Geschacher um Gaza und kaum Hoffnung für die Palästinenser
Startseite » Politik » Konflikte »

Collage: Transition News; Bilder: Midjourney, 341571435 @ Rokas Tenys | Dreamstime.com
transition-news.org, Veröffentlicht am 21. Dezember 2024 von Tilo Gräser
Über neue Gespräche um einen Waffenstillstand zwischen Israel und der palästinensischen Organisation Hamas im Gaza-Streifen berichtet der US-Journalist Seymour Hersh. Er beruft sich auf israelische Informationen über die Interessen im Hintergrund. Die der Menschen im Gaza-Streifen zählen dabei kaum.
Veröffentlicht am 21. Dezember 2024 von TG. Lesedauer: 7 Minuten.
In Doha, der Hauptstadt von Katar, wurden erneut vorläufige Waffenstillstandsgespräche zwischen Israel und der Hamas aufgenommen, wie Medien berichten. Der investigative US-Journalist Seymour Hersh liefert dazu in seinem neuesten Beitrag interessante Hintergrund-Informationen.
Hersh schreibt, er habe «von einem zuverlässigen Israeli» erfahren, dass es bei den neuen Gesprächen auch um die langfristige Beteiligung Saudi-Arabiens und seines Geldes an einem Wiederaufbauplan für Gaza gehe. Zum anderen gehe es dabei um die Forderung, dass die Palästinenser im Westjordanland eine eigene politische Führung erhalten sollen.
«Das heißt, eine Zweistaatenlösung, die vom israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und seinen rechtsgerichteten Kollegen seit langem abgelehnt wird.»
Als Gegenleistung für ihre Unterstützung und ihr Geld würden die USA der saudischen Führung einen «erweiterten Verteidigungsvertrag» anbieten. Saudi-Arabien solle demnach unter den nuklearen US-«Schutzschild» kommen, falls der Iran eine Atombombe erwerben sollte.
Die Angst davor bestehe weiter, obwohl es keine Beweise dafür gebe, dass der Iran «jetzt oder in naher Zukunft den Wunsch und die Fähigkeit hat, die Bombe zu bauen», so Hersh. Aber diese Tatsache werde von den Vereinigten Staaten, ihren Verbündeten und den großen US-Medien «konsequent ignoriert».
Zum saudischen Angebot gehört laut Hershs israelischem Informanten, dass die Saudis wegschauen, wenn die Israelis andere Länder in der Region wie im zersplitterten Syrien bombardieren. Zudem solle Israel Zugang zu einem Flugplatz innerhalb der saudischen Grenzen bekommen.
«Dadurch wären israelische Bomben, die größtenteils von den Vereinigten Staaten geliefert werden, innerhalb von Minuten und nicht von Stunden in der Nähe wichtiger iranischer Ziele.»
Hersh meint dazu, «nichts davon wird passieren», aber die Gespräche würden Israel viel bringen. Er verweist darauf, dass sich der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu derzeit dreimal pro Woche vor einem israelischen Gericht wegen langjähriger Betrugs- und Bestechungsvorwürfe verteidigen müsse. Wobei viele der Antworten lauten würden «Ich erinnere mich nicht» oder «Meine Frau hat sich um diese Dinge gekümmert».
Die israelische Führung habe von der palästinensischen Widerstandsorganisation Hamas erfahren, dass einige Dutzend überlebende Geiseln vom 7. Oktober im Gegenzug für einen formellen Waffenstillstand in Gaza und die Freilassung vieler palästinensischer Gefangener, die von Israel inhaftiert wurden, freigelassen würden. Die Leichen der anderen, die die Tortur nicht überlebt haben, würden ebenfalls zurückgegeben.
«Die einzigen erfolgreichen Gespräche fanden im November 2023 statt, als während einer einwöchigen Waffenruhe 105 Geiseln zurückgegeben und 240 palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen entlassen wurden. Alle Gespräche, die seitdem stattgefunden haben, sind gescheitert.»
