Ihrer Betrachtung bestärkt?

Ja, absolut. Eine Impfpflicht ist eine gravierende Einschränkung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit. Der Staat darf Grundrechte einschränken, aber nur ausnahmsweise und nur dann, wenn die Einschränkung verhältnismäßig ist. Der Bundeswehr ging es mit der Impfpflicht darum, Ansteckungswellen innerhalb der Soldaten zu verhindern. Die Impfung verhindert keine Ansteckungen. Sie verhindert auch nicht, dass Geimpfte andere Menschen anstecken. Sie bietet nur einen eingeschränkten Eigenschutz und keinen Fremdschutz. Die Impfung war deshalb weder geeignet noch erforderlich, um die Kampfkraft der Armee im Pandemiefall zu erhalten. Juristisch gesprochen: Sie war unverhältnismäßig und deshalb verfassungswidrig. Sie hätte niemals eingeführt werden dürfen.

Die RKI-Protokolle zeigen jetzt deutlich: Das war sowohl dem RKI als auch dem Gesundheitsminister sehr früh bekannt. Auf Druck des Gesundheitsministers wurden diese Informationen aber der Öffentlichkeit vorenthalten. Verfassungsrechtlich bedeutet das: Der Staat hat unzählige Grundrechte verletzt, obwohl er wusste, dass seine Maßnahmen nicht verhältnismäßig sind. Das ist ungeheuerlich. Und aus verfassungsrechtlicher Perspektive frustrierend, um nicht zu sagen traurig. Verfassung und Justiz waren in der Krise nicht stark genug, um dem übergriffigen Staat Einhalt zu gebieten. Wenn wir das nicht intensiv und umfassend aufarbeiten, habe ich die Befürchtung, dass unser Justizsystem auf Dauer beschädigt ist.

Nun rückt verstärkt die Forderung nach Aufarbeitung der Maßnahmenpolitik in den Vordergrund.

Wir müssen alle Bereiche der Politik und der Gesellschaft systematisch untersuchen. Was ist schiefgelaufen? Warum? Wer hat bewusst eine bestimmte Politik betrieben und womöglich gelogen und manipuliert? Wer hat „nur“ versagt? Das sind einige der wichtigen Fragen, die geklärt werden müssen.

Diese Zeit hat viele Wunden geschlagen und viele Menschen traumatisiert. Hier liegen wichtige Gründe für eine Spaltung der Gesellschaft, für eine erhöhte Aggressivität im täglichen Umgang und eine Verrohung der Kommunikation. Zeit heilt alle Wunden, sagt man. Das mag im individuellen Leben so sein. Für ganze Gesellschaften stimmt das so pauschal aber nicht. Aus der psychologischen Forschung zu den Kriegskindern des Zweiten Weltkriegs wissen wir, dass Traumata von Generation zu Generation weitergegeben werden. Die Gesellschaft muss sich deshalb mit dem Corona-Geschehen ehrlich und kritisch auseinandersetzen. Sonst nimmt sie auf Dauer Schaden. Und natürlich gibt es einen zweiten Grund, warum Aufarbeitung dringend nötig ist. Wir müssen aus den Fehlern lernen. Dazu müssen wir die Fehler aber erst erkennen und analysieren.

Ihr Bezug zur Vererbung von Traumata erscheint mir an dieser Stelle sehr wichtig. Denn in der Politik ist es entweder nicht angekommen oder aber es wird ignoriert, wie weitreichend die Maßnahmenpolitik war. Sie war für nicht wenige Bürger tatsächlich traumatisierend. Und zwar, wenn man Schilderungen von Bürgern zu dieser Zeit zuhört, sogar schwer traumatisierend. Hier gilt es sich vor Augen zu halten: Mitbürger konnten sich nicht von sterbenden Angehörigen verabschieden. Was heißt das, wenn ein Sohn weiß, dass seine Mutter gerade stirbt, er aber nicht in das Krankenhaus gelassen wird? Was heißt es, wenn ein Sohn stirbt und die Mutter keinen Abschied nehmen darf? Das sind jetzt nur zwei mögliche Kombinationen, es ist „nur“ eine konkrete Auswirkung der Maßnahmenpolitik – neben vielen weiteren. Im Hinblick auf das erlebte Leid, auf die offensichtlich in der Gesellschaft vorhandenen Traumata: Was bedeutet hier die Weigerungshaltung der Politik, an die Aufarbeitung der Coronapolitik ranzugehen?

Dass die Politik bisher eine Aufarbeitung verweigert, ist feige und verantwortungslos. Nicht verarbeitete Traumata haben negative Spätfolgen und belasten das weitere Leben. Das gilt nicht nur für Individuen, sondern auch für Gesellschaften. Immer wieder wird eine Verrohung der Gesellschaft diagnostiziert. Dafür finden sich viele Beispiele. Nicht aufgearbeitete gesellschaftliche Traumata sind sicher eine – nicht die einzige – Ursache dafür.

Das ist eine Entwicklung, die für die freiheitliche Demokratie gefährlich ist. Denn Freiheit und Demokratie leben auch von einem Mindestmaß an Vernunft, Liberalität und Kultiviertheit. Sie setzen ein Minimum an Vertrauen voraus, in staatliche Institutionen und in die Mitbürger. In einer traumatisierten Gesellschaft fehlt das. Die Folge: Der starke und autoritäre Staat kommt wieder, um die Folgen der Verrohung in Grenzen zu halten. Das ist nicht die Idee der freiheitlichen demokratischen Verfassung.

Zu den Protokollen. Welche Bedeutung hat der Inhalt der Protokolle aus rechtlicher Sicht? Was lesen Sie raus? Oder anders gefragt: Was bedeuten die nun an die Öffentlichkeit gelangten Informationen im Hinblick auf die Coronarechtsprechung und das Verhalten der Gerichte?

Wie sehr die Gerichte ihre Rolle verfehlt haben, zeigen die RKI-Protokolle. Natürlich wusste jeder Richter, dass das RKI keine unabhängige Forschungsinstitution ist. Es ist eine Bundesbehörde, die in die Behördenhierarchie eingebunden und gegenüber dem Gesundheitsminister weisungsgebunden ist. Das RKI darf nichts tun, was ihm der Minister verbietet.

Trotzdem haben die Gerichte das RKI als entscheidende und oft einzige Informationsquelle genutzt. Obwohl es qualifizierte und renommierte Kritiker gab, haben sie ihre Urteile im Zweifel, nicht selten sogar ausschließlich, auf die Informationen des RKI gestützt. Man hätte schon damals wissen müssen, dass dies ein Fehler ist. Für Verwaltungsgerichte gilt der sogenannte Amtsermittlungsgrundsatz. Sie müssen selbstständig den Sachverhalt ermitteln, also die relevanten Informationen und Fakten recherchieren. Dazu hätte gehört, nicht nur auf das RKI zu hören, sondern auch Kritiker ernst zu nehmen und sich mit ihren Argumenten auseinanderzusetzen. Was haben die Gerichte stattdessen gemacht? Sie haben das gemacht, was viele in Politik und Gesellschaft gemacht haben. Sie haben die Kritiker stigmatisiert, in eine Ecke gestellt, nicht ernstgenommen und ihre Argumente ignoriert. Das war ein schwerer Fehler, wie spätestens jetzt die RKI-Protokolle zeigen. Aber auch damals war klar, wie unverantwortlich dieses Verhalten war.

Wir haben es ja damals nicht besser gewusst, wird heute oft als Rechtfertigung vorgebracht. Das ist – man muss es so offen sagen – eine faule Ausrede. Richter kennen den Amtsermittlungsgrundsatz. Sie wussten, dass sie umfassend recherchieren und eine breite Informationsgrundlage für ihre Urteile haben müssen. Man wusste, dass das RKI weisungsgebunden und gerade nicht unabhängig und objektiv ist. Wie die RKI-Files jetzt zeigen, hat der Minister dauernd und intensiv Einfluss auf das genommen, was das RKI veröffentlicht hat – und was es verschwiegen hat. Für die Gerichte heißt das: Sie haben viele Urteile auf der Grundlage unvollständiger oder sogar falscher Informationen gefällt. Die Urteile, die sich ausschließlich auf Informationen des RKI stützen, sind – man muss es so hart sagen – Fehlurteile.

Was bedeutet all das?

Der Verfassungsstaat gibt seinen Bürgern ein Versprechen. Er verspricht, dass er die Grundrechte immer, auch im Krisenfall, garantiert. Das gibt den Bürgern eine große Freiheit und eine enorme Sicherheit. Dieses Versprechen hat der Verfassungsstaat während der Coronakrise gebrochen. Die Justiz hat ihre rechtsstaatliche Rolle als unabhängige Kontrollinstanz gegenüber den Behörden, der Regierung und dem Parlament nicht wahrgenommen. Das Versagen beginnt ganz oben, beim Bundesverfassungsgericht. Karlsruhe hat unzählige Grundrechtsverletzungen einfach hingenommen. Es hat der exzessiven und autoritären Corona-Politik der Bundes-und Landesregierungen keine Grenzen gesetzt. Als Hüter der Verfassung hätte es der Regierung und dem Parlament rote Linien ziehen müssen. 

Gerade auch das Verhalten der Karlsruher Richter wirft im Hinblick auf die veröffentlichten Protokolle viele – unangenehme – Fragen auf.

Aus den ungeschwärzten Protokollen wird klar, wie direkt und intensiv die Einwirkungen des Ministers auf die ihm untergeordnete Behörde waren. Das RKI hat Wissen, das für die öffentliche Einschätzung der Pandemie und der Impfstoffe wichtig gewesen wäre, einfach zurückgehalten. Es war ein Instrument, um die Öffentlichkeit zu manipulieren. Das zeigt, wie angreifbar, sogar fatal die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Bundesnotbremse und zu den Schulschließungen sind. Die Richter in Karlsruhe haben sich bei ihnen fast ausschließlich auf die Informationen durch das RKI gestützt. Das war ein entscheidender Fehler.

Man muss sich das einmal vorstellen. Die Richter ignorieren die kritische Expertise, die es damals gab. Sie stützen sich auf eine Behörde, die gegenüber dem Gesundheitsminister weisungsgebunden ist. Jetzt wird klar, wie irreführend, teilweise falsch deren Informationen waren. Was für eine Blamage für das Gericht! Und wie erschreckend, dass auf dieser Grundlage extreme Grundrechtsverletzungen legitimiert wurden. Da gibt es tatsächlich viel, was aufgearbeitet werden muss.

Und es ist ja noch schlimmer. Auch die aktuelle Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Maßnahmenpolitik tut in weiten Teilen so, als sei sie blind und taub. Oder?

Das aktuelle Verhalten von Gerichten und Behörden macht fassungslos. Sie verhängen weiter Strafen und Bußgelder für Verstöße gegen Corona-Maßnahmen. Gleichzeitig wissen wir aber, dass viele Maßnahmen sinnlos und rechtswidrig waren. Beispiel: Immer noch werden Bußgelder eingetrieben, weil Bürger damals gegen die Maskenpflicht verstoßen haben. Inzwischen ist aber längst bekannt, dass die Maskenpflicht wenig wirksam war – und deshalb ein rechtswidriger Eingriff in Grundrechte. Trotzdem wird immer noch sanktioniert, wer sich damals dagegen gewehrt hat. Unfassbar. Es wäre ein schöner Beginn einer Aufarbeitung, wenn Behörden und Justiz die Verfolgung derartiger Verstöße einstellen würden.

Gerichte verhängen weiter drakonische Strafen gegen Ärzte, die – mutmaßlich – falsche Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt haben. Vor dem Hintergrund, dass die Maskenpflicht ein verfassungswidriger Eingriff in Grundrechte war, ist das ein Skandal. Auch der Prozess gegen den „Richter von Weimar“ ist ein Skandal, der kaum wahrgenommen wird. Der Familienrichter hatte 2021 die Corona-Schutzmaßnahmen an zwei Schulen für rechtswidrig erklärt und aufgehoben. Ende 2023 wurde er dafür in erster Instanz wegen Rechtsbeugung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Das wird man in der zweiten Instanz dringend überdenken müssen.

In manchen Staaten gibt es eine generelle Amnestie für alle Verstöße gegen Corona-Maßnahmen. Das wäre sicher auch in Deutschland bitter nötig, um das Klima für eine Aufarbeitung zu verbessern.

Vergangene Woche sorgte eine Veröffentlichung des Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki für Wirbel. Kubicki hatte die RKI-Protokolle studiert und dabei auf folgende Passagen aufmerksam gemacht:

„Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist abhängig von der Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) […]. Eine Herabstufung vorher würde möglicherweise als Deeskalations-Signal interpretiert, daher politisch nicht gewünscht.“ Außerdem: „Reduzierung des Risikos von sehr hoch auf hoch wurde vom BMG abgelehnt.“ Und weiter: „In Hinblick auf das BMG sollte die Herabstufung aus strategischen Gründen zunächst auf hoch und nicht moderat erfolgen.“

Diese Stellen sind Protokollen vom 9. und vom 22. Februar sowie vom 20. April 2022 entnommen. Ersichtlich wird daraus, dass die Bürger Deutschlands länger unter der sehr hohen Risikoeinstufung leben mussten, als es eigentlich vonseiten der RKI-Wissenschaftler für nötig befunden wurde. Das heißt: Sehr hohe Risikoeinstufung aufgrund einer politischen Entscheidung.

Was heißt das im Hinblick auf die schweren Grundrechtseingriffe, denen Bürger ausgesetzt waren? Wie sieht Ihre rechtliche Einordnung aus?

Die Risikoeinstufung hat direkte Auswirkungen auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen. Wenn die Risikoeinstufung falsch war, war auch die verfassungsrechtliche Einordnung falsch. Eingriffe in Grundrechte, die nicht verhältnismäßig sind, sind schwere Verletzungen der Grundrechte und verfassungswidrig. Und verhältnismäßig ist nur, was auch erforderlich ist. Bei einer sehr hohen Risikoeinstufung können Einschränkungen der Grundrechte erforderlich und damit erlaubt sein, die bei einer niedrigeren Risikoeinstufung verboten wären. Kurz: Je höher das Risiko, desto eher sind Grundrechtseingriffe erlaubt. Und umgekehrt. Vor dem Hintergrund dieser neuen Informationen müssen auch die Grundrechtseingriffe neu bewertet werden.

Gerade wurde in einem Artikel hervorgehoben, dass wohl RKI-Protokolle nachträglich vor Veröffentlichung verändert wurden. Ist das aus rechtlicher Sicht überhaupt erlaubt?

Selbstverständlich ist das rechtlich nicht erlaubt. Protokolle haben ja eine wichtige Funktion: Sie sollen vertrauenswürdige Aufzeichnungen sein, die zeigen, was konkret gesagt und getan wurde. Wer sie manipuliert, kann sich strafbar machen, etwa wegen Urkundenfälschung.

Wie könnte nun eine systematische Aufarbeitung innerhalb der Justiz aussehen? Wäre eine eigene Untersuchungskommission auf Ebene der Justiz ein Mittel?

Denkbar wäre, dass das Bundesjustizministerium eine Kommission einsetzt, um das Justizversagen in der Coronazeit zu analysieren. Natürlich ist dabei wichtig, dass diese Kommission mit unabhängigen Persönlichkeiten besetzt ist. Es kann nicht sein, dass die Akteure selbst mit der Aufarbeitung befasst werden. Auch die Rechtswissenschaft wäre gefordert, sich aus unterschiedlichsten Perspektiven wissenschaftlich mit diesem Thema zu befassen. Eine weitere Möglichkeit: Musterprozesse zu speziellen Aspekten der Coronamaßnahmen könnten ebenfalls helfen, die Justiz-Dimension der Pandemie aufzuarbeiten. Damit könnte ein Aufarbeitungsprozess innerhalb der Justiz in Gang gesetzt werden. Aber natürlich kann – besser: muss – auch die Gesellschaft selbst die Rolle der Justiz während der Corona-Pandemie aufarbeiten. In Ansätzen passiert das bereits. Unabhängige Journalisten und kritische Bürgergruppen sammeln Material und diskutieren das öffentlich. Natürlich ist das erst ein ganz früher Anfang.

Lassen Sie mich etwas näher diese Ausführungen beleuchten. Das Verhalten der Justiz, das heißt: die Corona-Rechtsprechung, ist ein großer Komplex, der meines Erachtens aus mehreren Ebenen besteht. Es geht einmal um die Rechtsprechung ganz oben. Das heißt, um das Verhalten und die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Aber auch um die generelle Positionierung der Karlsruher Richter. Die Richter hätten zum Beispiel frühzeitig öffentlich der Politik signalisieren können, dass sie Maßnahmen nicht mittragen werden. Sie hätten auf Schwächen in der Rechtsprechung der unteren Gerichte verweisen und damit der Justiz im Allgemeinen signalisieren können: Vorsicht! Stattdessen meinte der Verfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth, dass sich in der Corona-Krise gezeigt habe, dass der Rechtsstaat funktioniere. Diese Aussage stammt, um das hervorzuheben, von dem „obersten Richter“ der Republik. Wie denken Sie über diese Aussage?