Laut seines israelischen Gesprächspartners kommen Israel und die Saudis bei den Gesprächen über die Umsiedlung in Gaza nur langsam voran. Es herrsche vorsichtiger Optimismus, dass es zu einer Einigung kommen wird, die eine langfristige Investition der Saudis in den Wiederaufbau von Gaza beinhalten würde – sobald der Krieg mit der Hamas beigelegt ist.
Ein unmittelbares Ziel sei es, den Weg für eine «Normalisierung» zu ebnen, was die Zustimmung Israels zu einer «gewissen Vertretung der Palästinensischen Autonomiebehörde» im wiederaufgebauten Gaza beinhalten würde. Es gebe aber «keinen Hinweis auf eine neu organisierte Palästinensische Autonomiebehörde», «das gescheiterte Überbleibsel der Oslo-Abkommen, des Abkommens von 1993, das eine Zwei-Staaten-Lösung forderte».
Der 87-jährige US-Journalist stellte klar, dass es auf israelischer Seite «keine unmittelbaren Pläne gibt, die alltägliche Fähigkeit zur Aufrechterhaltung des Lebens in Gaza zu verbessern». Die israelische Luftwaffe greife weiterhin an, obwohl es an Unterkünften, Nahrungsmitteln und angemessenen sanitären Einrichtungen für die 2,25 Millionen Überlebenden des 14-monatigen israelischen Gegenschlags (bei dem mindestens 45.000 Menschen in Gaza getötet wurden – darunter 31.500 Frauen und Kinder –, fehle. Offiziell seien am 7. Oktober 2023 beim Angriff der Hamas und anderer palästinensischer Gruppen 815 israelische Bürger und fast 400 israelische Soldaten und Sicherheitsbeamte getötet worden, insgesamt 1200 Menschen.
Ein komplizierender Faktor sei die Zukunft des nördlichen Gazastreifens in der Nähe israelischer Ballungszentren und in Reichweite vieler Raketen. Hunderttausende von Einwohnern seien von der israelischen Armee in den Süden vertrieben worden, um den Norden in eine «feuerfreie Zone» zu verwandeln.
Während Israel «jede einzelne Struktur» im Gaza-Streifen zerstöre, gebe es «einen hitzigen politischen Kampf», bei dem die religiöse Rechte fordere, dass der Norden des Gaza-Streifens für israelische Siedler geöffnet wird. Zugleich stehe die israelische Führung unter dem Druck der Saudis, «den Norden nicht den Verrückten zu überlassen», zitiert Hersh seinen Informanten.
Die Saudis, die sich derzeit für den Wiederaufbau des nördlichen Gazastreifens einsetzen, hätten alle Parteien daran erinnert, dass es fünf bis sieben Jahre dauern wird, bis der Wiederaufbau der Zone abgeschlossen ist, und hätten gefragt: «Warum die Eile», um über sein Schicksal zu entscheiden. Laut dem US-Journalisten ist eine der Hauptantriebskräfte hinter den erneuten Gesprächen der anhaltende öffentliche und private Druck des gewählten Präsidenten Donald Trump auf die israelische Führung, einem Waffenstillstand zuzustimmen und das Geiseldrama zu lösen.
Trump habe kürzlich auf den Online-Plattformen in Großbuchstaben gewarnt, dass es «ALLES ZU BEZAHLEN GIBT», es sei denn, die Geiseln würden vor seiner Amtseinführung im nächsten Monat freigelassen. «Die Verantwortlichen werden härter getroffen werden als irgendjemand zuvor», habe der nächste US-Präsident gedroht. In der israelischen Führung gebe es einige, die sagten:
«Wenn Trump auf den Deal drängt und die Saudis bereit sind, das Geld aufzubringen, wer sind wir, dass wir nein sagen?»