Sie haben recht. Es ist eine wichtige Aufgabe der Karlsruher Richter, der Politik durch ihre Rechtsprechung „rote Linien“ zu ziehen. Deshalb gilt – vielleicht muss man sagen: galt – das Gericht auch als Hüter der Verfassung. Es ist unverantwortlich, dass die Richter das in der Coronakrise nicht getan haben.

Was die Aussage von Herrn Harbarth angeht: Das sehe ich völlig anders. Der Rechtsstaat hat in der Krise weitgehend versagt. Vielleicht meint Herr Harbarth seine Aussage wirklich ernst? Dann wäre das eine schockierende und erschreckende Naivität und Realitätsblindheit, die mich fassungslos macht. Aber ich glaube eher, dass Herr Harbarth das macht, was alle machen, die in der Krise Verantwortung getragen und gravierende Fehler gemacht haben. Er vertuscht seine Fehler und redet sich sein Verhalten im Nachhinein schön. In diesem Verhalten der Verantwortlichen liegt ein wichtiger Grund dafür, warum die Aufarbeitung so mühselig und schwierig ist – und weiter sein wird. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Eine Aufarbeitung nimmt meistens erst dann Fahrt auf, wenn die Verantwortlichen nicht mehr in ihren Positionen sind. Vielleicht ist das dieses Mal ja anders? Die historische Empirie spricht dagegen, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Um an die vorangegangene Frage anzuknüpfen: Wenn wir über eine Aufarbeitung im Bereich der Justiz sprechen, also wenn wir über das Verhalten des Bundesverfassungsgerichts sprechen, dann tun sich doch Abgründe auf, oder? Was ich meine: Die Richter sind alle formal hochqualifiziert. Die Fragilität der Maßnahmenpolitik hätten sie doch an irgendeiner Stelle erkennen müssen. Warum war das aber – offensichtlich – nicht der Fall? Oder anders gesagt: Wenn die Richter hätten erkennen müssen (oder zumindest kritisch hätten hinterfragen müssen), dass die fachliche Basis, auf die die Maßnahmenpolitik gestützt wurde, die Tragfähigkeit eines Wackelpuddings hatte, oder zumindest die begründete Möglichkeit bestand, dass dem so ist, warum haben sie sich so verhalten, wie zu beobachten war?

Worauf die Fragen zielen: Über die tatsächliche Unabhängigkeit des hohen Gerichts von der Politik wird ja nicht erst seit dem Bekanntwerden der gemeinsamen Abendessen zwischen Richtern und der Bundesregierung diskutiert. Wie sehen Sie das mit den Augen eines Juristen? Wie sieht es mit der politischen Unabhängigkeit des Karlsruher Gerichts aus?

Die Institution Bundesverfassungsgericht ergibt nur Sinn, wenn das Gericht völlig von der Politik unabhängig ist. Es soll ja die Politik rechtlich kontrollieren und ihr Grenzen setzen. Deshalb hat die Verfassung dem Bundesverfassungsgericht auch völlige Unabhängigkeit garantiert. Rechtlich gesehen sind die Richter nur so lange von der Politik abhängig, wie sie noch nicht zum Richter ernannt sind. Das liegt daran, dass die Richter nach der bisherigen Konzeption vom Parlament ernannt werden. Wer zum Richter ernannt ist, ist aber völlig unabhängig.

In der Theorie …

Genau, das ist der rechtliche, der theoretische Aspekt des Problems. Die rechtliche Unabhängigkeit und Freiheit allein reicht natürlich nicht. Richter müssen auch Persönlichkeiten sein, die diese Freiheit nutzen. Aus meiner Sicht liegt hier das entscheidende Problem. Wenn wir keine innerlich unabhängigen Persönlichkeiten mit Rückgrat und Zivilcourage im Gericht haben, nützt die rechtlich garantierte Unabhängigkeit des Gerichtes nichts. Dann treffen die Richter keine mutigen Entscheidungen, die dem übergriffigen Staat in den Arm fallen. Dann sind ihre Entscheidungen vorsichtig, ängstlich und vom Bemühen gekennzeichnet, nicht anzuecken. Das ist es, was wir in der Pandemie gesehen haben.

Die Kernfrage ist also: Wie schaffen wir es, kluge, unabhängige, mutige Persönlichkeiten zu Richterinnen und Richtern am Bundesverfassungsgericht zu machen? Wahrscheinlich ist das bisherige Ernennungsverfahren dazu wenig geeignet. Aus meiner Sicht sollte man darüber nachdenken, ob man nicht öffentliche, mehrtägige Anhörungsverfahren vor dem Parlament macht. Dann könnten sich alle – die Parlamentarier und die Bürger – ein besseres Bild von den Kandidatinnen und Kandidaten machen.

Jetzt sind wir etwas vom Konkreten zum Thema Aufarbeitung in der Justiz abgewichen. Aber das hat eben auch mit der angesprochenen Komplexität zu tun. Die Ausgangsfrage wollte darauf hinaus zu erfahren, wie eine Aufarbeitung im Hinblick auf das Verhalten des Bundesverfassungsgerichts aussehen könnte. Haben Sie da Vorstellungen?

Eine Aufarbeitung innerhalb der Justiz ist langwierig und schwierig. Andere Richter und andere Instanzen distanzieren sich durch neue Urteile von den problematischen Entscheidungen in der Coronazeit. So würde eine Aufarbeitung durch die Justiz selbst aussehen. Natürlich gibt es Änderungen der Rechtsprechung und Korrekturen zum Besseren. Aber das dauert lange. Deshalb denke ich, dass die Aufarbeitung der Rolle, die Karlsruhe in der Pandemie gespielt hat, eher von außen kommt: von Gesellschaft und Medien, von Politik und (Rechts-)Wissenschaft.

Und wie sieht es auf Ebene der Politik mit der Aufarbeitung aus? Welche Möglichkeiten gibt es?

Rechtlich gibt es zwei Instrumente, die zur Aufarbeitung geeignet sind: Parlamentarische Untersuchungsausschüsse und Enquete-Kommissionen. Beide haben unterschiedliche Funktionen und Befugnisse. Ich plädiere dafür, beide Instrumente nebeneinander zu nutzen.

Parlamentarische Untersuchungsausschüsse können vom Bundestag und den Landtagen eingesetzt werden, um konkrete Vorgänge zu untersuchen und spezifische Fragen zu beantworten. Sie haben dafür weitgehende rechtliche Befugnisse, die denen der Staatsanwaltschaft ähneln. Sie können Beweise erheben, Zeugen vernehmen und die Zwangsmittel der Strafprozessordnung anwenden. Ein denkbarer Auftrag wäre etwa: Wie haben die Gesundheitsminister Spahn und Lauterbach das RKI missbraucht und die Bevölkerung manipuliert? Allerdings sind Untersuchungsausschüsse nur für einzelne konkrete Fragen vorgesehen. Aber es spricht nichts dagegen, mehrere Untersuchungsausschüsse nebeneinander zu verschiedenen Einzelfragen einzusetzen.

Enquete-Kommissionen können viel breiter arbeiten. Sie können ausführlich komplexe Vorgänge und historische Geschehnisse analysieren, kritisch auswerten und aufarbeiten. Sie bestehen aus Abgeordneten und unabhängigen Experten, die gemeinsam ein Thema bearbeiten und am Ende dem Parlament einen umfassenden Bericht vorlegen. Es wäre – finde ich – wichtig, dass der Bundestag eine solche Enquete-Kommission zur Corona-Politik in Deutschland einsetzt.

Ganz entscheidend wird die Aufarbeitung durch die Gesellschaft selbst und durch die Politik sein. Dabei wäre es ganz wesentlich, dass die Medien und die Wissenschaft sich selbstkritisch auf ihre Verantwortung besinnen und zur Aufarbeitung beitragen. Erste Ansätze gibt es dazu, wie ich finde. Aber das ist erst der Schneeball. Ob aus dem Schneeball eine Lawine wird, muss sich noch zeigen. Der Kipppunkt, an dem aus Vertuschung und simulierter Aufarbeitung eine echte Aufarbeitung wird, ist noch nicht erreicht.


Titelbild: r.classen/shutterstock.com


Rubriken: Erosion der Demokratie Gesundheitspolitik Innen- und Gesellschaftspolitik Interviews Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft


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Info: https://www.nachdenkseiten.de/?p=119645


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält

15.08.2024

Armageddon - Evangelikale und die letzte Schlacht

Armageddon - Evangelikale und die letzte Schlacht


arte.tv, Verfügbar bis zum 28/10/2024

Von der Macht und dem politischen Einfluss amerikanischer christlicher Fundamentalist*innen auf die US-Regierung und ihre Nahostpolitik. Vor dem Angriff der Hamas auf Israel fertiggestellt, zeigt der Film, wie evangelikale Prediger*innen den Konflikt anheizen und damit dazu beitragen, die Beziehungen zwischen Israelis und Palästinenser*innen nachhaltig zu vergiften.


„Armageddon - Die letzte Schlacht“ wurde vor dem 7. Oktober 2023 gedreht. Der Dokumentarfilm zeigt, wie einflussreiche evangelikale Pastoren zur "letzten Schlacht" im Heiligen Land aufrufen, die ihrer Meinung nach die Wiederkunft Christi einleiten wird. Er enthüllt, wie vom Glauben getriebene Politiker Israel als Schlüssel zu ihrer prophetischen Vision über das Ende der Tage betrachten. Und welch verheerenden Einfluss diese Ideologie auf die amerikanische Außenpolitik hat. 


Der Investigativreporter Lee Fang untersucht, welche Folgen die finanzielle und politische Unterstützung radikaler evangelikaler Gruppen wie Christians United for Israel des Fernsehpredigers John Hagee für die US-Politik hat. Er interviewt den geistlichen Berater von Donald Trump, Dr. Robert Jeffress, dessen Predigten von über tausend Fernsehstationen in den USA und 28 weiteren Ländern übertragen werden. Fang spricht mit Abgeordneten und evangelikalen Senatoren über ihre Haltung zum Nahostkonflikt. Und Ex-Militärs berichten ihm über die Verstrickungen der US-Armee mit der evangelikalen Bewegung.


Mit Gary Burd, der auf einem schweren Motorrad durch die amerikanische Provinz fährt, um zu predigen, erhält das Kamerateam Zugang zur evangelikalen Gemeinschaft. „Armageddon - Die letzte Schlacht“ deckt auf, wie evangelikale Christen die brisante Situation in Israel und Palästina immer wieder anheizen und damit zur Eskalation der Gewalt im Nahen Osten beitragen. Ein Film von erschreckender Aktualität.


Regie: Tonje Hessen Schei

Land: Deutschland

Jahr: 2022

Herkunft: ZDF


Info: Video https://www.arte.tv/de/videos/094466-000-A/armageddon-evangelikale-und-die-letzte-schlacht Dauer 95 Min.


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Weiteres:




Evangelikale - Mit Gott an die Macht (1/3)Der große Kreuzzug

Verfügbar bis zum 29/09/2024

AudiodeskriptionAm Anfang war Billy Graham. Mitten im Kalten Krieg etablierte sich der US-amerikanische Prediger als "Papst" der Evangelikalen – einer christlich-konservativen Bewegung, die das Ziel verfolgt, den gesellschaftlichen Einfluss der Religion auszubauen. Sein "großer Kreuzzug" wurde in den folgenden Jahrzehnten von einer mächtigen politisch-religiösen Lobby vereinnahmt.

Jesus lebt, und das Christentum ist in vollem Aufschwung. Diese Wiederauferstehung ist nicht den sogenannten „historischen“ Konfessionen – katholisch, evangelisch, orthodox – zu verdanken, sondern den Evangelikalen. Laut Schätzungen werden 2025 über 800 Millionen Menschen dieser Strömung angehören. Die christliche Erneuerungsbewegung hat sie über alle Kontinente hinweg binnen weniger Jahrzehnte bis an die Spitze der Macht gebracht.
Wie ist es den Evangelikalen gelungen, ihre neue moralische Ordnung durchzusetzen und überall dort, wo sie an die Regierung kommen, die Trennung von Geistlichem und Weltlichem, von Religion und Politik in Frage zu stellen? Wie lässt sich dieser ultrakonservative Umschwung erklären?
Am Anfang war Billy Graham. Mitten im Kalten Krieg faszinierte der charismatische Prediger die Massen auf der ganzen Welt ebenso wie die herrschenden Eliten in Washington. Er wurde zum „Papst“ der Evangelikalen und verhalf dieser neuen christlichen Bewegung zu einem enormen Aufschwung. Auf seinen Reisen um den Globus füllte er ganze Stadien, wandte sich in einfachen Worten an die Neubekehrten und brachte so eine Missionierungsdynamik in Gang, die immer mehr Menschen dazu bewegte, sich in den Dienst Gottes zu stellen. Bald wimmelte es auf allen Kontinenten nur so von Megachurches, und von Korea über Nigeria bis Brasilien ernteten neue religiöse Führer erfolgreich, was Billy Graham gesät hatte – und gaben ihrem spirituellen Kampf eine noch radikalere Ausrichtung.
Die Evangelikalen zählen nicht nur zu den dynamischsten Strömungen des zeitgenössischen Christentums, sie sind auch eine mächtige politisch-religiöse Bewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, jede Entwicklung zu bekämpfen, die eine Gefahr für die gesellschaftliche Vormacht der sogenannten „jüdisch-christlichen“ Kultur darstellen könnte. Aus diesem Grund lehnen sie Abtreibung, Gleichberechtigung von LGBTIQ-Personen und Islam vehement ab und bestreiten die Evolutionstheorie ebenso wie die Existenz des Klimawandels. Im Ergebnis verhalf die Christliche Rechte mit Unterstützung ihrer evangelikalen Gefolgschaft Gestalten wie Donald Trump in den USA und Jair Bolsonaro in Brasilien zur Macht, die zwar zwielichtige Machenschaften verfolgten, aber im Namen Gottes regieren wollten.


Regie: Thomas Johnson

Autor:in: Thomas JOHNSON

Produktion

  • Artline Films

  • Pbs International

Produzent/-in: MILLE Olivier

Land

  • Frankreich

  • USA

Jahr: 2023

Herkunft: ARTE F


Info: Video https://www.arte.tv/de/videos/093034-000-A/evangelikale-mit-gott-an-die-macht-1-3

Dauer 53 Min.


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weiteres:




Evangelikale - Mit Gott an die Macht (2/3)Evangelikale an der Macht


Verfügbar bis zum 29/09/2024


Ab den 1970-er Jahren war die Säkularisierung Amerikas den evangelikalen Anführern zunehmend ein Dorn im Auge. In einer Gesellschaft, die sie als dekadent anprangerten, setzten sie auf die Wahrung familiärer Werte und verwandelten den Evangelikalismus ganz nebenbei in ein politisches Sprungbrett. Evangelikale Aussteiger berichten.

In den 1970er Jahren ebnete die steile Karriere von Billy Graham den Weg für weitere, noch extremere TV-Missionare wie Jerry Falwell oder Francis Schaeffer. Dank dieser Star-Prediger gingen Gott, Medien und Politik nun Hand in Hand. Obwohl Billy Graham mit der Starrheit der Christlichen Rechten fremdelte, wuchs deren Einfluss. In den 1980er Jahren radikalisierte sich der Diskurs um die Wahrung der familiären Werte weiter und verhalf Ronald Reagan ins Weiße Haus. Auch die „Sünde“ der Abtreibung sorgte für eine Polarisierung der Gesellschaft – oder zumindest trugen die Evangelikalen massiv dazu bei, diesen Eindruck zu erwecken. 
Bisher unveröffentlichte Archivbilder und Interviews mit evangelikalen Aussteigern veranschaulichen diesen Wendepunkt in der Geschichte der Bewegung, dessen ideologische Auswirkungen heute mehr denn zu spüren sind. Sie verdeutlichen nicht nur den Ursprung der von den Evangelikalen propagierten Morallehre, sondern vermitteln auch einen Eindruck von den Lobby-Methoden, mit denen sowohl um Seelen als auch um Wählerstimmen gekämpft wird.
Nach den Wahlsiegen von Trump und Bolsonaro hat die evangelikale Lobbyarbeit spektakuläre Ausmaße angenommen. Vor allem in Brasilien, das lange Zeit als größte katholische Nation der Welt galt, verblüfft der Siegeszug des Evangelikalismus, der dort in den vergangene 30 Jahren rasanten Zulauf erlebt hat. 2022 stellten die Abgeordneten der Evangelischen Parlamentarischen Front (FPE) sogar 35 % der Sitze im brasilianischen Nationalkongress.  Vor allem die Ärmsten der Armen wenden sich ihrer Kirche zu, die ihnen Nahrung, medizinische Versorgung, Zugang zu Bildung und – mit Gottes Hilfe – Wohlstand verspricht.


Regie: Thomas Johnson

Autor:in: Thomas JOHNSON

Produktion

  • Artline Films

  • Pbs International

Produzent/-in: MILLE Olivier

Land

  • Frankreich

  • USA

Jahr: 2023

Herkunft: ARTE F


Info: Video https://www.arte.tv/de/videos/093035-000-A/evangelikale-mit-gott-an-die-macht-2-3 Dauer 52 Min.


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Weiteres:




Evangelikale - Mit Gott an die Macht (3/3)Gott über allem?


Verfügbar bis zum 29/09/2024


Zu Beginn des 21. Jahrhunderts schafften es die Evangelikalen, an die Spitze der Macht zu gelangen. Und noch weiter: Sie exportieren ihre messianische Hoffnung auf die Rückkehr Christi auch ins Heilige Land. So brachten sie Donald Trump dazu, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Ein Schritt hin zum Wiedererwachen eines gefährlichen christlichen Nationalismus.

Am 6. Januar 2021 stürmte ein aufgeheizter Mob das Washingtoner Kapitol, drang in das Repräsentantenhaus ein und betete. Die Bilder schockierten Beobachter auf der ganzen Welt, waren aber die Konsequenz einer extrem polarisierten Stimmung, die Donald Trump im Verlauf seiner Präsidentschaft geschürt hatte. Nie zuvor war die Verbindung zwischen Religion und Politik so offensichtlich wie in seiner Amtszeit, in der sich ein christlicher Nationalismus ungebremst entfalten konnte.
In den vier Jahren der Trump-Regierung verschärften die von ihm unter evangelikalem Einfluss getroffenen Entscheidungen die Spannungen und Verwerfungen innerhalb der US-amerikanischen Gesellschaft. Nur wenige Monate nach seinem Einzug ins Weiße Haus erkannte Donald Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels an. Dieser symbolträchtige Schritt war das Ergebnis geheimer Verhandlungen seiner evangelikalen Ratgeber und verlieh dem Präsidenten eine fast biblische Statur.  Der radikalste Teil seiner Wählerschaft stützt sich auf eine „Prophezeiung“ aus der Heiligen Schrift und ist fest von einer baldigen Rückkehr Christi überzeugt – im Heiligen Land! Diese messianische Hoffnung lässt die palästinensische Frage völlig außer Acht und setzt auf eine massive Finanzierung der israelischen Siedler, die sich die Gunst der Stunde zunutze machen. Was diese Umtriebe so beunruhigend macht, ist ihr Schauplatz, der seit Jahrzehnten als Pulverfass gilt.

2021 rang sich die von der Entwicklung offenbar überforderte Weltweite Evangelische Allianz dazu durch, den Aufstieg des christlichen Nationalismus und den Schulterschluss mit rechtsextremen Parteien zu verurteilen. Was jedoch den Wertekanon angeht, bleibt das Erbe Trumps und seiner evangelikalen Gefolgschaft besorgniserregend. Während ein Teil seiner Wähler sich – abgeschreckt durch diverse Auswüchse – von ihm abgewandt hat, haben viele noch immer Vertrauen in seinen ehemaligen Vizepräsidenten Mike Pence. Als „evangelikaler Thronfolger“ im Weißen Haus kann er sich Chancen für 2024 ausrechnen und bandelt bereits heimlich mit der extremen Rechten in Europa an. Vor allem aber wurden drei ultrakonservative Richter am Obersten Gerichtshof der USA ernannt. Dies führte bereits dazu, dass das Recht auf Abtreibung gekippt wurde, und lässt mit Blick auf die Zukunft das Schlimmste befürchten.


Regie: Thomas Johnson

Autor:in: Thomas JOHNSON

Produktion

  • Artline Films

  • Pbs International

Produzent/-in: MILLE Olivier

Land

  • Frankreich

  • USA

Jahr: 2023

Herkunft: ARTE F


Info: Video https://www.arte.tv/de/videos/093036-000-A/evangelikale-mit-gott-an-die-macht-3-3 Dauer 53 Min.


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält

15.08.2024

Das Philosophische Quartett |2006| Demographie als Schicksal - Das Drama der Geburtenraten - YouTube

youtube.com, vom 12. Okt. 2014


Gäste: Roger Willemsen, Gunnar Heinsohn (EA: 29.10.2006) 


Inhalt: "Seit der Publikation von Samuel Huntingtons umstrittener Epochendiagnose vom „Zusammenprall der Kulturen“ ist das Denken der Soziologen von der Annahme beherrscht, mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums, der vermeintlichen Weltenwende, entstehe eine neue Konfliktlandschaft, deren Verwerfungen nicht länger mehr durch den Antagonismus von westlich-kapitalistischer und kommunistischer Ideologie definiert, sondern von kulturellen und religiösen Agenten strukturiert würde. Huntington selber hat als Gegner des westlichen Way of life asiatische Staaten, das Großreich China zumal, und die islamisch geprägte Welt ausgemacht. Das ist freilich so neu nicht: In den Zuordnungen des Islam erkennt der Europäer mit historischem Gedächtnis die alte „orientalische Frage“ wieder. 


Geht es aber in Wahrheit nicht um eine ganz andere Konfliktlinie, die im gegenwärtigen Lärm der Interessenten unbeachtet zu bleiben neigt, eine Konfliktlinie, an deren Verlauf deutlich werden kann, dass die intensivsten Auseinandersetzungen unserer Zeit wohl doch nicht nur ideengeschichtliche, kulturell oder religiös intonierte Ursachen haben? Diese Reibungsgrenze verläuft an demographisch heißen und den demographisch kühlen Zonen des Planeten. Sie wird, so konstatiert der Bremer Soziologe Gunnar Heinsohn, konkret unter anderem am Schicksal der ungezählten Millionen junger Männer in den benachteiligten Ländern und Völkern der asiatisch-afrikanischen Dritten Welt, den, wie er sagt „überflüssigen Söhnen“, in denen sich ein nicht zu überschätzendes Frustrations- und Resignationspotential staut, das nach Entladungen drängt.


 Aus dieser anderen Diagnose ergeben sich politisch – strategische wie ethische Konsequenzen für eine Definition der westlichen Position auch im Hinblick auf bevorstehende, eher heikle Diskurse mit den anderen monotheistischen Religionen. Zivilisationsarbeit in den demographisch unruhigen Zonen, Absenkung der Geburtenrate zur demographisch Temperaturregelung scheint daher eine der vordringlichen Aufgaben zu werden. 


Wie eine Politik aussehen müsste, die sich nicht an den Symptomen abarbeitet, sondern sich mit umfassend geopolitischem Blick und weltethischer Verantwortung entschlossen den Ursachen zuwendet, darüber diskutieren im „Philosophischen Quartett“ Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski mit Ihren Gästen, dem Bremer Soziologen und Gewaltforscher Gunnar Heinsohn und dem Publizisten und Schriftsteller Roger Willemsen." (Text: ftsmedia.de)


Info: Video https://www.youtube.com/watch?v=kZRnuHeqQjw Dauer 1:00:48 Uhr


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15.08.2024

Gewaltwelle gegen Israel Nahost: Führt eine rote Kuh zum Religionskrieg?

bz-berlin.de, vom 18.11.2014, 18:45 Uhr


Blick auf den Tempelberg mit Felsenizdom Foto: ab lb Ken hpl (Bild)


Nahostexperte Rafael Seligmann analysiert die Versuche religiöser Eiferer, die Spannungen anzuheizen. Auslöser der Krise ist eine rötliche Kuh aus Texas.

Eine rote Kuh droht in Jerusalem zum roten Tuch zu werden. Die rote Kuh ist seit biblischer Zeit ein religiöses Symbol des Judentums. Heute besteht die Gefahr, dass die religiöse Tradition als Instrument missbraucht wird, um den anschwellenden Konflikt zwischen Juden und Moslems in der ihnen und den Christen heiligen Stadt Jerusalem zum offenen Religionskrieg anzuheizen.

Die Bestimmung einer „roten Kuh“ wird in der Bibel als göttliches Gesetz erwähnt: „Der Herr hat geboten: Sage den Israeliten, dass sie zu dir führen eine rötliche Kuh ohne Makel, an der kein Gebrechen ist und auf die noch nie ein Joch gekommen ist.“


Eine makellose rotfellige Kuh ist extrem selten. In biblischer Zeit wurde eine dreijährige rote Kuh von einem Priester am Jerusalemer Ölberg vollständig verbrannt. Ihre mit Wasser vermischte Asche diente dazu, die Menschen von ihren Sünden zu reinigen, ehe sie den Tempel betraten.

Im Juni nun wurde in Texas ein rotfelliges Kalb geboren. Religiöse jüdische Eiferer sehen dies als göttliches Zeichen, dass die Zeit für einen Wiederaufbau des bereits zweimal zerstörten jüdischen Tempels reif ist.


Tatsächlich ist die Möglichkeit, dass der zuletzt im Jahre 70 von den Römern zerstörte jüdische Tempel in absehbarer Zukunft wiederaufgebaut wird, faktisch ausgeschlossen. Denn das israelische Oberrabbinat hat gläubigen Juden das Betreten des Tempelbergs ausdrücklich verboten. Dies sei religiöser Frevel. Die einzige Kraft, die befugt sei, den 3. Tempel wieder zu errichten, sei der Messias – also das Ende der Welt.


Doch nicht alle Juden erkennen die Beschlüsse ihres Oberrabbinats an. Kleine Gruppen von Zeloten können es nicht erwarten, den Aufbau eines jüdischen Tempels zu erleben. Sie setzen all ihre Kraft dafür ein, dass das Heiligtum so schnell wie möglich wieder errichtet wird. Dafür beten sie, auch auf dem Tempelberg.


Damit bekommt die religiöse Sehnsucht eine hochgefährliche politische Dimension.

Denn die Mehrheit der Moslems leugnet, dass der jüdische Tempel an diesem Ort stand. Für sie ist der Haram-al-Sharif, das edle Heiligtum, von dem aus der Prophet Mohammed im Jahre 632 auf seinem Pferd Burak in den Himmel ritt, das dritthöchste Heiligtum. Dort stehen die Al-Aksa-Moschee und der (moslemische) Felsendom, dessen Goldkuppel das Stadtbild Jerusalems beherrscht.



Eiferer glauben, diese rote Kuh aus Texas sei ein Zeichen Gottes für den Aufbau des Tempels (Foto: Temple Institute) Foto: Temple Institute


Fanatischen Moslems ist der Gedanke unerträglich, dass Juden ihre Gebete auf ihrem islamischen Heiligtum verrichten. Um die religiösen Spannungen abzubauen, erlaubt die israelische Regierung Juden nur einen zeitlich sehr begrenzten Zugang zum Tempelberg.

Hamas und andere radikale Gruppen nutzen die Glaubenskonflikte, um die religiösen Spannungen zwischen Juden und Moslems mit allen Mitteln anzufachen. Am 29. Oktober versuchte man, den jüdischen Tempel-Aktivisten Yehuda Glick zu ermorden. Der Mordanschlag vom Dienstag soll den Hass weiter anheizen. Palästinenserpräsident Abbas warnt vor einem Glaubenskrieg, doch gleichzeitig feiert er palästinensische Mörder als Märtyrer.

Das heilige Jerusalem, ja das ganze Land, steht am Rande einer Intifada, eines Krieges um die Vorherrschaft im Heiligen Land.


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Info: https://www.bz-berlin.de/archiv-artikel/rote-kuh-religionskrieg-israel-palaestina-tempelberg-hamas


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält

14.08.2024

Habecks Wärmepumpen-Rechnung: Seltsame 40 %

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neopresse.com, 15. August 2024, Von: NEOPresse, Themen:

Robert Habeck auf Tour: Gestern wurden Berichte gesendet, u.a. auf ARD und ZDF, bei denen der Wirtschaftsminister bei einer Frau in Niedersachsen deren neu eingebaute Wärmepumpe für 75.000 Euro (abzüglich der Förderungen) besichtigte. Die Rechnung des Wirtschaftsministers in einem Video, das aus diesem Anlass gleichfalls weithin diskutiert wurde: Immobilien mit Wärmepumpen wären laut einem Internetportal / Immobilienportal 40 % teurer als Immobilien ohne Wärmepumpe. Die Botschaft soll wohl lauten: Es lohnt sich. Unabhängig von den individuellen Gegebenheiten bei Ihnen zu Hause ist die Rechnung aus zwei Gründen nicht nachvollziehbar:


  • Zum einen wird der Wirtschaftsminister auf keine Fall zwischen Neubauten und Altbestand unterschieden haben. Im Neubau werden aktuell häufig Wärmepumpen eingesetzt. Die Preise für Neubauten sind allerdings nicht wegen der Wärmepumpen höher, sondern weil sie schlicht hochwertiger sind (Sanierungsbedarf im Bestand, Materialien und so fort – auch die Aktualität des Wärmesystems selbstverständlich).
  • Zum anderen wird die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Wer Wärmepumpen verbaut und dafür ein Haus sanieren muss (Wärmedämmung), muss sicherlich 10.000e Euro investieren: Dass die „Verkaufspreise“ – Portale bieten meist Angebotspreise – höher sind, ist nicht verwunderlich.


Die Methode, nach der hier gerechnet wird, unterstellt Vergleichbarkeit, die es nicht gibt.

Damit soll wohl die Krise bei den Wärmepumpenherstellern, die in Kurzarbeit mündet, zumindest gelindert werden. Das ist löblich. Wir erinnern:

Immer mehr Nachrichten über Krisen bei Wärmepumpen. So wurde kürzlich berichtet, dass die Stadt Oranienburg teils deshalb die neuen Stromanschlüsse verweigere. Wir hatten darüber berichtet. Vor zwei Wochen zeigte sich, dass der Hersteller Windhager nun Probleme habe. Stellenabbau wollte der Hersteller Nibe betreiben – wegen zu geringer Nachrfrage wie es hieß.

In ganz Europa würden die Verkäufe eingebrochen sein, hieß es weiter. Zeit, darüber nachzudenken? Wir erinnern.


„Einer der Eckpfeiler der gegenwärtigen Energiewende ist das Gebäudeenergiegesetz, d. h. die Novelle, die als „Heizungsgesetz“ landläufig bekannt ist. Die Weichen werden in den kommenden Wochen und Monaten gestellt. Einer der Eckpfeiler dieser Entwicklung wiederum sind Wärmepumpen, die in zahlreichen Haushalten zumindest den verlangten Anteil von 65 % an der Wärmeerzeugung bereitstellen sollen. Die Begeisterung der Menschen hält sich offenbar noch in sehr engen Grenzen. Denn die Kunden kaufen ersichtlich nicht.


Problem: Verunsicherung nach den Ampel-Gesetzen

Die Zahlen sind offenbar eindrücklich. So habe die EBM-Pabst-Gruppe aus der Nähe von Stuttgart 15.000 Mitarbeiter. In Landshut aber hat der Heizungsbauer (Lüfter, Gebläse und Pumpen für die Heizungssysteme) Kurzarbeit für die Werke in Landshut angemeldet.

Wie kann das passieren? Der Verkaufsschlager Wärmepumpen ist zum Ladenhüter mutiert, wobei wohl vor allem Gasheizungen speziell in diesem Unternehmen sogar dramatisch weniger nachgefragt werden.

Aus der gesamten Branche kommen dazu Forderungen an Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck. Die langwierige Debatte um das Gesetz habe die Menschen verunsichert, zudem würde die Konjunkturentwicklung die Verunsicherung und die Kaufunwilligkeit vergrößern. Eine interne Verbandsumfrage gehe sogar für das 1. Quartal 2024 davon aus, dass es einen „deutlichen Rückgang des Marktes“, sprich des Marktes für Heizsysteme, geben würde.

Zudem hatte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ohnehin von einem deutlichen Rückgang der Förderanträge gesprochen. Jan Brockmann, Präsident des Bundes der Heizungsbauer und Michael Hilpert vom Zentralverband Sanitär, Heizung, Klima, haben eine „zuverlässige Förderung“ verlangt. Sonst würde das Ziel, der Einbau von 500.000 Wärmepumpen im kommenden Jahr, nicht erreicht.

Alles nur Kaufmannsklage? Möglich. Aber sehen Sie sich in Ihrer Nachbarschaft um.“


Info: https://www.neopresse.com/politik/habecks-waermepumpen-rechnung-seltsame-40/?


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14.08.2024

Neues von Nordstream, Ukraine besetzt Sudscha – und Hilfe für Griechenland

lostineu.eu, 15. August 2024

Früher hatten wir Loch Ness und das unsichtbare Ungeheuer, nun haben wir Nordstream und die unfassbaren Verdächtigen. Was sonst noch im Sommerloch unterging.