Laut Hersh gibt es keine offizielle Stellungnahme aus Israel oder Washington zu den Einzelheiten des Waffenstillstands, der derzeit in Doha diskutiert werde. Der arabische Nachrichtensender al Mayadeen berichtete demnach kürzlich über das angebliche Angebot der Hamas, das in Doha auf dem Tisch liegt. Der Sender sagte außerdem, dass bei den Gesprächen «ein bedeutender Fortschritt» erzielt worden sei.
Der mögliche Waffenstillstand würde dem Bericht nach in zwei Phasen ablaufen. In der ersten Phase würde eine 42-tägige Waffenruhe und die Freilassung aller israelischen Frauen, einschließlich weiblicher Mitglieder der israelischen Verteidigungskräfte, von Kindern und älteren Menschen, im Austausch für die Freilassung einer «beträchtlichen» Anzahl palästinensischer Gefangener in israelischen Gefängnissen erfolgen, darunter auch einigen, die lebenslange Haftstrafen verbüßen.
Die Hamas fordert demnach «den Fluss von humanitärer Hilfe, Maschinen und Ausrüstung für Hilfsmaßnahmen» in den betroffenen Gebieten im Gazastreifen sowie den Wiederaufbau von Krankenhäusern und anderen öffentlichen Einrichtungen. Der zweite Teil des Hamas-Angebots verlange einen vollständigen Rückzug des israelischen Militärs aus Gaza, gefolgt vom Austausch der männlichen israelischen Soldaten, die als Geiseln gehalten werden, gegen die Freilassung weiterer Mitglieder der Hamas, die sich seit dem 7. Oktober 2023 in Gefangenschaft befinden.
Hersh meint dazu, «dass die verbliebene Hamas-Führung den falschen Eindruck hat, dass sie ihren unterirdischen Tunnelkrieg mit Israel gewonnen hat». Zugleich stehe Netanjahu «unter extremem politischem Druck, die verbliebenen Geiseln aus den Händen der Hamas zu befreien» und wolle, dass alle Geiseln auf einen Schlag freigelassen werden.
Die israelische Antwort stehe noch aus, sei ihm berichtet worden. Auch dass Trump in seinen Botschaften an die Saudis der dortigen Führung mitgeteilt habe, dass sie von Washington «keinen nuklearen Schutzschild» erhalten werde, bis sie die Beziehungen zu Israel normalisiert habe.
Die langjährige Feindseligkeit zwischen dem saudischen Königreich und den Unterstützern der Muslimbruderschaft, wie Katar, führe zu weiteren Komplikationen. Der israelische Informant habe erklärt, Saudi-Arabien wolle Katar (das die Hamas viele Jahre mitfinanzierte) aus den Palästina-Fragen in Gaza heraushalten. Hersh selbst stellt fest:
«Die Tragödie ist, dass es, selbst wenn eine politische Einigung mit der Hamas und ihren Unterstützern über die Freilassung aller Geiseln und ein Ende des Krieges erzielt werden kann, für die leidenden Männer, Frauen und Kinder in Gaza und für die vielen Geiseln, die unter schrecklichen Umständen in der Gefangenschaft der Hamas starben, zu spät sein wird.»
Es sei «eine Zeit des Wandels, die das Ende der Hamas als Kriegsinstrument markieren könnte». Die neue Führung der palästinensischen Organisation sollte sich aus Sicht des US-Journalisten mit der Tatsache abfinden, dass die jüngsten Luftangriffe Israels im Libanon, in Syrien und im Iran den Nahen Osten neugestaltet haben. Die Hamas habe kaum noch Chancen auf Unterstützung durch ihre einstigen Gönner, selbst in Katar nicht.
Quelle:
Seymour Hersh: THE NEW CEASEFIRE EQUATION (hinter Bezahlschranke) - 20. Dezember 2024
al Mayadeen: Palestinian official reveals Gaza ceasefire outline: Exclusive - 18. Dezember 2024
Info: https://transition-news.org/geschacher-um-gaza-und-kaum-hoffnung-fur-die-palastinenser
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.