  • Fast zwei Jahre nach den Sprengstoffanschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee hat Generalbundesanwalt Jens Rommel einen ersten Haftbefehl gegen eine tatverdächtige Person erwirkt. Nach Informationen von ARD, Süddeutsche Zeitung (SZ) und Die Zeit handelt es sich dabei um den Ukrainer Wolodymyr Z., der sich zuletzt in Polen aufgehalten haben soll. Trotz eines Europäischen Haftbefehls ist er untergetaucht. Und die Bundesregierung macht immer noch keine Anstalten, die Ukraine für den Terrorakt zur Rechenschaft zu ziehen…
  • Die Stadt Sudscha in der russischen Oblast Kursk ist nach Angaben des ukrainischen Armeechefs Syrskyj unter ukrainischer Kontrolle. “Die Suche und Vernichtung des Feindes in der Ortschaft Sudscha ist abgeschlossen”, sagte er in der Video-Konferenz mit Präsident Selenskyj. In Sudscha verläuft die Pipeline, durch die Russland Gas aus Westsibirien via Ukraine in die Slowakei und andere EU-Länder liefert. – Doch die EU schweigt zu diesem neuerlichen Angriff auf eine wichtige Gaspipeline… Mehr zu Nordstream hier, zur Eskalation um die Ukraine hier
  • Die EU-Kommission hat Soforthilfe für Griechenland und Albanien mobilisiert, die beide das EU-Katastrophenschutzverfahren als Reaktion auf schwere Waldbrände aktiviert haben. Außerdem beginnt die Produktion neuer Löschflugzeuge für die ständige rescEU-Flotte.Die EU-Hilfe kam leider zu spät. Auch die griechische Regierung hat offenbar unzureichend auf die jüngste Feuerbrunst bei Athen reagiert. Aus den Fehlern der letzten Jahre wurde nichts gelernt…

P.S. Der BSW-Europaabgeordnete de Masi weist zu Nordstream darauf hin, dass Deutschland offenbar keinen Eintrag ins Schengen-Register vorgenommen hat. Deshalb sei es auch nicht zur Festnahme gekommen. Vielleicht wollte man “Wolodomyr Z.” auch gar nicht wirklich festnehmen!?

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Info: https://lostineu.eu/neues-von-nordstream-ukraine-besetzt-sudscha-und-hilfe-fuer-griechenland


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Weiteres:




VDL verspricht Wohlstand – und verordnet Austerität


lostineu.eu, vom 14. August 2024

Kommissionschefin von der Leyen soll die EU aus der Dauer-Krise holen. Dabei hat sie sie selbst mit verursacht. Was taugt ihr Programm für die zweite Amtszeit? – Teil sieben einer mehrteiligen Serie. Heute: Die Wirtschaftskrise.

Auf den ersten Blick ist es beeindruckend, was von der Leyen in ihrem Regierungsprogramm für die Wirtschaft verspricht. Eine “europäische Wohlstandsinitiative” kündigt sie an – mit einem “Clean Industrial Deal”, einem reformierten Binnenmarkt, einer vollwertigen Kapitalunion und (natürlich) Bürokratieabbau.

Damit, so frohlockt die CDU-Politikerin, werde sie Investitionen ankurbeln, Innovationen fördern und die unternehmerische Initiative erleichtern. “Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit” – unter diesem Motto hatte sie ihren Europa-Wahlkampf geführt und um bürgerliche Stimmen geworben.

Doch die meisten Wahlversprechen sind alter Wein in neuen Schläuchen. Bürokratieabbau hat schon der EU-Sonderbeauftragte Stoiber versprochen – er ist gescheitert. Über die Kapitalunion und den Binnenmarkt diskutiert die EU seit Jahren – ohne Fortschritte. Meist steht Deutschland im Weg.

Der “Clean Industrial Deal” ist nichts anderes als der “Green Deal”, nur unter einem neuen Etikett und ohne die (für einen Erfolg unverzichtbare) soziale Komponente. Ohne zusätzliche Investitionen wird er wenig bringen – die EU droht bei “Clean Tech” noch mehr hinter China und die USA zurückzufallen.

Doch woher das Geld für die Investitionen kommen soll, bleibt offen. Die Bundesregierung beharrt nicht nur auf der deutschen Schuldenbremse, sondern auch auf den neuen europäischen Schuldenregeln. Zudem lehnt sie ein weiteres EU-Schuldenprogramm nach Vorbild des Corona-Aufbaufonds ab.

Dabei braucht Deutschland konjunkturelle Impulse mehr als jedes andere EU-Land. Nach der Rezession im vergangenen Jahr stagniert die deutsche Wirtschaft 2024, so das Institut der deutschen Wirtschaft. “Der wirtschaftliche Ausblick für Deutschland bricht ein”, warnt das ZEW.

Dass die deutsche “Konjunkturlokomotive” ausfällt, ließe sich vielleicht noch verkraften, wenn die EU nicht auch noch auf der Fiskal-Bremse stehen würde. Die neuen Schuldenregeln, die ab Herbst zur Anwendung kommen, zwingen Frankreich, Italien und Belgien zu harten Kürzungen.

Kontraproduktive Sanktionen

Die neue Chinapolitik, die von der Leyen zusammen mit US-Präsident Biden eingefädelt hat, dämpft den Handel mit der wichtigsten Wirtschaftsmacht. Die Folge: Deutschland und die EU werden noch abhängiger von den USA. Das “De-Risking” schlägt in “De-Coupling” von China um.

Und dann sind da noch die kontraproduktiven Wirtschaftssanktionen, die nach Russland nun zunehmend auch China und andere aufstrebende Länder treffen. Wobei die “Betroffenen” vor allem die deutschen und europäischen Firmen sind, die ins Hintertreffen geraten.

Fazit: Die wirtschafts- und finanzpolitischen Weichen wurden in von der Leyens erster Amtszeit derart falsch gestellt, dass sich der Schaden nun auch nicht mehr durch wohlklingende Programme beheben lässt. Die “europäische Wohlstandsinitiative” ist auf Sand gebaut.

“Die EU könnte zerbrechen”

Und das ist noch mild ausgedrückt. Experten wie der frühere EZB-Chef Draghi werfen der EU eine völlig verfehlte und überholte Wirtschaftspolitik vor. Kritiker wie der deutsche Ökonom H. Flassbeck warnen: “Europa wird hinten runterfallen und vielleicht sogar auseinander brechen” (Link zu YouTube)

Doch statt des überfälligen “radikalen Wandels” (Draghi) bekommen wir nur ein “Weiter so” – und die Rückkehr der fatalen Austeritätspolitik…

Die sechste Folge der Serie steht hier

6 Comments

  1. Arthur Dent
    14. August 2024 @ 15:22

    Wohlstand haben ja noch alle versprochen, außer Wirtschaftsmini. Habeck. Für den war ja schon 2022 klar, dass wir alle ärmer würden. Es sieht so aus, als würde er recht behalten. Ihm können die Bürger ja Vorschläge unterbreiten, wo sich am besten Bürokratie abbauen lässt um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Kein Scherz.
    Kennt eigentlich noch jemand “Tana-Land”? Tana-Land war ein virtuelles Entwicklungsland des Psychologen Dietrich Dörner. Dort lebten die Tupis und die Moros am Rande des Existenzminimums. Studenten
    verschiedener Fachrichtungen sollten nun deren Lebensumstände verbessern. Nach kurzen Erfolgen endeten aber alle Versuche in Hungersnöten und anderen Katastrophen. War, Gott sei Dank, ja nur in Tana-Land. Von Zeit zu Zeit soll aber in Europa ein Gespenst umgehen. ????

Reply

  • exKK
    15. August 2024 @ 02:10

    „Für den [Habeck] war ja schon 2022 klar, dass wir alle ärmer würden. Es sieht so aus, als würde er recht behalten.“

    Da halte ich gegen – Habeck selbst ist seit 2022 garantiert nicht ärmer geworden, und alle anderen in Regierung und Parlament garantiert auch nicht. Wer schlau und skrupellos genug war, hat spätestens während der Zeitenwende-Rede von Scholz aus seinem BT-Sessel heraus entsprechende Aktienkäufe getätigt und ist damit mutmasslich sehr viel reicher geworden…

    Reply

  • exKK
    14. August 2024 @ 12:55

    Solches personal bekommt man, wenn man die Spitzenposten nicht nach den persönlichen Fähigkeiten, sondern aufgrund ererbter Netzwerke vergibt. Das trifft ja nicht nur vdL – auch Charles Michel oder Kaja Kallas sind schon zwei mir bekannte aktuelle Namen mit entsprechendem Hintergrund.
    Und generell ist es ja beliebt, zu Hause aufgrund erheblicher Minderleistungen eher hinderliche Politiker nach Brüssel wegzubefördern… auf vdL trifft indes beides zu, nicht wahr?

    Reply

  • Michael
    14. August 2024 @ 12:25

    UvdL fehlt es an Verständnis. Sie kann nur in bürokratischen statt politischen und strategischen Kategorien zu denken. Daran kann die EU tatsächlich scheitern, aber nur um dann als politische Union wiederzuerstehen weil sie eine historische Notwendigkeit ist.

    Reply

    • Skyjumper
      14. August 2024 @ 13:06

      Für mein Gefühl irrt @Michael wenn er das fehlende Verständnis für politische und strategische Kategorien unterstellt.

      Ich sehe es vielmehr so, dass sehr wohl in politischen und strategischen Kategorien gedacht wird (und das durchaus auch bei anderen Führungspersonal in der EU), allerdings in Kategorien die viel auf “wünsch-dir-was” und wenig auf Realitäten beruhen.

      Die EU denkt und tut so als sei sie die Vereinigten Staaten von Europa. Ist sie aber nicht. Und deshalb scheitern (zum Glück) noch immer viele Maßnahmen die in Brüssel erdacht werden, aber dann in 27 Bürokratien versanden.

      Ich bin auch nicht der Meinung dass eine politische Union, die am Ende nichts anderes als die Vereinigte Staaten von Europa wäre, eine historische Notwendigkeit sei. Im Sinne demokratischer Gesellschaften sehe ich eher die Erfordernis große staatliche Subjekte wie DE und FR in kleinere Subjekte zu teilen. Große Staatssubjekte sind nur positiv für die politische Führung und die Großkonzerne. Für die Bürger, für Klein- und Mittelstandsunternehmen sind kleinere Staatssubjekte sehr viel vorteilhafter.

      Allerdings sehe ich hier sehr wohl die (aus meiner Sicht) Gefahr, dass @Michael in diesen Punkt mit seiner Prognose Recht behält. Auch wenn auch das ein weiterer Punkt wäre der an den Wünschen udn Erwartungen der Masse der Bürger in der EU vorbeigeht. Die Vereinigten Staaten von Europa wären in DE vielleicht noch mehrheitsfähig – in anderen Staaten ist da durchaus Widerstand zu erwarten. Die Europäische Verfassung konnte nicht umsonst nicht wie vorgesehen in Kraft treten, sondern mußte durch die HInterzimmer-Schmalspur-Verträge von Lissabon ersetzt werden.

      Reply

      • Michael
        14. August 2024 @ 17:29

        Wunschdenken ohne reale Basis ist nur Kosmetik, Camouflage. Wenn Sie das als Politik und Strategie bewerten wollen meinetwegen. Für mich ist es nur taktisches Kalkül.
        “Vereinigte Staaten von Europa” als historisch vorbelastete “Vereinigte Staaten von Amerika” wird es nicht geben. Aber nach Auflösung der europäischen Nationalstaaten wird es eine neu gestaltete Einheit geben die sich an Eurasien orientiert.

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    Info: https://lostineu.eu/von-der-leyen-verspricht-wohlstand-und-verschaerft-die-krise


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    14.08.2024

    Nachrichten von Pressenza: Wertegemeinschaften, Wahlen und Manipulationen!

    aus e-mail von <newsletter@pressenza.com>, 15. August 2024, 7:30 Uhr


    Nachrichten von Pressenza - 15.08.2024


    Wertegemeinschaften, Wahlen und Manipulationen!


    Beinahe alle wissen: Gesellschaftsordnungen werden von spezifischen Werten bestimmt, die den Charakter des Gesellschaftssystems prägen. Das regelt die menschliche Evolution. Einzelwerte von Vorgängerordnungen werden übernommen, wenn sie für die Bewohner sinnvoll sind. Frieden, Vollarbeit, Moral, allseitige Gerechtigkeit stehen nicht auf&hellip;

    https://www.pressenza.net/?l=de&track=2024/08/wertegemeinschaften-wahlen-und-manipulationen/


     -----------------------


    Drei 18-jährige Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen zu 30 Tagen Gefängnis verurteilt


    Yuval Moav aus Kfar Neter wurde letzte Woche am Montag verurteilt, Oryan Mueller aus Tel Aviv wurde am Tag darauf und Itamar Greenberg aus Bnei Brak wurde am Mittwoch verurteilt. Alle drei werden in das Militärgefängnis Neve Ztedek gebracht. Es&hellip;

    https://www.pressenza.net/?l=de&track=2024/08/drei-18-jaehrige-wehrdienstverweigerer-aus-gewissensgruenden-zu-30-tagen-gefaengnis-verurteilt/


     -----------------------


    Kein Werben fürs Sterben im Kölner Stadionbad


    Die Kölner Gruppe der Deutschen Friedensgesellschaft &#8211; Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) protestiert am 14.8.2024 mit einer Kundgebung gegen die Bundeswehr-Werbung am Sprungturm des Kölner Stadionbades. „Das Banner mit der Aufschrift ‚Karrieresprung’ soll unsere Kinder wohl für die ‚Ostfront‘ gegen Russland mobil&hellip;

    https://www.pressenza.net/?l=de&track=2024/08/kein-werben-fuers-sterben-im-koelner-stadionbad/


     -----------------------


    Für viele Medien sind Social Media immer noch «sozial»!


    Die falsche und unsinnige Übersetzung des englischen «social» ist selbst bei seriösen Medien nicht auszurotten. Urs P. Gasche  für die Online-Zeitung INFOsperber Unterdessen behauptet niemand mehr, Facebook, X, Whatsapp, Youtube oder Instagram seien soziale Institutionen, die «dem Gemeinwohl dienen, die&hellip;

    https://www.pressenza.net/?l=de&track=2024/08/fuer-viele-medien-sind-social-media-immer-noch-sozial/


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    Pressenza - ist eine internationale Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat, mit Vertretungen in Athen, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Florenz, Lima, London, Madrid, Mailand, Manila, Mar del Plata, Montreal, München, New York, Paris, Porto, Quito, Rom, Santiago, Sao Paulo, Turin, Valencia und Wien.


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält

    14.08.2024

    Die Flüchtlingsklassen

    overton-magazin.de, 14. August ser:Mattes, CC BY 2.0 DE, via Wikimedia Commons2024 28 Kommentare

    Helfen ist in Deutschland mittlerweile gängige Staatsräson geworden – wobei sich die Hilfe konkret auf das Ausland und deren ausländischen Bürgern bezieht. Diese Staatsräson ist freilich weltumspannend – und da müssen nun mal heimische Problemstellungen hintanstehen.


    Dieses deutsche Helfersyndrom trägt seit 2015 Früchte und hat seit dem Entstehen des Ukrainekonfliktes eine neue Dimension erreicht. Gemäß der Integrationsgeschäftsstatistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für das Jahr 2023:

    „Rund 363.000 Kursteilnehmende – etwa 7 Prozent mehr als im Jahr 2022 – begannen im Jahr 2023 mit einem Integrationskurs, zum zweiten Mal in Folge der höchste Wert seit Einführung der Integrationskurse 2005“.

    Weiter kann man der Statistik des Bundesamtes entnehmen:

    „Die sehr hohe Zahl an neuen Kursteilnehmenden war weiterhin maßgeblich geprägt durch Geflüchtete aus der Ukraine. Aber auch ohne diese Gruppe nahm die Zahl der Teilnehmenden aus einigen anderen Herkunftsländern infolge der Öffnung der Integrationskurse für neue Zielgruppen zum Jahresbeginn (alle Asylbewerbenden und Chancenaufenthaltsrecht) noch einmal deutlich zu“.

    Der Job-Turbo

    Ich empfehle jedem Interessierten diese Integrationsgeschäftsstatistik aufmerksam zu lesen, da in dieser einige generelle Faktoren bezüglich Integration- und Sprachförderung, die der politisch-mediale Komplex gerne in Debatten verschweigt, aufzeigt und detailliert beschreibt.

    Ob Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die aktuelle Integrationsgeschäftsstatistik gelesen hat, entzieht sich jeder Kenntnis. Doch dieser fühlte sich, warum auch immer, berufen einen sogenannten „Job-Turbo“ aus der Taufe zu heben. Was genau der „Job-Turbo“ ist, erfahren Sie im Detail auf der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, zusammengefasst aber sollen geflüchtete Personen nach Abschluss der Sprachförderung schnellstmöglich in den Arbeitsmarkt einmünden.

    Auf den ersten Blick, sieht das ja nach einer sinnvollen und zielführenden Maßnahme aus. Sieht man sich aber diesen „Job-Turbo“ genauer an, stellen sich doch einige Fragen. Anfänglich wird von Geflüchteten gesprochen, bei näherer Betrachtung aber geht es nur um ukrainische Geflüchtete.

    Dies wird schon auf der Startseite des „Job-Turbo“ ersichtlich, in dem der Bundesarbeitsminister mit folgendem Ausspruch dargestellt wird:

    „Die Bundesregierung wird ihre Anstrengungen noch einmal verstärken, um Geflüchtete schnell und möglichst nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Denn Arbeit und Integration bedingen sich gegenseitig“.

    Zwei-Klassen-Flüchtlinge

    Aber schon einen Absatz später, wird klar welche Geflüchteten man den „Job-Turbo“ ermöglichen will:

    Deutschland hat in den vergangenen anderthalb Jahren bei der Aufnahme schutzsuchender Menschen, vorrangig aus der Ukraine, Herausragendes geleistet.
    Ukrainische Geflüchtete haben auf Grundlage europäischer Beschlüsse sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Mit dem Zugang zum SGB II profitierten Geflüchtete von der umfassenden Unterstützung und Aktivierung durch die Jobcenter (Informationen, Zusteuern in Deutschkurse, Vermittlung und arbeits­marktpolitische Förderleistungen)

    Das Integrationskurssystem konnte in kurzer Zeit enorm ausgeweitet werden. In letzter Zeit haben allein 100.000 Ukrainerinnen und Ukrainer den Integrationskurs abgeschlossen, weitere 100.000 werden dies in den kommenden Monaten tun.

    Der geneigte Leser könnte jetzt natürlich denken, ja gut vielleicht ein wenig unglücklich ausgedrückt, ist aber bestimmt anders gemeint.

    Dem ist leider nicht so, denn am 13. Juni 2024 wurde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beauftragt ein Informationsblatt (Trägerrundschreiben 08/24) über den „Job-Turbo“ an Sprachkursträger und relevante Stellen zu senden, mit der Bitte dies an explizit ukrainische Flüchtlinge weiterzuleiten. Dieses Informationsblatt ist in ukrainischer und deutscher Sprache verfügbar und wurde von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, dem damaligen Sonderbeauftragten für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten Daniel Terzenbach und dem Botschafter der Ukraine in Deutschland Oleksii Makeiev unterschrieben.

    Der Bundesarbeitsminister hat somit unfreiwillig eines bewiesen, dass wir nun offiziell eine Zwei-Klassen-Flüchtlingsgesellschaft in Deutschland haben.


    Und die anderen?

    Das Informationsblatt weist aber noch weitere „bemerkenswerte“ Inhalte und Aussagen auf.

    In der ersten Zeile muss natürlich das gängige Narrativ bedient werden „der schreckliche Angriffskrieg der Russischen Föderation auf die Ukraine hält an.“ Nach Lesen dieser Worte ist die „Richtung“ dieses Schreibens klar – und die ganze werte-westliche geprägte Borniertheit wird erkennbar.


    Hier nur einige Auszüge:

    • Bei einer Rückkehr in die Ukraine helfen ihre Arbeitserfahrungen, ihre beruflichen Kontakte in Deutschland und Deutschkenntnisse beim Wiederaufbau, beispielsweise in deutschen Unternehmen in der Ukraine“.
    • “Die Botschaft der Ukraine und das Bundesamt für Arbeit und Soziales stimmen sich regelmäßig ab, um Hürden für eine Arbeitsaufnahme von ukrainischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern abzubauen.“
    • “Wenn Sie arbeiten, sind Sie und ihre Familie weiterhin krankenversichert und Sie erhalten immer mehr Geld als ohne Arbeit. Falls der Lohn zunächst niedrig ist, ist eine ergänzende Unterstützung durch staatliche Stellen möglich, zum Beispiel durch aufstockendes Bürgergeld, Wohngeld oder Kinderzuschlag.“
    • “In Deutschland gibt es umfangreiche Regelungen zum Kündigungsschutz, die Sie vor willkürlicher Entlassung schützen. Sollten Sie ihre Arbeit trotzdem verlieren, gibt es ein zuverlässiges soziales Netz: Sie erhalten ggf. Arbeitslosengeld oder auch wieder Bürgergeld. Ihre Wohnkosten werden in diesem Fall vom Jobcenter übernommen und Sie haben auch wieder Zugang zur Gesundheitsversorgung“.


    Wurde jemals für eine andere Flüchtlingsgruppe (Afghanen, Syrer, Türken) so ein nettes Informationsblatt verfasst? Die Antwort lautet: Nein! Wie fühlt sich wohl ein Mensch aus der genannten Flüchtlingsgruppe, wenn er oder sie diese Zeilen lesen muss? Und wie fühlt man sich als deutscher Langzeitarbeitsloser, wenn das soziale Netz einer anderen Volksgruppe so angepriesen wird?


    Dieses Informationsblatt ist ein weiterer Schlag auf den Spaltkeil, der durch die Gesellschaft getrieben wird. Und es zeigt die Entrücktheit der Führungselite auf und ermöglicht einen weiteren tiefen Blick narrativbehafteter Denkschemata.

    Interessant wird es zu sehen sein, wenn bei einem möglichen Krieg, die ersten israelischen Flüchtlinge auf deutschen Boden ankommen. Da Israel auch schon Staatsräson in Deutschland ist, werden die kommenden „Informationsblätter“ mindestens ebenbürtig sein.


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    28 Kommentare

    1. Ich dachte, die wollten die Ukrainer zurückschicken, damit sie bis zum letzten Mann für ihr Land kämpfen können.

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    zwei Klassen Flüchtlinge…
    Ukrainer bevorzugt behandelt… kann es sein dass es mit dem “schlechtem Gewissen” zusammenhängt da wir uns an dem “Russlandkrieg” auf Ukrainischem Boden mit beteiligen?

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    Ich kenne das Job-Turbo Programm und kann aus erfahrener Quelle sagen, dass es ein kompletter Misserfolg ist. Die ukrainischen Frauen können oder wollen nicht arbeiten. Die ukrainischen Männer trauen sich nicht, aus Angst diffamiert zu werden, weil sie nicht in der Ukraine kämpfen.

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    Die ganze Welt ist ‘Deutsche Staatsraison’!

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    In einem vorwiegend von Türken bewohnten Stadtteil hier hatte die AFD bei der letzten Wahl einen Stimmenanteil von 52%. Kann es sein, dass o.g. Staatsräson ein weiterer Schuss ins eigene Knie ist? Oder, anders gesagt, stimmt viellleicht doch die Aussage von Frau Wagenknecht, dass Deutschland zurzeit die dümmste Regierung aller Zeiten hat? Aber ja, es geht noch mehr, wenn die Israelis kommen. Spannend wird dann nur, wenn auch Palästinenser kommen, wie das wertegerecht auseinandergehalten werden soll. Rassismus gibt es jedenfalls ausschließlich bei der AFD.

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    Der Plan wurde wieder Übererfüllt Wohnungsbau, Integration, Vollbeschäftigung, Steuersenkung, Innere-Sicherheit, Gesundheitsversorgung, keine Obdachlosen und keine Altersarmut.

    ???????? 111% wo wir gut und gerne Leben

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    NEWS. Auch wenn ich mit dem Blatt überhaupt nichts anfangen kann freue ich mich das das Compact Verbot wohl teilweise gekippt wurde.

    Allein schon wegen dem Gesichtsausdruck einer gewissen Nancy.

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    Es gibt kein 2 sondern 3 Klassen System in Deutschland erst die Ukrainer dann die sogenannten Flüchtlinge und zuletzt die Deutsche Bevölkerung die das alles durch Ihre Steuergelder finanzieren darf und selbst leer ausgehen.Aber um das zu erkennen braucht es Verstand den hier wohl die wenigsten besitzen.

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    Gar nicht mal so nebenbei bemerkt: das Merkelsche ‘Wir schaffen das!” hieß im Klartext “Ihr schafft das schon!”, staatliche Anstrengungen zur Integration gab es kaum, es wurde alles bei den ‘Ehrenamtlichen’ abgeladen.

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    Ich würde das nicht als Hilfe bezeichnen (Ausnahme Ukraine) , sondern als Angriff auf die Gesellschaft. Es handelt sich dabei zumeist auch um keine Flüchtlinge sondern um Gäste die kommen um zu bleiben, weil es hier viel umsonst und ohne Leistung gibt.
    Die Slowakei etwa würde auch so genannte Flüchtlinge nehmen. Nur es kommt Keiner, weil es dort nicht viel zu holen gibt. Der Ausverkauf Europas an Sozialtouristen ist kein humaner Akt, sondern eine Menschenrechtsverletzung übelster Sorte. Ein von Vasallen begangenes völkisches Spiel wie es in umgekehrter Weise auch die NS praktizierte. Ein Heimatdiebstahl im Auftrag der superreichen zion. Imperalisten.

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    “Der Bundesarbeitsminister hat somit unfreiwillig eines bewiesen, dass wir nun offiziell eine Zwei-Klassen-Flüchtlingsgesellschaft in Deutschland haben.”
    Falsch! In Deutschland leben immer noch deutsche die ein deutsches Gefühl besitzen und genau hier haben wir eine Klasse von mehr als zwei Klassen !
    Der Kolonialismus besitzt viele Facetten und praktiziert diese auf allen Ebenen.
    Denn jeder ‘ukrainische’ Flüchtling in D, ist einer weniger in der Ukraine, die wohl gerade innerhalb einer Dekade ihre Demographie halbiert hat.
    Das ist ein Turbo an Unmenschlichkeit!

    Antworten

    Diese künstlich geschaffenen Klassen, ist der Grund, warum ein Wir nicht mehr existiert.
    Da jeder mit jedem in einem künstlichen Wettbewerb gerissen wird, ohne die Ursachen dazu zu analysieren.
    Das wird in den Medien als Neoliberalismus bezeichnet, daraus folgt die Ursache und genau diese Ursache gilt es zu bekämpfen.
    Wenn die Weltökonomie sich entwickeln soll, dann benötigt diese Welt das jeder Staat in der Lage ist, sich zu ernähren und auch Hoffnung für ihre Bürger in der Lage sind zu vermitteln.
    Genau das sehe ich in einigen Staaten außerhalb der westlichen Blase, das diese das umsetzen, ohne das diese eine extreme “Invasionspolitik” betreiben, sondern realen Wettbewerb.

    Antworten

    ,Ich befürchte, besonders junge ukrainische Männer werden von dem “Job-Turbo” profitieren, nämlich dann, wenn sie von Deutschland aus gegen ihren Willen mit Turbogeschwindigkeit zum Verheizen an die Ostfront geschickt werden.

    Diese Regierung ist was Rassismus betrifft nicht viel besser als die rechte AFD.

    Andererseits müsste sie allen Geflüchteten gleiche Rechte zugestehen und nicht in wertige und minderwertige Flüchtlinge unterteilen

    Antworten

    Das Dümmste was die spätestens seit 2015 Regierenden vermutlich wirklich gedacht haben war, dass diese weltweit einmalige Zuwanderungspolitik ohne spürbare politische Reaktion bleibt. Und es keine wachsende AfD und kein BSW geben würde. Das war völlig naiv und ein historisch weltweit wohl einmaliger politischer Fehler. Kein Staatsvolk der Welt, nichtmal das Deutsche, lässt sich zu grünen Phantasten umerziehen.

    Antworten

    Ich mach mal einen ganz verwegenen Vorschlag: Wir nehmen den Reichen was weg! Dann reicht es für alle, und auch für die Flüchtlinge.

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    Info: https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/die-fluechtlingsklassen


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält

    14.08.2024

    In der deutschen Staatsräson steckt Antisemitismus


    14. August 2024 44 Kommentare

    Screenshot_2024_08_14_at_21_36_14_In_der_deutschen_Staatsr_son_steckt_Antisemitismus_Overton_Magazin
    conceptphoto.info, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons


    overton-magazin.de, 14. August 2024 44 Kommentare

    Fehlende Abgrenzung von Terrorfreunden: Das totale Versagen der Palästina-Solidarität: So lautete der Titel eines Artikels von Sebastian Leber, der Anfang Juli im Tagesspiegel erschien. Einige Bemerkungen dazu.


    Seit Beginn des fortlaufenden Konflikts im Nahen Osten zeigen sich fast die gesamten deutschen Medien als Unterstützer der sogenannten deutschen “Staatsräson” – das Zusammenstehen an der Seite Israels, als Staat der Juden, in seinem angeblichen Kampf um seine Existenz. Dieses drückt sich seit über neun Monaten in täglicher Berichterstattung aus, ob in Form der Meinung oder in der für sich Anspruch erhebenden, “objektiven” Nachrichtenform. Dem deutschen Nachrichtenkonsumenten bleibt dabei nichts Anderes übrig, als sich in seinem hoch moralischen Standpunkt zu bestärken. Nichts davon, was seit über neun Monaten durch die internationalen Medien und UN-Reports aus Gaza und dem Westjordanland der ganzen Welt berichtet wird, sollte die Politik, Medien und Bürger dieses Landes zur kleinsten Verunsicherung in ihrer Position bringen. Es scheint so, als ob es nicht gewünscht wäre, dem deutschen Leser zu ermöglichen, durch dialektische Gedankenentwicklung zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Israel gut, Palästinenser schlecht – Punkt.

    Und dennoch, passiert es doch in seltenen Fällen, dass ein Text das Undenkbare schafft, die wirklichen Strömungen im Unterbewusstsein der deutschen Gesellschaft ohne Absicht ans Licht zu bringen. So im Fall von Sebastian Lebers Kommentar zum Stand der Palästina-Bewegung in Deutschland, der am 6. Juli 2024 im Tagesspiegel erschienen ist. Die folgenden Bemerkungen sind ein Versuch, die in dem genannten Text ausgedrückte Hintergrundstimmung zu erörtern. Nun finden wir in der näheren Betrachtung des Textes eine Gelegenheit, eine hochgefährliche Entwicklung in der deutschen Gesellschaft aufzuzeigen und darauf aufmerksam zu machen.


    Die Vernünftigen

    “Als Journalist, der seit Oktober vergangenen Jahres wiederholt über Aufmärsche von Israelfeinden geschrieben hat, über antisemitische Entgleisungen und Aufrufe zum Auslöschen des jüdischen Staats, bin ich eine Frage mittlerweile gewohnt. Sie lautet: Warum berichten die deutschen Medien ständig über hasserfüllte Extremisten, aber nie über die vernünftigen, moderaten pro-palästinensischen Demonstrationen? Warum bitteschön werden die legitimen Proteste der Gemäßigten nicht abgebildet?

    Die Antwort ist simpel: Weil es keine gibt.”


    Da Herr Leber sich verdient gemacht hat – wie er gerne betont – seit Beginn des jetzigen Konfliktes wiederholt “über antisemitische Entgleisungen und Aufrufe zum Auslöschen des jüdischen Staats” zu berichten, kann er unbesorgt das erste Axiom seiner Theorie in Form einer Frage präsentieren: “Warum berichten die deutschen Medien ständig über hasserfüllte Extremisten, aber nie über die vernünftigen, moderaten pro-palästinensischen Demonstrationen? Warum bitte schön werden die legitimen Proteste der Gemäßigten nicht abgebildet?”. Dem klugen Leser ist die leicht implizierte Antwort schon klar. Der absolute Mangel an Berichterstattung von “vernünftigen, moderaten pro-palästinensischen Demonstrationen” beruht auf einer einfachen und erschütternden Tatsache: Es gibt sie nicht.

    Und wie wissen wir das? Aus dem Mangel an Berichterstattung selbst. Diesem gehören natürlich auch die Verdienste Herrn Lebers, der von Anfang an beteiligt war. Wir haben hier also mit einem einfachen logischen Trugschluss zu tun – Beweis durch Ehrfurcht. Es soll der Glaube entstehen, dass alle in Deutschland stattgefundenen Antikriegsaktionen und Demonstrationen seit dem 7. Oktober 2023 von Extremisten geprägt waren, und das, weil es keine Berichte über andere Art von Aktionen und Demonstrationen gab. Der Richter ist gebeten, dem Ankläger zu glauben, basiert auf dem Augenzeugenbericht des Anklägers selbst. Es müsste sich also nur einer melden, der von Demonstrationen berichtet, die doch von “Vernünftigen” geprägt waren. Damit wäre die Ehre der Bewegung wiederhergestellt. So bleibt der Leser in einer ewigen spiralartigen Berichterstattung gefangen. Wie bequem für Herrn Leber. Wie unbequem für diejenigen, die selber Zeugen von solchen Aktionen gewesen sind.


    Die Ein-Staat-Lösung

    “Dabei wäre es für das pro-palästinensische Lager seit Beginn des jüngsten Gazakriegs so einfach gewesen, die Sympathien der deutschen Öffentlichkeit für sich zu gewinnen …”

    Wären nur die Palästinenser Deutschlands klug genug, dürfte es für sie so einfach werden. Statt auf die Straßen zu gehen, um gegen das, was in ihren Augen ein Massaker ist, zu protestieren, könnten sie sich das allerhöchste Gut erringen: “die Sympathien der deutschen Öffentlichkeit”. Und das wie Herr Leber schreibt, mit einem einfachsten Mittel: einen Waffenstillstand zu verlangen … Nun, genau das war und bleibt seit Oktober die allererste Forderung der Demonstranten, nach der die meistgehörten Stimmen in den Demos schon seit neun Monaten vergeblich rufen, und das nur, um weiter ignoriert zu werden. Waren Herr Leber und seine Kollegen wirklich dabei?

    Dass die von ihm vorgeschlagenen “Kongresse und Benefizkonzerte und Lichterketten” stattfanden und immer noch stattfinden, kümmert Herrn Leber nicht. Bald erscheint im Text der Begriff, der uns alle zum Schweigen bringen soll, der eine ganze Welt in sich hat, solange man sicher ist, ihn niemals wirklich definieren zu müssen: ‘Das Existenzrecht Israels’.

    Da wir im Gegensatz zum Herrn Leber keine hellseherischen Fähigkeiten besitzen und die Gedanken aller Demonstranten schwer lesen können, wagen wir keine absoluten Behauptungen aufzustellen. Es mag schon sein, dass sich tatsächlich unter den Demonstranten ein einziger finden lässt, der sich wirklich ein judenreines Land zwischen dem Jordan und dem Meer wünscht … Dennoch bleibt eine unbequeme Wahrheit: Es gibt tatsächlich eine vorstellbare Lösung, eine, die die Existenz des Staates Israel in seiner jetzigen Form bestreitet und eine andere Form vorsieht, ohne dass ein einziger Jude das Land verlassen müsste (nicht zu sprechen vom Ausgelöschtwerden) – die sogenannte “Ein-Staat-Lösung“.

    Diese sieht die gerechte Aufhebung des israelisch-palästinensischen Konflikts in der Gründung eines demokratischen Staates, in dem alle Menschen als gleichberechtigte Bürger leben können, und das im Gegenteil zum jetzigen Apartheidzustand, der im ehemaligen Land Palästina herrscht. Diese Lösung, die übrigens auch von dem Verfasser dieses Textes und anderen Juden in Israel und der Diaspora unterstützt wird, untergräbt jede Logik des Existenzrecht-Israels-Arguments – diese Chimäre der deutschen Staatsräson. An dem Existenzrecht des Staates Israel in seiner jetzigen ungerechten Form zu zweifeln, heißt also in keinem Fall nach der Auslöschung des dortigen jüdischen Lebens zu rufen. Aus der Betrachtung dieser logischen Tatsache sollte man sich endlich die Frage stellen, ob es der deutschen Politik und Medien wirklich um den Schutz der Juden in ihrem Land oder um etwas ganz Anderes geht. Dass das Existenzrecht Israels immer wieder als Totschlagargument auftaucht, um alle Menschen in Deutschland die Solidarität mit Palästina zeigen, direkt als Antisemiten zu beschuldigen, sollte uns einen Denkanstoß in die richtige Richtung geben.

    Hat man sich so bequem das Existenzrecht Israel definiert, wie Herr Leber das tut, bleibt nur noch die Liste derjenigen “die Israel das Existenzrecht absprechen” (oder die Liste der Israel-Hasser, wie sie mittlerweile so selbstverständlich in den deutschen Medien genannt werden) fortzuführen. Zu diesen zählen offensichtlich zahlreiche Studenten sowie die Organisatoren des Protestcamps vor dem Reichstag (der mit äußersten Polizeigewalt aufgeräumt wurde), ebenso Mitglieder des Vereins “Jüdische Stimme für gerechten Frieden im Nahen Osten”, die Partei “Mera25” und andere Organisatoren des von der Polizei abgesagten Palästina-Kongress. Außerdem die Organisatoren zahlreicher Demonstrationen sowie “viele medienwirksame Störaktionen” (was auch immer das heißen soll). Die alle, und höchstwahrscheinlich auch die Tausenden Menschen, welche in allen diesen Aktionen teilgenommen haben, taten es nur aus einem offensichtlichen Interesse am “Auslöschen des jüdischen Staats”, und nicht, um Gottes Willen, aus Interesse an der Beendigung des Angriffs auf Gaza, der bis jetzt schon das Leben von mindestens 39.000 Menschen gekostet hat. All diese Tausende von ‘Israel-Hassern’, sie, und nur sie, fanden ihren Weg zu den „pro-palästinensischen” Aktionen – wie Herr Leber sie so herrlich in Anführungszeichen klammert, dass keiner von den Lesern bloß auf die Idee kommen könnte, dass es hier um aufrichtig besorgte Bürger geht, die ihr demokratisches Recht, gegen ein Unrecht zu demonstrieren, ausüben.

    Es waren also, in all den Antikriegsaktionen, nur Extremisten auf deutschen Straßen zu sehen. Der zivilisierte Teil der Bevölkerung, der gegen den Krieg ist, “sollte es sie denn in Massen geben”, blieb doch zu Hause. Ihr Versagen war es, die Straßen gemischten Gruppen von Extremisten zu überlassen, deren Beschreibung wie eine generische Alptraumsammlung aller angstmachenden Gruppierungen scheint, die das kleinbürgerliche deutsche Stratum und ihre beliebte Elite so in Panik versetzt. Es brauchte nur Herrn Leber, um diese Sammlung so schön auszuarbeiten.


    Lediglich?

    “Wieso haben Menschen, die nach eigenen Angaben lediglich an Frieden und dem Schutz der Zivilisten interessiert sind, ihr wichtiges Anliegen Extremisten überlassen? Wie konnten sie es hinnehmen, dass Islamisten, trotzkistische Kleinstgruppen und andere Sekten, darunter auch lupenreine Judenhasser, auf der Straße den Ton angeben?”

    Hätte es sich also ergeben, dass sich zufällig auf einer dieser Aktionen in den letzten neun Monaten ein einziger nicht extremistischer Demonstrant befand, wäre er von Islamisten, Trotzkisten (!), Sektenmitglieder und Antisemiten umzingelt. (All das hat übrigens auch der Verfasser dieses Textes getan, ohne etwas davon zu bemerken.)


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    Liest man doch ganz genau im Artikel, fällt uns noch eine wundersame Subtilität auf. Es geht hier um Menschen, “die nach eigenen Angaben lediglich an Frieden und dem Schutz der Zivilisten interessiert sind”. Eigenen Angaben. Lediglich. Es versteckt sich hier also eine erschreckende und ernüchternde Wahrheit: die Versager, genau sie, die die Straßen den Extremisten überlassen haben, sind vielleicht gar nicht so sehr am “Schutz der Zivilisten interessiert”. Es sieht so aus, dass vielleicht auch sie den extremistischen Israel-Hass tief in sich tragen. Jede konträre Annahme stützt sich lediglich auf ihre “eigenen Angaben”. Also gibt es sie doch nicht?!


    Palästinenser in Deutschland

    “Nun könnte man einwenden, dass die unsichtbare Mehrheit vernünftiger Pro-Palästinenser womöglich überhaupt nicht existiert, sondern reines Wunschdenken der deutschen Mehrheitsgesellschaft ist.

    Man könnte dabei auf die eindeutigen Umfragen in den palästinensischen Gebieten verweisen, die ein ums andere Mal hohe Zustimmungswerte für die Hamas und deren Massaker vom 7. Oktober belegen. Und zwar nicht nur in Gaza, sondern auch im Westjordanland. Weshalb sollten die in Deutschland lebenden Palästinenser grundlegend anders ticken?”

    Die aufgeklärte deutsche Gesellschaft und ihr Vertreter Herr Leber, überall wo sie sich umsehen, suchen sie immer nur das Gute an den Menschen. Vor allem in denen, die seit Jahren nach Deutschland reisen und dann noch hierbleiben dürfen. Diese unvernünftige Seite dieser Immigranten aus aller Welt und Palästina zu sehen, gelingt der vernünftigen deutschen Mehrheitsgesellschaft nicht, da diese viel zu tief in ihrem naiven Aufklärungsprojekt steckt. Ist das möglich, dass manche nicht so vernünftig sind wie wir? Trotz allen guten Willens? Es hat sich letztendlich gezeigt, dass der Teil der palästinensischen Nation, der nicht das Glück hatte, vertrieben zu werden und nach Deutschland zu reisen, weiterhin stur bleibt in seiner Unterstützung der Hamas. Es ist also gar kein Wunder, dass wir sie nicht finden könnten, die vernünftigen Palästinenser Deutschlands. Weshalb sollten sie dann “anders ticken” als ihre Volksgenossen in Gaza, die trotz jahrelanger Besatzung, trotz kontinuierlicher Gewalt Seitens des Besatzers, und trotz 19 Jahre langer Belagerung immer noch nicht verstanden haben, dass bewaffneter Widerstand gegen eine – von der USA und Deutschland unterstützte – viel größere Macht, nichts taugt? Warum übrigens, können aufgeklärte Deutsche so vernünftig sein, und die Palästinenser Deutschlands nicht, bleibt im Text unklar. Wir wollen hier auch nicht versuchen, dieses zu erraten. Bleiben wir stattdessen weiter zivilisiert.

    “Die zweite Möglichkeit wäre, dass diese unsichtbare Mehrheit der Gemäßigten zwar existiert, sich aber nicht auf die Straße traut. Entweder aus Angst vor Repressionen durch pro-palästinensische Hardliner oder vor Ausgrenzung durch die deutsche Mehrheitsgesellschaft.”

    “Angst vor Repressionen”. Der gute alte kolonialistische Trick – teile und herrsche. Suchen wir Aufgeklärte, die wir sind, uns ein paar “Gemäßigte” unter den zurückgebliebenen, sogar eine “Mehrheit”, und unterstützen sie in ihrem Befreiungskampf gegen die Repressionen, unter denen sie wirklich leiden – dem Joch der Extremisten in der “pro-palästinensischen” Bewegung.

    Es tut uns leid, Herr Leber. Diesen Trick kennen die Palästinenser besser als jeder. 120 Jahre Kampf gegen einen kolonialen Herrn haben sie dafür empfindlich gemacht. Spätestens seit der Regierung Sharon, die so tüchtig war, den Riss in der palästinensischen Bewegung zwischen den PLO und Hamas zu nutzen, weißt man Bescheid (gar nicht zu sprechen von Regierung Netanjahus geschicktem Trick mit Koffern voller Dollar aus Katar an Hamas). Danke für den netten Versuch, aber nein, danke.

    Es bleibt noch die Angst vor der “Ausgrenzung durch die deutsche Mehrheitsgesellschaft”. Interessante Möglichkeit. Sollte die palästinensische Gemeinschaft Deutschlands – eine der am schlechtesten integrierten Bevölkerungsgruppen im Lande – sich ausgerechnet jetzt Sorgen machen, ausgegrenzt zu werden? Erwartet Herr Leber wirklich, dass seine Leser diesen Versuch auf selbstgefällige moralische Selbstbestätigung tatsächlich ernst nehmen? Wäre diese Art zu argumentieren innerhalb der deutschen Regierung und Medien nicht so verbreitet, würde man seinen Augen gar nicht trauen.

    Legitime Positionen?

    “Dies alles sind legitime Positionen, deretwegen kein Demokrat von anderen Demokraten ausgegrenzt wird.”

    Und jetzt muss man kurz pausieren und tief durchatmen, weil das nächste, was folgt, an Arroganz, Hochmut und Überheblichkeit kaum zu übertreffen ist. Da lässt der Herr seine Maske fallen und es bleibt dem Diener nichts Anderes übrig, als erstaunt zu schauen. Es gibt sie doch, die “legitime Positionen, deretwegen kein Demokrat von anderen Demokraten ausgegrenzt wird”.

    Und von wem werden diese “legitime Positionen” definiert? Sicher nicht vom Palästinenser und seinen wenigen Unterstützern in diesem Land. Nein, diese Positionen sind schon in der allgegenwärtigen Weltanschauung der deutschen Politik und Medien längst festgeschrieben. Und sie basieren auf jahrhundertalten Tradition der ‘freien demokratischen Gesellschaft’, die sich alle paar Jahre ihre ultimative Manifestation in einer der westlichen Länder findet, vor allem, wenn eins dieser Länder zum Krieg marschiert, um eine andere bösartige Zivilisation zu schlagen. Zum Beispiel jetzt, im Falle Israels und seinem Krieg gegen Hamas (bekannt auch als Nazis, Isis, Barbaren usw.). Danke für die Legitimation, Herr Leber. Nun stört es ein wenig, dass Sie in allen Punkten mit der deutschen Regierung übereinstimmen. Oder sollte man nur dann demonstrieren gehen, wenn man in absoluter Zustimmung mit der Politik ist?

    Übrigens fällt es auf, dass all die vom Herrn Leber oben genannten Punkte den grundsätzlichen Forderungen der Demonstranten sowieso entsprechen. Außerdem, auch wenn sie es anders gewollt hätten, erlaubt die deutsche Regierung ihnen von Anfang an, nur so weit mit ihren Forderungen zu gehen, wie es für Herrn Leber bequem und demokratisch bleibt. Hamas zu unterstützen, in Form von Parolen, Aufschriften und Symbolen, war von Anfang an verboten und wurde mit sofortiger Verhaftung von der Polizei belohnt. Dasselbe gilt auch für viele andere Äußerungsregeln, auf die von den Organisatoren am Anfang jeder Demo immer wieder hingewiesen wird. Man wundert sich, dass Herr Leber dieser Tatsache ausgewichen ist, wo er doch der „pro-palästinensischen“ Bewegung von Anfang an so eifrig folgt.

    Die Liste

    Damit ist aber der positive Teil dieses “Demokratie Manifests” beendet. Gehen wir weiter zum Negativen. Es folgt eine Liste von Verboten, die von jedem, der hier ohne von Demokraten verachtet zu werden leben möchte, befolgt werden muss. Wieder geht es hier um Herrn Lebers Lieblingsspiel: das Darstellen von Behauptungen als Tatsachen. Wieder soll geglaubt werden, dass die Beteiligten unzählbarer Antikriegsaktionen allesamt Unterstützer der Hamas-Bewegung sind. Dass sie für das Morden (oder was meint Herr Leber genau mit dem Auslöschen?) und Vertreibung von Millionen von Juden aus Israel stehen. Dass sie die einzige Demokratie im barbarischen Nahen Osten dämonisieren und regelmäßig Juden und Israelis verbal und körperlich angreifen. Des Weiteren sind sie auch Antisemiten im guten alten Sinn, die “Die Protokolle der Weisen von Zion “ im Schlaf rezitieren können. Dass sie den Tod jedes Freundes auf Seiten Israels befürworten, im israelischen Menschen die Personifikation Adolf Hitlers selbst sehen, dass sie Angreifer von Journalisten sind, die sich zusammen mit Islamisten tun (um was zu machen, steht da leider nicht), und wenn das alles noch nicht reicht, verachten sie noch das deutsche Grundgesetz! Ja. All das steht auf der Liste der Verbote, die Herr Leber der Palästina-Bewegung Deutschlands erteilt. (Um uns indirekt zu erzählen, mit wem wir hier eigentlich zu tun haben.)

    “Nicht tolerierbar ist es hingegen, wenn

                    Demonstranten Terror bejubeln und Terroristen als Freiheitskämpfer verharmlosen,

                    die Auslöschung des jüdischen Staats fordern,

                    den demokratischen Staat Israel dämonisieren,

                    Juden beziehungsweise Israelis bedrohen, verunglimpfen und attackieren,

                    antisemitische oder antizionistische Verschwörungsmythen verbreiten,

                    Unterstützern Israels den Tod wünschen,

                    Israelis mit Hitler gleichsetzen,

                    Pressevertreter bedrohen und angreifen,

                    sich mit Islamisten gemein machen

                    und das Grundgesetz missachten.”

    Wer nach dem Lesen noch nicht verstanden hat, wie ein Mensch sich zu verhalten hat, kann sich damit trösten, im Bekanntenkreis Herrn Lebers doch auf ein wenig Verständnis zu stoßen.

    “In meinem Bekanntenkreis gibt es vereinzelt Menschen, die das nicht so eng sehen. Die sagen, man müsse die Aggressionen der Palästinenser und ihrer Unterstützer auf den Straßen bis zu einem gewissen Grad verstehen. Das sei eben Ausdruck von Frust und Wut. Die seien halt so.”

    “Die seien halt so”, meinen die Bekannten von Herrn Leber, die leider nicht das progressive Verständnis ihres Freundes teilen. Im Gegenteil zu denen, hat sich Herr Leber offensichtlich in den Theorien fortgeschrittener postkolonialen Denker kundig gemacht, und weiß, dass auch von Arabern zu erwarten ist, nicht Israelis dem Hitler gegenüberzustellen und sich nicht über das Abschlachten von Zivilisten zu freuen. Es wäre doch mindestens von den von Deutschland aufgenommenen Menschengruppen – auch von denen, die am meisten zurückgebliebenen sind – zu erwarten, dass sie sich noch zum höchsten Punkt des menschlichen Zenits entfalten können, das heißt, zu moralischen Höhen eines Sebastian Lebers. Alles andere wäre rassistisch. Oder wie er selbst sagt: “Mir fällt kein Grund ein, von Pro-Palästinensern weniger friedlichen und demokratischen Umgang zu verlangen als von anderen.”

    Den Palästinensern ihre Geschichte erklären

    Hätte man die Pro-Palästinenser vor allem bezüglich ihrer eigenen Geschichte besser ausgebildet, wäre es vielleicht bessergegangen.

    “Verstörend auch, wie wenig Wissen im Lager der „Palästina-Solidarität“ über den eigentlichen Konflikt besteht. Zum Beispiel darüber, dass die Gemeinschaft der im britischen Mandatsgebiet lebenden Juden bereits 1947, noch vor der Gründung Israels, einer Zweistaatenlösung ausdrücklich zugestimmt hat. Dass dann jedoch zunächst palästinensische Milizen einen Bürgerkrieg gegen die jüdische Bevölkerung führten, und zwar nicht auf dem Gebiet des von der UN vorgesehenen Palästinas, sondern auf dem des künftigen Israels.“

    Wie anscheinend allgemein bekannt ist, kamen die ersten Zionisten erst 1947 nach Palästina, nachdem die UN einer gerechten “Zweistaatenlösung ausdrücklich zugestimmt hat”. Erst dann haben sich palästinensische Milizen grundlos entschieden, die Juden anzugreifen und siehe ihr Pech, der zionistische Feind hat sich als stärker erwiesen. Das gesamte zionistische Projekt mit seiner langjährigen Akkumulation und Expropriation des arabischen Landes, vom Anfang des Jahrhunderts bis zur Gründung des Staates Israel, hat offenkundig eine sehr kleine Rolle gespielt, wenn gar stattgefunden. Oder zumindest gehört es nicht zum Geschichtsprogramm, das Herr Leber für die ungebildeten Palästinenser vorsieht.

    Den Rest des zionistischen Geschichtsunterrichts können wir uns sparen. Es geht hier um die gewohnte Propaganda, die die Täter immer neu revidieren, um einer unerträglichen Konfrontation mit einer noch schlimmeren Realität auszuweichen. Das Vergleichen der palästinensischen Nakba mit dem Schicksal der Juden in den arabischen Staaten soll uns als Beispiel genügen. Sollte es als Rechtfertigung der Aggression Israels gegenüber den Palästinensern gelten? Und wenn diese “Wahrheit” der Palästina-Bewegung in Deutschland erläutert werden würde, wäre es ein Grund genug für sie, ihren Kampf niederzulegen? Einen Kampf, der die deutsche Regierung dazu bringen sollte, mit der Unterstützung des Israelischen Krieges und ihrer Besatzung endlich aufzuhören?

    Nun geht es hier um etwas Grundsätzliches. Offensichtlich ist es hier dem Journalisten endlich gelungen, in nur zwei kurzen Paragraphen einen historischen Streit zu enträtseln. Es sind nur wahre “Tatsachen” der Geschichte, an denen es uns mangelte, um klar sehen zu können, dass der Staat Israel, was ihren Umgang mit den Palästinensern angeht, im Recht ist und immer war. Würden die Palästinenser Deutschlands die historischen Tatsachen kennen, gäbe es für sie gar keinen Grund mehr zu protestieren. Im Weltbild des Journalisten ist es also alles so einfach. Es geht hier nur um palästinensische Gedankenwidersprüche, die sich nicht entwirren lassen. Oder wissen die Palästinenser das alles und wollen es nur nicht zugeben?

    Böse oder dumm – oder Beides

    “Die Palästina-Solidarität in Deutschland ist auch gar nicht solidarisch mit den Bewohnern des Gazastreifens. Im Gegenteil: Sie verlängert das Leid der Zivilisten, weil sie – von manchen Aktivisten gewollt, von anderen vermutlich nicht – die Position der Hamas stärkt und diese lautstark zum Durchhalten und Weiterkämpfen ermutigt.”

    Unsolidarische Solidarität. Ein neuer Terminus Politicus. Es wird behauptet, dass die Aktivisten mit ihren Antikriegsaktionen nur dazu beitragen, Hamas zu verstärken. Wie und warum? Die Erklärung bleibt uns erspart. Diese Ermutigung des Hamas und die Verstärkung seiner Position ist angeblich beim Teil der Aktivisten gewollt und bei einem anderen Teil nicht so ganz (so sind das doch nicht alle, die Hamas gutheißen?). “Vermutlich”. Oder zumindest gibt dieser naive Teil der Aktivisten an, gegen ein unendliches Massaker zu sein, das tausende von Kindern das Leben kostet. Dieser seit Monaten gegen die Massaker auf der Straße protestierende Teil, ist also zu dumm, um zu verstehen, dass damit genau das Gegenteil erreicht wird. Führen wir diese Logik fort, kristallisiert sich heraus, dass es klüger wäre, die israelische Armee in der Öffentlichkeit zu unterstützen. Da wäre der Angriff auf Gaza schon längst beendet. Wie man es auch nimmt – bist du ein Teil der “Pro-Palästinensischen” Bewegung, bist du böse oder dumm. Wahrscheinlich beides.

    Was uns endlich zum größten Gau bringt. Wofür war das alles? Diese schmerzhafte Reise durch den Text Lebers, die nur ein Beispiel für die Sichtweise des großen Teils der deutschen Gesellschaft über den israelisch-palästinensischen Konflikt ist? Es fehlt noch das Essentiellste von allem, der allmächtige Begriff, der das ganze logische Argument vollendet. Dürften wir das beim Namen nennen? Nein. Brauchen wir auch nicht. Geht doch dezenter.

    “Wenn es über diese Bewegung etwas Positives zu berichten gibt, dann wohl nur, dass sie in den vergangenen neun Monaten ein eindrucksvolles Beispiel dafür abgegeben hat, weshalb es einen Staat Israel als Schutzraum für Jüdinnen und Juden braucht.”

    Die guten alten deutschen Nazis. Sie haben es uns schon damals gelehrt. Ohne einen eigenen Staat sind und werden die Juden nie mehr sicher sein. Und endlich sind auch die neuen Nazis da. Die Hamas und ihre Unterstützer. Und ja, zu den Unterstützern, wie wir gerade erfahren haben, gehören natürlich auch die (teils böse, teils dumme) Teilnehmer der pro-palästina-Bewegung Deutschlands.

    Und so, im Kern des gesamten Komplexes der Argumente, hinter dem Rassismus, der Überheblichkeit und der Arroganz, versteckt sich eine einfache Wahrheit. Der 7. Oktober und alles was danach folgt, ist für einen erheblichen Teil der Deutschen eine Gelegenheit ihren Judenschutz-Komplex in voller Entfaltung auszuleben und dies in einer überdimensionalen Form, die endlich “beweisen” kann, dass die Nazis nicht mehr ein einmaliges Phänomen der Geschichte sind. So fand die dreiste Taktik der Regierung Netanjahus – welche noch am selben Tag des Massakers in Israel Hamas als Nazis erklärt hat – seinen idealen Partner in der Deutschen Regierung. Da haben wir es, das Existenzrecht Israels in seiner vollsten entfalteten Pracht.

    Und der Jude in Deutschland? Was soll er sich dabei denken? Soll er sich weiter instrumentalisieren lassen, ohne zu merken, dass das gesamte aktuelle Antisemitismusgebäude nur gebaut wurde, um deutsche Schuld zu waschen? Lässt er sich instrumentalisieren auf diese Art, die der Politik und den Medien ermöglicht, einen grenzenlosen Rassismus gegen Muslimen in Deutschland auszuüben? Möchte er Antisemitismus finden, soll er diesen da suchen, wo er steckt: in mittelbarer Handlung Deutschlands gegen Juden und Palästinenser selbst. Will er ihn bekämpfen, muss er heute, mehr denn je, unmittelbar auf der Seite der Palästinenser Deutschlands stehen.

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    44 Kommentare

    1. Danke fuer die Beurteilung,ich kann den vorgebrachten Punkten nur zustimmen.Evtl. sollte noch auf das Versagen der Medien hingewiesen werden- deren selbstbefluegelnde Berichterstattung – durch freiwillige,hoerige Zensur.
      Alle Berichte vom Genozide die aus Palestina kommen werden der isr. Armeepressestelle vorgelegt zur Redaktion.
      AFP ist meist die Hauptquelle der aktuellen Nachrichten und AFP macht das ganz offiziell.
      Berichterstatter die sich nicht daran halten und moeglichst nah am Geschehen sind werden schlicht und einfach ermordet,sogenannte intelligente Waffen gg. deren Equipment (das Mobiltelefon) eingesetzt.
      So weit mir bekannt ist ist der jetzige Voelkermord in Palestina mit den meisten meisten journalistischem Opfern in der Geschichte der ‘Kriegsberichterstattung’ behaftet.
      Noch nie wurde dermassen gezielt Jagd auf Journalisten gemacht.
      Entssprechend sieht die Meinungsbildung aus,der Stuermer berichtet von der Front …. fuer Politiker,fuers Publikum.Die meisten Medien dienen als Sprachrohr der Waffenindustrie, sind im Namen der Profite nicht am “Schutz der Zivilisten interessiert”.
      Das Morden in der Ukraine,in Palestina,im Kongo,im Sudan …. ist geschenkt,die dortigen Kolonialheere koennen sich ihre Taetigkeiten selbst nicht leisten.
      Always follow the money.

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  • Muss man sich denn an dieser Leber überhaupt abarbeiten?

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  • Deutschland wird von sehr Rechten Linken regiert, die behaupten gegen Rechts zu sein.

    Historisch wurde nichts gelernt.
    Heute schickt die Politik wieder Panzer gegen Russland und morgen vergasen sie vielleicht sogar wieder unbequeme Menschen.

    Das einzige was man Deutschland zugute halten kann ist, dass sie als Vasallen der zion. Geldeliten noch immer ein US besetztes Land sind.

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  • Die eigentliche Frage ist doch, ob die große Mehrheit der palästinensischen Araber in regierungskritischen und antizionistischen Israelis, wie z.B. Herrn Arad, jemals etwas anderes sieht bzw. sehen wird als einen Abtrünnigen der Gegenseite, der ihnen zwar momentan nützlich ist, aber dennoch jemand ist, mit dem man keine Koexistenz will.

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  • Dieser Leber hat schon in den Corona-Zeiten sich einen Titel als Einpeitscher des “Tagesstürmers” gemacht. Was will man da erwarten?

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  • So ging das halt los: pro-palästinrnsische Demos mit gleich mal 4.700 Straftaten schon im ersten Monat. Warum? Israel hat da die Raketenbasen der Hamas attackiert, von denen 10.000 Raketen abgeschossen wurden. Empörung darüber, dass Israel nicht einfach da sitzt und die gerechte Strafe über sich ergehen lässt.
    Die Atmosphäre der Bücherverbrennung damals. Jeden Widerstand niederbrüllen. Das hat dieser Leber gemeint. Der übrigens eine absolute Ausnahme im deutschen Journalismus darstellt.
    Bis dahin hat doch die Nakba-Industrie die Szene mühelos beherrscht. Israel habe völlig grundlos den Gazastreifen ,in ein Freiluftgefängnis verwandelt. Greta Thunberg hat das verinnerlicht, weil sie nie etwas anderes gehört hat. Nur hat das jetzige Geschehen halt dazu geführt, dass man genauer hinsieht. Israel hat sich aus dem Gazastreifen komplett zurück gezogen und judenfrei im Sinne Heinrich Himmlers hinterlassen. Sie hätten dort einen Staat gründen können, sie hätten Handel treiben können. Aber die Hamas hat sich für den Terror entschieden. An der Grenze und durch Raketenbeschuss. Da schaut man jetzt genauer hin. Die Nazischeiße wird hinterfragt.
    Dass nun die “Protokolle der Weisen von Zion” in der Hamas-Satzung stehen, wie auch der Rest der Thesen der NSDAP, wird dieser Ido Arad natürlich nicht zur Kenntnis nehmen. An dieser Stelle setzt die Lesefähigkeit immer aus.
    Ach, was ist eigentlich mit Greta Thunberg? Und sagen wir Yannis Varoufakis oder Jeffrey Sachs? Die haben sich doch anfangs so stark gemacht für die Palästimenser. Von denen hört und sieht man nichts mehr. Kann das sein, dass denen klar wurde, mit was für Figuren sie da in einem Boot sitzen und dass sie aus diesem Grund vion Unwohlsein befallen wurden?
    Auf der Straße nichts anderes. In Berlin gab es am vergangenen Wochenende einen pro-palästinensischen Autokorso. Nicht unbedingt die Protestform der Linken, würde ich sagen. Es waren auch nur Männer mit Hisbollahbart zu sehen. Und nebenbei ist ein Autokorso das Mittel der Wahl, wenn die Teilnehmerzahl gering ist.

    Und auch haben sich die Linken vielleicht gefragt, ob sie nicht einen Anteil daran haben, wenn die radikalen Islamisten jetzt das Kalifat ausrufen. So nämlich ist das.

    Ihr Fernbleiben hat durchaus Gründe.

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  • Ich leite aus der Kolonialgeschichte und der Geschichte der Befreiungs- und Unabhängigkeits-kämpfe ab dass die Einstaatenlösung eine unabdingbare historische Gewissheit ist!

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  • Ich habe mich jahrelang gefragt wie sich ein brüllender Kretin ausgerechnet in D derart durchsetzen konnte. Seit der „Corona-Pandemie“ wird das Bild immer klarer, wie eine Massenbewegung entsteht und nur noch eine Meinung gültig ist.
    45000 tote Palästinenser bis jetzt. Das ist keine Selbstverteidigung. Das ist Völkermord.
    Ich finde schon dass wir Deutschen dem Judentum gegenüber eine besondere Verantwortung tragen und sensibel sein müssen. Aber gerade deswegen sollte die deutsche Regierung die israelische Führung mal zurechtweisen. Denn Israel sollte sich mit unendlichem Leid auskennen!

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  • “Es sieht so aus, dass vielleicht auch sie den extremistischen Israel-Hass tief in sich tragen. Jede konträre Annahme stützt sich lediglich auf ihre “eigenen Angaben”. Also gibt es sie doch nicht?!”

    Das war im Falle Corona und ist auch in der Frage des Ukraine-Krieges nicht anders. Bei der Beurteilung dieser Fragen gibt es aus der Sicht Lebers nur eine korrekte moralisch-wissenschaftliche Haltung. Wer aus welchen Gründen auch immer zu anderen Ergebnissen kommt, muss darum irgendwie verbrecherische oder gemeingefährliche Motive haben.
    Zum Beispiel hat er sich an Putin, den Iran etc. gegen Zahlung von Geld verkauft, oder er ist auf Fake News oder Verschwörungen reingefallen oder er will sowieso unsere wunderbare demokratische Ordnung und unserer Zusammenleben mit Hass und Hetze spalten. Der Dissident ist also entweder korrupt, dumm oder Nazi.

    Für unmoralische Moralisten wie Leber kann es keine irgendwie vernünftige Gegenposition zu dem von ihm propagierten Narrativ geben.

    Der propagandistende Leber geht also vollkommen unschuldig auf eine Pro-Palästinademo und erkennt nur Extremisten um sich herum. Wahnsinn. Und dann fragt er nach den Vernünftigen und wundert sich, dass er sie nicht um sich herum sehen kann und ist ernsthaft ratlos.

    Aber was soll er auch sonst sehen, sonst dürfte er ja nicht propagandieren und würde entlassen.

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  • Argumentativ schachmatt gesetzt. Danke dafür.
    Um am Dreh- und Angelpunkt anzusetzen:
    “Das Existenzrecht Israels” ist ja ein stehender Begriff, der offenbar nicht hinterfragt werden darf.
    Worauf sich dieses Existenzrecht Israels allerdings gründet, woraus es resultiert, ist ebenso legitim zu fragen, wie auch zu fragen, ob dieses verwirkt werden kann.

    Ist es im Übrigen nicht üblich, eine Abwägung vorzunehmen, wenn Rechtsgüter (hier also Existenzrecht Israels gegen Existenz- und Überlebensrecht der Palästinenser) einander widersprechen?
    Offenbar wird das Existenzrecht Israels von der Bundesregierung und der unterstützenden (statt kontrollierenden) Journallie höher gewertet. Die Gründe dafür wären interessant.
    Man verweigert derartige Diskussion einfach, indem man abstrakte Begrifflichkeiten mit hypnotischer Wirkung verwendet, indem man viel formuliert, aber inhaltlich nichts sagt.
    “Wir müssen unsere Freiheit verteidigen” ist so ein Satz. Niemand würde dem widersprechen. Leider merken die meisten dabei nicht, dass diese Freiheit für jeden etwas anderes bedeutet, ebenso wie der Begriff verteidigen sehr weit gefasst ist.
    Unser Gehirn versucht, bei Sätzen mit wenig Inhalt, die Lücken aus dem eigenen Denken zu füllen. In der Hypnotherapie macht man sich diesen Umstand zu nutze und verwendet sogenannte Tilgungen. Sätze mit möglichst wenig Inhalt, bei denen der Patient den Inhalt selbst generiert und sich dabei über in ihm selbst liegende Mechanismen klar wird.
    Diese Art Sprache verwenden auch Politiker und PR und Marketing Menschen zunehmend zur Massenmanipulation.
    Das Existenzrecht Israels in der aktuellen Debatte ist ein gutes Beispiel dafür. Es wird einfach als bedingungslos existierend postuliert und jede Konkretisierung wird so gut wie möglich vermieden. Beispielsweise, was denn unter Existenz Israels zu verstehen ist ebenso wie die Frage, ob sich aus diesem Recht nicht auch Pflichten ergeben. Oder, welche Instanz denn die Autorität hat derartige angenommene Existenzrechte aus- oder zu widerrufen? Ab wann gilt die Existenz eines Staates als gefährdet?
    Wer da etwas hinterfragt, wird schnell auf große Probleme bei der Rechtfertigung sowohl des Eistenzrechts wie auch dessen Abwesenheit stoßen.
    Kurzum: Das als Argument angeführte Existenzrecht Israels ist ein Alibi für Grausamkeiten, die anderswo gerne mal eine militärische Intervention begründen würden…nicht mehr. Es ist die Verweigerung, über die Realität überhaupt zu sprechen, mithin also der Versuch, eine eigene Realität zu schaffen, der nicht widersprochen werden kann, die aber nur rudimentären Bezug zu Wirklichkeit hat.
    Das ist streng genommen Totalitarismus.

    Im Übrigen ist es nach meinem Wissensstand in einem freien Land nicht verboten, Antisemit zu sein, oder Rassist, oder Homosexualität nicht zu mögen, oder oder oder.
    Das mag viel über die jeweilige Person sagen, doch es zu untersagen schafft dann die Freiheit auch ab. Insoweit ist selbst die Formulierung Herrn Lebers, was alles nicht geht, ausgesprochen totalitär….vermutlich sieht er das aber anders…

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    6 Antworten auf diesen Kommentar anzeigen ▼

  • in Anlehnung an Frank Zappa: Deutschland ist nicht tot, es riecht nur seltsam.
    vielleicht sollte es auch die Leber entgiften, definitiv aber die Nieren und da ist ja noch die Gallenblase. das Hirn braucht viel Koriander und das Herz, ja das Herz, das kommt nicht zur Ruhe. diese Aufregung! die Lungenflügel liegen jetzt seltsam über Kreuz und kutteln so vor sich her. da muss frische Luft rein! aber wie denn bei dem Klimawandel! und definitiv reden wir noch, wenn wir schon tot sind; und nur die Münder spreizen sich gegeneinander in Einigkeit. atmen.

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  • Israel ist international so isoliert, wie es noch nie ein Staat in der Geschichte der Menschheit war!
    Gegen den Staatschef dieses Siedlerstaates liegt ein internationaler Haftbefehl vor.
    Nur die USA und Deutschland unterstützen noch Israel.

    Unter Mißachtung jedweder Rechtsstaatlichkeit wird in Deutschland – besonders in Berlin – die Palästina-Solidarität unterdrückt. Es diskreditiert die deutsche Linke weiter, das diese die deutsche Staatsräson unterstützt. Nur ein paar kleine trotzkistische Gruppen, die wachsen, stehen an der Seite des palästinensischen Volkes.

    Germany shame an you

    Aber Gewalt erzeugt Gegengewalt und selbst im postdemokratischen Deutschland lehnt mittlerweile eine Mehrheit der Bevölkerung den Genozid in Gaza ab, sogar einige Teile der AfD. Freilich sind ein paar Antideutsche zur AfD übergelaufen und bringen ihre Islamfeindlichkeit mit.

    Wer die Migration ablehnt, muß die Fluchtursachen bekämpfen! Das erfordert ein Ende des Krieges in der Ukraine, ein freies Palästina und die Aufhebung der antirussischen Sanktionen, die Deutschland mehr schaden als Russland.

    Diese Forderungen drücken die berechtigten Forderungen des werktätigen Volkes dieses Landes aus! Die Verdammten dieser Erde fordern Schluß mit den Kriegen und Investitionen in Bildung, marode Infrastruktur, besseres Gesundheitswesen und höhere Löhne. Das Geld dazu ist da, wenn es nicht in die Ukraine und nach Israel geschickt wird!

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    1 Antwort auf diesen Kommentar anzeigen ▼

  • Juden wollen nur das von anderen Verträge eingehalten werden.

    Vielleicht müssen erst Palästinänsische Flüchtlinge in Deutschand ankommen, damit diese Ihre Menschenrechte geniessen dürfen. Währenddessen Juden auf Palästinänsischem Land dann Landwirtschaft betreiben.

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  • 14.08.2024

    Wenn „Selbstverteidigung“ zu Völkermord wird – Palästinensischer Widerstand gegen zionistischen Terror Von Evelyn Hecht-Galinski

    sicht-vom-hochblauen.de, vom 13. August 2024 Evelyn Hecht-Galinski Kommentar vom Hochblauen, Kommmentar vom Hochblauen pri, Von Evelyn Hecht-Galinski
    Kommentar vom Hochblauen

    Wenn „Selbstverteidigung“ zu Völkermord wird – Palästinensischer Widerstand gegen zionistischen Terror

     

    Wie lange will Deutschland noch die unhaltbaren Positionen der schwerwiegenden Fehlinterpretationen der Geschichte als „Staatsräson“ beibehalten? Der „jüdische Staat“ baute sich von Beginn an über die Geschichte der zionistischen Kolonisierung auf, ethnische Säuberung wurde als „legitimes“ Recht für ein „Volk ohne Land“ für ein „Land ohne Volk“ missbraucht. Es wird immer wieder vergessen, dass der zionistische Landraub Palästinas schon Jahrzehnte vor Hitlers Machtergreifung begann. Sie kamen als Eindringlinge, als bewaffnete Kolonialisten, um zu vertreiben und zu bleiben. So hatten Juden zudem das Privileg, als Nazi-Flüchtlinge und Überlebende eines Vernichtungskriegs nach dem Holocaust bis heute davon zu profitieren. Mit der Nakba bei Staatsgründung 1948 fand diese rücksichtslose Politik der ethnischen Säuberung Palästinas ihren unsäglichen Höhepunkt.

     

    Westlicher Rassismus ermächtigt Israel

     

    Während also von Beginn an jüdische Israelis mit allem Verständnis rechnen konnten, wurde Palästinensern dieses Recht verweigert. Diese westliche Unterstützung hat zu einem unerträglichen Doppelstandard der Wertigkeit und Entmenschlichung von Menschenleben geführt, dass der Tod palästinensischer Zivilisten ohne großes Entsetzen hingenommen wird, „schließlich sind sie Opfer der Hamas“. Handelt es sich dagegen wie am 7. Oktober bei der Widerstandoperation, die die „Al-Aqsa-Flut“ auslöste, um den Widerstand von Palästinensern und den Tod von jüdisch-israelischen Zivilisten, dann ist das Entsetzen groß, und sofort wird propagandistisch vom „größten Judenmord“ seit dem Holocaust gesprochen.

     

    Während Staatschefs aus 14 Ländern sich sofort bemühten, Solidarität mit Israel zu bekunden, anstatt zur Mäßigung aufzurufen. Den westlichen „Werte-Heuchlern“ liegt immer nur der Schutz der jüdischen Israelis am Herzen, während der Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung nicht auf der Agenda steht. Dieser westliche Rassismus, diese Art der Doppelmoral, ermächtigt Israel weiter zu expandieren und Kriege zu führen.

     

    Dieser in Jahrzehnten propagandistisch optimierte Holocaust-Missbrauch ist zu einer wichtigen Waffe des Netanjahu-Regimes geworden. Dieses Mittel allerdings macht immer mehr, gerade auch jüdische Bürger wütend, und sie weigern sich, diese Art der Politik der israelischen Arroganz zu unterstützen.

     

    An mörderischer Chuzpe und Sarkasmus nicht zu überbieten

     

    Wie lange soll eigentlich noch der Mythos eines friedlichen palästinensischen Widerstands, gegen eines der hochgerüsteten rassistischen und rechtsextremen unfriedlichen Besatzerregime, mit einer der „unmoralischsten“ Armeen, die selbst vor Vergewaltigung nicht zurückschreckt, aufrechterhalten werden? Wie lange kann überhaupt noch legal gerechtfertigt werden, eine Ausrottung und einen Völkermord gegen die Bevölkerung von Gaza und Palästina weiter zu unterstützen?

     

    Nicht nur, dass dem „jüdischen Staat“ wie selbstverständlich eine „Lizenz zum Töten“ und jedes Recht auf „Selbstverteidigung“ zugebilligt wird, sondern es wird aktiv gebilligt. Denn nur mit westlicher, an der Spitze mit nach Deutschland gelieferter US-Waffen und logistischer Unterstützung ist dieser Völkermord so „erfolgreich“ möglich. Es wird als geradezu „notwendig“ hingenommen, wenn iranische Wissenschaftler, Hamas- oder Hisbollah-Führer und ihre Familien von Netanjahus Schergen ermordet werden und dabei hunderte von Zivilisten als „Kollateralschäden dran glauben müssen“.

     

    Besonders an Perversität nicht zu überbieten sind israelische „Erklärungen“ nach Massakern, sie wären mit aller Präzision und Vorsicht vorgegangen, um zivile Opfer zu vermeiden. Das ist an mörderischer Chuzpe und Sarkasmus nicht zu überbieten.

     

    Wer ist hier der Aggressor?

     

    Dem zionistischen Regime wird jedes Recht, gegen Iran, Libanon, Syrien, Jemen und Huthis vorzugehen, eingeräumt. Schließlich ist Israel die „einzige Demokratie im Nahen Osten“, gegenüber undemokratischen „Mullah-Regimen“ oder „islamistischen Diktatur-Regimen“. Während Israel gezielt tötet, Iran und Hisbollah droht, stocken die USA ihre Kräfte in Nahost auf und schicken zusätzlich ein Atom-U-Boot und einen Flugzeugträger. Dabei stellt sich hier doch die Frage, wer ist hier der Aggressor und warum könnte ein Gegenschlag erfolgen? Diese Frage aber wird immer wieder ausgeklammert, da sie nicht in die westliche, von USA und Israel bestimmte Politik passt.

     

    Auch Deutschland mit „Kriegsminister“ Pistorius – in neuer „kriegsoptimierter“ Hochstimmung – ist bereit, unsere Seewege vor den Huthis und ihren Angriffen zu schützen. Dabei sind es die Huthis, die zu den Wenigen gehören, die der Bevölkerung von Gaza mit ihren Angriffen gegen Schiffe der Nationen, die Israel aktiv unterstützen, in bewundernswerter Weise beistehen. Nach westlicher Logik ist genau das zu bekämpfen. Warum wird diese Taktik nicht geändert – in die Logik der Bekämpfung israelischen Terrors und einer aktiven Aktion zur Beendigung des Gaza-Kriegs?

     

    Während die Spannung, es könnte zu Vergeltungsschlägen des Iran oder der Hisbollah gegen Israel kommen, täglich geschürt wird, flieht die palästinensische Bevölkerung von einer Todesecke in die nächste. Während deutsche Tagesschau-Zuschauer die israelischen Bunker (von denen Palästinenser träumen) oder das größte Bunker-Lazarett der Welt vorgeführt bekommen, wird der Albtraum Gaza medial immer kürzer gestreift. Dieser von Trümmern, Seuchen und Wassermangel zionistisch heimgesuchte Elendsstreifen ist der Ort eines unvergessenen zionistischen Völkermordverbrechens geworden.

     

    Das israelische Regime kennt nichts außer Gewalt und Zerstörung

     

    Es ist für mich wieder einmal besonders beschämend, wenn sich der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, als Sprachrohr des „jüdischen Staats“ betätigt und die historische Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels bemüht, die zwar nicht rechtlich bindend sei, aber aus einer Sicht natürlich bedeutet, im Falle eines Angriffs in der Größenordnung, wie er aktuell droht, auch militärisch an der Seite des „jüdischen Staats“ zu stehen. Das fordert auch der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) Volker Beck. Dieser war übrigens auch in der Sendung DLF-Kontrovers zu hören – in seiner unverbrüchlichen Israel-Treue und mit seiner Legitimierung von israelischen Taten. Glücklicherweise hatte er einen brillanten Gegenpart mit Michael Lüders, der Volker Beck mehr als desavouierte und das Niveau der Sendung erhöhte. Es lohnt sich diese Sendung nachzuhören! (1)

     

    Schuster, der als Präsident des Zentralrats der Juden eine Glaubensgemeinschaft deutscher Juden vertritt, die auch noch offiziell bezuschusst wird und als Körperschaft des Öffentlichen Rechts fungiert, muss es unterlassen, ein israelisches Regime zu unterstützen, das nichts kennt außer Gewalt und Zerstörung. Warum wird einem jüdischen Vertreter diese einseitige politische Unterstützung für Israel genehmigt – während muslimischen Funktionären so ein Verhalten verweigert wird und mit Repressalien und Razzien geahndet wird. Schließlich gilt das deutsche Grundrecht auf Meinungsfreiheit für all seine Bürger. Deutschlands Geschichte ist kein Grund für Doppelstandards zwischen Juden und Muslimen. Es gibt keine moralische Verpflichtung und keine Rechtfertigung, das „jüdische Volk“ und seine Heimat auf der Basis von Deutschlands Verantwortung für den Holocaust mit deutscher Staatsräson und Waffen zu schützen. Es ist vielmehr durch nichts mehr zu billigen, dieses Regime zu unterstützen, deren Bevölkerung größtenteils dessen Verbrechen und das ausführende System billigt. Diese Bevölkerung demonstriert gegen Regierungschef Netanjahu, aber nur um ihn aufzufordern, einen Waffenstillstand zu unterzeichnen und die jüdischen Geiseln nach Hause zu bringen. Während das Schicksal sie nicht interessiert und sie Netanjahus Pläne teilen, nach einem kurzen Waffenstillstand und Geiselrückgabe, den Völkermord wieder fortzuführen. Erschreckend daher die neuen Umfragewerte, die Netanjahu und seinen Likud im Aufwind zeigen. Das ist an moralischer Verkommenheit kaum zu überbieten und erfordert endlich weitreichende Konsequenzen.

     

    Deutschland ist eines der wenigen Länder, die die IHRA-Fehlinterpretation von Antisemitismus übernommen haben und mit Nachdruck durchsetzen.

     

    Wenn „Völkermord“ zu „Selbstverteidigung“ wird, dann dürfen wir nicht schweigen.

     

     

    Zur Zeit der Verleumder

    Von Erich Fried

     

    Sie nennen mich

    Verräter an meinem Volk

    Sie nennen mich

    Jüdischer Antisemit

    weil ich spreche von dem

    was sie tun in Israels Namen

    gegen Palästinenser

    gegen Araber anderer Länder

    und auch gegen Juden

    die totgeschwiegen werden

    Später einmal

    werden Juden die übrigbleiben

    wenn dieser Wahnsinn vorbei ist

    zu suchen beginnen

    nach Spuren von Juden

    die nicht mittaten

    sondern warnten

    So haben Deutsche gezeigt

    nach dem Untergang Hitlers

    auf Deutsche die tags zuvor

    noch verfolgt wurden oder getötet

    Die sollten nun Zeugen sein

    daß Deutsche auch anders waren

    Ob dann ein Wort

    noch nachlebt

    von meiner Warnung

    Wichtiger aber:

    ob dann in Palästina noch Juden leben

    entronnene jener Vernichtung

    die sie selbst herbeiführen halfen

    durch ihr Unrecht

    zu meiner Zeit?

     

     

    Fußnoten:

     

    1 https://www.deutschlandfunk.de/kontrovers-nahost-wie-raus-aus-der-spirale-der-gewalt-dlf-f09ca34d-100.html

     

     

    In der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ) veröffentlicht in Ausgabe 834 vom 14.08.2024 unter http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29192

     

     

    Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom “Hochblauen”, dem 1165 m hohen “Hausberg” im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch “Das elfte Gebot: Israel darf alles” heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten “Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik” ausgezeichnet.

     

    Info: https://www.sicht-vom-hochblauen.de/wenn-selbstverteidigung-zu-voelkermord-wird-palaestinensischer-widerstand-gegen-zionistischen-terror-von-evelyn-hecht-galinski/


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält

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